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  • 20.05.2016 · IWW-Abrufnummer 185993

    Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 08.03.2016 – 14 W 102/16


    1. Die Verwirkung eines Kostenfestsetzungsanspruchs setzt neben dem Zeitmoment auch ein Umstandsmoment voraus.

    2. Das Umstandsmoment wiederum setzt einerseits ein vom Kostengläubiger verursachtes Vertrauen vorraus, dass der Anspruch nicht mehr geltend gemacht wird, andererseits eine darauf kausal beruhende Vermögensdisposition des Kostenschuldners.


    Oberlandesgericht Koblenz

    Beschl. v. 08.03.2016

    Az.: 14 W 102/16

    In Sachen
    des Herrn ...
    - Kläger und Beschwerdegegner -
    Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...
    gegen
    Frau ...
    - Beklagte und Beschwerdeführerin -
    Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt ...

    hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel als Einzelrichter am 08.03.2016 beschlossen:

    Tenor:

    1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 02.02.2016 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichtes Mainz vom 27.01.2016 wird zurückgewiesen.

    2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    3. Der Beschwerdewert wird auf 1.430,05 € festgesetzt.


    Gründe

    I.

    Der Beschwerdegegner hat mit Antrag vom 21.09.2015 die Festsetzung der Kosten eines zweitinstanzlichen Verfahrens vor dem OLG Koblenz (8 U 1183/04) und einem dort am 04.03.2005 ergangenen Beschluss nach § 516 ZPO a.F., mit dem der Beschwerdeführerin die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt wurden, beantragt.

    Die Beschwerdeführerin hat zunächst den Einwand der Verjährung erhoben, den der Rechtspfleger mit der antragsgemäßen Festsetzung der Kosten "nach dem Urteil des Landgerichtes Mainz vom 03.09.2015" durch den angefochtenen Beschluss vom 16.10.2015 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 23.05.2006 (V ZB 189/05) zurückgewiesen hat. Hiergegen wandte sich die Beschwerdeführerin mit ihrer sofortigen Beschwerde und wandte nunmehr statt Verjährung Verwirkung ein, was sie näher begründet. Der Rechtspfleger hat der sofortige Beschwerde nicht abgeholfen und dazu ausgeführt: "Auch aufgrund der Beschwerdebegründung ist eine Änderung der Entscheidung nicht möglich." Der Senat hat darauf mit Beschluss vom 10.12.2015 (14 W 797/15) wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs und einer unzutreffenden Bezugnahme für die Kostengrundentscheidung die Ausgangsentscheidungen aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27.01.2016 hat das Landgericht die Kosten erneut - nunmehr auf der Grundlage der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung im Beschluss des OLG Koblenz vom 04.03.2005 (8 U 1183/04) - antragsgemäß festgesetzt und dabei sowohl die Einrede der Verjährung als auch den Einwand der Verwirkung begründet zurückgewiesen.

    Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 02.02.2016 und macht neben dem Zeitablauf geltend, dass der Kläger nie haben erkennen lassen, für das zweitinstanzliche Verfahren noch Kostenansprüche zu verfolgen und dass seine Prozessakte bereits vernichtet sei. Der Kläger ist dem entgegengetreten.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die zwischen den Parteien im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

    II.

    Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die formellen Voraussetzungen der Kostenfestsetzung liegen vor, was die Beklagte auch nicht in Zweifel zieht.

    Das Landgericht hat die Einwände der Beklagten gegen die beantragte Kostenfestsetzung sodann mit zutreffender Begründung und nach Maßgabe der Vorgaben aus der Entscheidung des Senates vom 10.12.2015, 14 W 797/15 zurückgewiesen.
    Der Kostenfestsetzungsanspruch ist nicht verwirkt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Recht verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH NJW 2014, 1230 [BGH 23.01.2014 - VII ZR 177/13] mwN.). Das Landgericht hat zutreffend begründet, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Die dagegen mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände gebieten keine andere Sicht der Dinge.

    1.
    Aufgrund der Kostengrundentscheidung im Beschluss des 8. Zivilsenates des Oberlandesgerichtes Koblenz vom 04.03.2005 (8 U 1183/04, Bl. 14/15 GA) hat die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens nach der Rücknahme der Berufung zu tragen. Sie musste deshalb - bis zum Ablauf der Verjährungsfrist - grundsätzlich einen Kostenfestsetzungsantrag des Klägers erwarten. Eine außergerichtliche Geltendmachung ist weder üblich noch erforderlich. Eine anderweitige Äußerung des Klägers wird nicht behauptet. Einen konkludenten Verzicht auf die Forderung leitet die Beklagte vielmehr nur aus dem Zeitablauf ab, was für die Annahme der Verwirkung nicht genügt. Hätte die Beklagte sicher gehen wollen, dass kein Kostenfestsetzungsantrag mehr gestellt wird, hätte sie den Kläger zur Abgabe einer hierauf bezogenen Erklärung auffordern können. Ein sachlicher Grund, warum der Kläger hätte verzichten sollen, ist weder vorgetragen, noch zu ersehen.

    2.
    Es kann dahinstehen, ob der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die auf das Berufungsverfahren (8 U 1183/04) bezogene Prozessakte vernichten durfte und vernichtet hat, auch wenn hieran erhebliche Zweifel bestehen. Es ist nämlich nicht erkennbar, welche Erkenntnisse hieraus hätten gewonnen werden können. Es wird lediglich die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren nebst der Auslagenpauschale geltend gemacht. Diese lassen sich aus dem vorliegenden Beschluss des OLG Koblenz wie der Gerichtsakte - eine Einsichtnahme stand dem Beklagtenvertreter offen - hinreichend begründen (§ 104 Abs. 2 S. 1 ZPO). Grundlage ist der zitierte Beschluss des Oberlandesgerichtes Koblenz (Bl. 14 GA). Fahrtkosten, Abwesenheitsgelder, Zeugenentschädigungen usw., die sich nicht aus dem Gesetz entnehmen lassen, werden von dem Kläger nicht geltend gemacht. Allenfalls insoweit wäre eine Teilverwirkung wegen der nicht mehr vorhandenen Prozessakte bedenkenswert. Auch liegt kein Fall der Kostenausgleichung vor, bei dem zu berücksichtigen wäre, dass nach einem gewissen Zeitablauf die Partei nicht mehr alle eigenen Auslagen feststellen und gegenrechnen kann. Die Ausführungen in der Beschwerdebegründung gehen mithin am konkreten Fall vorbei.

    3.
    Die gerichtlichen Vollstreckungstitel werden weit über die hier vergangene Frist hinaus aufbewahrt, so dass die Kostengrundentscheidung dem Gericht vorliegt und sich bei den Gerichtsakten befindet.

    4.
    Letztlich muss die sofortige Beschwerde aber auch daran scheitern, dass die Beklagte nicht dargelegt hat, dass sie im Vertrauen auf das Verhalten des Klägers ihre Vermögensdispositionen so eingerichtet hat, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde.

    5.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

    RechtsgebietKostenerstattung