Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 05.09.2018 · IWW-Abrufnummer 204261

    Oberlandesgericht Stuttgart: Beschluss vom 28.03.2018 – 8 WF 57/18

    Wird nach Abtrennung einer Folgesache im Sinne von § 137 Abs. 2 FamFG über Teile des Verbunds entschieden, führt dies gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG zur Teilfälligkeit der Gebühren, die hinsichtlich der entschiedenen Gegenstände angefallen wären, wenn nur diese rechtshängig gewesen wären. Jedoch ist für diese Gebühren die Verjährungsfrist nach § 8 Abs. 2 RVG gehemmt, bis das Verbundverfahren endgültig abgeschlossen ist.


    Oberlandesgericht Stuttgart

    Beschl. v. 28.03.2018


    Tenor:

    1. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin werden der Beschluss der Richterin des Amtsgerichts Esslingen - Familiengericht - vom 22.02.2018 (Az. 2 F 1318/07) und der Beschluss der Kostenbeamtin des Amtsgerichts Esslingen - Familiengericht - vom 15.10.2015 (Az. jeweils 2 F 1318/07) dahingehend abgeändert, dass der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aus der Staatskasse über den festgesetzten Betrag in Höhe von 287,98 € hinaus ein weiterer Betrag in Höhe von von 1.364,34 € zu vergüten ist. Im Übrigen wird der Festsetzungsantrag der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zurückgewiesen.
    2. Im Übrigen werden die Beschwerde und die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zurückgewiesen.
    3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    In dem am 26.04.2006 bei dem Amtsgericht Esslingen - Familiengericht - eingeleiteten Scheidungsverfahren haben die Beteiligten am 17.11.2011 einen Vergleich über den Zugewinnausgleich geschlossen. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat das Amtsgericht die Folgesache nachehelicher Unterhalt aus dem Scheidungsverbund abgetrennt, die Scheidung ausgesprochen, über den Versorgungsausgleich entschieden und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. Am 26.03.2013 haben sich die Parteien auch über den nachehelichen Unterhalt verglichen.

    Der Gegenstandswert wurde wie folgt festgesetzt:
     
    Ehesache 9.450,00 €
    Versorgungsausgleich 1.890,00 €
    Zugewinnausgleich 25.548,00 €
    nachehelicher Unterhalt 9.600,00 €

    Mit ihren am 13.08.2015 und 14.08.2015 eingegangenen Anträgen hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin, der Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt war, Festsetzung ihrer Vergütung gemäß § 55 RVG wie folgt beantragt:

    Für den nicht abgetrennten Verbund

    Verfahrensgebühr VV Nr. 3100 Wert 36.888 € 508,30 €
    Terminsgebühr VV Nr. 3104 aus Wert 36.888 € 469,20 €
    Einigungsgebühr VV Nr. 1003 aus Wert 25.548 € 354,00 €
    Pauschale VV Nr. 7002 20,00 €
    Summe netto 1.351,50 €                                           
    19% Mwst VV Nr. 7008 256,79 €
    Summe brutto 1.608,29 €

    und für die abgetrennte Folgesache nachehelicher Unterhalt
     
    Verfahrensgebühr VV Nr. 3100 Wert 9.600 €  314,60 €
    Terminsgebühr VV Nr. 3104 aus Wert 9.600 € 290,40 €
    Einigungsgebühr VV Nr. 1003 aus Wert 9.600 € 242,00 €
    Pauschale VV Nr. 7002 20,00 €
    Summe netto 867,00 €
    19% Mwst VV Nr. 7008 164,73 €
    Summe brutto 1.031,73 €

    Die Vertreterin der Staatskasse hat mit Einwilligung der Präsidentin des Landgerichts Stuttgart - abgesehen von einer Einigungsgebühr aus einem Gegenstandswert von 9.600 € - die Einrede der Verjährung erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die verjährten Gebühren seien gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG mit Beendigung des Rechtszugs, also mit der Entscheidung vom 17.11.2011 fällig geworden, die dreijährige Verjährungsfrist sei daher mit dem 31.12.2014 abgelaufen.

