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  • 02.02.2021 · IWW-Abrufnummer 220270

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 26.06.2020 – 20 W 84/20

    Für das Verfahren auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gemäß § 410 Nr. 1 FamFG richtet sich der Geschäftswert nach § 36 Abs.1 GNotKG. Maßgeblich ist dabei das Interesse am Gegenstand der Versicherung. Angemessen ist es dabei in der Regel, einen Bruchteil des Werts der Hauptsache anzunehmen.


    OLG Frankfurt
    20. Zivilsenat

    26.06.2020


    Tenor

    Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

    Der Geschäftswert für das Verfahren wird auf 2.069,23 EUR festgesetzt.

    Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

    Die Entscheidung ergeht im Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei.

    Notwendige Aufwendungen werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    Die Antragstellerinnen haben am 09.07.2019 beim Amtsgericht gemäß den §§ 413, 410 Nr. 1 FamFG als Pflichtteilsberechtigte beantragt, die Antragsgegnerin als Erbin zu verpflichten, an Eides statt zu versichern, dass die in einer bezeichneten notariellen Urkunde erteilten Auskünfte zum Bestand des Nachlasses in Verbindung mit gegenüber einem Nachlassgericht gemachten Angaben zum Wert des Nachlasses vollständig und richtig seien. Diesen Antrag haben sie mit Schriftsatz vom 21.10.2019 (Bl. 67 ff. d. A.) zurückgenommen. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 03.12.2019 (Bl. 79 d. A.) die Kosten des Verfahrens den Antragstellerinnen auch unter Bezugnahme auf § 22 GNotKG auferlegt.

    Nach einem Kostenfestsetzungsantrag des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin hat das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 100 d. A.), auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird, den Gegenstandswert für das Verfahren gemäß den §§ 36 GNotKG, 23 Abs. 3 RVG auf 5.173,08 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat das Amtsgericht dabei im Wesentlichen auf die von den Antragstellerinnen in dieser Höhe ermittelten Pflichtteilsansprüche Bezug genommen.

    Gegen diesen Beschluss ist mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerinnen vom 25.02.2020 (Bl. 103 ff. d. A.), auf den verwiesen wird, Beschwerde mit dem Antrag eingelegt worden, in Abänderung dieses Beschlusses den Streitwert auf 500,-- EUR festzusetzen. Zur Begründung ist darin im Wesentlichen ausgeführt worden, dass der Gegenstand des Verfahrens auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht mit dem des späteren Hauptsacheverfahrens identisch sei. Die Antragsgegnerin bzw. ihr Verfahrensbevollmächtigter ist der Beschwerde entgegengetreten und hat den angefochtenen Beschluss verteidigt. Wegen der Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

    Die Rechtspflegerin beim Amtsgericht hat der Beschwerde „des Antragstellerinnen-Vertreters“ durch Beschluss vom 18.03.2020 (Bl. 108 d. A.) nicht abgeholfen und hat sie zunächst dem zuständigen Richter zur Entscheidung vorgelegt. Nach Rückgabe an die Rechtspflegerin hat diese mit Verfügung vom 25.03.2020 (Bl. 111 d. A.) die Sache dem Oberlandesgericht mit der Bitte um Entscheidung über das eingegangene Rechtsmittel vorgelegt. Auf Verfügung des Beschwerdegerichts vom 09.04.2020 haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerinnen mit Schriftsatz vom 17.04.2020 klargestellt, dass die Beschwerde alleine im Namen der Antragstellerinnen und nicht im eigenen Namen eingelegt worden sei.

    II.

