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  • 11.10.2022 · IWW-Abrufnummer 231716

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 14.06.2022 – 6 WF 86/22

    Ist einem Beteiligten Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden, so sind seine Reisekosten für einen Gerichtstermin, zu dem sein persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, von der Staatskasse zu erstatten. Sowohl die Höhe als auch das Verfahren richten sich in entsprechender Anwendung nach den Vorschriften des JVEG.


    OLG Frankfurt 6. Senat für Familiensachen

    14.06.2022


    Tenor

    Die sofortige Beschwerde wird verworfen.

    Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

    Gründe

    I.

    Der Antragsgegner nahm am 22.09.2021 im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahren zum Sorgerecht einen Anhörungstermin vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Dieburg wahr, zu dem sein persönliches Erscheinen angeordnet war. Der Antragsgegner hat eine von Stadt1 392 km entfernt liegende Wohnung in Stadt2 und verfügt zum Zwecke der Wahrnehmung von Umgangskontakten über eine weitere ca. 9km von Stadt1 entfernt liegende Wohnung in Stadt3-Stadtteil1, die über Leistungen nach dem SGB II finanziert wird.

    Bereits mit Schriftsatz vom 02.09.2021 hat der Antragsgegner beantragt, ihm die aufgrund der Anreise mit dem PKW aus Stadt2 zum Gerichtstermin entstandenen Kosten für eine Anreise zu ersetzen und diesen Antrag sodann für den zwischenzeitlich auf den 22.09.2021 verlegten Termin wiederholt. In der Folgezeit erinnerte der Antragsgegner mehrfach an die Bescheidung des Antrags auf Fahrtkostenerstattung, während das Amtsgericht seinerseits wiederholt einen Nachweis für die entstandenen Fahrtkosten verlangte.

    Mit Beschluss vom 23.09.2021 wurde dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A bewilligt.


    Am 23.03.2022 wurden dem Antragsgegner Fahrtkosten in Höhe von 100,25 Euro ausgezahlt, wobei entsprechend der zuvor angeforderten Stellungnahme der Bezirksrevisorin nur Fahrtkosten für die Anreise aus Stadt3 und die Rückreise nach Stadt2, mithin für insgesamt 401 km erstattet wurden.

    Den mit Schriftsatz vom 09.04.2022 erhobenen Einwand des Antragsgegners, dass es an einer rechtsmittelfähigen Entscheidung fehle, legte die zuständige Kostenbeamtin als Erinnerung aus, der sie nicht abhalf und das Verfahren der zuständigen Richterin zur Festsetzung der Fahrtkosten gemäß § 4 JVEG vorlegte.

    Mit Beschluss vom 16.05.2022 hat das Amtsgericht - Familiengericht - die Fahrtkosten des Antragsgegners in Höhe von 100,25 Euro gerichtlich festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kosten nach § 4 JVEG gerichtlich festzusetzen seien, nachdem der Antragsgegner dies beantragt habe. Anspruch auf Festsetzung höherer Fahrtkosten habe der Antragsgegner nicht, da er am 20.09.2021 Akteneinsicht am Amtsgericht Dieburg wahrgenommen habe und nicht nachgewiesen habe, dass die Rückreise nach Stadt2 vor dem Gerichtstermin notwendig gewesen sei. Da er über Wohnraum in Stadt3 verfüge, könne nur die Anreise von dort zum Gericht in Stadt1 erstattet werden.

    Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde vom 31.05.2022. Er macht geltend, dass er nach der wahrgenommenen Akteneinsicht am 20.09.2022 nach Stadt2 zurückgefahren sei, um Stellungnahmen zu fertigen und an das Gericht zu faxen.

    Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde unter Hinweis auf das Nichterreichen des Beschwerdewertes nach § 4 Abs. 3 JVEG nicht abgeholfen.

    II.

    Die in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 3 S. 1 JVEG statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist unzulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro nicht übersteigt.

    Die Beschwerde gegen die Entschädigungsentscheidung des Gerichts über die Reisekosten des Antragsgegners richtet sich in entsprechender Anwendung nach § 4 Abs. 3 JVEG.

    § 4 JVEG ist zunächst nicht unmittelbar anwendbar, da der Antragsgegner als Beteiligter nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 1 Abs. 1 bis 4 JVEG gehört.

    Mangels einer anderweitigen Rechtsgrundlage finden die Bestimmungen des JVEG in verfahrensrechtlicher Hinsicht entsprechende Anwendung.

