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  • 08.04.2021 · IWW-Abrufnummer 221624

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 24.09.2020 – 26 U 69/19

    Mit dem in § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG verwendeten Begriff des Rechtsstreits ist lediglich der Gebührenprozess zwischem dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber gemeint, nicht aber der Rechtsstreit zwischen dem Auftraggeber des Rechtsanwalts und einem Dritten, der zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten verpflichtet ist.


    OLG Frankfurt
    26. Zivilsenat

    24.09.2020


    Tenor

    Auf die Berufungen der Klägerin und Beklagten wird das am 15. November 2019 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen teilweise abgeändert.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 12.774,76 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus einem Betrag in Höhe von € 13.359,97 für den Zeitraum vom 29. Januar 2019 bis zum 26. August 2020 sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von € 12.774,76 ab dem 27. August 2020 Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges VW Golf V, VI 2.0 TDI Variant mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) … nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief und Serviceheft zu zahlen.

    Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.029,35 freizustellen.

    Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

    Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 20,0 % der Kosten des ersten Rechtszuges und 15,0 % der Kosten des zweiten Rechtszuges und die Beklagte 80,0 % der Kosten des ersten

    Rechtszuges und 85,0 % der Kosten des zweiten Rechtszuges zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und von der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 1, 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

    II.

    Die zulässigen Berufungen haben in der Sache in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg.

    1. Der Klägerin kann von der Beklagten gemäß § 826 BGB die Zahlung von € 12.774,76 nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verlangen.

    a. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB auf Erstattung des für den Erwerb des im Tenor genannten Fahrzeugs verauslagten Kaufpreises abzüglich eines Vorteilsausgleichs für die von ihr gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung dieses Fahrzeugs. Die Beklagte hat der Klägerin in einer im Sinne des § 826 BGB gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt (vgl. zur Herstellerhaftung aus § 826 BGB im Rahmen des sog. Abgasskandals BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1963 ff.).

    Die Beklagte hat die Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug durch eine arglistige Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes - KBA - erschlichen. Dies steht wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Klägerin gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1965).

    Die installierte Motorsteuerungssoftware enthielt mit der „Umschaltlogik“ eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) 715/2007 (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1963 f.).

    Die Beklagte hat dem KBA bei der Erlangung der (jeweiligen) Typgenehmigungen durch das Verwenden der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgespiegelt, das Fahrzeug werde auf dem Prüfstand unter den Motorbedingungen betrieben, die auch im normalen Fahrbetrieb zum Einsatz kommen, und sie hat dadurch über das Einhalten der gesetzlichen Abgaswerte getäuscht, um die Typgenehmigung auf kostengünstigem Weg zu erhalten. Die Abschalteinrichtung wurde auf der Grundlage einer strategischen unternehmerischen Entscheidung über Jahre hinweg nicht nur im Unternehmen der Beklagten selbst, sondern auch bei mehreren Tochterunternehmen in verschiedenen Fahrzeugmodellen durch aktive, im Hinblick auf dieses Ergebnis gewollte präzise Programmierung der Motorsteuerungssoftware zur Beeinflussung der Abgasrückführung in die Motorsteuerung eingebaut, wobei bei einer Entdeckung der verwendeten Software gemäß § 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte erfolgen können (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1964 f.).

    Die vorgenannte arglistige Täuschung gegenüber dem KBA steht wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Klägerin als Käuferin des im Tenor genannten Fahrzeugs gleich.