    Der angefochtene Beschluss, durch den der Gegenstandswert für das hiesige Verfahren festgesetzt wurde, dürfte sich trotz der ausschließlichen Bezugnahme auf die §§ 36 GNotKG, 23 Abs. 3 RVG jedenfalls im Ergebnis als ein solcher im Sinne des § 79 Abs. 1 GNotKG darstellen, auch wenn das Amtsgericht ausweislich seiner Verfügung vom 16.10.2019 eine Geschäftswertfestsetzung für die Gerichtsgebühren - wegen Entstehens einer Festgebühr - offenkundig für entbehrlich erachten dürfte. Dass das Amtsgericht lediglich den Geschäfts- bzw. Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren festsetzen wollte (vgl. § 33 Abs. 1 RVG), ergibt sich ungeachtet des diesbezüglich erforderlichen Antrags aus dem Beschluss bzw. der vorangegangenen Verfügung vom 17.01.2020 allerdings auch nicht hinreichend, würde jedenfalls der auf § 83 Abs. 1 GNotKG (statt auf § 33 Abs. 3 RVG) abstellenden Rechtsmittelbelehrung widersprechen und wäre auch verfehlt. Die Bezugnahme auf § 23 Abs. 3 RVG im angefochtenen Beschluss ist nämlich deshalb unzutreffend, weil es sich bei dieser Vorschrift nur um eine subsidiäre Auffangnorm handelt, der etwa § 23 Abs. 1 RVG und auch § 23 Abs. 2 RVG vorgehen (vgl. etwa Sommerfeldt in BeckOK RVG, Stand: 01.03.2020, § 23 Rz. 16; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., § 23 Rz. 28; Riedel/Sußbauer/Potthoff, RVG, 10. Aufl., § 23 Rz. 154). Hier gilt § 23 Abs. 1 RVG. Die Gerichtsgebühren (vgl. Nr. 15212 KV-GNotKG), die unabhängig vom Verfahrensablauf mit dem Eingang des verfahrenseinleitenden Antrags entstehen (Korintenberg/Klüsener, GNotKG, 21. Aufl., Nr. 15212 KV-GNotKG Rz. 4; Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, 3. Aufl., Nr. 15212 KV-GNotKG Rz 7; Schulz in Leipziger Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, 2. Aufl., Nr. 15212 KV-GNotKG Rz. 1), richten sich hier nach dem Wert; dann bestimmt sich der Gegenstandswert für die Rechtsanwaltsgebühren im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Der in der gerichtlichen Verfügung vom 16.10.2019 aufgeführte Gebührentatbestand der Nr. 15214 KV-GNotKG dürfte nicht einschlägig sein, da sich dieser Ermäßigungstatbestand nach seinem gesetzlichen Wortlaut lediglich auf die (hier nicht einschlägige) Festgebühr nach Nr. 15213 KV-GNotKG bezieht. Wird der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert gerichtlich festgesetzt, ist die Festsetzung dann gemäß § 32 Abs. 1 RVG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts maßgebend (vgl. dazu etwa auch Schneider/Herget/Noethen, Streitwertkommentar, 14. Aufl., Rz. 1882 ff.).

    Ausgehend hiervon ist die Beschwerde der Antragstellerinnen jedenfalls gemäß § 83 Abs. 1 GNotKG statthaft und auch ansonsten zulässig. Wie aus der Verfügung vom 09.04.2020 ersichtlich, wäre die Beschwerdeschrift schon dahingehend auszulegen gewesen, dass die Antragstellerinnen als Beschwerdeführerinnen anzusehen sind, da nur diese durch die von ihnen als zu hoch gerügte Wertfestsetzung beschwert sind (vgl. dazu auch Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 32 Rz. 127); dies ist mit Schriftsatz vom 17.04.2020 nochmals ausdrücklich klargestellt worden. Auch der Wert des Beschwerdegegenstands im Sinne des § 83 Abs. 1 Satz 1 GNotKG übersteigt 200,-- EUR. Hierbei sind auch die nach der hier nicht zu überprüfenden bzw. auszulegenden Kostenentscheidung des Amtsgerichts vom 03.12.2019 ggf. zu erstattenden notwendigen Aufwendungen (vgl. § 80 FamFG) zu berücksichtigen (vgl. Bormann/Diehn/Sommerfeldt, a.a.O., § 83 Rz. 8; von Selle in BeckOK KostR, Stand: 01.06.2020, § 83 GNotKG Rz. 10). Über die Beschwerde entscheidet grundsätzlich das Beschwerdegericht durch den Einzelrichter, §§ 83 Abs. 1 Satz 5, 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG. Wollte man allerdings eine Wertfestsetzung des Amtsgerichts nach § 33 Abs. 1 RVG annehmen, ergäbe sich aus § 33 Abs. 3, Abs. 4, Abs. 8 RVG nichts Anderes.

    Die Beschwerde hat in der Sache lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im überschießenden Umfang ist sie zurückzuweisen.

