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  • 23.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239277

    Amtsgericht Friedberg/H.: Beschluss vom 29.09.2023 – 47 a OWi 179/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Amtsgericht Friedberg (Hessen)
    - Strafprozessabteilung -
    47 a OWi 179/23    29.09.2023
     
    Beschluss

    In der Bußgeldsache

    gegen        xxx
    Staatsangehörigkeit: deutsch,

    Verteidiger: xxx

    wegen     Verkehrsordnungswidrigkeit

    hat das Amtsgericht - Strafprozessabteilung - Friedberg (Hessen) durch den Richter am Amtsgericht xxx am 29.09.2023 beschlossen:

    Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.

    Gründe:

    I.

    Gegen den Betroffenen wurde ein Bußgeldverfahren geführt.

    Das Regierungspräsidium Kassel (im Folgenden: Regierungspräsidium) erließ am 02.09.2020 einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen.

    Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Verteidiger 14.09.2020 Einspruch ein.

    Das Regierungspräsidium half dem Einspruch nicht ab und legte das Verfahren über die Staatsanwaltschaft Gießen dem Amtsgericht Friedberg (Hessen) vor.

    Das Gericht stellt in der Hauptverhandlung vom 15.03.2021 das Verfahren ein. Dabei sah es davon ab die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.

    In der Folge fragte das Regierungspräsidium insgesamt dreimal bei der Staatsanwaltschaft Gießen nach dem Sachstand an. Mit Schreiben vom 21.12.2022 erklärte die Staatsanwaltschaft Gießen, dass das Verfahren am 15.03.2022 nach Einspruchsrücknahme an das Regierungspräsidium zurückgesandt worden sei. Die Einspruchsrücknahme bestätigte Frau xxx von der Staatsanwaltschaft Gießen auf fernmündliche Anfrage der Mitarbeiterin des Regierungspräsidiums. 

    Mit Schreiben vom 04.04.2023 hat das Regierungspräsidium den Betroffenen aufgefordert die Geldbuße, die Gebühr und die Auslagen, insgesamt 168,50 € zu zahlen.

    Da in der Folge keine Zahlung einging, mahnte das Regierungspräsidium den Betroffenen mit Schreiben vom 04.05.2023. In diesem Schreiben hat das Regierungspräsidium angekündigt bei einer Nichtzahlung Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten.

    Der Betroffene hat in der Folge seinen Verteidiger beauftragt. Dieser hat mit Schriftsatz vom 22.05.2023 beantragt die Vollstreckung der Geldbuße einzustellen und die notwendigen Auslagen der Landeskasse aufzuerlegen. Dies hat der Verteidiger damit begründet, dass das Bußgeldverfahren eingestellt wurde.

    Nach dem der Verteidiger mit Schreiben vom 13.06.2023 das Protokoll der Sitzung vom 15.03.2021 an das Regierungspräsidium übersandt hat, hat dieses das Vollstreckungsverfahren mit Schreiben vom 15.06.2023 eingestellt.

    Mit selbstständigen Kostenbescheid vom 28.07.2023 hat das Regierungspräsidium Kassel den Antrag auf Auferlegung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse abgelehnt. Dies hat das Regierungspräsidium damit begründet, dass es an die gerichtliche Kostenentscheidung gebunden sei. Das Vollstreckungsverfahren habe noch nicht begonnen gehabt, da die Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen die Vollstreckung nur vorbereiten sollte, aber selbst keine Vollstreckungsmaßnahme darstelle.

    Gegen diesen Bescheid hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 15.08.2023 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er begründete dies damit, dass bereits mit der Ankündigung der Vollstreckungsmaßnahmen die Vollstreckung beginne, da es dem Betroffenen nicht zumutbar sei auf die Ergreifung konkreter Vollstreckungsmaßnahmen zu warten.