    Es besteht ein erhebliches Ungleichgewicht im Hinblick auf das bei den Herstellern und den Käufern der Fahrzeuge vorhandene (technische) Wissen in Bezug auf die Funktionsweise der hergestellten und vertriebenen Fahrzeuge. Arglose Käufer der bemakelten Fahrzeuge mussten daher mangels eigener Möglichkeiten, das Einhalten der entsprechenden gesetzlichen Vorgaben auch nur nachvollziehen, geschweige denn kontrollieren zu können, darauf vertrauen, dass die gesetzlichen Vorgaben von der Beklagten eingehalten worden waren; gleichzeitig durften sie sich angesichts der die Beklagte nach den genannten Regelungen treffenden Pflichten und insbesondere im Hinblick auf das Typgenehmigungsverfahren darauf auch verlassen. Der Käufer eines Fahrzeugs setzt daher - gleichgültig, ob er das Fahrzeug neu oder gebraucht erwirbt - die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben arglos als selbstverständlich voraus (s. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1965). Das betrifft auch den Gebrauchtwagenkäufer, dessen Fahrzeug bereits über eine Erstzulassung (§ 6 Abs. 3 Satz 1 FZV) verfügt, bei der die von dem Inhaber der EG-Typgenehmigung für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug auszustellende Übereinstimmungsbescheinigung nach Art. 18 in Verbindung mit Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG vorgelegen hat, § 6 Abs. 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung - EG-FGV - (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1965).

    Die Täuschungshandlung der Beklagten ist auch sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB.

    Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1963). Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1963 f.).

    Nach diesem Maßstab liegt ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten vor.

    Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs kommt allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Zum einen erscheint es lebensfremd, dass die Beklagte das mit dem Verwenden der Abschaltsoftware verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegangen wäre, zum anderen trägt die Beklagte selbst keinen anderen Grund vor.

    Zwar ist ein Handeln mit Gewinnstreben nicht per se als verwerflich, sondern als erlaubt anzusehen. Das an sich erlaubte Ziel der Erhöhung des Gewinns wird auch im Verhältnis zu dem Käufer eines der betroffenen Fahrzeuge aber dann verwerflich, wenn es auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Typgenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde - des KBA (§ 2 Abs. 1 EG-FGV) - erreicht werden soll, und dies mit einer Gesinnung verbunden ist, die sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig zeigt (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1964; Arnold, JuS 2020, 684, 685). Ein solches Vorgehen verstößt derart gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr auf dem hier betroffenen Markt für Kraftfahrzeuge, dass ein Ausgleich der bei den einzelnen Käufern verursachten Vermögensschäden geboten erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1964).

    Durch diese Täuschung hat die Klägerin einen Vermögensschaden erlitten, der in dem Abschluss des Kaufvertrages liegt.

    Der Schaden der irre geführten Käuferin liegt in der Belastung mit der ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. Allein maßgebend ist, dass der abgeschlossene Vertrag, nämlich die Eigenschaften des Kaufgegenstands, nicht den berechtigten Erwartungen der Getäuschten entsprach und überdies die Leistung für ihre Zwecke nicht voll brauchbar war (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1967 f.). Beide Voraussetzungen waren im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gegeben, weil im Streitfall wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Entziehung der EG-Typgenehmigung oder die Anordnung von Nebenbestimmungen sowie bei deren Nichterfüllung die Stilllegung des Fahrzeugs drohte. Wegen des zur Rechtswidrigkeit der EG-Typgenehmigung führenden und damit die Zulassung des Fahrzeugs gefährdenden Mangels war der Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, bereits vor einer tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet. Denn wird die EG-Typgenehmigung entzogen, droht die Stilllegung; werden Nebenbestimmungen angeordnet, ist die fortdauernde Nutzbarkeit von einer Nachrüstung des Fahrzeugs durch den Hersteller abhängig.

    Der Schaden entfällt auch nicht durch die später vorgenommene Installation des von der Beklagten zur Erfüllung der vom KBA angeordneten Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung entwickelten Software-Updates. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, kommt es allein auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses an. Das Update ist insoweit rechtlich lediglich als Angebot zur Verhinderung weiterer Nachteile zu bewerten. Der im Juni 2014 unter Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der Klägerin sittenwidrig herbeigeführte ungewollte Vertragsschluss, der im Rahmen des § 826 BGB den Schaden begründet, wird auch durch ein - zumal angesichts einer anderenfalls drohenden Betriebsuntersagung vorgenommenes - Software-Update nicht rückwirkend zu einem gewollten Vertragsschluss (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1969; Senat, Urteil vom 03.09.2020 - 26 U 59/19 -, Entscheidungsumdruck, S. 7).