    Für das Verfahren gemäß § 410 Nr. 1 FamFG richtet sich der Geschäftswert nach § 36 Abs. 1 GNotKG; hiervon ist ausweislich des angefochtenen Beschlusses offenkundig auch das Amtsgericht ausgegangen. Danach ist der Geschäftswert in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit, soweit er sich - wie hier - aus den Vorschriften des GNotKG nicht ergibt und er auch sonst nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen. Ersichtlich handelt es sich angesichts des hier geltend gemachten Anspruchs um eine vermögensrechtliche Angelegenheit (vgl. Schulz in Leipziger Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, a.a.O., Nr. 15212 KV-GNotKG Rz. 5). Es entspricht weitgehend einhelliger Auffassung, dass im Rahmen der Geschäftswertermittlung nach dieser Vorschrift für ein Verfahren nach § 410 Nr. 1 FamFG auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung das Interesse am Gegenstand der Versicherung maßgeblich ist. Angemessen ist es dabei in der Regel, einen Bruchteil des Werts der Hauptsache anzunehmen (Schulz in Leipziger Gerichts- & Notarkosten-Kommentar, a.a.O., Nr. 15212 KV-GNotKG Rz. 5; Rohs/Wedwer/Waldner, GNotKG, Stand: August 2019, Nr. 15212 KV-GNotKG Rz. 3; Korintenberg/Klüsener, a.a.O., Nr. 15212 KV-GNotKG Rz. 36; Bormann/Diehn/Sommerfeldt, a.a.O., Nr. 15212 KV-GNotKG Rz. 8; Münchener Kommentar/Zimmermann, FamFG, 3. Aufl., § 410 Rz. 15). Dem schließt sich das Beschwerdegericht für das vorliegende Verfahren an. Eine Veranlassung, das wirtschaftliche Interesse an der Durchsetzung des bloßen Vorbereitungs- bzw. Hilfsanspruchs mit dem Wert der Hauptsache (der Höhe des Pflichtteilsanspruchs) gleichzusetzen, besteht nicht. Das Interesse der Beteiligten bezieht sich lediglich auf die Bekräftigung der Angaben durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Auf den Wert des Beschwerdegegenstands bzw. die Berufungssumme, zu denen sich die mit der Beschwerdeschrift zitierten Entscheidungen verhalten und die sich nach anderen rechtlichen Maßstäben richten, kommt es hier nicht an; deshalb ist auch der von der Antragsgegnerin angesprochene erforderliche Aufwand für die Abgabe der eidessstattlichen Versicherung im gegebenen Zusammenhang unerheblich.

    Den Wert der Hauptsache - hier: den Pflichtteilsanspruch - hat die Antragstellerin zu 1 für sich unbestritten auf 5.173,08 EUR beziffert. Zu berücksichtigen ist jedoch nicht nur das Interesse der Antragstellerin zu 1, sondern auch dasjenige der Antragstellerin zu 2, die vorliegend ebenfalls die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beantragt hat. Damit ist auch deren Interesse an der Bekräftigung der Angaben der Antragsgegnerin durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu berücksichtigen. Da das Vorbringen der Antragsgegnerin nicht angegriffen wurde, dass deren Pflichtteilsanspruch höhenmäßig demjenigen der Antragstellerin zu 1 entspricht, müssen als Wert der Hauptsache mithin 10.346,16 EUR in Ansatz gebracht werden. Hiervon erscheint dem Beschwerdegericht nach billigem Ermessen in Anwendung der obigen Grundsätze und unter Berücksichtigung der aus dem Sachvorbingen der Beteiligten ersichtlichen Umstände, insbesondere der vorgelegten Unterlagen, der hieran geäußerten Zweifel und der bereits außergerichtlich abgegebenen eidesstattlichen Versicherung, ein Bruchteil von 20 % als angemessen (vgl. für das Klageverfahren etwa auch Schneider/Herget/Noethen, a.a.O., Rz. 1881). Hieraus errechnet sich ein festzusetzender Geschäftswert in Höhe von 2.069,23 EUR.

    Die Nebenentscheidungen für dieses Beschwerdeverfahren haben ihre Grundlage in § 83 Abs. 3 GNotKG; aus dem anderenfalls anwendbaren § 33 Abs. 9 RVG ergäbe sich nichts Anderes.

    RechtsgebietFamilienrechtVorschriften§ 23 RVG, § 36 GNotKG, § 410 Nr. 1 FamFG