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  • 06.05.2021 · IWW-Abrufnummer 222227

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Beschluss vom 04.11.2020 – 9 W 48/20

    1. Die erstmalige Erhebung der Verjährungseinrede im Laufe des Rechtsstreits stellt auch dann ein erledigendes Ereignis dar, wenn die Verjährung bereits vor Rechtshängigkeit eingetreten ist (BGH, NJW 2010, 2422 [BGH 27.01.2010 - VIII ZR 58/09]).

    2. Erklären die Parteien in einem solchen Fall den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, kommt es für die Kostenentscheidung in erster Linie darauf an, wie der Prozess voraussichtlich ausgegangen wäre, wenn die Verjährungseinrede nicht erhoben worden wäre.

    3. Die fiktiven Erfolgsaussichten stehen in einem derartigen Fall jedenfalls dann für die Billigkeitserwägungen gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO im Vordergrund, wenn die Beklagte schon vorprozessual die Möglichkeit gehabt hätte, die Einrede zu erheben.


    Oberlandesgericht Karlsruhe

    Beschluss vom 04.11.2020


    In Sachen
    - Klägerin und Beschwerdeführerin -
    Prozessbevollmächtigter:
    gegen
    - Beklagte und Beschwerdegegnerin -
    Prozessbevollmächtigter:

    wegen Schadensersatzes
    hier: Beschwerde

    hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 9. Zivilsenat - durch den Richter am Oberlandesgericht xxx als Einzelrichter am 04.11.2020 beschlossen:

    Tenor:

    1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird die Kostenentscheidung im Beschluss des Landgerichts Offenburg vom 31.07.2020 - 3 O 182/16 - wie folgt abgeändert:
      Die Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
    2. Die weitergehende sofortige Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.
    3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
    4. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten im Beschwerdeverfahren über die Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht, nachdem das Landgericht in einer Entscheidung gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens der Klägerin auferlegt hat.

    Die Klägerin erwarb im Jahr 2005 zwei vermietete Eigentumswohnungen zu Anlagezwecken. Die Kaufpreise betrugen 121.700,00 € (erste Wohnung im Haus 39/1 in M.) und 131.260,00 € (zweite Wohnung im Haus 39/2 in M.). Die Kaufpreise wurden voll finanziert. Verkäuferin der beiden Wohnungen war die B. Wohnpark mbH & Co. KG mit Sitz in B.. Die Kaufverträge wurden abgeschlossen durch zwei notarielle Angebote der Klägerin und spätere notarielle Annahmeerklärungen der Verkäuferin. Am 02.06.2008 wurde die Auflösung der Verkäuferin im Handelsregister eingetragen. Die Beklagte war bis zur Auflösung alleinige Komplementärin der Verkäuferin.

    Mit ihrer Klage vom 21.03.2016 hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung in Höhe von 252.960,00 € nebst Zinsen verlangt, Zug-um-Zug gegen Übertragung der Miteigentumsanteile an den beiden im Jahr 2005 erworbenen Eigentumswohnungen. Sie hat geltend gemacht, die beiden Kaufverträge seien aufgrund einer umfangreichen Beratung durch einen Mitarbeiter eines Strukturvertriebs zustande gekommen. Der Strukturvertrieb sei von der Verkäuferin beauftragt worden, so dass zwischen der Klägerin und der Verkäuferin im Hinblick auf die beiden Objekte Beratungsverträge zustande gekommen seien. Die Beratung sei in vielen Punkten fehlerhaft gewesen. Aufgrund der Beratungsfehler sei der Klägerin ein Schaden entstanden, für den die Verkäuferin einzutreten habe. Als Schadensersatz könne sie die jeweiligen Kaufpreise erstattet verlangen, zuzüglich Zinsen, und nebst der Feststellung einer Ersatzpflicht für weitere Schäden. Den Kaufpreis der zweiten Eigentumswohnung (im Objekt 39/2) könne sie auch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB erstattet verlangen, da der Kaufvertrag nicht wirksam zustande gekommen sei. Als Komplementärin hafte die Beklagte für die Verbindlichkeiten der inzwischen aufgelösten Verkäuferin.

