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  • 08.09.2010 · IWW-Abrufnummer 102817

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 22.04.2010 – 8 K 783/07 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FG Münster v. 22.04.2010

    8 K 783/07 E

    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten darüber, ob im Jahr 2005 (Streitjahr) aus der gesetzlichen Rentenversicherung vereinnahmte Rentennachzahlungen für frühere Jahre nach den Vorschriften des Alterseinkünftegesetzes mit dem nach § 22 Nr. 1 S. 3 a) aa) Einkommensteuergesetz (EStG) 2005 geltenden Besteuerungsanteil von 50 % bei der Einkommensteuerfestsetzung zu erfassen sind.

    Der Kläger wurde mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Er erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Leibrenten, aus selbständiger Arbeit als Rentenberater sowie aus Gewerbebetrieb.

    In der eingereichten ESt-Erklärung 2005 erklärte der Kläger Einnahmen aus Leibrenten in Höhe von insgesamt 42.729 EUR. Dieser Betrag setzt sich aus laufenden Rentenzahlungen sowie aus einer im Streitjahr zugeflossenen Rentennachzahlung für mehrere Jahre in Höhe von 18.464 EUR zusammen. Als Rentenbeginn ist der 01.02.2004 ausgewiesen.

    In der eingereichten ESt-Erklärung 2005 erklärte der Kläger Einnahmen aus Leibrenten in Höhe von insgesamt 42.729 EUR. Dieser Betrag setzt sich aus laufenden Rentenzahlungen sowie aus einer im Streitjahr zugeflossenen Rentennachzahlung für mehrere Jahre in Höhe von 18.464 EUR zusammen. Als Rentenbeginn ist der 01.02.2004 ausgewiesen.

    Mit Schreiben vom 14.07.2006 legte der Kläger Einspruch gegen die ESt- Festsetzung 2005 ein. Zur Begründung führte er unter anderem an, die Besteuerung der Rentenbezüge mit 50 % verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und sei verfassungswidrig. Die Rentennachzahlung sei nur mit einem Ertragsanteil von 32 % zu besteuern, da es sich um eine Nachzahlung aus dem Jahre 2003 handele. Es läge eine Verletzung des Gleichheitssatzes und eine Doppelbesteuerung vor. Die laufende Rente sei mit dem Ertragsanteil von 27 % der ESt zu unterwerfen. Er habe sich freiwillig der Rentenversicherungspflicht als Selbständiger unterworfen und sei deshalb lebenslang zur Beitragszahlung verpflichtet gewesen. Über die an die Rentenversicherung gezahlten Beträge habe er nicht verfügen können. Im Gegensatz zu Arbeitnehmern, die ihre Beiträge an die Rentenversicherungskasse nur zum Teil aus versteuertem Einkommen zahlten, habe er die Zahlungen an die Rentenkasse vollständig aus versteuertem Einkommen zahlen müssen.

    Wegen hier nicht streitiger Punkte änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung 2005 mit Bescheid vom 14.08.2006 ab.

    Mit Telefax vom 22.02.2007 erhob der Kläger Untätigkeitsklage mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, den Einspruch vom 14.07.2006 gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 zu bescheiden.

    Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 13.04.2007 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte an, die Versteuerung der im Jahr 2005 zugeflossenen Renteneinnahmen sei gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) Einkommensteuergesetz (EStG) 2005 durchführen. Der der Besteuerung unterliegende Anteil der Rente richte sich nach dem Jahr des Rentenbeginns. Für Renten, die in den Jahren vor 2005 begonnen hätten, sei die Besteuerung ab dem Veranlagungszeitraum 2005 mit 50 % vorzunehmen. Maßgeblich sei gem. § 11 EStG der Zufluss der Einnahmen. Die im Veranlagungszeitraum 2005 geltende Rentenbesteuerung führe nicht zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung. Die schrittweise Überleitung der Leibrentenbesteuerung von der Besteuerung des Ertragsanteils auf die volle nachgelagerte Besteuerung sei so abgestimmt, dass mit dem Übergangsmodell die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung erfüllt seien. Im Übrigen habe das BVerfG im Bereich des Steuerrechts eine typisierende und pauschalierende Regelung zugelassen. Die im Einzelfall auftretenden Härten seien hinzunehmen. Ggfls. auftretende geringfügige rechnerische Doppelbesteuerungen seien durch die Typisierungsermächtigung des BVerfG gedeckt.