    Der Schaden der Klägerin beruht auch kausal auf der von der Beklagten verübten Täuschung.

    Hierbei kommt es nicht auf die konkreten Vorstellungen der Klägerin als Käuferin hinsichtlich der Einhaltung der Euro 5-Grenzwerte oder der Umweltfreundlichkeit des Fahrzeugs an. Maßgeblich ist, dass die Käuferin eines für die Nutzung im Straßenverkehr bestimmten Personenkraftwagen allgemein davon ausgeht, dieser habe die erforderliche Typgenehmigung regulär und nicht durch eine den Zulassungsbehörden verheimlichte Manipulation erhalten. Die Käuferin erwartet gerade keine späteren Unsicherheiten in Bezug auf die Zulassung ihres Fahrzeuges zum Straßenverkehr aufgrund einer Täuschung der Beklagten.

    In aller Regel werden Kraftfahrzeugkäufer vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen, wenn ihnen bekannt ist, dass das betreffende Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis zur Stilllegung des betroffenen Fahrzeugs drohen. Denn Zweck des Autokaufs ist grundsätzlich der Erwerb zur Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1968).

    Die subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB liegen vor, denn die Beklagte kannte die Umstände, welche die Sittenwidrigkeit begründen und handelte mit Schädigungsvorsatz.

    Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Er enthält ein Wissens- und Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Es genügt dabei bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen. Für den getrennt davon erforderlichen subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1969; Sprau, in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 826, Rdnr. 8).

    Da es sich bei der Beklagten um eine juristische Person handelt, ist für eine Haftung aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB erforderlich, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat. Dabei müssen die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat.

    Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2018 - I ZR 150/15 -, NJW 2018, 2412, 2414; Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1966; Senat, Teilurteil vom 30.04.2020 - 26 U 31/18 -, Entscheidungsumdruck, S. 17 f.; Arnold, JuS 2020, 684, 686). In diesen Fällen kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden.

    Steht die Anspruchstellerin - wie die Klägerin - vollständig außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs, dann genügt es, die allgemeine Behauptung der Anspruchstellerin ausreichen zu lassen und auf eine weitere Substantiierung zu verzichten. So liegt es jedenfalls dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für diese Behauptung bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1966 f.).

    Die Klägerin hat einen entsprechenden Schädigungsvorsatz des Vorstandes der Beklagten behauptet und zwar auch schon für den maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Juni 2014. Bereits in ihrer Klageschrift hat die Klägerin u. a. behauptet, dass der Vorstand der Beklagten von dem Einsatz der illegalen Abschalteinrichtung („defeat device“) ebenso Kenntnis hatte wie von der Tatsache, dass die betroffenen Autokäufer - wie die Klägerin - durch den Kauf eines betroffenen Fahrzeugs einen Schaden erleiden würden (s. etwa S. 31 ff. der Klageschrift, Bl. 35 ff. d. A.; s. ferner S. 52 der Klageschrift, Bl. 56 d. A., und S. 58 der Klageschrift, Bl. 62 d. A.; s. überdies die S. 2 ff. des Anwaltsschriftsatzes der Klägerin vom 12. April 2019, Bl. 277 ff. d. A.).

    Bei dieser Sachlage genügt der Vortrag der Klägerin zur Kenntnis des Vorstands der Beklagten, um eine sekundäre Darlegungslast auf Seiten der Beklagten auszulösen.

    Folge der sekundären Darlegungslast ist zum einen, dass der Anspruchsgegner sich nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen kann, sondern die Behauptungen des Gegners in zumutbarem Umfang durch substantiierten Vortrag entgegentreten muss. Genügt er dem nicht, gilt der Vortrag der Klagepartei als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2018 - I ZR 150/15 -, NJW 2018, 2412, 2414; Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1966).

