Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 12.08.2021 · IWW-Abrufnummer 224025

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 26.03.2021 – 17 W 47/20

    Entscheidet das Gericht über einen Hilfsantrag des Klägers, findet eine Wertaddition nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG in allen Fällen statt, in denen über den Hilfsantrag entschieden wird, unabhängig davon, ob er als unzulässig abgewiesen oder über den geltend gemachten Anspruch in der Sache entschieden wird.


    Oberlandesgericht Karlsruhe

    Beschluss vom 26.03.2021


    In Sachen
    xxx

    wegen Schadensersatzes
    hier: Beschwerde

    hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 17. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Landgericht ... am 26. März 2021
    beschlossen:

    Tenor:

    1. Die Beschwerde des Klägers vom 2. September 2020 gegen die im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 14. Februar 2020 - 20 O 114/19 - enthaltene Streitwertfestsetzung wird zurückgewiesen.
    2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.188,60 EUR festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Parteien stritten über Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag über ein von dem sog. "Abgasskandal" betroffenes Fahrzeug.

    Der Kläger hat erstinstanzlich folgende Anträge gestellt:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 6.968,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % seit dem 17.06.2013 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Hilfsweise:

    2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs der Marke V. vom Typ S. II 2.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ... durch die Beklagte resultieren.

    3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 746,72 Euro freizustellen.

    Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. Februar 2020 abgewiesen und den Streitwert auf 9.968 EUR (Antrag Ziff. 1: 6.968 EUR; Hilfsantrag Ziff. 2: 3.000 EUR) festgesetzt. Zur Begründung der Klageabweisung hat es ausgeführt, während der Klageantrag Ziff. 1 zulässig, aber unbegründet sei, sei der Klageantrag Ziff. 2 bereits unzulässig.

    Mit bei dem Landgericht am 7. September 2020 eingegangenen Schriftsatz vom 2. September 2020 hat der Kläger gegen die Streitwertfestsetzung Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert auf 6.968 EUR festzusetzen. Er ist der Ansicht, der Hilfsantrag Ziff. 1 erhöhe den Streitwert nicht.

    Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24. September 2020 nicht abgeholfen und die Akte dem Oberlandesgericht vorgelegt.

    Mit Schriftsatz vom 11. November 2020 hat der Kläger seine gegen das o.g. Urteil eingelegte Berufung (17 U 211/20) zurückgenommen.

    II.

    Über die Beschwerde hat der Senat zu entscheiden, nachdem ihm das Verfahren von der Einzelrichterin wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen worden ist, § 66 Abs. 6 Satz 2, § 68 Abs. 2 Satz 7 GKG.

    Die Beschwerde des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft und innerhalb der Beschwerdefrist eingelegt (vgl. §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG), wobei der Wert des Beschwerdegegenstands 200 EUR übersteigt (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG). Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

    Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG werden in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, zusammengerechnet. Indes wird gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG ein - wie hier der Antrag Ziff. 2 - hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch (nur) zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Allerdings ist umstritten, ob eine Entscheidung in diesem Sinne auch dann vorliegt, wenn das Gericht den Hilfsantrag als unzulässig abweist und damit über den geltend gemachten Anspruch in der Sache nicht entscheidet.

    1. Nach einer Auffassung kommt es für eine Wertaddition darauf an, ob eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über den Hilfsantrag vorliegt (vgl. Kurpart, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, GKG § 45 Rn. 12). Das soll nicht der Fall sein, wenn die Zulässigkeit des Hilfsantrags verneint wird (vgl. Kurpart, aaO mwN; Dörndorfer, in: Bind/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl., § 45 Rn. 19 mwN). Zur Begründung wird auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Hilfsaufrechnung (BGH, Beschluss vom 31. Juli 2001 - XI ZR 217/01 -, juris Rn. 4 mwN) verwiesen, der zufolge die Hilfsaufrechnung den Streitwert nicht erhöht, wenn die Aufrechnung unzulässig ist.

