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  • 13.02.2018 · IWW-Abrufnummer 199575

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 26.09.2017 – 8 Sa 134/17

    Für den Fristablauf des § 61 b Abs. 1 ArbGG kommt es nicht darauf an, ob und ggf. wie der Arbeitgeber auf die schriftliche Geltendmachung reagiert hat.


    Tenor:
    I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.10.2016 - Az: 1 Ca 750/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.


    II. Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch der Klägerin wegen einer Benachteiligung auf Grund ihres Geschlechts.



    Die Klägerin ist aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (J. H. U.) vom 17.09.2010 (Bl. 13 ff. d. A.) seit dem 01.12.2010 im Hotel E. in L. tätig. Nach § 1 des Arbeitsvertrages wurde die Klägerin als "Sales Assistentin" eingestellt. Sie verdiente zuletzt 3.050,00 EUR brutto im Monat.



    Am 20.09.2013 bekam die Klägerin ihr erstes Kind und war anschließend in Mutterschutz sowie in Elternzeit. Sie erhielt unter dem Datum des 09.12.2013 von der Rechtsvorgängerin ein Zwischenzeugnis (Bl. 20-22 d. A.). Entsprechend der Unterrichtung der Rechtsvorgängerin ging das Arbeitsverhältnis am 01.01.2014 im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über, die das Hotel aufgrund der Insolvenz der Rechtsvorgängerin im Wege der Zwangsversteigerung erworben hatte.



    Die Personalakte der Klägerin war für die Beklagte nicht auffindbar.



    Mit Schreiben vom 07.01.2015 (Bl. 23 d. A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Position einer Sales Assistent nicht mehr im Hotel E. bestehe, da dieser Bereich in B. gesteuert werde und bot ihr eine Stelle im Empfangsteam als Rezeptionistin oder im Servicebereich an. Die Klägerin erwiderte mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20.01.2015 (Bl. 24 f. d. A.) unter Verweis auf das Zwischenzeugnis, dass die angebotenen Stellen nicht mit der von ihr vor der Elternzeit tatsächlich inngehabten vergleichbar seien, da sie deutlich höherwertige Tätigkeiten als eine Verkaufsassistentin ausgeübt habe und bat um zeitnahe Unterbreitung eines Angebots einer gleichwertigen Beschäftigung für die aller Voraussicht nach am 20.09.2015 endende Elternzeit. Hierauf hielt die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 19.03.2015 (Bl. 27 ff. d.A.) an ihrem ursprünglichen Beschäftigungsangebot fest und verwies erneut auf den Wegfall der "Sales Assistentin" aufgrund innerbetrieblicher Umstrukturierungen und auf die Vergleichbarkeit der angebotenen Stellen unter Zugrundelegung der Eingruppierungsmerkmale der Entgeltgruppen des Hotel- und Gaststättengewerbe in Rheinland-Pfalz. Ferner bat sie mit diesem Schreiben um Mitteilung der korrekten Schreibweise des Nachnamens der Klägerin sowie um Übersendung einer Kopie des Arbeitsvertrages und des Zwischenzeugnisses. Im weiteren zwischen den Parteien in den Monaten April bis August 2015 gewechselten Schriftverkehr (vgl. Bl. 36 ff. d. A.) beharrten beide Seiten auf ihrem jeweiligen Standpunkt, wobei die Klägerin auch anführte, dass ihre Stelle nicht entfallen, sondern neu besetzt worden sei.



    Ferner teilte die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.08.2015 mit, dass sie erneut schwanger sei (Bl. 48 d. A.), ihr wurde sodann ärztlich ein Beschäftigungsverbot für werdende Mütter für die Zeit ab dem 01.09.2015 erteilt.



    Mit Schreiben vom 09.11.2015 (Bl. 57 f. d. A.) übersandte die Klägerin der Beklagten eine Kopie einer Ausschreibung einer zum 01.09.2015 zu besetzenden Stelle als Direktionsassistent/in im Hotel E. (Bl. 56 d. A.) und machte wegen Diskriminierung einen Schadensersatzanspruch in Höhe von mindestens 3 Bruttomonatsentgelten geltend. Die Beklagte antwortete hierauf, dass diese Stelle schon nicht vergleichbar sei und teilte mit Schreiben vom 15.12.2015 (Bl. 63 f. d. A.) zudem u.a. mit, dass sie nicht einmal einen Hauch einer Grundlage irgendwelcher Schadensersatzansprüche sehe.