    Mit Verfügung vom 30.08.2023 hat das Regierungspräsidium dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht abgeholfen und die Akte dem Amtsgericht Friedberg (Hessen) zur Entscheidung vorgelegt.
    Das Gericht hat den Betroffenen mit Schreiben vom 06.09.2023 darauf hingewiesen, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte, da es keine Rechtsnorm gäbe, die eine gesonderte Kostengrundentscheidung für das Vollstreckungsverfahren erlaube.

    Eine Reaktion des Verteidigers lag dem Gericht bei der Entscheidungsabfassung nicht vor.

    II.

    Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 62 OWiG statthaft. Dass das Regierungspräsidium den Bescheid mit selbstständigen Kostenbescheid nach dem RVG überschrieben hat, führt zu keiner Anwendung des § 57 RVG, da mit dem Rechtsbehelf des § 57 RVG nur Entscheidungen nach den Vorschriften des RVG angefochten werden können. Diese betreffen aber nur die Höhe der Gebühren bzw. deren Anfall, nicht aber die Kostengrundentscheidung selbst (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, 26. Aufl. 2023, RVG § 57 Rn. 1-6.). Hier hat das Regierungspräsidium Kassel aber eine Entscheidung über die Auferlegung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse, mithin eine Kostengrundentscheidung, getroffen.

    Zugunsten des Betroffenen ist davon auszugehen, dass die Frist des § 108 Abs. 1 S. 2 OWiG eingehalten wurde. Eine Zustellung des Bescheids ist nicht erfolgt, so dass eine weitere Fristprüfung nicht möglich ist.

    Der Antrag ist indes unbegründet. Die Entscheidung des Regierungspräsidiums ist nicht zu beanstanden.

    Es besteht keine Rechtsgrundlage für eine neuerliche Kostengrundentscheidung.

    Eine solche wurde bereits in dem Einstellungsbeschluss vom 15.03.2021 getroffen. Nach dieser Entscheidung wurden die notwendigen Auslagen nicht der Staatskasse auferlegt, womit sie beim Betroffenen verblieben sind.

    Eine weitere Kostengrundentscheidung für die Tätigkeit des Verteidigers bzgl. der Vollstreckungsandrohung nach der Einstellung ist nicht möglich. Für eine solche Kostengrundentscheidung besteht keine Rechtsgrundlage. Vielmehr ergibt sich aus § 464a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO, dass die Kosten des Vollstreckungsverfahren von der Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren umfasst werden (KK-StPO/Gieg, 9. Aufl. 2023, StPO § 464 Rn. 3.).

    Auch wenn man die hiesige Vollstreckungsankündigung mangels rechtskräftiger vollstreckbarer Entscheidung nicht unter § 465a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO subsumieren will, ergäbe sich nichts anderes. 

    Denn in diesem Fall würde es an einer Rechtsgrundlage für eine weitere Kostengrundentscheidung fehlen. In keiner der in § 105 OWiG zitierten Vorschriften findet sich eine Rechtsgrundlage für eine entsprechende Kostengrundentscheidung. Für eine analoge Anwendung des § 464 StPO bleibt kein Raum, da es angesichts der detaillierten Regelegungen im Kostenrecht an einer Analogiefähigkeit des § 464 StPO fehlt. Für eine solche Analogie besteht auch kein Bedürfnis, da es dem Betroffenen möglich und zumutbar ist die von ihm verauslagten Rechtsanwaltsgebühren im Wege der Amtshaftung geltend zu machen. Die Vollstreckungsankündigung des Regierungspräsidiums beruht letztlich auf einer fehlerhaften Auskunft der Staatsanwaltschaft Gießen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO. Eine Kostenentscheidung ist bereits im Hinblick auf die besondere Gebühr Nr. 4303 VV Anlage 1 zum GKG veranlasst.
    Diese Entscheidung ist gem. §§ 108 Abs. S. 1 Nr. 2, S. 2 Hs. 2; 62 Abs. 2 S. 3 OWiG unanfechtbar.

    RechtsgebietZwangsvollstreckungVorschriften§ 464a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO; § 464 StPO; Nr. 5200 Anm. 4 VV RVG