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  • 14.06.2021 · IWW-Abrufnummer 222915

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 29.04.2021 – 18 W 4/20

    Einigen sich die Parteien im Vergleich darauf, dass das Gericht über die Kosten gem. § 91a ZPO entscheiden soll, ist es nicht ermessensfehlerhaft, dem Gegner der unterstützen Hauptpartei die Kosten des Streithelfers entsprechend § 101 Abs. 1 ZPO gemäß der Kostenverteilung zwischen den Hauptparteien aufzuerlegen.



    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde des Klägers wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 07.01.2020 wie folgt neu gefasst wird:

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 3/5 und der Beklagte zu 2/5.

    Die Kosten der Streithilfe werden dem Kläger zu 3/5 auferlegt mit Ausnahme der Kosten des Vergleichs.

    Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
     
    1

    Gründe
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    I.
    3

    Der Kläger hat in dem zugrundeliegenden Rechtsstreit den Beklagten u. a. auf Schadensersatz nach verzögerter Räumung der vom Beklagten angemieteten Praxisräume in Anspruch genommen.
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    Grund für die Verzögerung des Auszugs nach bereits erfolgter Kündigung seitens des Beklagten war eine Verzögerung bei der Erstellung der neuen Praxisräume, in die der Beklagte einziehen wollte. Diese hatte er zunächst von der Streithelferin zu 1), dann von der Streithelferin zu 2) angemietet.
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    In der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2019 einigten sich die Parteien zur Erledigung des Rechtsstreits auf eine Zahlung des Beklagten an den Kläger. Des Weiteren vereinbarten die Parteien unter Ziff. 4 des Vergleichs:
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    „Über die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs soll das Gericht gemäß § 91a ZPO entscheiden.“
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    Zuvor hatte die anwaltliche Vertreterin der Streithelfer zu Protokoll erklärt, „dass sie dem nachfolgenden Vergleich zwischen den Parteien beitreten werde“.
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    Mit Beschluss vom 07.01.2020 hat das Landgericht Dortmund entschieden:
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    „werden die Kosten des Rechtsstreits zu 2/5 und [sic] dem Beklagten und zu 3/5 dem Kläger auferlegt; in diesem Umfang trägt der Kläger auch die Kosten der Streithelfer.
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    Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
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    Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.“
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    Gegen die anteilige Kostenerstattungspflicht des Klägers im Hinblick auf die Streithelfer wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde vom 14.01.2020. Zur Begründung führt er insbesondere aus, die Kostenfolge entspreche nicht billigem Ermessen, denn der verzögerte Auszug des Beklagten beruhe darauf, dass die Streithelfer nicht in der Lage gewesen seien, dem Beklagten den Neubau rechtzeitig bezugsfertig zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus ergebe sich aus der Entscheidung des BGH vom 04.02.2016 (IX ZB 28/15), dass der Nebenintervenient bei der Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werde, wenn ‒ wie vorliegend ‒ keine entsprechende Kostengrundentscheidung festgelegt worden sei. Im Übrigen habe sich der Klägervertreter im Termin ausdrücklich geweigert, Kosten der Nebenintervenienten zu übernehmen.
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    Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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    Die Streithelfer beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie tragen u. a. vor, die dem Gericht überlassene Kostenentscheidung habe auch die Kosten der Nebenintervention erfassen sollen. Bereits in der mündlichen Verhandlung habe das Gericht eine Entscheidung gem. § 101 ZPO in Aussicht gestellt. Eine ausdrückliche Weigerung der Kostenübernahme der klagenden Partei sei nicht erfolgt, vielmehr habe die Vertreterin der Nebenintervenienten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie sich gegen die Kostenlast verwehre.
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    II.
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    Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
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    1.
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    Die sofortige Beschwerde ist gem. § 91a Abs. 2 S. 1 ZPO statthaft und fristgemäß eingelegt worden, §§ 569 Abs. 1 S. 1 und 2, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB.
    19

    2.
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    In der Sache ist die sofortige Beschwerde aber unbegründet.
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    a)
    22