    Sodann brachte die Klägerin am 18.01.2016 ihr zweites Kind zur Welt und nahm im Anschluss an den Mutterschutz Elternzeit bis Januar 2019.



    Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.03.2016 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und forderte diese unter Fristsetzung bis zum 09.04.2016 auf, ihr nach Ablauf der Elternzeit eine Beschäftigung zuzuweisen, die mit der durch die Auflistung ihrer Tätigkeiten im Zwischenzeugnis umschrieben sei, vergleichbar sei. Vergleichbar sei die Stelle der Direktionsassistentin. Nachdem die Beklagte hierauf geantwortet hatte, dass die Klägerin unstreitig einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung habe, teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 17.04.2016 (Bl. 71 f. d. A.) wiederum mit, dass sie diskriminiert worden sei und sie vorsorglich Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 AGG geltend mache.



    Mit ihrer am 28.04.2016 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen erhobenen Klage, die der Beklagten am 11.05.2016 zugestellt wurde, nimmt die Klägerin die Beklagte insbesondere auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern in Anspruch.



    Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten,



    sie werde mittelbar wegen des Geschlechts diskriminiert. Nicht lediglich ein konkretes Verhalten, vielmehr das Gesamtverhalten der Beklagten vom Falschschreiben ihres Namens, über Unkenntnis ihres Arbeitsvertrages und Zwischenzeugnisses bis hin zur Weigerung der Zuweisung einer vergleichbaren Position, mache den Diskriminierungsvorwurf aus. Die Beklagte hätte ihr die Stelle einer Direktionsassistentin zum 01.09.2015 anbieten müssen. Die Stelle einer "Sales Assistentin" sei nicht weggefallen, sie sei vielmehr neu besetzt worden. Sie fühle sich als Frau diskriminiert, da die Beklagte versuche, ihre Schwangerschaft und Elternzeit dazu zu nutzen, ihr minderwertige Tätigkeiten zu übertragen und ihr ihren früheren Arbeitsplatz wegzunehmen. Sie habe vor dem Betriebsübergang "formal" die Stelle einer "Sales Assistentin" innegehabt, tatsächlich sei sie die "rechte Hand" des Hotelbetreibers gewesen und habe höherwertige Tätigkeiten ausgeübt. Die in der Stellenausschreibung einer "Direktionsassistentin" dargestellten Aufgaben entsprächen denen, die sie zuvor ausgeübt habe. Mit dem Antrag zu Ziffer 2 begehre sie zudem Ersatz für die "zweifache Selbstbeteiligung" in Höhe von jeweils 150,00 EUR für die vorliegende Klage und die außergerichtliche Vertretung sowie für die Anmeldung zur Sozialversicherung. Die Ansprüche seien auch rechtzeitig geltend gemacht worden und nicht verfallen.



    Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag, der in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag von 9.150,00 EUR jedoch nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.03.2016 zu zahlen. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 300,00 EUR zu zahlen.



    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.



    Die Beklagte hat erwidert,



    die Stelle einer "Sales Assistentin" sei weggefallen. Die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten seien nicht die einer Direktionsassistentin gewesen. Die Aufgaben einer "Sales Assistentin" und die einer Direktionsassistentin seien nicht identisch. Im Hinblick auf die Fortdauer der Elternzeit der Klägerin bis Januar 2019 habe die Beklagte keine Veranlassung gehabt, der Klägerin ein Angebot zur Besetzung der Stelle als Direktionsassistentin zum 01.09.1015 zu unterbreiten. Der Beschäftigungsanspruch der Kläger nach Beendigung der Elternzeit ergebe sich aus den vertraglichen Vereinbarungen, nicht aus dem Zwischenzeugnis, das den Anschein eines "Gefälligkeitszeugnis" erwecke.



    Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.10.2016 die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht zusammengefasst ausgeführt: Die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs seien nicht gegeben, da die Klägerin keine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts erfahren habe. Denn es habe keine Beschäftigungspflicht bestanden, so dass ihr schon aus diesem Grund auch nicht die Stelle als Direktionsassistentin hätte angeboten werden müssen. Auch die weiteren Umstände der Unkenntnis der Beklagten von der richtigen Schreibweise des Familiennamens der Klägerin sowie von dem Arbeitsvertrag und dem Zwischenzeugnis begründeten zumal im Rahmen eines Betriebsübergangs keine Benachteiligung, da sie ebenso bei Männern vorkämen. Im Übrigen sei ein etwaiger Anspruch aber auch wegen Nichtwahrung der Klagefrist des § 61b ArbGG verfallen. Der desweiteren geltend gemachte Schadenersatzanspruch in Höhe des zweimaligen Selbstbehalts scheitere aber auch an der Regelung des § 12a ArbGG. Zudem habe die Klägerin nicht konkret den Schadenseintritt dargelegt, es fehlten jegliche Angaben dazu, wann und in welcher Höhe an wen sie die entsprechenden Zahlungen geleistet habe.



    Die Klägerin hat gegen das am 03.03.2017 zugestellte Urteil mit am 31.03.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 06.06.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit am 06.06.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet.



    Die Klägerin macht geltend, dass das Arbeitsgericht verkannt habe, dass die Klägerin zweimal Mutter geworden sei. Die Klägerin hätte deshalb sehr wohl zwischen dem Ende der Elternzeit und dem Beginn des Mutterschutzes vor der Geburt des zweiten Kindes ein gleichwertiger Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden müssen. Dies sei nicht der Frühstücksdienst mit reiner Kellnertätigkeit, sondern der der ausgeschriebenen Direktionsassistentin gewesen, da sie faktisch vor Beginn der ersten Elternzeit diesen inne gehabt habe, wie das Zwischenzeugnis belege. Die Beklagte habe sie diskriminiert, indem sie alles getan habe, um ihr als Mutter ihren Arbeitsplatz rechtwidrig zu entziehen, auf den sie ein Recht habe. Auch sei das Arbeitsgericht fehlerhaft von einem Verfall des Entschädigungsanspruchs ausgegangen, da die Parteien stets in Verhandlung gestanden hätten, welche Tätigkeiten die Klägerin tatsächlich ausgeführt habe und was dies für ihren zukünftigen Einsatz bedeuten werde.



    Die Klägerin beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.10.2016 - Az.: 1 Ca 750/16 abzuändern und nach den Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.



    Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.



    Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    Die Berufung der Klägerin ist nur teilweise zulässig und im Übrigen unbegründet.



    I.



    Die Berufung der Klägerin ist zwar insgesamt form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 64 Abs. 2 lit b, 66 Abs. 1 ArbGG, 519ZPO. Indessen fehlt es hinsichtlich des Klageantrages zu 2) an einer hinreichenden Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 ZPO, sodass die Berufung insoweit als unzulässig zu verwerfen war.



    Die Klägerin hat sich innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht mit allen tragenden diesbezüglichen Klageabweisungsgründen im angefochtenen Urteil auseinandergesetzt.



    1. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO nur dann, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (st. Rspr., s. nur: BAG 18.05.2011 - 4 AZR 552/09 - Rn. 14 m. w. N, AP Nr. 45 zu § 64 ArbGG 1979; BAG, 16.05.2012 - 4 AZR 245/10 -, juris). Betrifft das angefochtene Urteil - wie hier - mehrere verschiedene Ansprüche, muss eine hiergegen im Ganzen gerichtete Berufung grundsätzlich auf jeden Streitgegenstand eingehen. Andernfalls ist sie nur hinsichtlich der Streitgegenstände zulässig, auf die sie sich bezogen hat, sofern nicht das Bestehen der übrigen Streitgegenstände auf diesen beruht (vgl. BAG 02.04.1987 - 2 AZR 418/86 -, juris). Stützt das Arbeitsgericht sein Urteil bei einem Streitgegenstand auf mehrere voneinander unabhängige, die Entscheidung jeweils selbständig tragende rechtliche Erwägungen, dann muss die Berufungsbegründung alle diese Erwägungen angreifen. Setzt sich die Berufungsbegründung nur mit einer der beiden oder mehreren Erwägungen des Arbeitsgerichts auseinander, ist die Berufung insgesamt unzulässig. Die Begründung muss darlegen, warum jede Erwägung des Vordergerichts die Entscheidung nicht tragen könne (LAG Rheinland-Pfalz 06.04.2016 - 4 Sa 324/15, Schwab/Weth, ArbGG, 4. Aufl., § 64 Rd. 158 m.w.N.).