    Danach wäre es Sache der Beklagten gewesen, durch konkreten Tatsachenvortrag Umstände darzulegen, aufgrund derer eine Kenntnis des Vorstands und der sonstigen Repräsentanten ausscheidet. Dies hätte im Streitfall die Benennung derjenigen Personen im Unternehmen notwendig gemacht, welche die Entwicklung der in Rede stehenden Softwarefunktion beauftragt bzw. welche diese bei einem Zulieferer bestellt haben sowie die Darstellung der üblichen Abläufe bei einer solchen Beauftragung und der Organisation von Entscheidungen solcher Tragweite.

    Diesen Anforderungen genügt das Bestreiten der Beklagten nicht. Die Beklagte kann sich nicht darauf zurückziehen, nach derzeitigem Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass eines ihrer Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sei oder die Entwicklung oder Verwendung der Software in Auftrag gegeben bzw. davon gewusst habe (s. etwa S. 60 der Klageerwiderung, Bl. 172 d. A.). Es besteht nämlich eine Vermutung für die Kenntnis des Vorstands, die sich aus den Indizien für eine Kenntnis speist. Die strategische und wirtschaftliche Bedeutung der Frage nach der Einhaltung der Abgaswerte gekoppelt mit der Zahl der betroffenen Fahrzeuge und der mangelnden Transparenz sind hier ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass die Vorstandsmitglieder nicht nur fachlich in der Lage waren, die Problemlage zu erfassen und die Lösungswege zu erkennen, sondern dies auch in deren Zuständigkeit fiel (vgl. etwa OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18 -, NJW 2019, 2237, 2242). Es ist der Beklagten nicht gelungen, diese Vermutung zu entkräften. Nach ihrem eigenen Vorbringen weiß die Beklagte selbst nicht, wer wann Kenntnis hatte. Sie zieht sich vielmehr auf den Standpunkt zurück, nach dem derzeitigen Sachstand sei von Unkenntnis auszugehen - und dies obwohl es sich um Vorgänge handelt, die in ihre eigene Unternehmensverantwortung fallen. Dies zeigt, dass die Klägerin das ihr Mögliche vorgetragen hat. Demgegenüber ist es der Beklagten zumutbar, nähere Angaben zu machen. Ihr Vortrag impliziert, die Entscheidung über die Verwendung der Software sei von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene, mithin auf nachgeordneten Arbeitsebenen getroffen worden. Damit macht sie deutlich, diesbezügliche Kenntnisse zu haben, da sie anderenfalls einen entsprechenden Vortrag nicht hätte halten könnte. Wenn sie aber weiß und auch wissen muss, wer unterhalb der Vorstandsebene wann welche Kenntnis gehabt hat, ist es ihr auch möglich nachzuvollziehen, ob eine entsprechende Kenntnis an den Vorstand weitergegeben wurde oder nicht. So oder so muss eine entsprechende Entscheidung von jemandem getroffen worden sein. Warum es ihr nicht möglich sein soll, dies in Erfahrung zu bringen und vorzutragen, ist nicht plausibel (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1967; OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18 -, NJW 2019, 2237, 2242 f.). Die Beklagte hat nach ihren öffentlichen Bekundungen eigene Untersuchungen veranlasst. Zudem hat sie sich unterschiedlichen staatsanwaltschaftlichen und behördlichen Untersuchungen ausgesetzt gesehen. Obwohl mithin mehrere Erkenntnisquellen zur Verfügung standen, hat sie - trotz des Ablaufs mehrerer Jahre - nichts zu den hieraus gewonnenen Erkenntnissen mitgeteilt (vgl. etwa OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18 -, NJW 2019, 2237, 2242 f.).