    Mit Schriftsatz vom 16.04.2007 teilte der Kläger mit, dass die EE des Beklagten vom 13.04.2007 Gegenstand des Klageverfahrens sein soll. Zur weiteren Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, der Gesetzgeber habe es versäumt, bei der Umsetzung der Rentenbesteuerung eine Übergangsvorschrift dergestalt zu erlassen, dass Renten aus der Zeit vor 2005 noch mit dem alten Steuersatz bewertet werden sollen. Durch den Systemwechsel komme es zu ungerechtfertigten Verwerfungen. Eine Übergangsregelung habe sich geradezu aufgedrängt. Hinsichtlich der Rentennachzahlungen sei es zu einer ungleichen Besteuerung gekommen, da die Rente, wäre sie rechtzeitig in den Jahren 2003 und 2004 gezahlt worden, nur mit 32 % der ESt zu unterwerfen gewesen wäre.

    Der Kläger regte die Vorlage nach Art. 100 Grundgesetz beim Bundesverfassungsgericht an, um feststellen zu lassen, dass eine Übergangsregelung zur Besteuerung von Rentennachzahlungen aus den Vorjahren notwendig ist. Außerdem soll das Verfassungsgericht feststellen, dass die Gleichbehandlung bei der Besteuerung von Renten, die an pflichtversicherte Selbständige sowie an Arbeitnehmer ausgezahlt werden, verfassungswidrig ist.

    Mit Schriftsatz vom 07.04.2010 teilte der Kläger mit, dass er durch den angefochtenen Bescheid (nur) insoweit beschwert ist, als die Rentennachzahlungen mit 50 % der Einnahmen statt mit dem Ertragsanteil von 32 % der ESt unterworfen wurden.

    Der Kläger beantragt,

    den ESt-Bescheid für 2005 vom 14.08.2006 in Gestalt der EE vom 13.04.2007 aufzuheben und die ESt neu festzusetzen und hierbei die Rentennachzahlung in Höhe von 18.464 EUR aus dem Jahr 2003 mit 32 % zu versteuern,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise,

    die Revision zuzulassen.

    Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Ausführungen in der EE.

    Der Senat hat am 22.04.2010 in der Sache mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.



    Gründe
    Die Klage ist zulässig.

    Abweichend von § 44 FGO ist nach § 46 FGO eine Untätigkeitsklage auch ohne vorherigen Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes innerhalb einer angemessenen Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Die Klage kann nach § 46 Abs. 1 S. 2 FGO nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Im vorliegenden Fall hat der Kläger die Klage nach Ablauf von 6 Monaten seit Einlegung des Einspruchs erhoben. Der Beklagte hat den eingelegten Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 13.04.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Indem der Beklagte die Einspruchsentscheidung erlassen hat, hat er dem Verpflichtungsbegehren des Klägers, den Einspruch zu bescheiden, entsprochen. Hierdurch kann jedoch der Kläger nicht aus dem Klageverfahren „gedrängt” werden. Wird eine Untätigkeitsklage erhoben und ergeht daraufhin eine Entscheidung, die dem Antrag des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise nicht entspricht, kann die Untätigkeitsklage als Anfechtungsklage fortgeführt werden (vgl. BFH, Urteil vom 19.04.2007, V R 48/04, BStBl. II 2009, S. 315; BFH/NV 2007, 2035; Brandis, in: Tipke/Kruse, § 46 FGO, Rn. 19). Wird daher während des Klageverfahrens der Einspruch zurückgewiesen, so wird das

    Klageverfahren fortgesetzt, ohne dass eine erneute Klage erforderlich oder zulässig wäre (vgl. BFH, Beschluss vom 28.10.1988, III B 184/86, BStBl. II 1989, 107).

    Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene ESt-Bescheid 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

    Der Beklagte hat die dem Kläger im Jahr 2005 zugeflossene Rente steuerlich zutreffend mit einem Besteuerungsanteil von 50 % bei der ESt-Festsetzung berücksichtigt.

    Der Kläger erzielte mit der im Jahr 2005 zugeflossenen Rente sonstige Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG. Zu den in § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG bezeichneten Einkünften gehören nach § 22 Satz 3 a) aa) EStG alle Leibrenten und anderen Leistungen, die aus den gesetzlichen Rentenversicherungen, den landwirtschaftlichen Alterskassen, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und aus Rentenversicherungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG erbracht werden, soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen. Ob diese Leistungen als Rente oder Teilrente (z. B. Altersrente, Erwerbsminderungsrente) oder als einmalige Leistung ausgezahlt werden, ist für die Besteuerung unerheblich. Bemessungsgrundlage für den der Besteuerung unterliegenden Anteil ist der Jahresbetrag der Rente. Der Besteuerungsanteil bestimmt sich nach dem Jahr des Rentenbeginns und beträgt nach der Tabelle in § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG bei einem Rentenbeginn bis 2005 50 % der Einnahmen.

    Sowohl die laufenden Rentenbezüge des Klägers als auch die Rentennachzahlungen sind Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG, weil sie aus der gesetzlichen Rentenversicherung stammen. Sie unterliegen der Besteuerung mit einem Anteil von 50 %, da der Rentenbeginn vor dem Jahr 2005 liegt. Unabhängig davon, wie weit die Rentenzahlungen auf Zeiträume vor 2005 entfallen, sind sie mindestens mit 50% zu versteuern (vgl. Weber-Grellet, in: Schmidt, Kommentar zur ESt, 29. Auflage, § 22, Rn. 101).