    2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung der Klägerin nicht in Bezug auf den mit dem Zahlungsantrag zu 2) verfolgten weiteren Streitgegenstand, obwohl die Berufung in zulässiger Weise unbeschränkt eingelegt worden ist. So bezieht sich der auf das angefochtene Urteil bezogene Abänderungsantrag explizit auf die Aufrechterhaltung aller in erster Instanz gestellten "Schlussanträge".



    Das Arbeitsgericht hat den Zahlungsantrag zu 2) in Höhe von 300,00 EUR nicht allein mit der Begründung abgewiesen, dass ein Schadensersatzanspruch aus § 15 Abs. 1 AGG mangels Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nicht gegeben sei. Vielmehr hat das Arbeitsgericht seine Abweisung ferner darauf gestützt, dass dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch insoweit auch § 12 a ArbGG entgegenstehe, der die Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten ausschließe. Zudem hat das Arbeitsgericht schließlich noch ausgeführt, dass die Klägerin nicht substantiiert zum Eintritt des Schadens vorgetragen habe.



    Die Klägerin hat sich jedoch mit ihrer Berufungsbegründung darauf beschränkt, das Nichtvorliegen einer Benachteiligung und den angenommenen Verfall anzugreifen. Hingegen hat sich die Klägerin überhaupt nicht mit den soeben nochmals dargelegten, die Abweisung des Zahlungsantrags zu 2) gleichfalls tragenden weiteren Gründen, auseinandergesetzt. So geht sie weder auf das Verhältnis der § 15 Abs. 1 AGG zu § 12a ArbGG ein noch macht sie Ausführungen zur fehlenden Substantiierung hinsichtlich des Schadenseintritts.



    II.



    Aber auch in der Sache selbst hat die bezogen auf den Klageantrag zu 1) zulässige Berufung keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.



    Die Klägerin hat gegen die Beklagte schon deshalb keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von mindestens 9.150,00 EUR aus § 15 Abs. 2 AGG, da sie die Klage nicht innerhalb der in § 61b ArbGG normierten Klagefrist erhoben hat.



    1. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Die Klägerin ist Beschäftigte (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AGG) und die Beklagte Arbeitgeber (§ 6 Abs. 2 AGG). Ebenso ist der sachliche Anwendungsbereich des AGG gegeben. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unterliegen die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Maßnahmen bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses der Diskriminierungskontrolle des AGG.



    2. Nach § 61b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von 3 Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Diese von Amts wegen zu beachtende materiell-rechtliche gesetzliche Ausschlussfrist hat die Klägerin mit ihrer beim Arbeitsgericht am 28. April 2016 eingegangenen Klage jedoch nicht gewahrt.



    3. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass vorliegend von einem fortlaufendem Dauertatbestand auszugehen sei, so dass schon die gesetzlichen Ausschlussfristen der § 15 Abs. 4 AGG, 61b Abs. 1 ArbGG nicht vor ihrer Klageerhebung zu laufen begonnen hätten, ist nicht zutreffend.



    Denn die Tatsache, dass die Parteien auch nach Wegfall der Beschäftigungspflicht aufgrund des Beschäftigungsverbotes und anschließendem Mutterschutz sowie zweiter Elternzeit weiterhin darüber stritten und streiten, welche Tätigkeiten die Klägerin tatsächlich ausgeführt hat und was dies für ihren zukünftigen Einsatz bedeutet, vermag keine Dauertatbestand zu begründen, bei dem die Frist des § 15 Abs. 4 AGG erst mit der letzten Benachteiligungshandlung zu laufen beginnt.



    Das Vorliegen eines solchen Dauertatbestandes (vgl. hierzu auch ErfK/Schlachter, 17. Aufl., § 15 AGG Rn. 19) setzt voraus, dass fortlaufend neue Tatsachen eintreten, die für eine Benachteiligung von Bedeutung sind. Ein länger währender Vorgang der Diskriminierung ist dann noch nicht abgeschlossen. Dagegen liegt ein Dauerzustand dann nicht vor, wenn die für die Belästigung maßgeblichen Vorgänge bereits abgeschlossen sind und lediglich nachwirken (vgl. BAG 24.09.2009 - 8 AZR 705/08 - , juris, Rn. 59 f.; LAG Rheinland-Pfalz 28.10.2015 - 4 Sa 12/14,- juris, Rn. 61; LAG Hamm 01.06.2012 - 18 Sa 683/11 -, juris, Rn. 127).



