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  • 28.02.2024 · IWW-Abrufnummer 239994

    Oberlandesgericht Braunschweig: Beschluss vom 11.08.2023 – 2 W 64/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Braunschweig

    Beschluss

    2 W 64/23 (Lw)
    7 Lw 97/19 Amtsgericht Wolfenbüttel    

    In der Landwirtschaftssache

    (…)

    hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Braunschweig (…) am 11. August 2023 beschlossen:

    Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss II der Rechtspflegerin des Amtsgerichts   Landwirtschaftsgericht - Wolfenbüttel vom 31.03.2023 wird zurückgewiesen.

    Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Die Rechtsbeschwerde wird beschränkt auf den Anfall einer Terminsge-bühr in Höhe von 6.467,41 € einschließlich Umsatzsteuer zugelassen.

    Geschäftswert: 15.114,43 €

    G r ü n d e

    I.

    Die Antragstellerin hat unter höferechtlichen Gesichtspunkten das Eigentum an einer landwirtschaftlichen Besitzung als Hoferbin beansprucht. Das Amtsgericht   Landwirtschaftsgericht - Wolfenbüttel hat mit Beschluss vom 16.12.2020 festgestellt, dass der Grundbesitz am 19.04.2019 kein Hof im Sinne der Höfeordnung gewesen sei, und der Antragstellerin die Kosten auferlegt (Bl. 123 ff. Bd. II d. A.). Daneben hat es mit weiterem Beschluss vom 16.12.2020 unter Annahme eines Einheitswerts von 146.244,00 € den Wert des Verfahrens auf 751.368,00 € festgesetzt (Bl. 131 f. Bd. II d. A.).

    Die Beschwerde der Antragstellerin ist mit Beschluss des Senats vom 28.10.2022 zurückgewiesen worden (Gesch.-Nr.: 2 W 62/21 (Lw)) (Bl. 192 ff. Bd. III d. A.). Gleichzeitig ist auch der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 751.368,00 € festgesetzt worden.

    Einen gegen die Amtsrichterin gestellten Befangenheitsantrag der Antragstellerin hatte das Amtsgericht zuvor mit Beschluss vom 05.02.2021 zurückgewiesen (Bl. 177 f. Bd. II d. A.). Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluss vom 21.04.2021 ebenfalls zurückgewiesen (Gesch.-Nr.: 2 W 31/21 (Lw)) (Bl. 235 ff. Bd. III d. A.).

    Auf die Anträge des Antragsgegners vom 17.12.2020 (Bl. 134 Bd. II d. A.) und vom 26.04.2021 (Bl. 253 Bd. III d. A.) hin hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die dem Antragsgegner von der Antragstellerin aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 16.12.2020 und des Beschlusses des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 21.04.2021 zur Geschäftsnummer 2 W 31/21 (Lw), die Befangenheitsbeschwerde der Antragstellerin betreffend, zu erstattenden Kosten der ersten und zweiten Instanz mit Kostenfestsetzungsbeschluss I vom 31.03.2023 (Bl. 324 f. Bd. III d. A.) auf 14.532,84 € nebst Zinsen festgesetzt. 

    Auf den Antrag des Antragsgegners vom 23.11.2022 (Bl. 315 Bd. III d. A.) hin hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die dem Antragsgegner von der Antragstellerin aufgrund des Beschlusses des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 28.10.2022 zur Geschäftsnummer 2 W 62/21 (Lw) zu erstattenden Kosten der zweiten Instanz mit weiterem Kostenfestsetzungsbeschluss II vom 31.03.2023 (Bl. 326 f. Bd. III d. A.) auf 15.114,43 € nebst Zinsen festgesetzt (hier streitgegenständlich). In den festgesetzten Kosten ist eine 1,2-fache Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG in Höhe von 5.434,80 € zzgl. 19 % Umsatzsteuer (= 6.467,41 €) enthalten. Der Senat hat in zweiter Instanz jedoch ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden.

    Gegen diese ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 11.04.2023 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschlüsse hat die Antragstellerin mit am 13.04.2023 bei Gericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom 12.04.2023 in Verbindung mit Schriftsatz vom 02.06.2023 sofortige Beschwerden einlegen lassen.

