Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 07.01.2021 · IWW-Abrufnummer 219799

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 17.11.2020 – X ZR 3/19

    Bei einer auf § 1 oder § 4a UKlaG gestützten Klage sind Gebührenstreitwert und Beschwer grundsätzlich auch dann allein nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der angegriffenen Klauseln zu bemessen, wenn der Kläger ein Wirtschaftsverband im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG ist.


    Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. November 2020 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bacher, die Richterinnen Dr. Kober-Dehm, Dr. Marx und Dr. Rombach sowie den Richter Dr. Rensen
    beschlossen:

    Tenor:

    Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2018 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.

    Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 3.000 Euro festgesetzt.



    Gründe

    1


    I. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, nimmt das beklagte Luftfahrtunternehmen, das seinen Sitz in England hat und in Deutschland Flüge über eine deutschsprachige Internetseite anbietet, gestützt auf § 1 UKlaG und § 4 UKlaG wegen folgender Klausel auf Unterlassung und Zahlung einer Abmahnkostenpauschale in Anspruch:


    Steuern und Gebühren, die von einem Flughafenbetreiber direkt von [der Beklagten] erhoben werden, sind nicht erstattungsfähig, selbst wenn sie auf der Anzahl an beförderten Fluggästen basieren.

    2


    Das Landgericht hat die Beklagte im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt und ihr die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Den Streitwert hat es auf 3.000 Euro festgesetzt.


    3


    Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Den Streitwert hat es zunächst auf 25.000 Euro festgesetzt. Auf Gegenvorstellung der Beklagten hat es den Wert auf 2.500 Euro herabgesetzt. Die Revision hat es nicht zugelassen.


    4


    Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, die ihr Klagebegehren weiterverfolgen möchte. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.


    5


    II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zulässig.


    6


    Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer nicht die gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO maßgebliche Grenze von 20.000 Euro. Er beträgt, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, nicht mehr als 3.000 Euro.


    7


    1. Bei einer Verbandsklage gegen die Verwendung von Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach dem Unterlassungsklagengesetz richten sich der Gebührenstreitwert und die Beschwer nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht nach der wirtschaftlichen Bedeutung des angestrebten Verbots, sondern allein nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der angegriffenen Klauseln. Auf diese Weise sollen Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken geschützt werden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. März 2018 - X ZR 88/16, Rn. 4; Beschluss vom 24. März 2020 - XI ZR 516/18, NJW-RR 2020, 1055 Rn. 5; Beschluss vom 13. Oktober 2020 - VIII ZR 25/19, Rn. 8).


    8


    a) Den maßgeblichen Wert setzt der Bundesgerichtshof regelmäßig in einer Größenordnung von 2.500 Euro je angegriffener Teilklausel an. Seine Höhe hängt nicht davon ab, welche Partei in der Vorinstanz unterlegen ist (vgl. etwa BGH, NJW 2018, 1880 Rn. 35).


    9


    Eine abweichende Bewertung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, etwa, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird, und die Frage nach der Wirksamkeit der Klausel deshalb für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. November 2016 - I ZR 184/15, VersR 2017, 507 Rn. 16; Beschluss vom 23. Februar 2017 - III ZR 390/16, Rn. 6; Beschluss vom 21. März 2018 - X ZR 88/16, Rn. 4; Beschluss vom 5. Februar 2019 - VIII ZR 277/17, NJW 2019, 1531 Rn. 14 - Fotoabzüge).


    10


    b) Diese Maßstäbe gelten angesichts des Zwecks der Regelung auch für eine auf § 1 oder § 4a UKlaG gestützte Klage eines Verbands zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG (nachfolgend: Wirtschaftsverband).


    11


    aa) Der Gesetzgeber hat mit § 13 AGBG, auf den die Regelung in § 1 ff. UKlaG zurückgeht, eine "abstrakte Unterlassungs- und Widerrufsklage (eingeschränkte Popularklage)" eingeführt (BT-Drucks. 7/5422 S. 3).


    12


    Dieses Instrument dient dem Zweck, den Rechtsverkehr von unzulässigen Klauselwerken freizuhalten und zu verhindern, dass sich die Vertragsfreiheit in einer bloßen Abschlussfreiheit erschöpft (BT-Drucks. 7/5422 S. 10). Schutzobjekt des Verfahrens ist nicht der einzelne, von einer möglicherweise unzulässigen Klausel betroffene Verbraucher, sondern der Rechtsverkehr, der allgemein von der Verwendung derartiger Klauseln frei gehalten werden soll (BGH, Urteil vom 28. Juni 1984 - VII ZR 276/83, BGHZ 92, 24, 26 = NJW 1984, 2468, juris Rn. 9). Die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 UKlaG anspruchsberechtigten Stellen füllen mit ihren Klagen damit ein öffentliches Interesse aus. Dies wird auch durch den Umstand verdeutlicht, dass der Gesetzgeber als Alternative oder Ergänzung eine öffentliche Aufsicht über Allgemeine Geschäftsbedingungen, etwa durch deren vorherige Genehmigung oder Registrierung erwogen, sich anstelle einer solche Regelung aber für das Modell der Verbandsklage entschieden hat (BT-Drucks. 7/5422 S. 3).


    13


    bb) Vor diesem Hintergrund kann der Streitwert einer auf § 1 oder § 4a UKlaG geschützten Klage - anders als bei einer auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützten Klage - nicht davon abhängen, ob der Kläger eine qualifizierte Einrichtung, ein Wirtschaftsverband oder eine Kammer ist.