    Diese Voraussetzungen sind jedoch vorliegend nicht erfüllt. Die während der ersten Elternzeit im Zusammenhang mit der Beschäftigung der Klägerin nach deren Ende zum 20.09.2015 von der Klägerin angeführten Umstände, beginnend mit Falschschreibens ihres Namens, Unkenntnis des Arbeitsvertrages und des Zwischenzeugnisses bis hin zum nicht erfolgten Angebot der Beschäftigung als Direktionsassistentin, stellen einen klar abgrenzbaren Sachverhalt dar. Mit Erteilung des Beschäftigungsverbots zum 01.09.2015 entfiel die Beschäftigungspflicht für die Zeit nach Ende der ersten Elternzeit. Damit war selbst bei Zusammenfassung aller aufgeführten Vorgänge dieser Sachverhalt spätestens mit dem Zeitpunkt tatsächlich abgeschlossen, zudem feststand, dass nach Ende der ersten Elternzeit zum 20.09.2015 keine Beschäftigungspflicht bestand. Es ist eine zeitliche Zäsur eingetreten. Die erneut voraussichtlich Anfang 2019 nach Ende der zweiten Elternzeit wieder auflebende Beschäftigungspflicht stellt einen logisch trennbaren Sachverhalt mit neuer Sachlage dar. Daran ändert auch nichts, dass die Parteien auch trotz aktuell nicht mehr bestehender Beschäftigungspflicht weiterhin unterschiedliche Standpunkte dazu vertreten, welchen Inhalt der Beschäftigungsanspruch der Klägerin an sich und die damit korrespondierende Beschäftigungspflicht der Beklagten hat. Denn dadurch, dass die Beklagte ihren Standpunkt weiter vertritt und ihre bisherigen Argumente nicht aufgibt, werden schon keine neuen Tatsachen geschaffen. Es gibt keine weiteren Benachteiligungshandlungen.



    4. Die Klägerin hat lediglich die zweimonatige Frist des § 15 Abs. 4 AGG zur schriftlichen Geltendmachung binnen zwei Monaten ab Kenntnis von der Benachteiligung eingehalten.



    Die Klägerin hat in ihrem Schreiben vom 09.11.2015 unter Verweis auf die Stellenausschreibung der Direktionsassistentin zum 01.09.2015 wegen Diskriminierung einen Schadensersatzanspruch in Höhe von mindestens drei Bruttomonatsgehältern ausdrücklich verlangt. Hierin liegt eine formgerechte Geltendmachung im Sinne des § 15 Abs. 4 AGG. Die Wortwahl Schadensersatz statt Entschädigung ist insoweit unschädlich, da die Klägerin ihren Entschädigungsanspruch hinreichend nach dem Lebenssachverhalt individualisiert und der ungefähren Höhe nach angeben hat, was ausreicht (vgl. BAG 27.01. 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 23).



    Mangels konkreter Angaben der insoweit darlegungspflichtigen Klägerin zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung unterstellt die Berufungskammer zu ihren Gunsten, dass sie die notwendige Kenntnis von der Stellenausschreibung der Direktionsassistentin und damit vom zur Verfügung stehen der ihrer Ansicht nach vor der Elternzeit ausgeübten und ihrer Auffassung nach auch vertraglich geschuldeten Tätigkeit sowie deren anderweitigen Besetzung erst innerhalb zwei Monaten vor dem anwaltlichen Schreiben vom 09.11.2015 erlangt hat, so dass dieses Schreiben auch fristwahrend erfolgte.



    5. Allerdings hat die Klägerin es versäumt, den schriftlich geltend gemachten Anspruch anschließend rechtzeitig innerhalb der zweiten Stufe der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG einzuklagen.



    a) Nach § 61b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Diese Frist hat die Klägerin mit ihrer beim Arbeitsgericht erst am 28.04.2016 eingegangenen Klage vorliegend nicht gewahrt.