    Der Klägerin ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden ist, §§ 826, 249 Abs. 1 BGB, der - wie oben bereits erwähnt - in dem Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug liegt (vgl. dazu näher BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1967 f.). Im Streitfall ist die Klägerin veranlasst durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten eine ungewollte Verpflichtung eingegangen. Dabei kann dahinstehen, ob sie einen Vermögensschaden dadurch erlitten hat, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs eine objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht gegeben war (§ 249 Abs. 1 BGB), auch wenn dafür angesichts des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen verdeckten Sachmangels, der zu einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte führen können (vgl. etwa BGH, Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 -, NJW 2019, 1133, 1135 f.), einiges spricht. Denn ein Schaden ist hier jedenfalls deshalb eingetreten, weil der Vertragsschluss nach den oben genannten Grundsätzen als unvernünftig anzusehen ist. Die Klägerin hat durch den ungewollten Vertragsschluss eine Leistung erhalten, die für ihre Zwecke nicht voll brauchbar war (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1968).

    Der erkennende Einzelrichter ist davon überzeugt (§§ 525 Satz 1, 286 ZPO), dass die Klägerin den Kaufvertrag in Kenntnis der illegalen Abschalteinrichtung nicht abgeschlossen hätte. Bei einem zur eigenen Nutzung erworbenen Kraftfahrzeug sind dessen Gebrauchsfähigkeit und ständige Verfügbarkeit für den Eigentümer von so großer Bedeutung, dass die vorübergehende Entziehung eines Kraftfahrzeugs auch bei der Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs einen Vermögensschaden darstellt. Der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs wirkt sich typischerweise als solcher auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant aus; bei generalisierender Betrachtung erfolgen Anschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs in erster Linie um des wirtschaftlichen Vorteils willen, der in der Zeitersparnis liegt. Das rechtfertigt nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Annahme, dass ein Käufer, der - wie hier die Klägerin - ein Fahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei der bestehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1968; Heese, JZ 2020, 178, 182).

    Das Fahrzeug wies im Zeitpunkt des Erwerbs eine unzulässige Abschalteinrichtung auf. Damit lag - wie bereits oben ausgeführt - ein Sachverhalt vor, der - gegebenenfalls in Verbindung mit weiteren Umständen - dazu führen konnte, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV vornimmt. Es ist ausgeschlossen, dass ein Käufer, dem es auf die Gebrauchsfähigkeit des Kraftfahrzeugs wie ausgeführt maßgeblich ankommt, ein Fahrzeug erwirbt, bei dem eine auch nur abstrakte Gefahr der Betriebsbeschränkung oder -untersagung besteht, wenn gleichzeitig unklar ist, ob überhaupt, wenn ja zu welchem Zeitpunkt und wie - vor allem ohne Nachteil für den Käufer - der Mangel behoben werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1968).

    Es fehlt im Streitfall auch nicht am Schädigungsvorsatz der für die Beklagte handelnden Personen.

    Da diese die grundlegende und mit der bewussten Täuschung des KBA verbundene strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software jedenfalls kannten und jahrelang umsetzten, ist schon nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ihnen als für die zentrale Aufgabe der Entwicklung und des Inverkehrbringens der Fahrzeuge zuständigem Organ oder verfassungsmäßigem Vertreter (§ 31 BGB) bewusst war, in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge werde niemand - ohne einen erheblichen, dies berücksichtigenden Abschlag vom Kaufpreis - ein damit belastetes Fahrzeug erwerben (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1970). Dass sie dabei darauf vertraut haben mögen, das sittenwidrige Handeln werde nicht aufgedeckt werden, schließt den Vorsatz nicht aus, weil der Schaden im ungewollten Vertragsschluss, nicht dagegen in einer etwaigen Betriebsuntersagung liegt (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1970).

    Die Kenntnis einer der Unternehmensleitung angehörenden Person von der serienmäßigen rechtswidrigen Verwendung der Software schließt zwangsläufig das Billigen der Schädigung sämtlicher Erst- und Folgeerwerber der damit ausgestatteten Fahrzeuge ein. Auch die maßgeblichen Umstände für die Bewertung dieses Vorgehens als sittenwidrig sind bei dieser Sachlage der entscheidenden Person bekannt gewesen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 - 13 U 149/18 -, juris).

    Der Schadensersatzanspruch aus den §§ 826, 249 ff. BGB richtet sich auf Ersatz des negativen Interesses, wenn der Schaden - wie hier - in dem sittenwidrigen Herbeiführen eines Vertrages besteht (vgl. etwa Sprau, in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 826, Rdnr. 15 m. w. N.).

    Auf der Rechtsfolgenseite kann die Klägerin also verlangen, so gestellt zu werden, wie sie stehen würde, wenn sie den Kaufvertrag vom 13. Juni 2014 nicht abgeschlossen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1969 m. w. N.).

    Die Klägerin hat daher im Ausgangspunkt einen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises in Höhe von € 25.686,58.

    Auf diese Forderung muss sich die Klägerin allerdings die von ihr gezogenen Nutzungen anrechnen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1970 ff.). Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten auch für einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1970). Das erkennt die Klägerin im Grundsatz an, da sie bereits in der Klageschrift der Beklagten Zug um Zug die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs angeboten hat.

    Die von der Klägerin gezogenen Vorteile schätzt der erkennende Einzelrichter gem. den §§ 525 Satz 1, 287 ZPO auf € 12.911,82. Dieser Betrag ergibt sich, wenn man den von der Klägerin gezahlten Bruttokaufpreis für das Fahrzeug (€ 25.686,58) durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt (300.000 km minus 8.969 km = 291.031 km) teilt und diesen Wert mit den gefahrenen Kilometern (155.261 km minus 8.969 km = 146.292 km) multipliziert. Daher verbleibt zugunsten der Klägerin ein Hauptforderungsbetrag in Höhe von € 12.774,76.

    b. Zudem stehen der Klägerin aus den §§ 288, 291 BGB Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus einem Betrag in Höhe von € 13.359,97 für den Zeitraum vom 29. Januar 2019 bis zum 26. August 2020 sowie in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von € 12.774,76 ab dem 27. August 2020 zu.

    Insoweit ist davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Gesamtfahrleistung mit dem erworbenen Fahrzeug im Zeitraum zwischen Fahrzeugerwerb und Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung von 146.292 km gleichmäßig erbracht hat. Sie hat die auf den Kaufpreiserstattungsanspruch anzurechnenden Nutzungsvorteile mithin zum Teil erst zwischen dem Eintritt der Rechtshängigkeit und dem Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung erlangt. Der nach § 291 BGB zu verzinsende Betrag lag mithin bei Eintritt der Rechtshängigkeit höher als der schließlich zuzusprechende Betrag und hat sich dann sukzessive auf den schließlich zuzuerkennenden Betrag ermäßigt (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 397/19 -, NJW 2020, 2806, 2810; Senat, Urteil vom 03.09.2020 - 26 U 59/19 -, Entscheidungsumdruck, S. 16). Zur Berechnung der geschuldeten Rechtshängigkeitszinsen ist daher angesichts des gleichmäßigen Erbringens der Gesamtfahrleistung der Mittelwert zwischen dem Betrag, welcher der Klägerin zugesprochen wäre, wenn sie mit dem Fahrzeug nach Rechtshängigkeit nicht mehr gefahren wäre (€ 13.945,18; ausgehend von 133.031 gefahrenen Kilometern zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit), und dem Betrag zu bilden, welcher der Klägerin nunmehr zusprechen ist (€ 12.774,76). Dieser Mittelwert beträgt € 13.359,97.

    Ein weitergehender Zinsanspruch steht der Klägerin nicht zu. Ein Anspruch aus § 849 BGB auf so genannte Deliktszinsen besteht nicht. Deliktszinsen nach § 849 BGB können nämlich nicht verlangt werden, wenn der Geschädigte für die Hingabe seines Geldes im Wege des Leistungsaustauschs eine in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbare Gegenleistung erhält. In diesem Fall kompensiert die tatsächliche Nutzbarkeit der Gegenleistung die Nutzungsmöglichkeit des Geldes (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 397/19 -, NJW 2020, 2806, 2808 ff.). Ein Zinsanspruch bereits ab Kaufpreiszahlung besteht auch nicht unter Verzugsgesichtspunkten. Eine verzugsbegründende Mahnung gem. § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB ist jedenfalls für die Zeit vor dem 29. Januar 2019 nicht ersichtlich. Es liegen auch keine besonderen Gründe vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien den sofortigen Verzugseintritt ohne Mahnung rechtfertigen würden, § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB. Insbesondere ist der Streitfall mit den unter der Bezeichnung „fur semper in mora“ erörterten Sachverhaltskonstellationen (vgl. dazu etwa Vieweg, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015, § 848, Rdnr. 3) nicht vergleichbar (s. BGH, Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 397/19 -, NJW 2020, 2806, 2809).