    14


    Bei einer auf § 8 UWG gestützten Klage eines Wettbewerbsverbands (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) ist für den Streitwert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Interesse maßgeblich, das ein gewichtiger Mitbewerber der beklagten Partei an der begehrten Unterlassung hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 1998 - I ZR 185/95, NJW-RR 1998, 1421, 1422, juris Rn. 5 f. - Verbandsinteresse; Beschluss vom 2. Oktober 2002 - I ZR 60/02, Rn. 10; Beschluss vom 9. Oktober 2018 - KZR 47/15, Rn. 1). Bei der Klage eines Verbraucherverbands kommt es dagegen auf das satzungsmäßig wahrgenommene Interesse der Verbraucher an; maßgebend sind die gerade diesen drohenden Nachteile (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2016 - I ZR 24/16, GRUR 2017, 212 Rn. 9 - Finanzsanierung).


    15


    Diese Unterscheidung beruht auf dem Umstand, dass das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht nur dem Schutz der Verbraucher und dem Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb dient, sondern auch dem Schutz der Mitbewerber und sonstiger Marktteilnehmer (§ 1 UWG), und dass ein Wettbewerbsverband in der Regel die Interessen der zuletzt Genannten geltend macht. Ein Wettbewerbsverband darf zwar auch Verstöße gegen Vorschriften verfolgen, die dem Schutz der Verbraucher dienen. Auch solche Klagen dienen in der Regel aber zugleich den Interessen der Verbandsmitglieder, indem verhindert wird, dass sich ein Wettbewerber durch Verletzung verbraucherschützender Vorschriften Vorteile verschafft (BGH, Urteil vom 9. Dezember 1993 - I ZR 276/91, NJW 1994, 731, juris Rn. 8; Köhler/Feddersen in: Köhler/ Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 8 Rn. 3.30).


    16


    Für eine auf § 1 oder § 4a UKlaG gestützte Klage kommt eine solche Differenzierung nicht in Betracht. Wie oben dargelegt wurde, dient dieses Gesetz dem Schutz der Verbraucher und den Interessen der Öffentlichkeit, nicht aber dem Schutz von Mitbewerbern. Dementsprechend ist auch bei der Klage eines Wirtschaftsverbands der Streitwert nur anhand des Interesses der Allgemeinheit an der Beseitigung der angegriffenen Klauseln zu bestimmen.


    17


    2. Besondere Umstände, die im Streitfall die Annahme eines 20.000 Euro übersteigenden Werts begründen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.


    18


    a) Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt nicht auf, dass die Klägerin solche Umstände in den Vorinstanzen dargelegt hat.


    19


    b) Der diesbezügliche Vortrag der Nichtzulassungsbeschwerde ist unbeachtlich.


    20


    Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es einer Partei, die in den Tatsacheninstanzen gegen die Festsetzung eines unterhalb von 20.000 Euro liegenden Werts keine Einwendungen erhoben hat, verwehrt, erstmals im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren geltend zu machen, der Wert der Beschwer liege über diesem Betrag (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2019 - VII ZR 129/18, IHR 2020, 21 Rn. 6; Beschluss vom 30. April 2020 - VII ZR 151/19, Rn. 9). Der Beschwerdeführer kann seine eigenen Angaben aus den Tatsacheninstanzen auch nicht korrigieren, um die Wertgrenze zu überschreiten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 - I ZR 115/15, Rn. 6; Beschluss vom 21. November 2019 - III ZR 14/19, Rn. 5).


    21


    Eine andere Beurteilung ist im Streitfall auch nicht deshalb geboten, weil das Berufungsgericht den Streitwert zunächst auf 25.000 Euro festgesetzt hat. Diese Festsetzung beruht nicht auf relevantem Vorbringen der Klägerin, sondern auf der unzutreffenden Rechtsauffassung, bei Klagen eines Wirtschaftsverbands sei der Streitwert nach anderen Maßstäben zu bestimmen. Auch die Argumente, die die Klägerin gegen die Gegenvorstellung der Beklagten angeführt hat, sind allein an dieser Auffassung ausgerichtet.


    22


    c) Unabhängig davon rechtfertigen die von der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Umstände ohnehin nicht die Festsetzung eines höheren Werts.


    23


    aa) Entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde besteht nicht deshalb ein gesteigertes Interesse der Allgemeinheit am Ausgang des Rechtsstreits, weil inzident über die Frage der Wirksamkeit einer Rechtswahlklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Luftbeförderungsvertrags mit Verbrauchern zu entscheiden ist.


    24


    Dabei kann zu Gunsten der Nichtzulassungsbeschwerde unterstellt werden, dass Rechtswahlklauseln im grenzüberschreitenden Passagierflugverkehr üblich sind. Unabhängig davon hat die wirtschaftliche Bedeutung von entscheidungserheblichen Vorfragen bei der Bemessung des Streitwerts außer Betracht zu bleiben, weil die Entscheidung darüber nicht in Rechtskraft erwächst (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2008 - IV ZR 31/08, VersR 2009, 562 Rn. 8; Beschluss vom 2. Mai 2019 - IX ZR 347/18, Rn. 5; Urteil vom 10. April 2019 - VIII ZR 39/18, NJW 2019, 1745 Rn. 16).


    25


    bb) Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde geltend macht, die Wirksamkeit der angegriffenen Klausel habe für die gesamte Branche herausragende wirtschaftliche Bedeutung, zeigt sie nicht auf, welche weiteren Luftverkehrsunternehmen eine solche Klausel verwenden und welche Bedeutung ihnen am Markt zukommt.


    26


    III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.


    27


    IV. Der Streitwert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Wert des Beschwerdegegenstands (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2018 - X ZR 88/16, Rn. 4, 7; BGH, NJW 2019, 1531 Rn. 9 f. - Fotoabzüge).


    Bacher
    Kober-Dehm
    Marx
    Rombach
    Rensen

    Vorschriften