    Die Beklagte ist aus verschiedenen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten der Klage entgegengetreten. Unter anderem hat sich die Beklagte bereits in der Klageerwiderung auf die Einrede der Verjährung berufen. Dabei hat die Beklagte vorgebracht, der von der Klägerin bei einer staatlich anerkannten Gütestelle erhobenen Güterantrag sei aus tatsächlichen Gründen nicht geeignet gewesen, rechtzeitig vor Klageerhebung eine Hemmung der Verjährung herbeizuführen.

    Beide Parteien und ihre Prozessbevollmächtigten haben vor dem Landgericht zunächst die Verjährungsfrist von fünf Jahren gemäß § 159 Abs. 1 HGB übersehen, und sind von einer längeren Frist ausgegangen. Zu einem späteren Zeitpunkt hat die Beklagte auf die Regelung in § 159 Abs. 1 HGB hingewiesen, aus der sich ergebe, dass die Verjährung für die streitgegenständlichen Ansprüche bereits im Jahr 2013 abgelaufen sei. Anlass für diesen Hinweis war der Umstand, dass in Parallelverfahren, in denen gleichartige Schadensersatzansprüche anderer Gläubiger gegen die Beklagte geltend gemacht wurden, die Verjährungsproblematik gemäß § 159 Abs. 1 HGB erkannt worden war. In mehreren Parallelverfahren wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Steuerberaters der Beklagten zu der Frage, ob eine Vollbeendigung der Verkäuferin stattgefunden hat, oder ob die Beklagte als Komplementärin Rechtsnachfolgerin der Verkäuferin wurde. In den Parallelverfahren kamen die Gerichte zu dem Ergebnis, dass eine Gesamtrechtsnachfolge nicht stattgefunden hat, beziehungsweise, dass eine Gesamtrechtsnachfolge - die einer Anwendung von § 159 Abs. 1 HGB zu Gunsten der Beklagten entgegenstehen würde - jedenfalls nicht festzustellen sei. Daraufhin wurden in verschiedenen Parallelverfahren die Schadensersatzklagen gegen die Beklagte abgewiesen.

    Nach Kenntnis vom Verlauf der Parallelverfahren hat die Klägerin eine Verjährung ihrer Ansprüche gegen die Beklagte gemäß § 159 Abs. 1 HGB akzeptiert und den Rechtsstreit vor dem Landgericht für erledigt erklärt. Da die Beklagte sich trotz Zahlungsaufforderungen der Klägerin vorprozessual zu keinem Zeitpunkt auf Verjährung berufen habe, liege in der Erhebung der Verjährungseinrede nach Rechtshängigkeit eine Erledigung im Sinne von § 91 a Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat der Erledigungserklärungen zugestimmt. Die Parteien haben vor dem Landgericht gegenläufige Kostenanträge gestellt.

    Mit Beschluss vom 31.07.2020 hat das Landgericht die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO der Klägerin auferlegt. Es entspreche billigem Ermessen, dass diese die Kosten zu tragen habe. Dass die Beklagte die Verjährungseinrede erst nach Rechtshängigkeit erhoben habe, ändere nichts. Denn die Verjährung sei bereits vorprozessual eingetreten. Dies hätte die Klägerin wissen können. Das Risiko, die Forderung nach Erhebung der Verjährungseinrede nicht mehr durchsetzen zu können, müsse die Klägerin tragen.

    Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin. Sie ist der Auffassung, unter Anwendung der Grundsätze gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO müsse die Beklagte die Kosten tragen. Entscheidend sei, dass die Klage ohne Erhebung der Einrede in vollem Umfang begründet gewesen wäre. Im Hinblick auf die Kosten des Verfahrens müsse die Beklagte das Risiko tragen, dass sie sich nicht bereits vorgerichtlich auf Verjährung berufen habe, obwohl dies möglich gewesen wäre. Die Beklagte habe die Klägerin in den Prozess "hineinlaufen lassen". Dass die Verjährung bereits vorprozessual eingetreten sei, ändere nichts. Bis zum Erheben der Einrede sei die Forderung der Klägerin zulässig, begründet und einredefrei durchsetzbar gewesen. Die Klägerin habe auch keineswegs sehenden Auges eine bereits verjährte Forderung eingeklagt; denn die Anwendung der Verjährungsregelung in § 159 Abs. 1 HGB sei abhängig gewesen von einer Beweisaufnahme in Parallelverfahren, die erst nach Rechtshängigkeit des vorliegenden Verfahrens erfolgt sei.

    Die Beklagte ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten. Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts. Die Verjährungsregelung in § 159 Abs. 1 HGB hätte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor Klageerhebung bekannt sein müssen. Eine Kostenentscheidung zu Gunsten der Klägerin komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die Klage auch ohne Erhebung der Verjährungseinrede nicht begründet gewesen wäre. Die Voraussetzungen für Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche der Klägerin hätten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.

    Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - zur Entscheidung vorgelegt.

    Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

    II.

    Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat teilweise Erfolg. Die Kosten im Verfahren vor dem Landgericht hat zu 2/3 die Beklagte zu tragen, zu 1/3 die Klägerin.

    1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 a Abs. 1 ZPO. Die Parteien haben das Verfahren vor dem Landgericht übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Entscheidung richtet sich unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen des Gerichts.

    a) Für die Billigkeitsentscheidung gemäß § 91 Abs. 1 ZPO kommt es in der Regel auf eine Abschätzung oder Prognose an, wie der Rechtsstreit voraussichtlich entschieden worden wäre, wenn keine Erledigung eingetreten wäre (vgl. Zöller/Althammer, Zivilprozessordnung, 33. Auflage 2020, § 91 a ZPO Rn. 24 mit Rechtsprechungsnachweisen). Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind auch im vorliegenden Fall maßgeblich.

    b) Die Forderungen der Klägerin sind am 03.06.2013, also vor Rechtshängigkeit verjährt. Dies ergibt sich aus §§ 159 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB.

    aa) Die Klägerin hat ihre Ansprüche gestützt auf eine Haftung der Beklagten als Gesellschafterin (Komplementärin) der aufgelösten Verkäuferin der Eigentumswohnungen. Da die Auflösung der Kommanditgesellschaft am 02.06.2008 im Handelsregister eingetragen wurde, ist die Verjährung für Ansprüche gegen die Beklagte gemäß § 159 Abs. 1, Abs. 2 HGB am 03.06.2013 abgelaufen. Selbstständige Ansprüche gegen die Beklagte, die nicht unter § 159 Abs. 1 HGB fallen, sind im Rechtsstreit von der Klägerin nicht geltend gemacht worden, so dass eine abweichende Verjährungsfrist nicht in Betracht kommt. Längere Verjährungsfristen aus dem allgemeinen Verjährungsrecht (beispielsweise gemäß § 196 BGB oder - im Hinblick auf den Beginn der Verjährungsfrist - gemäß § 199 Abs. 3 BGB) finden keine Anwendung, da § 159 Abs. 1 HGB, wie sich aus dem Wortlaut ergibt, gegenüber den allgemeinen Verjährungsregelungen vorrangig ist (vgl. dazu die den Parteien bekannte Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 01.08.2019 - 7 U 55/18 -).