    Bei der Entscheidung über die Gewährung einer Reiseentschädigung handelt es sich nicht um einen Justizverwaltungsakt, sondern um einen Akt der Rechtsprechung, der nach § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO beschwerdefähig ist (Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 10. Auflage, § 11 Rn. 741 ff.). Reisekosten eines Beteiligten zum Gerichtstermin stellen notwendige Auslagen im Sinne des § 122 ZPO dar, insbesondere dann, wenn das persönliche Erscheinen oder die persönliche Anhörung des Beteiligten angeordnet ist. Wurde einem Beteiligten Verfahrenskostenhilfe bewilligt und ist er zu einem Gerichtstermin geladen worden, folgt der Auslagenerstattungsanspruch bereits aus dem Umstand der Bewilligung. Eine besondere VKH-Bewilligung für die Auslagen ist nicht erforderlich, vielmehr ist diese bereits in der allgemeinen VKH-Bewilligung enthalten. Die sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO ist dabei das gegebene Rechtsmittel gegen richterliche Entscheidungen, mit denen die grundsätzliche Bewilligung von Reisekosten abgelehnt wird (vgl. hierzu OLG Zweibrücken Beschl. v. 7.6.2017 - 5 WF 75/17, BeckRS 2017, 115872).

    Die konkrete Prüfung der Notwendigkeit und insbesondere der Höhe der zu erstattenden Auslagen gehört hingegen in das Vergütungsfestsetzungsverfahren, für das zunächst der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig ist, und ist nicht Teil VKH-Bewilligung (Gottschalk/Schneider, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe, 10. Auflage, § 11 Rn. 741 ff.). Die Anweisung der Zahlung erfolgt nach den Bestimmungen des JVEG durch den zuständigen Beamten der Geschäftsstelle, der dabei die Kosten auch hinsichtlich ihrer Unvermeidbarkeit zu überprüfen hat. Die konkrete Festsetzung der erstattungsfähigen Fahrtkosten obliegt damit dem Beamten der Geschäftsstelle (Musielak/Voit/Fischer, 19. Aufl. 2022, ZPO § 119 Rn. 7).

    Nachdem der Beteiligte nach der Regelung in § 4 Abs. 1 JVEG eine gerichtliche Festsetzung nicht beantragen kann, kann sich ein Beteiligter gegen die vom Urkundsbeamten nach dem JVEG vorgenommenen Zahlungen im Wege der Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 57 FamGKG wenden (Schneider JVEG/Schneider, 4. Aufl. 2021, JVEG § 4 Rn. 22; NK-GK/Hagen Schneider, 3. Aufl. 2021, FamGKG § 57 Rn. 18; KG JurBüro 2019, 38;). Hiervon erfasst können allerdings nur Fälle sein, in denen der Beteiligte selbst als Kostenschuldner für eine Vergütung oder Entschädigung herangezogen wird. Da er an einem solchen Festsetzungsverfahren nicht zu beteiligen, kann er sich nur im Rahmen der Erinnerung gegen eine Kostenrechnung (§ 57 FamGKG) gegen die Höhe von JVEG Auslagen wenden, wenn diese einen Auslagentatbestand der gerichtlichen Kostenrechnungen erfüllen. Nicht von dem Erinnerungsverfahren nach § 57 FamGKG erfasst sind aber Fälle, in denen ein Beteiligter selbst die Erstattung eigener Auslagen im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe geltend macht.

    Ist damit weder die sofortige Beschwerde nach § 127 ZPO noch die Erinnerung gegen den Kostenansatz nach § 57 FamGKG das gegebene Rechtsmittel gegen zum Teil zurückgewiesene Anträge auf zu erstattende Reisekosten eines hilfsbedürftigen Beteiligten, bleibt im Ergebnis nur die sofortige Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 3 JVEG als statthaftes Rechtsmittel. Da die Bemessung der Reisekosten eines Beteiligten an den Regelungen des JVEG ausgerichtet ist und damit die Interessen der Staatskasse gleichermaßen berührt werden, hält der Senat auch verfahrensrechtlich eine entsprechende Anwendung des JVEG für angebracht.

    Im Ergebnis ist die sofortige Beschwerde allerdings unzulässig, da der Mindestbeschwerdewert von 200,00 Euro in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 3 JVEG nicht erreicht ist. Der Beschwerdewert bestimmt sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem in der angefochtenen Entscheidung zugebilligten und dem in der Beschwerdeinstanz beantragten Betrag, also nach der Differenz, um die der Beschwerdeführer sich verbessern will (MüKo/Hamdorf, ZPO, 6 Auflage 2020 Rn. 36; BGH, NJW-RR 2013, S. 1020 Rn. 7). Die Differenz zwischen beantragter Reisekosten in Höhe von 195,50 Euro und erstatteter in Höhe von 100,50 Euro, beträgt vorliegend nur 95,25 Euro.

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Kostenregelung aus dem Gesetz ergibt (§ 4 Abs. 8 JVEG entsprechend).

    RechtsgebieteVKH, KostenfestsetzungVorschriften§ 4 Abs. 3 JVEG