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  • 09.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235196

    Oberlandesgericht Stuttgart: Beschluss vom 15.12.2022 – 4 Ws 529/22

    Liegen die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung vor und wird der Beiordnungsantrag noch vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens gestellt, ist es ausnahmsweise möglich und geboten, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung einen Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn der Antrag vor Verfahrensabschluss aus justizinternen Gründen nicht verbeschieden wurde.


    Oberlandesgericht Stuttgart

    Beschluss vom 15.12.2022


    Tenor:

    1. Auf die sofortige Beschwerde des vormals Angeklagten vom 22. September 2022 wird Ziffer 3 des Beschlusses des Landgerichts - 31. Kleine Strafkammer - Stuttgart vom 9. November 2022 aufgehoben.
    2. Dem Beschwerdeführer wird mit Wirkung ab 27. April 2022 Rechtsanwalt ... als Pflichtverteidiger beigeordnet.
    3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers.

    Gründe

    I.

    Nach Einspruch gegen einen Strafbefehl vom 12. Oktober 2021 verurteilte das Amtsgericht Stuttgart den Beschwerdeführer ... am 18. März 2022 wegen versuchten Diebstahls zu der Freiheitsstrafe von einem Monat.

    Gegen das Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch ... über seinen Verteidiger Rechtsanwalt ... Berufung ein.

    Die Akten gingen am 13. April 2022 beim Landgericht Stuttgart ein. Zu diesem Zeitpunkt befand sich ... in Haft. Er war am 16. Februar 2021 durch das Landgericht Heilbronn unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchtem Totschlag in zwei tateinheitlichen Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Nach Rechtskraft des Urteils am 28. Januar 2022 wurde die Freiheitsstrafe ab dem 21. März 2022 in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt vollstreckt.

    Diesen Umstand teilte der Verteidiger des Beschwerdeführers mit an das Amtsgericht Stuttgart gerichtetem Schriftsatz vom 14. April 2022, eingegangen beim Landgericht Stuttgart am 27. April 2022, mit und beantragte gleichzeitig seine Beiordnung als Pflichtverteidiger.

    Daraufhin wandte sich der Vorsitzende der Kleinen Strafkammer am 28. April 2022 an die Staatsanwaltschaft und regte im Hinblick auf das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 16. Februar 2021 eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO an. Am 4. Mai 2022 beantragte die Staatsanwaltschaft, entsprechend zu verfahren.

    Mit Verfügung vom 5. Mai 2022 wurde die beabsichtigte Einstellung dem Beschwerdeführer und seinem Verteidiger mitgeteilt, woraufhin Rechtsanwalt ... erwiderte, die Bestellung eines Pflichtverteidigers habe dennoch unverzüglich zu erfolgen, ein Zuwarten sei nicht angezeigt.

    Mit Beschluss vom 9. November 2022, zugestellt am 18. November 2022, stellte das Landgericht Stuttgart das Verfahren schließlich ein. Es sah dabei davon ab, die notwendigen Auslagen von ... der Staatskasse aufzuerlegen. Im selben Beschluss lehnte es zudem die Beiordnung von Rechtsanwalt ... als Pflichtverteidiger mit der Begründung ab, dass die Beiordnung gemäß § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO unterbleibe, weil von Anfang an beabsichtigt gewesen sei, das Verfahren einzustellen. Die Voraussetzungen einer rückwirkenden Pflichtverteidigerbestellung lägen nicht vor.

    Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde vom 22. November 2022, eingegangen am 23. November 2022.

    II.

    1. Die nach § 142 Abs. 7 Satz 1 StPO statthafte und form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde (§§ 306, 311 StPO) ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die mit der ablehnenden Entscheidung verbundene Beschwer nicht deshalb entfallen, weil das Verfahren zugleich mit der Entscheidung über den Beiordnungsantrag eingestellt wurde und damit die Notwendigkeit einer Verteidigung entfallen ist.

    Die Rechtsmittel der Strafprozessordnung sind grundsätzlich nicht darauf ausgelegt, jedes Verhalten nachträglich auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Eine Maßnahme, eine Entscheidung oder ein Unterlassen kann nur dann Gegenstand eines Rechtsmittels sein, wenn davon zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel noch belastende Wirkungen ausgehen und sich diese beseitigen lassen. In Fällen, in denen die angegriffene Entscheidung prozessual überholt oder sonst erledigt ist, ist ein Rechtsmittel zur Feststellung der Rechtswidrigkeit aber dann zulässig, wenn ein besonderes Feststellungsinteresse besteht. Aus dem Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz folgt ein Rechtsschutzinteresse in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, in denen die direkte Belastung sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in der es dem Betroffenen schwer möglich ist, eine gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz zu erlangen. Dies kommt insbesondere bei Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Freiheitsentziehung und Telekommunikationsüberwachung in Bartracht (Allgayer in: MüKoStPO, 1. Auflage, § 296 Rn. 49 f. mwN); aber auch in den Fällen, in denen eine gerichtliche Entscheidung vor Erledigung durch verfahrensfehlerhafte Behandlung verhindert wurde (BVerfG, Beschluss vom 27.12.2006 - 2 BvR 803/05, NStZ 2007, 413, 414).

    Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend die notwendige Beschwer daraus, dass das Landgericht entgegen des Unverzüglichkeitsgebots des § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht schnellstmöglich über den rechtzeitig gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers entschieden, sondern mit der Entscheidung zugewartet hat, bis die Pflichtverteidigung obsolet wurde. Eine Möglichkeit, die Beiordnung vor Abschluss des Verfahrens zu erzwingen bzw. eine Entscheidung im Beschwerdeverfahren herbeizuführen, hatte der Beschwerdeführer nicht (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 29.04.2021 - 1 Ws 260/21, BeckRS 2021, 14711 Rn. 6). Denn eine reine Untätigkeitsbeschwerde ist der Strafprozessordnung fremd. In der bloßen Untätigkeit liegt keine sachliche Entscheidung, die allein Gegenstand der Überprüfung durch ein Beschwerdegericht sein kann. Zwar wird eine Untätigkeitsbeschwerde in Fällen, in denen der gerichtlichen Unterlassung die Bedeutung einer endgültigen Ablehnung gleichkommt, als zulässig erachtet (OLG Stuttgart, Beschluss vom 5. Juni 2003 - 1 Ws 131/03, NStZ-RR 2003, 284, 285). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

    2. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg:

    a) Gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO ist dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung auf seinen Antrag hin unverzüglich ein Pflichtverteidiger zu bestellen.

    aa) Vorliegend lag zum Zeitpunkt der Antragstellung am 14. April 2022 ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO vor. Denn der Beschwerdeführer befand sich seit 21. März 2022 in anderer Sache in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt.

    bb) Er war auch unverteidigt im Sinne des § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO. Nach dem Wortlaut dieser Norm wird ein Pflichtverteidiger grundsätzlich nur bestellt, wenn der Beschuldigte noch keinen Verteidiger hat. In Fällen wie diesem, in denen sich bereits ein Wahlverteidiger legitimiert hat, reicht es aus, wenn dieser ankündigt, im Moment der Bestellung als Pflichtverteidiger sein Wahlmandat niederzulegen (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage, § 141 Rn. 4). Zwar enthält der Schriftsatz von Rechtsanwalt ... vom 14. April 2022 eine solche Ankündigung nicht, dies steht der Beiordnung aber nicht entgegen. Denn auch der bloße Antrag des Wahlverteidigers, ihn als Pflichtverteidiger zu bestellen, enthält die Erklärung, die Wahlverteidigung solle mit der Bestellung zum Pflichtverteidiger enden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.12.1982 - VI 5/82, StV 1983, 190; OLG München, Beschluss vom 06.03.1992 - 1 Ws 161/92, StV 1993, 65; Kämpfer/Travers in: MüKo, StPO, 2. Auflage, § 141 Rn. 4; Jahn in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 141 Rn. 9).

    cc) Ein Absehen von der Pflichtverteidigerbestellung gemäß § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO war entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht möglich. Nach dieser Vorschrift kann eine Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden soll. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift beschränkt sich aber auf Fälle der Bestellung eines Pflichtverteidigers von Amts wegen, § 141 Abs. 2 StPO. Auf Fälle einer Bestellung auf Antrag des Beschuldigten gemäß § 141 Abs. 1 ist sie nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar. Gegen eine unmittelbare Anwendung sprechen sowohl der Wortlaut als auch die systematische Stellung innerhalb des § 141 StPO. Eine entsprechende Anwendung kommt mangels einer Regelungslücke nicht in Betracht (Krawczyk in: BeckOK StPO, § 141 Rn. 23 mwN).

    b) Obwohl zum Zeitpunkt der Antragstellung am 14. April 2022 die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung vorlagen, hat das Landgericht dem Beschwerdeführer nicht unverzüglich (§ 141 Abs. 1 Satz 1 StPO) Rechtsanwalt ... als Pflichtverteidiger beigeordnet, sondern bis zum 9. November 2022 zugewartet, um dann das Verfahren einzustellen und den Beiordnungsantrag abzulehnen. In Fällen, in denen wie vorliegend die sachlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers vorlagen und der Antrag auf Bestellung noch vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens gestellt, aber aus justizinternen Gründen nicht verbeschieden wurde, ist es nach Auffassung des Senats ausnahmsweise möglich und geboten, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung einen Pflichtverteidiger zu bestellen.

    aa) Die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung hat eine rückwirkende Beiordnung bislang mit dem Argument ausgeschlossen, die Beiordnung eines Pflichtverteidigers diene der ordnungsgemäßen Verteidigung eines Angeklagten sowie der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs. Sie erfolge nicht im Kosteninteresse eines Angeklagten oder im Interessen eines Verteidigers an einem Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse. Das Ziel einer effizienten Verteidigung könne nachträglich nicht mehr erlangt werden. Die rückwirkende Bestellung führe demnach nicht zu einem Mehr an Rechtsschutz des Angeklagten, sondern lediglich zur Schaffung eines Kostenanspruchs des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse. Auch aus der Regelung des Art. 4 Abs. 1 der RL 2016/1919/EU (PKH-Richtlinie) folge nichts anderes, denn die Richtlinie sehe nicht vor, den Betroffenen in jedem Fall von Kosten freizuhalten. Der Anspruch auf Prozesskostenhilfe bestehe gemäß Art. 4 Abs. 1 PKH-Richtlinie nur, wenn die Bereitstellung finanzieller Mittel im Interesse der Rechtspflege erforderlich sei. Ein solches Erfordernis bestehe aber in rechtskräftig abgeschlossenen Fällen nicht mehr (OLG Braunschweig, Beschluss vom 2.März 2021 - 1 Ws 12/21, BeckRS 2021, 3268 Rn. 9-11; OLG Brandenburg, Beschluss vom 9. März 2020 - 1 Ws 19/20, 1 Ws 20/20, NStZ 2020, 625; KG, Beschluss vom 9. April 2020 - 2 Ws 30/20, BeckRS 2020, 9383 Rn. 13; OLG Hamburg Beschluss vom 16. September 2020 - 2 Ws 112/20, BeckRS 2020, 27077 Rn. 14; OLG Bremen, Beschluss vom 23. September 2020, NStZ 2021, 253 (offengelassen für den Fall rechtzeitiger Antragstellung)).

    bb) Teilweise wird die Ansicht vertreten, die rückwirkende Beiordnung sei jedenfalls dann zulässig, wenn der Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers rechtzeitig vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens gestellt werde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung nach § 140 StPO gegeben seien und die Entscheidung aus allein in der Sphäre der Justiz liegenden Gründen nicht vor Verfahrensabschluss erfolge. Dies ergebe sich aus Art. 4 Abs. 1 der PKH-Richtlinie, wonach Verdächtige und beschuldigte Personen, die nicht über ausreichende Mittel zur Bezahlung eines Rechtsbeistandes verfügten, ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe zustehe, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich sei. Prozesskostenhilfe bedeute in diesem Zusammenhang die Bereitstellung finanzieller Mittel für die Unterstützung durch einen Rechtsbeistand, so dass das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand wahrgenommen werden könne (Art. 3 PKH-Richtlinie). Geregelt sei nunmehr also, dass nicht nur die tatsächliche Verteidigung, sondern auch die Bezahlung des Rechtsbeistands gesichert werden solle. Ziel und Zweck der Regelung sei eine effektive Unterstützung und Absicherung der Verfahrensbeteiligten. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn eine Pflichtverteidigerbestellung nur deswegen versagt werden könne, weil über den Antrag nicht vor Abschluss des Verfahrens entschieden werde. Nicht ohne Grund habe der Gesetzgeber in § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO das Unverzüglichkeitsgebot geschaffen. In der Vorschrift komme der besondere Beschleunigungsbedarf zum Ausdruck, den der Gesetzgeber für eine Pflichtverteidigerbestellung sehe. Auch ein Vergleich mit den Regelungen bzgl. der Bewilligung von Prozesskostenhilfe spreche für die Möglichkeit einer rückwirkenden Beiordnung. So komme nach § 397a Abs. 2 StPO bzw. § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss der kostenverursachenden Instanz grundsätzlich nicht in Betracht, etwas anderes gelte aber für den Fall, dass vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens ein Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen gestellt worden sei, der nicht bzw. nicht vorab verbeschieden worden sei und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan habe (BGH, Beschluss vom 18. März 2021 - 5 StR 222/20, BeckRS 2021, 8406 Rn. 4). Gründe, einen Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers anders zu behandeln als einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, seien nicht ersichtlich (OLG Bamberg, Beschluss vom 29. April 2021 - 1 Ws 260/21, BeckRS 2021, 14711 Rn. 14-19; OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. November 2020 - Ws 962/20, Ws 963/20, BeckRS 2020, 35193 Rn. 22-26).

    cc) Der Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an. Soweit von der gegenteiligen Auffassung eingewandt wird, Art. 4 Abs. 1 PKH-Richtlinie mache den Anspruch auf Prozesskostenhilfe davon abhängig, dass die Bewilligung im Interesse der Rechtspflege erforderlich sei und eine solche Erforderlichkeit bei rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht mehr bestehe, überzeugt dies insbesondere im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK nicht, der ausdrücklich den mittellosen Beschuldigten erwähnt und damit auch das Kosteninteresse des Beschuldigten in seinen Schutzzweck aufnimmt (Kämpfer/Travers in: MüKOStPO, 2. Auflage, § 142 Rn. 14). Auch in Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK wird das Recht einer angeklagten Person, unentgeltlich den Beistand eines Verteidigers zu erhalten, davon abhängig gemacht, dass dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Die "Erforderlichkeit im Interesse der Rechtspflege" wird in diesem Zusammenhang aber im Anschluss an die englische Sprachfassung ("interests of justice") nicht auf die Gesichtspunkte der Rechtspflege im Sinne objektiv-organisatorischer Erfordernisse reduziert, sondern vielmehr im Sinne von Verfahrensgerechtigkeit gegenüber dem Angeklagten verstanden (Gaede in: MüKoStPO, 1. Auflage, EMRK Art. 6 Rn. 209). Ein Anlass, den Begriff der "Erforderlichkeit der Rechtspflege" in der PKH-Richtlinie anders zu interpretieren besteht nicht, zumal in den Vorbemerkungen der Richtlinie ausdrücklich auf Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK Bezug genommen wird. Zur Verfahrensgerechtigkeit in diesem Sinne gehört es aber, die Entscheidung über die Bestellung eines Pflichtverteidigers danach zu treffen, ob ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt und ein entsprechender Antrag rechtzeitig gestellt wurde.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung.

    RechtsgebieteStrafprozess, PflichtverteidigerVorschriften§§ 140 ff., § 311 Abs. 1 StPO