    bb) § 159 Abs. 1 HGB wäre allerdings dann nicht anwendbar, wenn die Beklagte als einzige Komplementärin im Jahr 2008 Gesamtrechtsnachfolgerin der Kommanditgesellschaft geworden wäre. Eine solche - von der Klägerin zu beweisende - Ausnahme von der 5-jährigen Verjährungsfrist gemäß § 159 Abs. 1 HGB konnten das Oberlandesgericht Stuttgart und das Landgericht Offenburg in den Parallelverfahren nicht feststellen, nachdem der Steuerberater der Beklagten zu dieser Frage als Zeuge vernommen worden war. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beklagte das Unternehmen der Kommanditgesellschaft nicht weitergeführt hat, und dass zum Zeitpunkt der Auflösung der Kommanditgesellschaft im Juni 2008 kein verteilungsfähiges Vermögen vorhanden war. Die Klägerin hat die in den Parallelprozessen zu dieser Frage getroffenen Feststellungen im Verfahren vor dem Landgericht akzeptiert.

    c) Zwar ist die Verjährung der klägerischen Forderungen am 03.06.2013 (fünf Jahre nach der Eintragung der Auflösung der Verkäuferin im Handelsregister) eingetreten. Die Beklagte hat vorprozessual die Verjährungseinrede jedoch nicht erhoben. Mithin ist eine Erledigung des Rechtsstreits erst nach Rechtshängigkeit durch die Einrede in der Klageerwiderung vom 17.05.2016 eingetreten (vgl. zum Zeitpunkt der Erledigung in einem solchen Fall BGH, NJW 2010, 2422 [BGH 27.01.2010 - VIII ZR 58/09]). Da die Wirkungen der Verjährungseinrede gemäß § 214 Abs. 1 BGB nicht von einer Begründung der Schuldnerin abhängen, spielt es für die Erledigung keine Rolle, dass die Beklagte ihre Einrede in der Klageerwiderung unzutreffend begründet hat. Für die Wirkung der Erledigung kommt es allein darauf an, dass unabhängig von der Begründung der Einrede die Verjährung gemäß § 159 Abs. 1 HGB vor dem 17.05.2016 eingetreten war (siehe oben). Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Rahmen der Kostenentscheidung kommt es daher darauf an, inwieweit die Klage am 17.05.2016 (Zeitpunkt der Einrede) voraussichtlich begründet gewesen wäre, wenn keine Erledigung durch Erhebung der Einrede erfolgt wäre.

    2. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten am 17.05.2016 führt zu einer Kostenquote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten.

    a) Die Klägerin hat wegen der ersten Eigentumswohnung (im Haus 39/1) einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 121.700,00 € nebst Zinsen geltend gemacht. Zur Begründung hat sie sich auf § 280 Abs. 1 BGB berufen (Verletzung der Pflichten aus einem Beratungsvertrag). Die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs waren sowohl hinsichtlich der Pflichtverletzungen des Beraters als auch hinsichtlich der Zurechnung im Verhältnis zur Verkäuferin streitig. Da bei einer Entscheidung gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO keine Beweisaufnahme mehr durchzuführen ist, lassen sich die Erfolgsaussichten für diesen Anspruch bei einer streitigen Fortsetzung des Verfahrens nicht sicher abschätzen. In einem solchen Fall ist für die Billigkeitsentscheidung im Rahmen von § 91 a Abs. 1 ZPO eine Erfolgsprognose von 50 % anzusetzen.

    b) Wegen der zweiten Eigentumswohnung (im Haus 39/2) hat die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 131.260,00 € verlangt. Auch für diesen Anspruch waren die tatsächlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Erledigung zwischen den Parteien streitig. Auch für den Schadensersatzanspruch wegen der zweiten Wohnung ist daher eine Erfolgsprognose von 50 % anzusetzen.

    c) Den Zahlungsanspruch wegen der zweiten Wohnung hat die Klägerin allerdings gleichzeitig auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung) gestützt. Wegen des Bereicherungsanspruchs hätte die Klage dem Grunde nach Erfolg gehabt, wenn keine Erledigung durch die Verjährungseinrede eingetreten wäre.

