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  • · Fachbeitrag · Photovoltaikanlagen

    Photovoltaik und die Steuern: Fragen aus der Leserschaft zur SSP-Sonderausgabe

    | Die SSP-Sonderausgabe „Fotovoltaik und die Steuern“ ist bei Ihnen auf große und in den allermeisten Fällen auch überaus positive Resonanz gestoßen. Einige Leser haben noch inhaltliche Fragen beigesteuert. Weil wir davon ausgehen, dass diese auch die anderen SSP-Leser interessieren, haben wir den Autor der Sonderausgabe, Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, gebeten, die Fragen zu beantworten. |

    1. Eigenverbrauch: Selbstkosten bei der USt ansetzen?

    Ein Leser hat 2022 eine Photovoltaikanlage installiert. Der Strom wird zu 70 Prozent privat verbraucht und der Rest ins Stromnetz eingespeist. Die Selbstkosten jeder kWh betragen 0,09 Euro. Er fragt sich, ob er für die Umsatzbesteuerung des privat verbrauchten Stroms die geringen Selbstkosten ansetzen kann oder ob der höhere fiktive Einkaufspreis (etwa 0,30 Euro) maßgebend ist?

     

    Fiktiver Einkaufspreis hat Vorrang vor Selbstkosten

    Führt der privat verbrauchte Strom zu einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG, ist für die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG der fiktive Einkaufspreis im Zeitpunkt des Umsatzes maßgebend (BFH, Urteil vom 12.12.2012, Az. XI R 3/10, Abruf-Nr. 130718). Wird von einem Energieversorger zusätzlich Strom bezogen, liegt ein dem selbstproduzierten Strom gleichartiger Gegenstand vor, dessen Einkaufspreis für die Besteuerung anzusetzen ist. Wird neben dem selbstproduzierten Strom kein weiterer Strom bezogen, ist als fiktiver Einkaufspreis der Strompreis des örtlichen Stromgrundversorgers anzusetzen (2.5 Abs. 15 UStAE mit Beispiel zur Berechnung in 2.5 Abs. 16).

     

    Die Selbstkosten können nur dann als Bemessungsgrundlage angesetzt werden, wenn ein Marktpreis nicht ermittelbar ist oder sich aus anderen Gründen ein Einkaufspreis am Markt für einen gleichartigen Gegenstand nicht ermitteln lässt (10.6 Abs. 1 UStAE). Damit ist ein Ansatz der Selbstkosten für den Eigenverbrauch bei der Entnahme von Strom nicht möglich. Folglich ist nicht 0,09 Euro je kWh, sondern der marktübliche Preis von 0,30 Euro anzusetzen.

     

    Zwei Strategien zur Reduzierung der „Überbesteuerung“

    Um die „Überbesteuerung“ zu mindern, gibt es zwei Optionen:

     

    • 1. Anlage dem Unternehmen nur anteilig zuordnen: Wird die Anlage nur in dem Umfang dem Unternehmen zugeordnet, in dem der Strom voraussichtlich ins Netz eingespeist wird (30 Prozent), wird nur insoweit eine steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe ausgelöst, wie der private Stromverbrauch den nicht dem Unternehmen zugeordneten Anteil (70 Prozent) übersteigt. Folge: Werden maximal 70 Prozent des Stroms privat verbraucht, erfolgt keine Besteuerung. Werden z. B. 75 Prozent des Stroms privat verbraucht, müssen nur die übersteigenden fünf Prozent versteuert werden.
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    • Die Kehrseite: Der Vorsteuerabzug reduziert sich auf den Umfang, wie die Anlage dem Unternehmen zugeordnet wurde (30 Prozent). Erhöht sich allerdings der Anteil der Einspeisung auf mehr als 30 Prozent, kommt aus Billigkeitsgründen eine Erhöhung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG in Betracht (15a.1 Abs. 7 UStAE).

     

    • 2. Überbesteuerung sechs Jahre akzeptieren: Die Besteuerung des selbstverbrauchten Stroms mit dem Marktpreis wird für das Jahr der Inbetriebnahme und die folgenden fünf Jahre akzeptiert. Danach wird die Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG angewandt. Zwar reduziert sich dann die Einspeisevergütung des Netzbetreibers um 19/119, jedoch entfällt auch in Gänze die Besteuerung des selbstverbrauchten Stroms.
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    • Vorteil: Ihnen steht weiterhin der volle Vorsteuerabzug aus der Installation zu.

    2. Eigenverbrauch: Kann EEG-Vergütung angesetzt werden?

    In der Sonderausgabe sind drei ertragsteuerliche Möglichkeiten zur Besteuerung des Eigenverbrauchs vorgestellt worden. Eine davon ist, den Entnahmewert retrograd aus dem Strompreis des Energieversorgers abzuleiten und von diesem einen Gewinnaufschlag von 20 Prozent abzuziehen. Ein Leser möchte wissen, ob bei der retrograden Ermittlung nicht auch auf die Vergütung lt. EEG abgestellt werden kann. Diese wäre ja oft erheblich niedriger (meist weniger als zehn Cent je kWh).

