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  • 26.08.2011 · IWW-Abrufnummer 112849

    Oberlandesgericht Oldenburg: Beschluss vom 06.07.2011 – 1 Ws 351/11

    Die für die Wertgebühr Nr. 4142 VV RVG maßgebende Höhe des Verfalls richtet sich nach den zum Zeitpunkt der Beratung erkennbaren Anhaltspunkten.


    1 Ws 351/11

    In der Strafsache
    ...
    hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
    am 06. Juli 2011
    durch
    die unterzeichnenden Richter
    beschlossen:

    Tenor:
    Die Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 1. Juni 2011 wird als unbegründet verworfen.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe
    Rechtsanwalt v.D. war Verteidiger des Angeklagten in dem beim Landgericht Osnabrück anhängig gewesenen Strafverfahren, das am 15. Dezember 2010 mit dem Freispruch des Angeklagten und der Verpflichtung der Landeskasse zur Tragung der notwendigen Auslagen des Freigesprochenen endete. Dieser war angeklagt gewesen, unerlaubt mit Betäubungsmitteln in großen Mengen gehandelt zu haben. In der Anklageschrift war auch beantragt worden, den Verfall von 462.250 EUR als Wertersatz anzuordnen.

    Mit Antrag vom 24. März 2011 hat Rechtsanwalt v.D. für seine Tätigkeit in Bezug auf die Abwehr des von der Staatsanwaltschaft beantragten Verfalls die Festsetzung und Erstattung einer Gebühr nach VV RVG Nr. 4142 (Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen) in Höhe von 2.878 EUR Euro beantragt, wobei er als Gegenstandswert die Höhe des in der Anklage beantragten Verfallbetrages zu Grunde gelegt hat.

    Diesen Wert hält der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Osnabrück für zu hoch, weil der in der Anklage genannte Verfallsbetrag angesichts der Vermögenslage des früheren Angeklagten nicht werthaltig gewesen sei. Er hat deshalb eine niedrigere gerichtliche Wertfestsetzung beantragt.

    Mit Beschluss vom 1. Juni 2011 hat das Landgericht Osnabrück den Gegenstandswert der Verfallsanordnung auf den in der Anklage bezeichneten Wert - 462.250 EUR - festgesetzt und zur Begründung u.a. ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, dass der Fiskus nicht in dieser Höhe hätte befriedigt werden können.

    Hiergegen wendet sich der Bezirksrevisor namens der Landeskasse mit der vorliegenden Beschwerde. Zur Begründung vertieft er sein Vorbringen, die Verfallsanordnung sei in der sich aus der Anklage ergebenden Höhe nicht werthaltig gewesen. Seinerzeit hätten auch noch keine tragfähigen Vermögensermittlungen vorgelegen. Inzwischen habe sich herausgestellt, dass bei dem früheren Angeklagten allenfalls 4.000 EUR hätten beigetrieben werden können.

    Die nach § 33 Abs. 3 RVG statthafte Beschwerde, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig. Insbesondere ist der nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG erforderliche Beschwerdewert erreicht, denn die Beschwerdeführerin wendet sich gegen eine Wertfestsetzung, die zu einer mehr als 200 EUR höheren Gebühr zu Lasten der Landeskasse führte.

    Der Senat entscheidet in der Besetzung mit drei Richtern, weil die angefochtene Entscheidung nicht von einem Einzelrichter, sondern von der Kammer des Landgerichts erlassen worden ist, § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG.

    Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

    Die anwaltliche Beratung eines Angeklagten bezüglich eines von der Staatsanwaltschaft gestellten Verfallantrages löst die Gebühr nach Nr. 4142 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (Nr. 4142 W RVG) aus. Dies findet seinen Sinn darin, dass der Einsatz des Rechtsanwalts zur Bewahrung des Eigentums des Mandanten besonders abgegolten werden soll. Die Gebühr ist - unabhängig vom Umfang der konkret entfalteten Bemühungen des Rechtsanwalts - als reine Wertgebühr ausgestaltet.

    Die vorliegend von Rechtsanwalt v.D. durchgeführte Beratung zur Abwehr des von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift beantragten Verfalls von WerterSatz 1öste diese Gebühr aus. Die Beratung war geboten, weil in der Anklageschrift der Verfall beantragt worden war. Die für die Wertgebühr maßgebende Höhe des Verfalls richtet sich nach den zum Zeitpunkt der Beratung erkennbaren Anhaltspunkten. Diese fand hier nach Anklageerhebung, aber vor Beginn der Hauptverhandlung statt. Damit war die Gebühr auf der Grundlage des zu dieser Zeit gegebenen Gegenstandswertes entstanden. Ob sich später, etwa in der Hauptverhandlung, Anhaltspunkte für einen niedrigeren Wert ergeben haben, ist insoweit unerheblich. Deshalb kommt es (im Falle einer Verurteilung) auch nicht darauf an, in welcher Höhe letztlich das Gericht den Verfall von Wertersatz festgesetzt hat, vgl. OLG Stuttgart Beschl. v. 24.8.2010, Aktz.: 5 Ws 151/10 bei [...]; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 683; KG NStZ-RR 2005, 358.

    Vorliegend belief sich für den damit maßgeblichen Zeitpunkt der Wert auf die Höhe des in der Anklageschrift beantragten Verfalls. Zu dieser Zeit bestanden auch keine Anhaltspunkte für eine fehlende Werthaltigkeit dieses Betrages. Nach der Anklage hatte der Angeklagte einen schwunghaften Handel mit Rauschgift im großen Stil betrieben, woraus entsprechende Erlöse flossen.

    Andernfalls hätte im Übrigen die Staatsanwaltschaft auch schwerlich in der Anklage einen Verfallsantrag in dieser Höhe gestellt. Die anderslautende, im Nachhinein vom Bezirksrevisor eingeholte Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 21. Juni 2011 erstaunt. Wenn die Staatsanwaltschaft schon seinerzeit intern davon ausging, realistischerweise sei nur ein ganz geringer Bruchteil des beantragten Verfalls zu realisieren, hätte sie ihren Verfallsantrag dem anpassen müssen, wenn sie keinen Anlass zu einer Verteidigertätigkeit wegen des weitaus höher beantragten Wertes geben wollte. Tut sie dies nicht, so kann dem Angeklagten, der gerade in Hinblick auf den von der Staatsanwaltschaft konkret beantragten Verfall anwaltlichen Rat sucht, nicht im Nachhinein vorgehalten werden, der gestellte Verfallsantrag habe von Anfang an keine realistische Grundlage gehabt. Ob etwas anderes gelten müsste, wenn die fehlende Werthaltigkeit des Verfallantrages ganz offenkundig ist, kann dahin stehen, denn so liegt es hier nicht.

    Die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung des BGH vom 24. März 2009 (wistra 2009, 284) gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Sie verhält sich nicht zu der - hier maßgeblichen - Frage, auf welchen Zeitpunkt die Wertfestsetzung zu beziehen ist.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.

    RechtsgebietRVGVorschriften§ 2 Abs. 2 RVG § 33 Abs. 3 RVG