    aa) Das notarielle Angebot der Klägerin wegen der zweiten Wohnung vom 24.06.2005 (Anlage K 3) ist von der Verkäuferin nicht rechtzeitig gemäß § 147 Abs. 2 BGB angenommen worden. Die Annahme mit notarieller Erklärung vom 28.07.2005 (Anlage K 4) war verspätet, da beim Kauf einer Immobilie eine Annahmeerklärung regelmäßig innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen erwartet werden kann (BGH, NJW 2010, 2873 [BGH 11.06.2010 - V ZR 85/09]). Die verspätete Annahmeerklärung der Verkäuferin galt zwar gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag. Diesen hat jedoch die Klägerin nicht angenommen, auch nicht etwa durch schlüssiges Verhalten, indem sie den Kaufpreis bezahlte (vgl. BGH, a. a. O). Die abweichende Bestimmung im Kaufvertragsangebot vom 24.06.2005, welche der Verkäuferin eine längere Frist zur Annahme ermöglichen sollte (Anlage K 3, I Ziffer 3), verstößt gegen § 308 Ziffer 1 BGB und ist daher unwirksam. Dass es sich bei dem Kaufvertragsangebot der Klägerin um von der Verkäuferin gestellte allgemeine Geschäftsbedingungen handelte, hat das Landgericht am 15.01.2019 durch Vernehmung des beurkundenden Notars als Zeugen festgestellt (vgl. dazu das Terminsprotokoll I, 585 ff.). Mithin war der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 131.260,00 € wegen der zweiten Eigentumswohnung zum Zeitpunkt der Erledigung aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung begründet.

    bb) Die Parteien haben im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Bereicherungsausgleich wechselseitig verschiedene weitere Positionen geltend gemacht, die bei einer Saldierung zu berücksichtigen seien, insbesondere jeweils von beiden Seiten gezogene Nutzungen, und nach dem Vortrag der Beklagten eine an die Klägerin gezahlte sogenannte "Eigenprovision". Der Sachvortrag zu weiteren Rechnungsposten im Rahmen eines Bereicherungsausgleichs war zum Zeitpunkt der Erledigung streitig. Die Klägerin hat bei ihrem Antrag nicht geltend gemacht, dass zusätzliche Positionen (von der Verkäuferin aus dem Kaufpreis gezogenen Nutzungen) den Rückforderungsansprüchen in Höhe von 131.260,00 € erhöhen könnten. Die Beklagte hat - mit streitigem Sachvortrag - jedoch eine Verminderung des Rückzahlungsanspruchs wegen zusätzlicher Rechnungsposten geltend gemacht. Angesichts des streitigen Vorbringens der Parteien berücksichtigt der Senat eine mögliche Verminderung des Rückforderungsanspruchs der Klägerin mit einem Abschlag von 20 % vom Kaufpreis. Für den Bereicherungsanspruch der Klägerin wegen der zweiten Eigentumswohnung setzt der Senat im Rahmen von § 91 a Abs. 1 ZPO daher einen überwiegend wahrscheinlichen Erfolg in Höhe von 105.008,00 € (131.260,00 € abzüglich 20 %) an.

    d) Die fiktive Erfolgsprüfung im Rahmen von § 91 a Abs. 1 ZPO führt daher zu folgender Abschätzung:

    - Wegen der ersten Wohnung ist ein möglicher Erfolg der Schadensersatzforderung in Höhe von 60.850,00 € (50 % des geltend gemachten Schadens) berücksichtigt.

    - Wegen der zweiten Wohnung ist ein möglicher Erfolg des Bereicherungsanspruchs in Höhe von 105.008,00 € berücksichtigt (siehe oben).

    - Die fiktive Erfolgsprognose für die Klage zum Zeitpunkt der Erledigung führt daher zu einem fiktiven Gesamterfolg von 165.858,00 €. Bei einem Gesamtstreitwert von 252.960,00 € ergibt sich daraus die Kostenquote von 1/3 zu 2/3 zu Gunsten der Klägerin.