    Da die Beklagte mit Schreiben vom 18.11.2015 der Klägerin auf ihr Schreiben vom 09.11.2015 geantwortet hat, muss der Beklagten dieses zuvor auch zugegangen sein. Selbst wenn die Kammer zugunsten der Klägerin wegen fehlender Angaben zum Zugangszeitpunkt unterstellt, dass ihr Schreiben erst am 18.11.2015 zugegangen ist und am gleichen Tag noch beantwortet wurde, hätte die Klage spätestens bis zum 18.02.2016 beim Arbeitsgericht eingegangen sein müssen. Die Klageerhebung am 28.04.2016 erfolgte daher verspätet.



    b) Soweit die Klägerin mit ihrer Berufung einwendet, dass die Parteien stets in Verhandlungen standen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.



    Zum einem stellt der klare Wortlaut des § 61 b Abs. 1 ArbGG für den Lauf des Fristbeginns allein auf den Zugang der schriftlichen Geltendmachung ab. Dieser Wortlaut ist eindeutig. Für den Fristlauf kommt es deshalb gerade nicht darauf an, ob und ggf. wie der Arbeitgeber auf die schriftliche Geltendmachung reagiert hat. Insbesondere ist es für den Beginn der Frist des § 61 b Abs. 1 ArbGG unerheblich, ob der Arbeitgeber nach der schriftlichen Geltendmachung eine Stellungnahme abgibt oder nicht (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Schleusener, 9. Aufl. 2017, § 61 b ArbGG, Rn. 8).



    Dementsprechend haben etwaige Verhandlungen der Parteien auch keinen Einfluss auf den Fristlauf, insbesondere finden die Vorschriften über Hemmung und Neubeginn keine entsprechende Anwendung. Dies gilt insbesondere auch für § 203 BGB, wonach bei schwebenden Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger die Verjährung bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert, hemmt. Dies entspricht auch der gängigen Auffassung zur insoweit vergleichbaren Problematik bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen (vgl. zu letzteren z.B. ErfK/Preis, 17. Aufl., § 218 BGB, Rn. 57).



    Selbst wenn die Berufungskammer der Auffassung der Klägerin folgen würde und grundsätzlich die Möglichkeit der Hemmung des Fristlaufs bei Verhandlungen ggfs. über § 242 BGB anerkennen würde, würde dies im vorliegenden Fall nichts am Verfall wegen Nichtwahrung der Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG ändern. Denn auch dann, wenn man darüber hinaus den sodann zur Frage, ob die Beklagte die Stelle der Direktionsassistentin der Klägerin vor einer Ausschreibung hätte anbieten müssen, da der Eintritt eines Beschäftigungsverbots zum 01.09.2015 für die Parteien nicht vorhersehbar war, geführten Schriftverkehr wohlwollend als ernsthafte Verhandlungen deuten würde, verbliebe die Klageerhebung verspätet. Etwaige Verhandlungen waren nämlich jedenfalls allerspätestens mit dem Schreiben der Beklagten vom 15.12.2015 gescheitert. Die Beklagte hat mit diesem Schreiben unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie von ihrem Standpunkt der fehlenden Vergleichbarkeit der Direktionsassistentenstelle nicht abrücke und sie nicht einmal einen Hauch einer Grundlage für irgendwelche Schadensersatzansprüche sehe. Dieses Schreiben ging dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich der von ihm selbst im Prozess vorgelegten Kopie dieses Schreibens noch am selben Tag per Fax zu, so dass die erst am 28.04.2016 und damit über 4 Monate später erhobene Klage in keinem Fall die dreimonatige Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG wahren konnte.



    3. Da die Klage bereits wegen Nichteinhaltens der Klageerhebungsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG unbegründet ist, kommt es auf die Frage, ob ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung wegen der Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts gem. § 15 Abs. 2 AGG überhaupt besteht, nicht mehr an.



    I II.



    Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.



    Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

    Verkündet am 26.09.2017

    Vorschriften§ 15 AGG, § 61b ArbGG, § 12a ArbGG, §§ 64 Abs. 2 lit b, 66 Abs. 1 ArbGG, 519ZPO, § 520 Abs. 3 ZPO, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 15 Abs. 1 AGG, § 12 a ArbGG, § 15 Abs. 2 AGG, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AGG, § 6 Abs. 2 AGG, § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG, § 15 Abs. 4 AGG, 61b Abs. 1 ArbGG, § 61 b Abs. 1 ArbGG, § 203 BGB, § 242 BGB, § 46 Abs. 2 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG