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  • 08.11.2022 · IWW-Abrufnummer 232150

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 18.08.2022 – 5 WF 52/22

    Beim steckengebliebenen Stufenantrag ist erst dann auf den Auffangwert nach § 42 Abs. 3 FamGKG zurückzugreifen, wenn auch eine verständige Würdigung des Vorbringens der Antragsteller keine genügenden Anhaltspunkte für eine Festsetzung ergibt.


    Oberlandesgericht Karlsruhe

    Beschluss vom 18.08.2022


    Tenor:

    1. 1.Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Überlingen vom 21.02.2022 hinsichtlich der Verfahrenswertfestsetzung in Ziffer 2 des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:
      Der Verfahrenswert wird auf 5.777 € festgesetzt.
    2. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.
    3. Gerichtsgebühren werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.
    Gründe

    I.

    Die Beschwerde des Antragsgegners richtet sich auf die Herabsetzung des Verfahrenswertes in einem Unterhaltsverfahren.

    Die beiden Antragsteller sind die Kinder des Antragsgegners. Durch Jugendamtsurkunden vom 22.01.2016 hatte er sich zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von je 128 % des jeweiligen Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersstufe verpflichtet.

    Vertreten durch die betreuende Mutter reichten die Antragsteller am 11.12.2019 einen Stufenantrag gegen den Antragsgegner ein, in dem sie für den Fall des Übersteigens der Beträge in den Jugendamtsurkunden eine Erhöhung ab August 2018 beantragen. Nach teilweisem Anerkenntnis des Antragsgegners hinsichtlich der Auskunftsstufe erging insoweit am 17.03.2020 Teil-Anerkenntnisbeschluss und Teilbeschluss. Ein Vollstreckungsverfahren schloss sich an.

    Das Familiengericht setzte mit Beschluss vom 17.05.2021 den Verfahrenswert auf 10.000 € fest (für beide Kinder den Auffangwert nach § 42 Abs. 3 FamGKG).

    Der Antragsgegner erhob mit Anwaltsschriftsatz vom 04.06.2021 Widerantrag gegen den Antragsteller Ziffer 2 mit dem Ziel einer Herabsetzung auf 120 % des jeweiligen Mindestunterhalts ab November 2019. Dieser Widerantrag wurde mit Schriftsatz vom 30.11.2021 zurückgenommen.

    Den Hauptsacheantrag der Antragsteller erklärten alle Beteiligten für erledigt.

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 21.02.2022 sprach das Familiengericht die Kostentragung durch den Antragsgegner aus (Ziffer 1 des Tenors) und setzte den Verfahrenswert auf 11.330 € fest (Ziffer 2 des Tenors). Hinsichtlich der noch nicht bezifferten Hauptsacheanträge sei für beide Kinder jeweils auf den Auffangwert zurückzugreifen. Für den Widerantrag sei auf die konkrete Bezifferung abzustellen. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 28.02.2022 zugestellt.

    Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerseite mit Anwaltsschriftsatz vom 28.03.2022. Darin wird begehrt, die Hauptsacheanträge mit jeweils 500 € zu bemessen. Die Antragsteller hätten sich allenfalls vorgestellt, den Unterhalt um eine Einkommensstufe zu erhöhen.

    Die Antragstellerin Ziffer 1 tritt der Beschwerde entgegen und verweist auf die Berechnung im angefochtenen Beschluss.

    Zu den Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

    II.

    Es handelt sich um eine Beschwerde des Antragsgegners. Die Formulierung im Anwaltsschriftsatz "... legen wir ... Beschwerde ein." ist bei verständiger Auslegung als Beschwerde des Antragsgegners anzusehen, da der unterzeichnende Rechtsanwalt mit der begehrten Herabsetzung des Verfahrenswertes keine eigene Beschwer geltend machen würde, so dass seine Beschwerde unzulässig wäre.

    Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 FamGKG statthaft sowie gemäß § 59 Abs. 1 Satz 3 FamGKG i.V.m. § 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG form- und fristgerecht eingelegt. Der Beschwerdewert ist erreicht, da die Differenz der vom Antragsgegner aus dem festgesetzten Verfahrenswert von 11.330 € und dem begehrten Verfahrenswert von 1.274 € zu tragenden Kosten des Verfahrens (Gerichtskosten und zwei Rechtsanwälte) mehr als 200 € beträgt. Dies gilt selbst dann, wenn die Rechenfehler bei diesem Antrag korrigiert werden.