    Die Antragstellerin rügt, dass beiden Kostenfestsetzungsbeschlüssen ein Gegenstandswert von 751.368,00 € zugrunde gelegt worden sei. Die Festsetzung des Gegenstandswerts könne nicht nachvollzogen werden und stamme offenbar aus einem Verfahren zum Az.: 7 Lw 38/15 bzw. dem in diesem Verfahren mitgeteilten Einheitswert, welches dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin nicht bekannt sei.

    In dem Kostenbeschluss II vom 31.03.2023, welcher die Kosten für das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig zur Geschäftsnummer 2 W 62/21 (Lw) betreffe, sei zu Unrecht eine Terminsgebühr in Ansatz gebracht worden, weil unstreitig kein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden habe.

    Der Antragsgegner verweist zum Anfall einer Terminsgebühr auf eine Entscheidung des OLG Schleswig vom 17.05.2018 ‒ 60L WLw 6/18.

    Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts ‒ Landwirtschaftsgericht ‒ Wolfenbüttel hat den sofortigen Beschwerden mit Beschluss vom 27.06.2023 (Bl. 346 f. Bd. III d. A.), berichtigt mit Beschluss vom 21.07.2023 (Bl. 364 f. Bd. III d. A.), nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Braunschweig als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

    II.

    1.
    Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin (§ 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. § 9 LwVG, § 85 FamFG, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 597 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 2, 569 ZPO) ist unbegründet.

    a) Zu Recht hat das Amtsgericht einen Wert von 751.368,00 € zugrunde gelegt.

    aa) Nach § 32 Abs. 1 RVG ist der für die Gerichtsgebühren festgesetzte Wert auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend. Hier ist der Geschäftswert mit Beschlüssen des Amtsgerichts vom 16.12.2020 und des Senats vom 28.10.2022 jeweils auf 751.368,00 € festgesetzt worden, so dass dieser Betrag auch als Gegenstandswert den Gebühren der Verfahrensbevollmächtigten zugrunde zu legen ist.

    Einwendungen hiergegen werden im Rahmen der sich nach § 9 LwVG, § 85 FamFG i. V. m. §§ 103 ff. ZPO richtenden Kostenfestsetzung nicht berücksichtigt. Im Kostenfestsetzungsverfahren erlassene Beschlüsse können grundsätzlich nicht mit der Begründung angefochten werden, es sei ein unrichtiger Streitwert angenommen worden. Das Kostenfestsetzungsverfahren dient lediglich dem Zweck, die Kostengrundentscheidung des Prozessgerichts auf der Grundlage der ebenfalls vom Prozessgericht festgesetzten Streit- oder Geschäftswerte betragsmäßig auszufüllen. Dabei ist der die Kostenfestsetzung ausführende Rechtspfleger an die Wertfestsetzung des Prozessgerichts gebunden und darf diese nicht ändern (vgl. z. B. KG, Beschluss vom 27.04.2009 ‒ 2 W 85/09, BeckRS 2009, 24906).

    bb) Eine Umdeutung in eine zulässige Gegenvorstellung gegen die Festsetzung des Geschäftswerts nach § 83 Abs. 1 GNotKG kommt nicht in Betracht, weil die Frist gemäß §§ 83 Abs. 1 S. 3, 79 Abs. 2 S. 2 GNotKG nicht eingehalten ist, wonach eine Änderung der Wertfestsetzung nur innerhalb von sechs Monaten zulässig ist, nachdem die Entscheidung wegen des Hauptgegenstands Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

    Das Verfahren ist mit dem Beschluss des Senats vom 28.10.2022 abgeschlossen worden. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse stammt vom 02.06.2023 und ist mithin nicht innerhalb von sechs Monaten eingelegt worden.