    3. Der Umstand, dass die Verjährung der klägerischen Ansprüche bereits im Jahr 2013 eingetreten ist (siehe oben) führt im Rahmen der Billigkeitserwägungen gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Wenn eine Verjährungseinrede von der Beklagten erst nach Rechtshängigkeit erhoben wird, muss es jedenfalls im Regelfall dabei bleiben, dass es nach allgemeinen Grundsätzen auf die Erfolgsaussichten der Klage zum Zeitpunkt der Erhebung der Verjährungseinrede ankommt, auch wenn die geltend gemachte Forderung schon vorprozessual verjährt war (ähnlich OLG Hamm, Urteil vom 09.07.2010 - 19 U 151/09 -, zitiert nach Juris). Zumindest sind im vorliegenden Fall keine Gesichtspunkte erkennbar, die zu einer abweichenden Beurteilung zu Gunsten der Beklagten führen müssten.

    a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt es keinen Grundsatz, wonach ein Eintritt der Verjährung vor Rechtshängigkeit generell oder in der Regel zu einer Kostenentscheidung zu Gunsten einer Beklagten führen müsste, wenn diese erst nach Rechtshängigkeit die Verjährungseinrede erhebt. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.01.2010 (NJW 2010, 2422 [BGH 27.01.2010 - VIII ZR 58/09]) ergibt sich nichts anderes. Der Entscheidung lag ein Fall einer einseitigen Erledigungserklärung zugrunde, wobei der Bundesgerichtshof lediglich auf die abstrakte Möglichkeit hingewiesen hat, dass der Zeitpunkt des Eintritts der Verjährung bei einer übereinstimmenden Erledigung im Rahmen von § 91 a Abs. 1 ZPO Berücksichtigung finden könne. (Vgl. zum Verständnis der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs Schneider, NJW 2017, 2874; anders OLG Köln, NJW 2017, 2922 [OLG Köln 14.03.2017 - 20 W 3/17] Rn. 2.)

    b) In Rechtsprechung und Literatur wird mit guten Gründen die Auffassung vertreten, die Erfolgsprognose zum Zeitpunkt der Verjährungseinrede nach Rechtshängigkeit müsse für die Kostenentscheidung jedenfalls dann maßgeblich bleiben, wenn die Beklagte zumindest Gelegenheit gehabt hätte, die Einrede bereits vorprozessual zu erheben. Denn wenn die Beklagte diese Möglichkeit genutzt hätte, wäre eine Erledigung nach Rechtshängigkeit nicht mehr möglich gewesen, und die Beklagte hätte das sich aus einer Klage für sie ergebende Kostenrisiko verhindern können (vgl. Schneider, NJW 2017, 2874; OLG Hamm, Urteil vom 09.07.2010 - 19 U 151/09 -, zitiert nach Juris). Im vorliegenden Fall wurde die Beklagte sowohl mit einer außergerichtlichen Aufforderung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter Fristsetzung zum 23.06.2015, als auch durch den Antrag auf Einleitung eines außergerichtlichen Güteverfahrens vom 19.06.2015 zur Leistung aufgefordert. Darauf hätte die Beklagte mit einer Prüfung der Rechtslage und Erhebung der Verjährungseinrede reagieren können. Diese Umstände sprechen gegen eine Billigkeitsentscheidung zu Gunsten der Beklagten.

