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  • 12.08.2021 · IWW-Abrufnummer 224028

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 07.06.2021 – 4 W 84/21

    Bei der Festsetzung des Ausgangsstreitwertes einer Unterlassungsklage darf zum Schutz der Verbraucherschutzverbände vor unangemessenen Kostenrisiken der Streitwert pro Klausel von 2.500,00 EUR in der Regel nicht unterschritten werden; der Festsetzung eines angepassten Teilstreitwerts bedarf es dann nicht. Auf die wirtschaftliche Bedeutung des angefochtenen Klauselwerks kommt es für die Streitwertbemessung nicht an.


    Oberlandesgericht Dresden

    Beschluss vom 07.06.2021


    In Sachen
    ........... e.V., ...
    vertreten durch die Vorstände A...... K...... und M...... L......
    - Kläger und Beschwerdeführer -
    Prozessbevollmächtigter:
    Rechtsanwalt J...... B......, ...
    gegen
    ......-Versicherung ...... Lebensversicherung AG, ...
    vertreten durch den Vorstand G...... M......
    - Beklagte und Beschwerdegegnerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    B...... L...... D...... Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, ...
    wegen Unterlassung
    hier: Beschwerde
    hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
    xxx
    ohne mündliche Verhandlung am 07.06.2021 beschlossen:

    Tenor:

    1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 11.12.2020 werden die Beschlüsse des Landgerichts Leipzig vom 20.10.2020 im angefochtenen Urteil und vom 27.10.2010 - jeweils Az.: 8 O 1494/19 abgeändert und der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 30.000 EUR festgesetzt.
      Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
    2. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    Der Kläger wendet sich gegen eine Streitwertfestsetzung und gegen die Ablehnung einer Teilstreitwertfestsetzung durch das Landgericht.

    Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil den Streitwert auf 27.000,00 EUR festgesetzt. Mit Beschluss vom 27.10.2020 hat es den nach § 12 Abs. 5 UWG gestellten Antrag auf Festsetzung eines angepassten Teilstreitwertes zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen unter Zif. V. im angefochtenen Urteil und die Ausführungen unter Zif. II. im angefochtenen Beschluss verwiesen.

    Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Festsetzung des vollen Streitwertes auf 100.000,00 EUR und zusätzlich die Festsetzung eines angepassten Teilstreitwertes gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 UWG. Zur Begründung seines Begehrens auf Festsetzung eines höheren vollen Streitwertes verweist er auf die erhebliche Bedeutung der Klauseln für die Versicherten, zur Begründung seines Antrages auf Festsetzung eines angepassten Teilstreitwertes vertritt er die Auffassung, die unangemessen niedrige Festsetzung des Hauptstreitwertes sei mit § 12 UWG unvereinbar.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist nach § 567 ZPO i.V.m. § 68 GKG grundsätzlich statthaft, insbesondere fristgerecht eingelegt. Sie ist auch unter dem Gesichtspunkt des erforderlichen Rechtsschutzinteresses zulässig. Wie jedes Rechtsmittel muss auch die Streitwertbeschwerde darauf gerichtet sein, eine durch die angefochtene Entscheidung gesetzte Beschwer zu beseitigen (statt aller: OLG Köln, Beschluss vom 21.01.2004 - 4 W 7/04 Rz. 2 - wie alle nachfolgenden Entscheidungen nach juris). Deshalb kann der Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen nur gegen eine seiner Auffassung nach zu niedrige, die Partei dagegen nur gegen eine ihrer Auffassung nach zu hohe Festsetzung des Streitwertes Beschwerde einlegen (OLG Köln, a.a.O., m.w.N.). Der Senat legt die Formulierung "Der Kläger und der klägerische Prozessbevollmächtigte legen hiermit ...Beschwerde ein ..." (Bl. 302 d. A.) dahingehend aus, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers sich im eigenen Namen gegen die seiner Auffassung nach zu niedrige Wertfestsetzung im angefochtenen Urteil, und im Namen seiner Partei gegen die abgelehnte Festsetzung eines - niedrigeren - angepassten Teilstreitwertes wendet. Damit ist die Beschwerde im Hinblick auf die begehrte Erhöhung des Streitwertes nach § 32 Abs. 2 RVG und im Übrigen nach § 567 ZPO statthaft. In der Sache hat sie allerdings nur in begrenztem Umfang Erfolg.

    Es wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Beschlüssen verwiesen.

    Ergänzend ist anzumerken: Bei der Festsetzung des vollen Streitwertes ist zu beachten, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gerade nicht auf die wirtschaftliche Bedeutung für die betroffenen Verkehrskreise ankommt (BGH, Urteil vom 27.02.2018, VIII ZR 147/17; vom 19.01.2017, III ZR 296/16; vom 10.04.2018, VIII ZR 247/17; vom 05.02.2019, VIII ZR 277/17; zuletzt vom 17.11.2020, X ZR 3/19, st. Rspr.). Vielmehr geht die Rechtsprechung davon aus, dass zum Schutze der Verbraucherschutzverbände vor unangemessenen Kostenrisiken der Streitwert pro Klausel von 2.500,00 EUR in der Regel nicht überschritten werden sollte (BGH, a.a.O., m.w.N.).