    b) Ebenfalls zu Recht hat das Amtsgericht eine Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG in Ansatz gebracht. Gemäß Absatz 1 der genannten Vorschrift gilt Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG entsprechend. Nach dieser Regelung entsteht die Terminsgebühr auch dann, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

    aa) Zwar steht es nach § 32 Abs. 1 S. 1 FamFG in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich im Ermessen des Gerichts, ob es einen Termin durchführt, womit eine mündliche Verhandlung gerade nicht vorgeschrieben ist. Nach § 15 Abs. 1 S. 1 LwVG hat das Gericht in Landwirtschaftssachen jedoch auf Antrag eines Beteiligten eine mündliche Verhandlung anzuordnen, so dass die Beteiligten eine mündliche Verhandlung erzwingen, hierauf aber auch verzichten können. Dies steht der in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG beschriebenen Situation normativ gleich.

    bb) Der Grund für die zitierte Sonderregelung besteht in dem Bestreben, das Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung nicht dadurch zu erschweren, dass dem Rechtsanwalt zugemutet wird, auf die Terminsgebühr zu verzichten. 

    Darüber hinaus trifft den Rechtsanwalt im Falle des Verzichts auf eine mündliche Verhandlung eine erhöhte Verantwortung, so dass er sein Vorbringen noch genauer als sonst prüfen muss, wofür er zum Ausgleich eine Terminsgebühr erhalten soll (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., Nr. 3103 VV Rn. 12 m. w. N.). Ein entsprechendes Bedürfnis für die Zuerkennung einer Terminsgebühr besteht aber auch in solchen Verfahren, in denen ‒ wie hier ‒ die mündliche Verhandlung durch den Antrag eines Beteiligten erzwungen werden kann (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 17.05.2018 ‒ 60L WLw 6/18, NJOZ 2019, 158 m. z. N.; Müller-Rabe, a. a. O., Nr. 3103 VV Rn. 41; v. Seltmann, BeckOK RVG, 60. Edition, Nr. 3104 VV Rn. 3; a. A. OLG Oldenburg, Beschluss vom 07.05.2008 ‒ 10 W 9/08, RdL 2008, 216; Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., VV 3103, 3104 Rn. 28 Stichwort „LwVG“).

    Für diese Auffassung spricht zudem § 60 Abs. 4 S. 2 BRAGO, der vorsah, dass der Rechtsanwalt die gleichen Gebühren wie in einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung erhält, wenn in einem Verfahren, in dem eine mündliche Verhandlung auf Antrag stattfinden muss, ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Dafür, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung insoweit eine Änderung, d. h. eine gebührenrechtliche Schlechterstellung der Rechtsanwälte herbeiführen wollte, ist nichts ersichtlich. Im Gegenteil wird etwa in der Gesetzesbegründung zu Nr. 3104 VV RVG (BT-Drs. 15/1971, S. 212) erläutert, warum eine Norm der BRAGO nicht übernommen wurde, nach der dem Rechtsanwalt eine halbe Verhandlungsgebühr für den Fall zugestanden wurde, dass eine Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen wird. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu wörtlich: „Da weder ein besonderer Aufwand ersichtlich ist, noch die Parteien eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung verhindern können, ist die Notwendigkeit einer besonderen Terminsgebühr nicht ersichtlich.“ Dies zeigt aber auch, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit gesehen hat, dem Rechtsanwalt auch dann eine Terminsgebühr zuzugestehen, wenn ihm der mit einer Verhandlung verbundene Aufwand zwar nicht entsteht, er aber die Durchführung einer Verhandlung hätte erzwingen können (ebenso OLG Schleswig, a. a. O., Rn. 16 f.).

    2.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

    3.
    Nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO war die Rechtsbeschwerde beschränkt zuzulassen, weil die Frage, ob in landwirtschaftsgerichtlichen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV-RVG entsteht, wenn ein Antrag nach § 15 Abs. 1 S. 1 LwVG nicht gestellt worden ist und ein Termin nicht stattgefunden hat, in Rechtsprechung und Literatur umstritten und höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist.

    4.
    Der Senat hat gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 u. 8 LwVG ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter entschieden.

    5.
    Der Geschäftswert ist am Gebühreninteresse orientiert festgesetzt worden.

    (…)

    RechtsgebieteLandwirtschaftssachen, GebührenrechtVorschriftenAnm. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG; Nr. 3104 VV RVG; Nr. 3202 VV RVG; § 9 LwVfG