    Die Beschwerde ist in der Sache teilweise begründet.

    Bei einem Stufenantrag wird neben dem Auskunftsanspruch auch der unbezifferte Zahlungsanspruch sogleich rechtshängig, wobei für den Verfahrenswert gem. § 38 FamGKG allein der höhere Anspruch maßgebend ist. Ist es zu keiner Bezifferung des Stufenantrags gekommen, ist nach § 42 Abs. 1 FamGKG der Wert zu schätzen. Maßgeblich für die Wertfestsetzung ist die aufgrund des Antrags zu schätzende realistische Erwartung des Klägers hinsichtlich des Zahlungsanspruchs bei Beginn der Instanz (OLG Frankfurt a.M. vom 24.01.2022 - 6 WF 1/22, juris Rn. 7). Wenn sich allerdings objektive Anhaltspunkte für die erkennbaren Erwartungen des Stufenantragstellers zur Höhe seines Anspruches bei Einreichung des Stufenantrages überhaupt nicht feststellen lassen, ist der Auffangwert nach § 42 Abs. 3 FamGKG heranzuziehen (vgl. BGH vom 12.01.2022 - XII ZB 418/21, juris Rn. 19; OLG Koblenz vom 12.11.2020 - 13 WF 746/20, juris Rn. 3). Genügende Anhaltspunkte in diesem Sinne bedeuten weniger als eine Wahrscheinlichkeit oder gar eine Gewissheit, sind allerdings mehr als eine nur theoretische Möglichkeit. Ein Anhaltspunkt liegt also jedenfalls dann vor, wenn die Sache bei einer vernünftigen Betrachtung als durchaus möglich erscheint, mag sie auch nicht gerade wahrscheinlich sein (Toussaint/Zivier, Kostenrecht, 52. Auflage 2022, § 36 GNotKG Rn. 25).

    Nach diesem rechtlichen Maßstab bestehen genügende Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Verfahrenswertes.

    Zwar ergibt sich aus den Ausführungen der Antragsteller in der Antragsschrift vom 11.12.2019 weder, auf welchem konkreten Einkommen des Antragsgegners die am 22.01.2016 errichteten Jugendamtsurkunden über die Verpflichtung zur Zahlung von 128 % des Mindestunterhaltes beruhen, noch von welchem Einkommen die Antragsteller aktuell ausgehen und dass dieses wesentlich über den damals angenommenen Einkommensverhältnissen liegen könnte. Ihre konkreten Vorstellungen haben die Antragsteller auch später nicht formuliert. Im vorliegenden Verfahren über die Wertbeschwerde des Antragsgegners haben sie aber dessen Behauptung, es sei ihnen allenfalls um die Erhöhung um eine Einkommensstufe gegangen, nicht widersprochen. Allerdings würde eine solche Abänderung um lediglich eine Stufe rechtlich nicht möglich sein, weil der Abänderungsbetrag unter der Wesentlichkeitsschwelle von 10 % nach § 238 Abs. 1 S. 2 FamFG liegen würde. Bei verständiger Auslegung ist daher von zwei Stufen auszugehen. Dies ergibt für den hier gem. § 51 Abs. 1 und Abs. 2 FamGKG relevanten Zeitraum von August 2018 bis Dezember 2020 bei Unterschiedsbeträgen von 75 € (2018, bzw. davon 1x 64 € für August 2018), 76 € (2019) bzw. 79 € (2020) für beide Kinder einen Gesamtbetrag von 4.459 €

    Klar zu berechnen ist der Widerantrag des Antragsgegners. Diesen hat das Familiengericht im angefochtenen Beschluss im Wesentlichen zutreffend berechnet, abgesehen davon, dass der Unterschiedsbetrag zwischen 128 % und 120 % im Jahre 2021 nur 42 € betrug. Somit errechnen sich insoweit 1.318 €.

    III.

    Der Ausspruch zu den Kosten beruht auf § 59 Abs. 3 FamGKG.

    Die Entscheidung ist gem. § 59 Abs. 1 S. 5 mit § 57 Abs. 7 FamGKG unanfechtbar.

    RechtsgebietStreitwertVorschriften§ 38, § 42 Abs. 1 und 3 FamGKG