     

    Die Antwort lautet „Leider nein“. Nur die genannten Möglichkeiten sind von Rechtsprechung und Verfügungen der Landesfinanzbehörden gedeckt. Alternativ retrograd auf die Vergütung lt. EEG abzustellen, ist nicht möglich. Denn die Vergütung lt. EEG stellt nicht den für die retrograde Methode maßgebenden Marktpreis dar. Es handelt sich vielmehr um eine gesetzlich festgelegte Größe, zu welcher einige wenige Energieversorger den produzierten Strom abnehmen müssen ‒ unabhängig von der Werthaltigkeit des Stroms und unabhängig von den Marktbedingungen.

     

    Der für die retrograde Methode maßgebende Marktpreis ist hingegen der Betrag, der sich auf dem freien Markt im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage gebildet hat. Also der Preis, welchen der Energieversorger für den Strom verlangt und zu dessen Konditionen der Photovoltaik-Anlagenbetreiber Strom bezieht. Zwar schwankt auch dieser (wie sich jüngst deutlich gezeigt hat), jedoch schwankt er aufgrund wechselnder Marktverhältnisse.

    3. Dachintegrierte Anlagen und die Vorsteuerberichtigung

    In Frage drei will ein Leser wissen, wie lange der Berichtigungszeitraum bei dachintegrierten Anlagen ist. In § 15a UStG stehe, dass der Berichtigungszeitraum für normale Photovoltaikanlagen fünf und für dachintegrierte Photovoltaikanlagen zehn Jahre betrage. In R 4.2 Abs. 3 S. 4 EStR sei dagegen geregelt, dass dachintegrierte Anlagen wie selbstständige bewegliche Wirtschaftsgüter zu behandeln seien. Somit müsste für diese Anlagen doch ebenfalls der fünfjährige Berichtigungszeitraum gelten ‒ oder?

     

    Die Berichtigungszeiträume des § 15a Abs. 1 UStG

    Grundsätzlich beträgt der Berichtigungszeitraum des § 15a Abs. 1 UStG fünf Jahre. Dieser Zeitraum gilt z. B. für normale Photovoltaikanlagen (Aufdachanlagen). Die Berichtigungsdauer verlängert sich aber auf zehn Jahre, wenn es sich bei dem Wirtschaftsgut um ein Grundstück einschl. seiner wesentlichen Bestandteile handelt (§ 15a Abs. 1 S. 2 UStG).

     

    Darum gelten für dachintegrierte Photovoltaikanlagen zehn Jahre

    Dachintegrierte Anlagen erfüllen zwei Zwecke: Mit der Photovoltaikanlage soll Strom erzeugt werden. Zweck zwei besteht darin, die Dacheindeckung zu ersetzen. Letzteres ist der Grund, weshalb es sich bei dachintegrierten Anlagen um einen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes handelt (§ 94 Abs. 2 BGB). Damit gilt ein Berichtigungszeitraum zur Korrektur des Vorsteuerabzugs von zehn Jahren. Das gilt unabhängig davon, ob es sich bei der Anlage um eine Betriebsvorrichtung handelt oder diese ertragsteuerlich als solche gilt (BFH, Urteil vom 14.07.2010, Az. XI R 9/09, Abruf-Nr. 103637; OFD Karlsruhe, Verfügung vom 13.08.2019, Az. S 7104, Tz. 5; OFD Frankfurt, Verfügung vom 07.03.2012, Az. S 7316 A-2-St 113; Frye in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 15a, Rz. 314 und Hundt-Eßwein in: Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 15a, Rz. 33).

     

    PRAXISTIPP | Die Einstufung als wesentlicher Bestandteil des Gebäudes führt dazu, dass bei einer Veräußerung der Immobilie auch der auf die Photovoltaikanlage entfallende Kaufpreis der Grunderwerbsteuer unterliegt. Im Gegenzug ist die Veräußerung nach § 4 Nr. 9a UStG umsatzsteuerfrei. Die steuerfreie Veräußerung kann zur Korrektur des Vorsteuerabzugs führen. Es besteht aber auch eine Optionsmöglichkeit zur Umsatzsteuerpflicht (§ 9 Abs. 1 und 3 UStG). Der Kaufpreis ist dann auf die Immobilie und die dachintegrierte Anlage aufzuteilen. Schuldner der Umsatzsteuer ist der Erwerber (§ 13b Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 UStG).

     

    Die Wirkung von R 4.2 Abs. 3 S. 4 EStR

    Die Einkommensteuer-Richtlinie (EStR) gilt nur für ertragsteuerliche Zwecke. Hintergrund ist, dass eine dachintegrierte Photovoltaikanlage als wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes nach Gebäudegrundsätzen abgeschrieben werden müsste. Da es sich ertragsteuerlich jedoch um ein selbstständiges bewegliches Wirtschaftsgut handelt, kann die dachintegrierte Anlage ‒ wie eine normale Anlage ‒ über 20 Jahre abgeschrieben werden.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Sonderausgabe mit Stand 10/2022 „Fotovoltaik und die Steuern: So bewahren Sie den Durchblick und wählen das passende Steuermodell“, ssp.iww.de → Abruf-Nr. 48593701
    Quelle: Ausgabe 11 / 2022 | Seite 20 | ID 48565261

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