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  • 05.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225063

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 08.07.2021 – 4 W 431/21

    1. Der Streitwert einer Klage auf Feststellung des Fortbestandes einer Krankentagegeldversicherung bemisst sich nicht nach dem dreieinhalbjährigen Betrag der geschuldeten Prämie, sondern nach dem Wert der geschuldeten Leistung; regelmäßig kann hier eine Bezugsdauer von sechs Monaten zugrunde gelegt werden.

    2. Werden Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung für einen abgrenzbaren Zeitraum neben einem Antrag auf Feststellung, dass der Versicherungsvertrag fortbesteht, anhängig gemacht, liegt nur für den Leistungszeitraum eine Teilidentität vor, die es rechtfertigt, den Feststellungsantrag mit lediglich 20% des für diesen Zeitraum vereinbarten Krankentagegeldes zu bemessen; für den Restzeitraum ist der für Feststellungsanträge übliche Abschlag von 20% anzusetzen.


    Oberlandesgericht Dresden

    Beschluss vom 08.07.2021


    Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat in dem Verfahren 4 W 431/21 am 08.07.2021 beschlossen:

    Tenor:

    1.
    Auf die Streitwertbeschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 12.04.2012 - 3 O 825/21 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wie folgt abgeändert:

    Der Streitwert wird auf 9.859,20 € festgesetzt:

    2.
    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten um den Fortbestand und Leistungen aus einer Krankentagegeldversicherung. Die Beklagte hat seit September 2017 an die Klägerin Krankentagegeld gezahlt und hat die Krankentagegeldversicherung am 23.10.2020 mit der Begründung, es sei Berufsunfähigkeit eingetreten, für beendet erklärt. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Krankentagegeldversicherung unbeendet über den 12.01.2021 hinaus fortbesteht. Sie begehrt die Zahlung von Krankentagegeld für die Zeit vom 13.01.2021 bis 30.04.2001 in Höhe von 5.616,00 € (52,00 € kalendertäglich für 108 Tage).

    Das Landgericht Leipzig hat mit Beschluss vom 12.04.2021 den Streitwert auf 7.488,00 € festgesetzt und für den Feststellungsantrag 1.872 EUR angesetzt - mithin 20 % des vereinbarten Krankentagegeldes für eine sechsmonatige Bezugsdauer.

    Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 15.04.2021 Beschwerde eingelegt und begehrt die Heraufsetzung des Streitwertes auf 53.144,00 €. Er meint, für die Berechnung sei der 3 1/2 fache Wert der jährlichen Krankentagegeldleistung anzusetzen (365 Tage x 52,00 € x 3,5 = 66.430,00 €). Davon seien 80 % festzusetzen, mithin 53.144 €.

    Der Streitwertbeschwerde hat das Landgericht Leipzig nicht abgeholfen.

    II.

    1. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist gemäß §§ 68, 63 GKG, § 32 Abs. 2 RVG statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nur zum Teil begründet. Der Streitwert beträgt 9.859,20 €. Er setzt sich zusammen aus dem Zahlungsantrag in Höhe von 5.616,00 € und dem Feststellungsantrag in Höhe von 4.243,20 EUR.

    Maßgeblich für die Berechnung des Feststellungsantrages ist die Höhe der Krankentagegeldleistung von 52 EUR und eine sechsmonatige Bezugsdauer. Ein halbes Jahr entspricht (aufgerundet) 183 Tagen. Der Streitwert des Feststellungsantrages berechnet sich wie folgt: Für den Zeitraum vom 13.01. bis 30.04.2021 (108 Tage x 52,00 € = 5.616,00 €) besteht eine wirtschaftliche Identität mit dem Zahlungsantrag, weshalb für diesen Zeitraum 20 % angesetzt werden, mithin 1.123,20 €. Es verbleiben daher weitere 75 Tage á 52,00 € = 3.900,00 €. Hiervon werden 80 % angesetzt, mithin 3.120,00 €, da der übliche Abschlag bei Feststellungsklagen 20% beträgt. Der Wert des Feststellungsantrages beträgt 4.243,20 € (1.123,20 € + 3.120,00 €).