    Diese Rechtsprechung widerspricht auch nicht der Gesetzeslage seit Einführung des § 12 UWG in der Fassung vom 09.10.2013. Die Auffassung, infolge der Neufassung dieser Norm dürfe eine die Verbraucherschutzverbände angemessene Streitwertminderung nur noch über die Festsetzung eines angepassten Teilstreitwertes erfolgen, trifft nicht zu. Für eine solche restriktive Auslegung der Streitwertvorschriften besteht kein Grund, ein solcher Grund ergibt sich insbesondere nicht aus der vom Kläger zitierten Gesetzesbegründung zur "Neu"Fassung von § 12 Abs. 4 UWG im Jahre 2013. Darin heißt es, mit der Neufassung von § 12 Abs. 4 UWG solle die bei der Geltendmachung der in § 8 Abs. 1 UWG genannten Ansprüche geltende Regelung zur Streitwertherabsetzung, für die neben der neu zu schaffenden Wertvorschrift des § 51 Abs. 2 und 3 GKG kein Raum mehr sei, aufgegeben werden (vgl. BT-Drucks. 17/13057 vom 15.04.2013, S. 25 ff.) Aus dieser Begründung ergibt sich aber nicht zwingend, dass für alle Ansprüche nach dem UKlaG das von der Rechtsprechung erklärte Ziel eines Schutzes der Verbraucherverbände ausschließlich über den Mechanismus des angepassten Teilstreitwertes erreicht werden dürfte. Zwar kommt dem Verweis in § 5 UKlaG jedenfalls für Ansprüche aus § 1 UKlaG keine nennenswerte Bedeutung zu, weil hierfür zur Absenkung des Prozesskostenrisikos und damit der Erleichterung der gerichtlichen Rechtsverfolgung schon immer besondere Streitwertregelungen bestanden. Deshalb ist § 12 Abs. 4 UWG gleichwohl nicht sinnlos. Denn auch unter der Geltung der Lauterkeitsgrundsätze des BGH (so bezeichnet vom OLG Stuttgart, U. v. 7.8.2015 - 2 U 107/14, Rz. 249), denen zufolge die Verbraucherschutzverbände bereits über die Ausgangsstreitwertfestsetzung vor unangemessenen Kosten geschützt werden sollen (BGH, B. v. 7.5.2015 - I ZR 108/14, Rz. 6 f.), ist noch Raum für angepasste Teilstreitwertfestsetzungen, so beispielsweise in Fällen wirtschaftlicher Untragbarkeit auf Seiten des beklagten Verwenders (Wolf-Dietrich Walker, UKlaG § 5, Rn. 10).

    Soweit der Kläger in seiner Stellungnahme vom 19.05.2021 abermals auf die wirtschaftliche Bedeutung für die Versicherungsnehmer abstellt ("jeweils nur 10 EUR je Versicherungsnehmer..."), bleibt es dabei, dass der BGH den wirtschaftlichen Auswirkungen eines Unterlassungsklageverfahrens bei der Bemessung des Streitwertes grundsätzlich keine Bedeutung beimisst. Die Auffassung, durch zu niedrige Streitwerte würde der Verwender einer Klausel gewissermaßen zu rechtswidrigem Verhalten "ermuntert", stellt eine sachfremde Erwägung dar, denn Sinn der Streitwertfestsetzung kann es nicht sein, den Verwender zu aus Verbrauchersicht erwünschtem oder rechtmäßigem Verhalten anzuhalten, ebenso wie eine solche Streitwertgestaltung nicht dazu führen darf, die Klägerseite zu leichtfertigem Prozessieren zu verleiten (vgl. OLG Stuttgart, U. v. 7.8.2015 - 2 U 107/14, juris Rz. 247, 248; Köhler/Bornkamm/Feddersen - Köhler, UWG § 12, Rz. 422). Sachfremd ist auch die Annahme, die gewünschte Streitwertgestaltung sei erforderlich, um auch künftig eine qualifizierte anwaltliche Vertretung für die Verbände sicherzustellen. Es handelt sich hierbei um eine abstrakte rechtspolitische Erwägung, für die auch in tatsächlicher Hinsicht keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Ein Antrag nach § 12 Abs. 3 UWG, dem sachfremde Erwägungen zugrunde liegen, kann aber keinen Erfolg haben (Köhler/Bornkamm, a.a.O mit Hinweis auf BGH VersR 2017, 507, Rz. 22 ff.). Der Senat sieht angesichts der vorstehenden Ausführungen umgekehrt allerdings bei den vom Landgericht mit lediglich 1.000 EUR bewerteten Klauseln keinen Grund für die Herabsetzung des Regelstreitwertes, so dass er die in § 8 (4) und 9 (4) enthaltenen Klauseln ebenfalls mit 2.500 EUR bewertet.

    Es bleibt daher mit Ausnahme der zwei vorerwähnten Klauseln bei der vom Landgericht in Anlehnung an die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung vorgenommenen Streitwertfestsetzung, was zu einer Gesamtfestsetzung in Höhe von 30.000 EUR führt.

    2.

    Die Festsetzung eines Teilstreitwertes kommt vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht in Betracht. Dass der - vom Landgericht im wesentlichen zutreffend maßvoll festgesetzte - Streitwert den Kläger in wirtschaftlich existenzgefährdende Schwierigkeiten bringen würde, hat der Kläger nicht dargelegt. Wenn angesichts des festgesetzten Streitwertes gleichwohl eine ernsthafte wirtschaftliche Gefährdung des Klägers zu besorgen wäre, bestünden überdies Zweifel daran, ob er noch zum Kreise der nach § 3 UKlaG klageberechtigten Organe gehören könnte, denn die Zulassung zu der Eintragung in die Liste nach § 4 UKlaG setzt unter anderem nach § 4 Abs. 2 Ziffer 3 UKlaG wirtschaftlich gesicherte Verhältnisse voraus.

    Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 68 Abs. 3 GKG.

    RechtsgebieteWettbewerbsrecht, UnterlassungsklagerechtVorschriften§ 12 UWG i.d.F. vom 09.10.2013