    2. Darüber hinaus hat die Klägerin gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.029,35.

    Erstattungsfähig sind gem. § 249 Abs. 1 BGB diejenigen Rechtsverfolgungskosten, die aus Sicht der Schadensersatzgläubigerin zur Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. etwa BGH, Urteil vom 09.04.2019 - VI ZR 89/18 -, NJW-RR 2019, 1187, 1190). Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der der Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch das Erstatten von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis der Geschädigten zu dem für sie tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis der Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch im geltend gemachten Umfang ist grundsätzlich, dass die Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht der Geschädigten mit Rücksicht auf ihre spezielle Situation zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war. Die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit der konkreten Rechtsverfolgung stellen echte, von der Geschädigten darzulegende und zu beweisende Anspruchsvoraussetzungen dar und nicht lediglich im Rahmen des § 254 BGB bedeutsame, die Ersatzpflicht beschränkende und damit in die Darlegungs- und Beweislast des Schädigers fallende Umstände (s. etwa BGH, Urteil vom 09.04.2019 - VI ZR 89/18 -, NJW-RR 2019, 1187, 1190).

    Im Streitfall unterliegt es keinem Zweifel, dass die Klägerin die konkrete anwaltliche Tätigkeit für erforderlich erachten durfte. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin sowie dem in Kopie vorgelegten Anwaltsschreiben an die Beklagte vom 22. November 2018 (Anlagenband) auch hinreichend deutlich, für welche anwaltliche Tätigkeit die Klägerin eine Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt.

    Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Freistellungsanspruchs ist jedoch zu berücksichtigen, dass dem Anspruch der Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen ist, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 18.07.2017 - VI ZR 465/16 -, NJW 2017, 3588). Danach ist hier ein Gegenstandswert bis zur Wertstufe von € 16.000,00 anzusetzen, da es auf den Zeitpunkt der Vornahme der anwaltlichen Tätigkeit ankommt.

    Der erkennende Einzelrichter setzt für die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG die Mittelgebühr von 1,3 an.

    Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war, und ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20 % der gerichtlichen Überprüfung entzogen. Zwar steht dem Rechtsanwalt gem. § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV ein Ermessensspielraum zu, so dass, solange sich die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % bewegt, die Gebühr nicht unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen ist. Eine Erhöhung der Schwellengebühr von 1,3, die die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle darstellt, auf eine 1,5-fache Gebühr ist aber nicht der gerichtlichen Überprüfung hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 entzogen. Andernfalls könnte der Rechtsanwalt für durchschnittliche Sachen, die nur die Regelgebühr von 1,3 rechtfertigen, ohne weiteres eine 1,5-fache Gebühr verlangen. Dies verstieße gegen den Wortlaut und auch gegen den Sinn und Zweck des gesetzlichen Gebührentatbestandes in Nr. 2300 RVG VV, der eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr hinaus nicht in das Ermessen des Rechtsanwalts stellt, sondern bestimmt, dass eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war (vgl. etwa BGH, Urteil vom 05.02.2013 - VI ZR 195/12 -, NJW-RR 2013, 1020, 1021; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Aufl. 2019, § 14, Rdnr. 12a).