    Danach wäre der Wert des Hilfsantrags Ziff. 2 bei der Streitwertfestsetzung nicht erhöhend zu berücksichtigen, da das Landgericht den Hilfsantrag in dem Urteil vom 14. Februar 2020 als unzulässig abgewiesen hat. Es käme weder auf den Umstand an, dass zwischen dem Hilfs- und dem Hauptantrag keine wirtschaftliche Identität iSd § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG bestehen mag, noch wäre von Belang, ob eine - wie das Landgericht meint - von dem Kläger willkürlich gewählte Verknüpfung der beiden Anträge als Haupt- und Hilfsantrag vorläge.

    2. Abweichend davon wird die Meinung vertreten, eine Wertaddition finde in allen Fällen nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG statt, in denen über den Hilfsantrag entschieden werde, unabhängig vom Inhalt der Entscheidung (MüKoZPO/Wöstmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 5 Rn. 16; BFH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - IV E 7/13 -, juris Rn. 8; dahin tendierend: Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13. August 2018 - 4 O 20/18 -, juris Rn. 19; weitergehend: OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. April 2012 - 13 W 19/12 -, juris zur Hilfswiderklage, dass allein der Eintritt der Bedingung ausreiche). Allein bei wirtschaftlicher Identität der Anträge entfalle die Erhöhung des Streitwerts nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.

    3. Der zuletzt genannten Auffassung schließt sich der Senat an.

    Der Wortlaut des § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG setzt zwar für die Addition von Hauptanspruch und hilfsweise geltend gemachtem "Anspruch" voraus, dass eine Entscheidung über ihn ergeht. Indes rechtfertigt dies nicht den Schluss, diese Entscheidung müsse die gleiche Qualität haben wie im Fall der Hilfsaufrechnung, für die § 45 Abs. 3 GKG die Streitwerterhöhung um den Wert der Gegenforderung anordnet, "soweit einer der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht". Der Bundesgerichtshof entnimmt aus dieser Formulierung zu Recht, dass eine Erhöhung nicht in Betracht kommt, wenn das Gericht die Aufrechnung als unzulässig ansieht. Denn in diesem Fall ergeht über die Forderung keine der Rechtskraft fähige Entscheidung. Dies ist darin begründet, dass die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht rechtshängig wird, so dass nur bei Zulässigkeit der Aufrechnung die Forderung überhaupt Gegenstand der Entscheidung des Gerichts werden kann. Demgegenüber wird auch der unzulässige Haupt- oder Hilfsantrag mit der Erhebung der Klage rechtshängig. Der Hilfsantrag wird bei Eintritt der zulässigen prozessualen Bedingung damit notwendigerweise Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung. Diese entfaltet - wenn auch beim Prozessurteil nur in beschränktem Umfang (dazu BGH, Urteil vom 6. März 1985 - IV b ZR 76/83, NJW 1985, 2535 [BGH 06.03.1985 - IVb ZR 76/83]) - in jedem Fall Rechtskraftwirkung bezüglich des geltend gemachten Anspruchs (MüKoZPO/Wöstmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 5 Rn. 16). Daher besteht zwischen der Unzulässigkeit der Aufrechnung und der Unzulässigkeit des Hilfsanspruchs ein hier maßgeblicher Unterschied.

    Darüber hinaus ist der Streitwert eines Antrags in anderen Konstellationen nicht davon abhängig, ob der Antrag zulässig, derzeit nicht begründet, unbegründet oder begründet ist. Entscheidend ist allein, dass der Kläger den Antrag wirksam zur Entscheidung des Gerichts stellt. Die Frage, ob die Werterhöhung bereits mit Eintritt der Bedingung ausgelöst wird (so OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. April 2012 - 13 W 19/12 -, juris zur Hilfswiderklage), muss hier nicht entschieden werden.

    III.

    Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

    Die Zulassung einer Rechtsbeschwerde kommt gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG iVm § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG nicht in Betracht.

    Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens errechnet sich aus der Differenz der Gerichts- und Anwaltsgebühren, mit denen der Beschwerdeführer, bezogen auf den festgesetzten und den angestrebten Streitwert, belastet wird (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Januar 2005 - 15 W 29/04 -, JurBüro 2005, 542; Zimmermann in Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl., § 68 GKG Rn. 6 mwN). Bei der Vergleichsberechnung der jeweiligen Gerichts- und Anwaltsgebühren ergibt sich ein Differenzbetrag von 1.188,60 EUR (4.498,90 EUR - 3.310,30 EUR).

    RechtsgebietStreitwertVorschriften§ 45 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GKG