    Nachdem sich die Parteien über die Hauptsache geeinigt und diese damit erledigt, aber ausdrücklich keine Kostenentscheidung getroffen, sondern eine solche des Gerichts begehrt hatten, hatte das Landgericht gem. § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.
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    Die Kosten (des Rechtsstreits) wie geschehen zu „quoteln“ und dem Kläger entsprechend der auf ihn im Verhältnis zum Beklagten entfallenden Quote die Kosten der Streithelfer, die auf Seiten des Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten waren, aufzuerlegen, ist nicht ermessensfehlerhaft. Denn ein solches Vorgehen entspricht bei Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage billigem Ermessen und folgt insbesondere im Hinblick auf die Streithelfer der gesetzlichen Regelung des § 101 Abs. 1 ZPO und dem darin zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Kostenparallelität. Danach ist der Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers inhaltsgleich mit dem der von ihm unterstützen Partei; d.h. der Streithelfer steht der von ihm unterstützen Partei kostenmäßig gleich (vgl. BGH, Beschluss vom 05.09.2006, VI ZB 65/05, NJW 2006, 3498; Beschluss vom 19.12.2013, VII ZB 11/12, ZfBR 2014, 251; OLG Hamm, Beschluss vom 19.07.2000, 20 U 53/99, r+s 2001, 304).
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    Dass die Parteien mit der im Vergleich getroffenen Regelung, wonach das Gericht gem. § 91a ZPO „über die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs“ entscheiden sollte, eine Entscheidung über die Kosten der Streithelfer ausgeschlossen haben, lässt sich ‒ entgegen der Ansicht des Klägers ‒ nicht annehmen.
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    Welchen Inhalt diese Einigung hat, ist ebenso wie bei der Frage, was für die Kosten des Nebenintervenienten gilt, wenn sich die Parteien unmittelbar über die „Kosten des Rechtsstreits“ geeinigt haben, eine Sache der Auslegung (vgl. BGH, Beschluss vom 04.02.2016, IX ZB 28/15, NJW 2016, 1893; OLG Koblenz, Beschluss vom 16.02.2006, 14 W 98/06, BeckRS 2006, 3686).
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    Zwar gehören die Kosten der Streithilfe nicht zu den Kosten des Rechtsstreits (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 16.02.2006, 14 W 98/06, BeckRS 2006, 3686), so dass nach dem Wortlaut seitens der Parteien nicht eine Entscheidung über die Kosten der Streithelfer begehrt worden ist. Ein solch enges Verständnis ist aber nicht zwingend; vielmehr kann auch eine solche Formulierung so zu verstehen sein, dass sie die Kosten der Nebenintervention einschließen sollte (vgl. BGH a.a.O.; OLG Koblenz a.a.O.).
    27

    Dass nach dem objektiven Empfängerhorizont von einem solchen Verständnis, also dass auch eine Entscheidung über die Kosten der Streithelfer begehrt wurde, auszugehen ist, belegt zum einen der seitens der Streithelfer erklärte Beitritt zum Vergleich, der ‒ da der Vergleich sonst keine Regelung enthielt, die die Streithelfer betraf ‒ nur im Hinblick auf eine auch für die Streithelfer relevante Kostenentscheidung Sinn machte. Zum anderen haben die Parteien mit der Übertragung der Kostenentscheidung auf das Gericht sowohl die sonst geltende Regelung des § 98 ZPO, die dazu führte, dass auch der Streithelfer seine Kosten selbst trüge (vgl. BGH, Beschluss vom 03.04.2003, V ZB 44/02, NJW 2003, 1948) ausgeschlossen, als auch eine Entscheidung des Gerichts (über § 91a ZPO) auf der Grundlage der Kostenregelungen der §§ 91 ff. ZPO, wozu auch die Regelung des § 101 ZPO gehört, begehrt (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 02.07.2020, 13 W 2128/20, NJOZ 2020, 1471). Eine implizite Vorgabe, die Kosten der Nebenintervention auszunehmen, kann darin nicht ohne weiteres gesehen werden (vgl. OLG Nürnberg a.a.O.).
    28