    Mit Beschluss vom 15.10.2015 hat die hat die Kostenbeamtin, die sich der Rechtsauffassung der Vertreterin der Staatskasse angeschlossen hat, die Verfahrenskostenhilfevergütung auf 287,98 € festgesetzt. Die von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen diese Entscheidung eingelegte Erinnerung wurde durch Beschluss der Familienrichterin des Amtsgerichts Esslingen vom 22.02.2018 zurückgewiesen.

    Gegen diese Entscheidung richtet sich die mit Telefax vom 14.03.2018 eingelegte Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin, welcher der Beschluss vom 22.02.2018 am 28.02.2018 zugestellt worden war.

    II.

    Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat in der Sache überwiegend Erfolg.

    Gemäß § 111 Abs. 5 FGG-RG sind auf das Verfahren die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

    Die von der Staatskasse erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch.

    Durch die Abtrennung der Folgesache nachehelicher Unterhalt mit Beschluss des Amtsgerichts vom 17.11.2011 erfolgte keine Lösung aus dem Verbund, die abgetrennte Sache blieb Folgesache (§ 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG), so dass § 16 Nr. 4 RVG weiter gilt und das ganze Verfahren als eine Angelegenheit nur einheitlich abgerechnet werden kann. Zutreffend geht das Amtsgericht zunächst davon aus, dass die Abtrennung Teilfälligkeiten der Gebühren gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG zur Folge hat: Die Gebühren, die auf bereits entschiedene bzw. durch Vergleich beendete Gegenstände entfallen, wurden mit Ausspruch der Scheidung und Entscheidung über den Versorgungsausgleich am 17.11.2011 fällig, da hinsichtlich dieser Gegenstände der Rechtszug beendet wurde (Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., § 21, Rn. 23). Hinsichtlich der Gebühren, die sich auf die abgetrennte Folgesache nachehelicher Unterhalt beziehen, trat die Fälligkeit hingegen erst mit der Beendigung des gesamten Verfahrens durch den Vergleich vom 26.03.2013 ein. 2 Das Amtsgericht übersieht aber, dass nach § 8 Abs. 2 RVG die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB für die bereits am 17.11.2011 fällig gewordenen Gebühren bis zum endgültigen Abschluss des als eine Angelegenheit zu behandelnden Verbundverfahrens am 26.03.2013 gehemmt (Fölsch/N. Schneider/Thiel/Volpert in Schneider/Wolf [Hrsg.], RVG, 8. Aufl., § 16, Rn. 49 f.; N. Schneider FF 2014, 105 ff., I 2 c) und daher bis zur Antragstellung am 13.08.2015 noch nicht abgelaufen war.

    Die Verfahrenskostenhilfevergütung berechnet sich daher gemäß § 49 RVG in der bis zum 31.07.2013 gültigen Fassung wie folgt:
     
    Verfahrensgebühr VV Nr. 3100 Wert 46.488 € 508,30 €
    Terminsgebühr VV Nr. 3104 aus Wert 46.488 € 469,20 €
    Einigungsgebühr VV Nr. 1003 aus Wert 35.148 € 391,00 €
    Pauschale VV Nr. 7002 20,00 €
    Summe netto 1.388,50 €
    19% Mwst VV Nr. 7008 263,82 €
    Summe brutto 1.652,32 €

    Unter Berücksichtigung der erfolgten Festsetzung über 287,98 € ist noch ein weiterer Betrag in Höhe von 1.364,34 € aus der Staatskasse zu vergüten.

    Der weitergehende Antrag der Antragstellervertreterin, der auf einer gegen § 16 Nr. 4 RVG verstoßenden getrennten Abrechnung der Folgesache nachehelicher Unterhalt beruht, war zurückzuweisen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG.

    RechtsgebietVerjährungVorschriften§ 16 RVG, § 195 BGB