    c) Der Gesichtspunkt einer "Klageveranlassung" kann nach Auffassung des Senats für die Billigkeitserwägungen nicht entscheidend sein (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Zöller/Althammer, a. a. O., § 91 a ZPO Rn. 58.50). Denn die "Veranlassung zur Klage" ist nur im Rahmen von § 93 ZPO ein entscheidender rechtlicher Gesichtspunkt. Im Rahmen von § 91 a ZPO kann der Gesichtspunkt der Klageveranlassung (analog § 93 ZPO) nur dann eine Rolle spielen, wenn - anders als im vorliegenden Fall - nach Rechtshängigkeit eine Erledigung durch Erfüllung der Forderung eintritt. Die Frage, wer einen Rechtsstreit "veranlasst" hat, kann nach Auffassung des Senats im Übrigen ohne zusätzliche Wertungsgesichtspunkte nichts zu einer Billigkeitsentscheidung beitragen. Denn Ursachenbeiträge haben beide Parteien für die Klage gesetzt, die Klägerin durch Geltendmachung einer verjährten Forderung und die Beklagte durch Nichterhebung der Einrede nach der Vorprozessualen Aufforderung durch die Klägerin.

    d) Es kann dahinstehen, unter welchen Umständen die Kenntnis der Verjährung auf Klägerseite zum Zeitpunkt der Klageerhebung bei einer späteren Erledigung zu Gunsten der Beklagten ins Gewicht fallen kann. Denn aus den beiderseitigen Schriftsätzen ergibt sich, dass sowohl der Prozessbevollmächtigte der Klägerin als auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die maßgebliche Problematik gemäß § 159 Abs. 1 HGB zunächst nicht kannten (siehe oben). Es lässt sich daher nicht feststellen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine Klage erhoben hat, bei welcher ihm der voraussichtliche Misserfolg wegen der zu erwartenden Erhebung der Verjährungseinrede bewusst gewesen wäre.

    e) Es kommt für die Billigkeitsentscheidung ein wesentlicher Gesichtspunkt hinzu: Wenn eine Forderung unzweifelhaft verjährt ist, mag man dies evtl. zu Lasten einer Klägerin berücksichtigen, die trotz dieser Rechtslage eine Klage erhebt (so OLG Köln, NJW 2017, 2922 [OLG Köln 14.03.2017 - 20 W 3/17]). Von einer "unzweifelhaften" Verjährung kann jedoch vorliegend keine Rede sein. Denn die Feststellung, dass die Ansprüche der Klägerin bereits vorprozessual verjährt waren, hing von einer Beweisaufnahme zu der Frage ab, ob die Beklagte im Jahr 2008 Gesamtrechtsnachfolgerin der Verkäuferin geworden war. Erst die Beweisaufnahme in den Parallelverfahren hat zu der Feststellung geführt, dass sich die Beklagte tatsächlich auf die Regelung in § 159 Abs. 1 HGB berufen konnte (siehe oben). Aus der Perspektive der Klägerin wäre daher eine "unzweifelhafte" Verjährung zum Zeitpunkt der Klageerhebung auch dann nicht anzunehmen, wenn sie - beziehungsweise ihr Prozessbevollmächtigter - die Problematik gemäß § 159 HGB gesehen und berücksichtigt hätte. Da die Beklagte die Rechtsverhältnisse zwischen ihr und der aufgelösten Kommanditgesellschaft im Gegensatz zur Klägerin genau kannte, wäre es dagegen unter Billigkeitsgesichtspunkten eher der Beklagten zuzumuten gewesen, vorprozessual durch eine Erhebung der Verjährungseinrede für Klarheit zu sorgen. Anders ausgedrückt: Auch, wenn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei Anfertigung der Klageschrift § 159 HGB berücksichtigt hätte, wäre die Klageerhebung vernünftig gewesen, da aus der Perspektive der Klägerin eine Beweiserhebung zur Frage der Gesamtrechtsnachfolge auf Beklagtenseite notwendig war, um die Frage der Verjährung beantworten zu können. (In diesem Punkt unterscheidet sich der Sachverhalt im vorliegenden Fall von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des OLG Dresden, MDR 2018, 1215 zugrunde lag.)

    4. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

    5. Der Streitwert des Beschwerdeverfahren ergibt sich aus den geschätzten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

    RechtsgebietKostenrechtVorschriften§ 91a Abs. 1 ZPO