    Der Besteuerungsanteil für den Nachzahlungsbetrag, der auf die Jahre 2003 und 2004 entfällt, ist im Streitfall nach dem Alterseinkünftegesetz vom 05.07.2004 (Bundesgesetzblatt I 2004, S. 1327, BStBl. I 2004, 554) zu ermitteln und beträgt im Streitfall 50%. Auch die Besteuerung von Rentennachzahlungen richtet sich nach der im Zuflusszeitpunkt (§ 11 Abs. 1 S. 1 und S. 2 EStG) geltenden Fassung des § 22 Nr. 1 S. 3 a) EStG (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 11.03.2009, 7 K 3215/08 E, EFG 2009, 1381; FG Münster, Urteil vom 24.03.2010, 12 K 2243/08 E, StBW 2010, 488; OFD Frankfurt/M., Rundverfügung vom 04.08.2006, S 2255 A – 23 – St 218; DStR 2006, S. 1796; a.A. FG Niedersachsen, Urteil vom 18.11.2009, 2 K 309/07, EFG 2010, 719). Denn § 52 Abs. 1 EStG bestimmt, dass „diese Fassung des Gesetzes”, also die Gesetzesfassung nach Einführung der geänderten Alterseinkünftebesteuerung, erstmals für den Veranlagungszeitraum 2005 anzuwenden ist, soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist. Die Abs. 2 ff. des § 52 EStG enthalten keine anderweitige Regelung für den zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung für gesetzliche Altersrenten.

    Zwar wäre bei einer rechtzeitigen Zahlung der Rente diese mit dem in den Veranlagungszeiträumen bis 2005 geltenden Ertragsanteil besteuert worden.

    Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 Nr. 1 a EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind Renten, die vor 2005 entstanden sind, mit mindestens 50 % der Steuer zu unterwerfen. Denn die Nachzahlung für vergangene Jahre führt zu einer Erhöhung des Jahresbetrages der Rente, die nach § 22 Nr. 1 S. 3 a) aa) S. 6 EStG zwangsläufig eine Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente nach sich zieht. Die Neuberechnung hat zur Folge, dass im Ergebnis 50% der Rentennachzahlung steuerfrei bleiben.

    Der Senat sieht die Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das Alterseinkünftegesetz auch in Bezug auf die Rentennachzahlung nicht als verfassungswidrig an. Der Gesetzgeber hat seiner Zielsetzung entsprechend eine folgerichtige und den Gleichheitssatz wahrende Regelung für die Besteuerung von Renteneinkünften ehemaliger Arbeitnehmer und Selbständiger geschaffen.

    Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts Niedersachsen, Urteil vom 18.11.2009, 2 K 309/07, a.a.O., ist § 52 Abs. 1 EStG in der für den Veranlagungszeitraum 2005 geltenden Fassung nicht im Wege einer teleologischen Auslegung dergestalt zu reduzieren, dass Rentennachzahlungen für Zeiträume bis zum 31.12.2004, die erst ab dem Veranlagungszeitraum 2005 ausgezahlt werden, nach der bisherigen Systematik der Rentenbesteuerung zu unterwerfen sind. Eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduzierung setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 20.01.2005 , IX ZB 134/04, NJW 2005, 1508). Eine solche Regelungslücke vermag der Senat nicht zu erkennen. Sinn und Zweck des § 52 Abs. 1 EStG ist die Einführung des Alterseinkünftegesetzes und der damit verbundene Systemwechsel der Rentenbesteuerung. Der Gesetzgeber wollte mit dem Alterseinkünftegesetz eine „steuerrechtssystematisch schlüssige und folgerichtige Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen” erreichen (vgl. BT-Drs. 15/2150, S. 1 und 22) und hat hierbei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 umgesetzt. Seit Beginn des Jahres 2005 gilt das Prinzip der nachgelagerten Besteuerung (vgl. hierzu BFH, Urteil vom 26.11.2008, X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl. II 2009, 710; Weber-Grellet, in: Schmidt, EStG, 28. Auflage, § 22, Rn. 101 m.w.N.). Dem Abzug der Vorsorgeaufwendungen – Rentenversicherungsbeiträge – als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 3 EStG steht die grundsätzlich volle steuerliche Erfassung der später vereinnahmten Rentenbeiträge gegenüber. Ausgehend von diesem Zweck des § 52 Abs. 1 EStG erfasst der Wortlaut der Norm nicht ungewollt Rentennachzahlungen. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit § 52 Abs. 1 EStG, dass die im Jahr 2005 vereinnahmten Rentenbezüge nach dem Prinzip der nachgelagerten Besteuerung der Besteuerung unterworfen werden. Die nach 2004 erfolgten Rentennachzahlungen sind mit dem Besteuerungsanteil von 50 % zu erfassen, auch wenn sie Zeiträume vor 2005 betreffen.

    Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass verfassungsrechtlich ein Rückwirkungsverbot gilt. Im vorliegenden Fall wäre lediglich eine unechte Rückwirkung anzunehmen (vgl. BFH, Urteil vom 08.11.2006, I R 69/05 , 70/05, BFH/NV 2007, 616; Urteil vom 19.01.2010, X R 53/08, BFH/NV 2010, 986 m. w. N.). Mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 2 GG ist es grundsätzlich unbedenklich, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert und für die Gesetzesänderung besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen. Die verfassungsrechtlich geforderte Beseitigung der Ungleichbehandlung der Alterseinkünfte bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Finanzierbarkeit der Neuregelung für die öffentlichen Haushalte hat eine so hohe Bedeutung für das Gemeinwohl, dass das Interesse des Klägers an der fortbestehenden Ertragsanteilsbesteuerung seiner Renteneinkünfte dahinter zurücktreten muss (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2010 X R 53/08, BFH/NV 2010, 986).

    Entgegen der Ansicht des Klägers liegt bei der Besteuerung seiner Rentennachzahlung auch keine Ungleichbehandlung vor. Das Steuerrecht ist von der Abschnittsbesteuerung geprägt, so dass der Zuflusszeitpunkt gemäß § 11 EStG im Rahmen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 EStG Beachtung findet (vgl. Heinicke, in: Schmidt, 28. Auflage 2009, § 11 EStG, Rn. 30, Stichwort: „Renten”). Er kann nicht nach dem Gleichbehandlungsprinzip verlangen, dass seine Einnahmen im Jahr 2005 gleich besteuert werden wie die Einnahmen, die einem Steuerpflichtigen im Jahr 2004 zufließen. Es liegen unterschiedliche Sachverhalte vor, die von Gesetzes wegen unterschiedlich behandelt werden (können).

    Soweit der Kläger im Übrigen die Verfassungswidrigkeit der Neuregelung der Rentenbesteuerung rügt, folgt der Senat den Gründen im Urteil des BFH vom 26.11.2008, X R 15/07, BFH/NV 2009, 278. Danach ist die seit 2005 geltende Rentenbesteuerung nach dem Alterseinkünftegesetz verfassungsgemäß. Zur Begründung wird auf die Entscheidung des BFH wegen der Einzelheiten und zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

    Entgegen der Ansicht des Klägers war der Gesetzgeber nicht dazu verpflichtet, eine Übergangsregelung bei der Besteuerung dergestalt zu schaffen, dass die bisherigen Vorschriften zur Besteuerung der Rentenbezüge fortgelten sollten. Dem Gesetzgeber ist ein weiter Gestaltungsspielraum sowohl bei den weichenstellenden Grundentscheidungen als auch im Hinblick auf Art und Maß vertrauensschützender Übergangsregelungen eingeräumt. Er findet seine Grenze in der Anforderung, dass die steuerliche Behandlung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen sind, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird (BVerfG, Urteil vom 06.03.2002, 2 BvL 17/99, BStBl II 2002, 618). Die in § 22 Nr. 1 S. 3 a) aa) EStG vorgenommene (teilweise) Steuerfreistellung ist bereits eine Übergangsregelung zur nachgelagerten Besteuerung der Renteneinkünfte. Mit dem damit verbundenen Systemwechsel setzt der Gesetzgeber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06.03.2002, 2 BvL 17/99, a.a.O. um. Die bis zum Veranlagungszeitraum 2004 geltende Besteuerung war verfassungswidrig. Einen Anspruch auf die fortgesetzte Anwendung verfassungswidriger Vorschriften hat der Kläger nicht.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er in der Sache selbst unterliegt. Die Kosten waren nicht nach § 138 Abs. 2 FGO dem Beklagten aufzuerlegen, weil sich der Rechtsstreit durch den Erlass der Einspruchsentscheidung nicht erledigt hat.

    Die Revision war mit Blick auf die anhängigen Verfahren beim BFH (Az. X R 19/09; X R 1/10) gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO im Hinblick auf die Frage zuzulassen, ob für Rentennachzahlungen für Zeiträume vor 2005 bereits die Gesetzesfassung des § 22 EStG 2005 bei der Einkommensteuerveranlagung 2005 zu Grunde zu legen ist. Der erkennende Senat weicht in seiner Entscheidung von der Entscheidung des FG Niedersachsen, Urteil vom 18.11.2009, 2 K 309/07, ab.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG 2005 § 22 Nr. 1 Satz 3 a) aa) EStG § 11

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