    Die Kosten des Streithelfers für den Fall, dass ein Kostenerstattungsanspruch nicht ausgeschlossen sein sollte, entsprechend § 101 Abs. 1 ZPO zu verteilen, ist angesichts der Orientierung an der gesetzlichen Vorstellung der in § 101 Abs. 1 ZPO zum Ausdruck kommenden Kostenparallelität nicht ermessensfehlerhaft. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es zu dem gleichen Ergebnis gekommen wäre, wenn die Parteien den Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet hätten, an dem die Streithelfer nicht teilgenommen hätten; denn dann hätte sich der Kostenerstattungsanspruch gem. § 101 Abs. 1 ZPO ebenfalls nach der Kostentragungspflicht zwischen den Parteien gerichtet (vgl. BGH, Beschluss vom 04.02.2016, IX ZB 28/15, NJW 2016, 1893; Beschluss vom 19.12.2013, VII ZB 11/12, ZfBR 2014, 251; Beschluss vom 05.09.2006, VI ZB 65/05, NJW 2006, 3498; Beschluss vom 03.04.2003, V ZB 44/02, NJW 2003, 1948; OLG Hamm, Beschluss vom 19.07.2000, 20 U 53/99, r+s 2001, 304 m.w.N.). Insofern geht auch eine vergleichsweise getroffene Kostenregelung der gesetzlich vorgesehenen Kostenverteilung in Form der Kostenaufhebung gem. § 98 ZPO vor (vgl. OLG Hamm a.a.O.) und die Parteien können ‒ ohne Beteiligung des Nebenintervenienten ‒ nicht weitergehend über den gesetzlichen Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten disponieren, insbesondere diesen nicht ausschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 03.04.2003, V ZB 44/02, NJW 2003, 1948). Anhaltspunkte dafür, dass die Streithelfer dem Vergleich beigetreten sind, um eine Disposition der Hauptparteien über ihren Kostenerstattungsanspruch zu ermöglichen und auf ihren Kostenerstattungsanspruch zu verzichten, sind aber nicht hinreichend ersichtlich.
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    Dass gegebenenfalls statt einer Kostenquotierung und Anwendung des § 101 Abs. 1 ZPO auch eine Orientierung an der Regelung des § 98 ZPO mit der Folge, dass jeder Beteiligte ‒ auch die Streithelfer (vgl. BGH, Beschluss vom 03.04.2003, V ZB 44/02, NJW 2003, 1948) ‒ seine Kosten selbst trägt, möglich gewesen wäre, ist unerheblich. Dabei kann dahinstehen, ob das Beschwerdegericht lediglich berufen ist, die angegriffene Entscheidung auf Ermessensfehler zu prüfen (so BGH, Beschluss vom 28.02.2007, XII ZB 165/06, NJW-RR 2007, 1586 (zu § 93a ZPO); Beschluss vom 31.01.2001, XII ZB 121/00, NJW 2001, 1652 (zu § 3 ZPO); OLG Köln, Beschluss vom 07.05.2018, 24 W 1/18, BeckRS 2018, 8675; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.05.2015, 7 WF 353/15, BeckRS 2015, 13114; OLG Rostock, Beschluss vom 28.12.2009, 3 W 66/09, BeckRS 2010, 9129; Saenger/Gierl, ZPO, 8. Auflage, § 91a Rn. 45), oder eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen hat (so MünchenerKommentar/Schulz, ZPO, § 91a Rn. 68 m.w.N.; Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage, § 91a Rn. 25a; Zöller/Althammer, ZPO, 33. Auflage, § 91a Rn. 28). Denn auch im Fall der Ermessenentscheidung ist das Beschwerdegericht jedenfalls an den gestellten Rechtsmittelantrag gebunden und kann weder dem Beschwerdeführer mehr zusprechen als beantragt noch die angegriffene Entscheidung zum Nachteil des Beschwerdeführers ändern (Musielak/Voit, ZPO, 18. Auflage, § 91a Rn. 25a). Eine Entscheidung, die Kosten der Streithelfer entsprechend § 98 ZPO „bei diesen zu belassen“, entspräche aber nur dann der Billigkeit, wenn auch zwischen den am Rechtsstreit beteiligten Parteien eine entsprechende Kostenaufhebung getroffen würde. Eine solche Kostenaufhebung zwischen den Parteien anzuordnen ‒ was über den Antrag des Klägers in seiner Beschwerde hinausginge ‒, ist dem Beschwerdegericht aber aus den ausgeführten Gründen untersagt.
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    Vor dem Hintergrund entspricht es billigem Ermessen, die Kosten der Streithelfer entsprechend § 101 Abs. 1 ZPO gemäß der Kostenverteilung zwischen den Parteien teilweise dem Kläger aufzuerlegen. Inwiefern die Streithelfer ‒ worauf der Kläger abstellt ‒ „im Ergebnis“, d.h. im Tatsächlichen oder im Verhältnis zu der Partei, die ihnen den Streit verkündet hat, „haften“, ist für die Kostenentscheidung in dem Verfahren, in dem die Streitverkündung erfolgt ist, ‒ wie § 101 Abs. 1 ZPO belegt ‒ unerheblich und kann daher auch nicht über § 91a ZPO „vorgezogen“ werden. Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Rechtsstreit nicht zum Rechtsstreit des Streithelfers wird; er hat nur eine unterstützende Rolle und teilt grundsätzlich das prozessuale Schicksal der Hauptpartei (vgl. BGH, Beschluss vom 03.04.2003, V ZB 44/02, NJW 2003, 1948).
    31

    b)
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    Klarstellend war der Beschluss jedoch neu zu fassen, denn etwaige bei den Streithelfern möglicherweise angefallenen Kosten in Form einer Vergleichsgebühr wären nicht von dem Kläger zu tragen. Denn soweit die Kosten des Vergleichs zwischen den Parteien gem. § 98 ZPO aufgehoben worden sind, führt dies dazu, dass auch die Streithelfer keinen Erstattungsanspruch gegen den Kläger, d.h. den Gegner der von ihm unterstützen Hauptpartei, haben (vgl. BGH, Beschluss vom 03.04.2003, V ZB 44/02, NJW 2003, 1948).
    33

    3.
    34

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

    RechtsgebietGebühren-/KostenrechtVorschriften§ 91a, § 101 ZPO