    Im Streitfall ist schon sehr zweifelhaft, ob das Abfassen des Anwaltsschreibens vom 22. November 2018 mehr als drei Jahre nach Aufdecken des Dieselskandals überdurchschnittlich schwierig oder überdurchschnittlich umfangreich war. Entscheidend ist jedenfalls, dass die Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichtsbekannt eine ganze Vielzahl von Geschädigten des Abgasskandals vertritt, so dass sich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die große Zahl der Mandate relativiert (vgl. zur Bedeutung dieses Gesichtspunkts im Rahmen des § 14 RVG etwa BGH, Urteil vom 28.05.2013 - XI ZR 420/10 -, juris; OLG München, Endurteil vom 15.10.2019 - 24 U 797/19 -, BeckRS 2019, 25424; OLG Celle, Urteil vom 22.01.2020 - 7 U 445/18 -, MDR 2020, 571, 572).

    Der erkennende Einzelrichter ist in diesem Zusammenhang nicht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG zur Einholung eines Gutachtens des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer verpflichtet. Nach dieser Bestimmung hat das Gericht im „Rechtsstreit […] ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist“. Mit dem in § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG verwendeten Begriff des Rechtsstreits ist lediglich der Gebührenprozess zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber gemeint; die Vorschrift betrifft also nicht den - hier vorliegenden - Fall eines Rechtsstreits zwischen dem Auftraggeber des Rechtsanwalts und einem Dritten, der zur Erstattung von Anwaltskosten verpflichtet ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17.08.2005 - 6 C 13/04 -, juris; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Aufl. 2019, § 14, Rdnr. 64; Bauernschmidt, JuS 2011, 601, 604).

    Soweit die Klägerin im zweiten Rechtszug in Bezug auf den Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten eine Verzinsung begehrt, ist ihr Begehren von vornherein unschlüssig. Insoweit besteht keine Verzinsungspflicht gemäß den §§ 288 Abs. 1 Satz 1, 291 Satz 1 BGB. Danach sind nämlich nur Geldschulden zu verzinsen, zu denen ein Freistellungsanspruch nicht gehört (vgl. etwa OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.07.2017 - 8 U 128/14 -, Entscheidungsumdruck, S. 10 f.; Urteil vom 20.12.2018 - 8 U 53/17 -, juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 04.10.2010 - 5 U 60/10 -, NJW-RR 2011, 239, 242 f.; OLG Hamm, Teilurteil vom 19.01.2012 - 24 U 32/11 -, juris; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 288, Rdnr. 6; Seichter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl. (Stand: 01.02.2020), § 288 BGB, Rdnr. 11).

    3. Der auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten gerichtete Antrag der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte befindet sich mit der Rücknahme des im Tenor näher bezeichneten Fahrzeugs nämlich nicht in Annahmeverzug. Die Klägerin hat der Beklagten die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs nicht zu den Bedingungen angeboten, von denen sie sie im Hinblick auf den im Wege der Vorteilsausgleichung geschuldeten und vom Kaufpreis in Abzug zu bringenden Nutzungsersatz hätte abhängig machen dürfen. Die Klägerin hat durchgängig die Zahlung eines deutlich höheren Betrags verlangt, als sie hätte beanspruchen können, u. a. da sie von einer Gesamtlaufleistung von 350.000 km ausgegangen ist. Ein zur Begründung von Annahmeverzug aufseiten der Beklagten geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962, 1972).

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

    5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO.

    6. Die Revision ist nicht zuzulassen.

    Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Sie wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Es handelt sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des Einzelfalls geprägte Sache. Die maßgeblichen Rechtsfragen hingegen sind allesamt höchstrichterlich geklärt (s. etwa BGH, Urteil vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 -, NJW 2020, 1962 ff.; Urteil vom 30.07.2020 - VI ZR 397/19 -, NJW 2020, 2806 ff.).

    Die Zulassung der Revision ist im Streitfall auch nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2002 - V ZR 75/02 -, NJW 2002, 2295; Beschluss vom 27.03.2003 - V ZR 291/02 -, NJW 2003, 1943, 1945; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.10.2013 - 15 U 127/13 -, juris). Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im Streitfall nicht statt.

    RechtsgebietGebührenrechtVorschriften§ 14 Abs. 2 S. 1 RVG