    Für eine reine Krankentagegeldversicherung ist zur Festsetzung des Streitwertes und der Beschwer der Maßstab der für den Versicherungsfall geschuldeten Leistung des Versicherers heranzuziehen, weil es auch dort (wie bei der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung) um summenmäßig festgelegte wiederkehrende Leistungen geht, die das Interesse des Versicherungsnehmers am Fortbestand des Vertrages bestimmen (BGH, Beschluss vom 14.12.2016 - IV ZR 477/15 - juris). Der Bundesgerichtshof ist damit von seiner Rechtsprechung, den dreieinhalbjährigen Betrag der Prämie zugrunde zu legen, abgerückt. § 9 ZPO ist nicht anwendbar, denn die Regelung setzt voraus, dass solche Rechte betroffen sind, die ihrer Natur und erfahrungsgemäß jedenfalls von einer dem in § 9 ZPO genannten Zeitraum entsprechenden Dauer sind (so BGH, Beschluss vom 14.12.2016 - IV ZR 477/15 - juris). Die regelmäßige Bezugsdauer von Krankentagegeld liegt deutlich unter 3 1/2 Jahren, auch wenn ein solcher Zeitraum im Einzelfall nicht ausgeschlossen sein mag, weshalb der Ansatz von sechs Monaten gerechtfertigt ist (vgl. BGH a.a.O.).

    Ohne Erfolg stützt sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.11.2011 (IV ZR 37/11). Dort ging es um die Streitwertbemessung eines privaten Krankenversicherungsvertrages. Der Bundesgerichtshof hat hier gemäß §§ 3, 9 ZPO den 3,5 fachen Betrag der Jahresprämie, abzüglich des bei positiven Feststellungsklagen üblichen Abschlages von 20 %, angesetzt (so auch BGH, Beschluss vom 04.09.2019 - IV ZR 40/19 - juris). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin übersieht, dass der Bundesgerichtshof die 3 1/2 fache Jahresprämie und nicht den 3 1/2 fachen Betrag der Jahresleistung angesetzt hat (vgl. Beschluss vom 04.09.2019 - IV ZR 40/19 - juris). Die Jahresleistung des Versicherers könnte bei der privaten Krankenversicherung auch nicht für die Wertbestimmung herangezogen werden, da es keine im Vertrag festgelegte monatlich oder kalendertäglich bemessene Leistung der Versicherung gibt (vgl. hierzu OLG Köln, Beschluss vom 06.08.2019 - 9 W 37/19 - juris). Würde man im vorliegenden Fall den von der Klägerin zuletzt gezahlten 3 1/2 fachen Betrag der Jahresprämie zugrunde legen, käme man auf einen erheblich geringeren Betrag, denn der Beitrag für die Krankentagegeldversicherung belief sich auf 56,52 € monatlich und der dreieinhalbfache Jahreswert würde sich damit auf 2.373,84 € betragen.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liegt bei einem Zusammentreffen eines Leistungsantrages wegen eines behaupteten Versicherungsfalles mit einem Feststellungsantrag auf Fortbestand des Vertrages eine wirtschaftliche Teilidentität der Klagebegehren vor, die eine vollständige Wertaddition gemäß § 5 ZPO, § 39 GKG verbietet, weil das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses zugleich Voraussetzung für den Leistungsanspruch ist (so BGH, Beschluss vom 14.12.2016 - IV ZR 477/15 - juris). Daher hat der Bundesgerichtshof das Feststellungsbegehren nur mit 20 % des vereinbarten Krankentagegeldes für eine sechsmonatige Bezugsdauer angesetzt (so BGH, a.a.O.). Dies betraf jedoch einen Fall, in dem die Zahlung von Krankentagegeld für einen nicht feststehenden Zeitraum begehrt wurde. Hier begehrt die Klägerin nur für einen abgegrenzten Zeitraum vom 13.01.2021 bis 30.04.2021 Zahlungen aus der Krankentagegeldversicherung. Nur insoweit besteht eine Teilidentität zwischen dem Zahlungsanspruch und dem Feststellungsbegehren und nur für diesen Zeitraum ist der Ansatz von 20% gerechtfertigt. Für den Zeitraum ab dem 01.05.2021 besteht keine wirtschaftliche Identität, weshalb hier der für Feststellungsanträge übliche Abschlag von 20 % angesetzt werden kann (vgl. hierzu auch OLG Köln, Beschluss vom 06.08.2019 - 9 W 37/19 - juris). Nur in Fällen des Zusammentreffens von Feststellungs- und Leistungsantrag verbietet sich eine vollständige Berücksichtigung des auf den Feststellungsantrag entfallenden Streitwertes, weil das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses zugleich Voraussetzung für den Leistungsanspruch im Versicherungsfall ist (vgl. OLG Köln, a.a.O.).

    2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden, § 68 Abs. 3 GKG.

    RechtsgebietKrankenversicherungsrechtVorschriften§§ 3, 5, 9 ZPO; § 39 GKG