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  • 08.12.2020 · IWW-Abrufnummer 219367

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 30.08.2019 – 8 W 39/19

    Der Streitwert einer durchgeführten Nebenintervention stimmt, wenn der Streithelfer im Prozess die gleichen Anträge stellt wie die von ihm unterstütze Partei, mit dem Streitwert der Hauptsache überein.


    OLG Frankfurt 8. Zivilsenat

    30.08.2019


    Tenor

    Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. Juli 2019 in Verbindung mit dem Beschluss vom 12. August 2019 über die Nichtabhilfe sowie die Anschlussbeschwerde der Streithelferin der Beklagten werden zurückgewiesen.

    Der Kläger und die Streithelferin der Beklagten haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

    Gründe

    I.

    Mit dem angegriffenen Beschluss vom 4. Juli 2019 (Bl. 1395 d. A.) hat das Landgericht den „Streitwert auch für die Streithelferin auf € 22.965.815,60“ festgesetzt.

    In seiner am 22. Juli 2019 beim Landgericht per Fax eingegangenen „Beschwerde nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG“ vom selben Tage (Bl. 1428 ff. d. A.) hat der Kläger die Ansicht vertreten, eine einheitliche Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten, die Rechtsanwaltsgebühren der Hauptparteien sowie der Rechtsanwaltsgebühren der Streithelferin auf € 22.965.815,60 scheide im Streitfall insbesondere wegen des Grundsatzes der Kostengerechtigkeit aus. Der Kläger hat beantragt,

    den Streitwert der Nebenintervention anderweitig und für die Streithelferinnen auf € 4.593.163,12 festzusetzen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 22. Juli 2019 (Bl. 1428 ff. d. A.) Bezug genommen.

    Die Streithelferin der Beklagten hat mit Anwaltsschriftsatz vom 6. August 2019 (Bl. 1453 ff. d. A.) Anschlussbeschwerde eingelegt und beantragt,

    den Wert des Verfahrens für die Streithelferin auf € 45.111.882,83 festzusetzen.

    Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Anwaltsschriftsatz der Streithelferin der Beklagten vom 6. August 2019 (Bl. 1453 ff. d. A.) verwiesen.

    Das Landgericht hat der Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 12. August 2019 (Bl. 1473 d. A.) nicht abgeholfen, die Anschlussbeschwerde der Streithelferin zurückgewiesen und die Sache dem Senat vorgelegt.

    II.

    1. Die zulässige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

    Der Antrag des Klägers aus dem Anwaltsschriftsatz vom 22. Mai 2019 (Bl. 1383 ff. d. A.) ist als Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG anzusehen, den Streitwert der Nebenintervention für den ersten Rechtszug abweichend von dem für das gerichtliche Verfahren im Übrigen maßgeblichen Streitwert festzusetzen.

    Der zulässige Antrag ist jedoch - wie vom Landgericht zutreffend erkannt - nicht begründet.

    Die Gebühren für die Nebenintervention richten sich im Streitfall nämlich nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert. Der Streitwert einer durchgeführten Nebenintervention stimmt mit dem Streitwert der Hauptsache zumindest dann überein, wenn der Streithelfer im Prozess die gleichen Anträge stellt wie die von ihm unterstützte Partei (s. etwa BGH, Beschluss vom 30.10.1959 - V ZR 204/57 -, BGHZ 31, 144, 146 ff.; Beschluss vom 11.12.2012 - II ZR 233/09 -, juris; OLG München, Beschluss vom 11.06.2019 - 9 W 635/19 Bau -, juris; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 3, Rdnr. 108; Wöstmann, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 3, Rdnr. 99). Aber auch dann, wenn der Streithelfer in dem betreffenden Rechtszug keine Anträge gestellt hat, entspricht der Streitwert einer durchgeführten Nebenintervention dem Streitwert der Hauptsache selbst (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12.01.2016 - X ZR 109/12 -, NJW-RR 2016, 831, 832; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.02.2015 - VI-W (Kart) 1/15 -, NJOZ 2015, 1963, 1964; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.06.2019 - 12 U 48/16 -, IBRRS 2019, 2041).

    Nur mit einem grundsätzlichen Gleichklang des Streitwerts einer durchgeführten Nebenintervention mit dem Streitwert der Hauptsache wird nämlich dem Umstand Rechnung getragen, dass der Streithelfer in einem fremden Prozess agiert, in dem er lediglich das Interesse der Partei unterstützt, der er beigetreten ist, ohne selbst Partei des Rechtsstreits zu sein. Damit ist ein Streithelfer im selben Umfang am Prozess beteiligt wie die von ihm unterstütze Hauptpartei: Er hat die Möglichkeit, im selben Umfang wie diese Anträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen. Nach der Gesetzessystematik sind die Möglichkeiten der Einflussnahme eines Streithelfers auf den Ausgang eines Rechtsstreits gerade nicht auf sein eigenes wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits beschränkt (vgl. etwa OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.06.2019 - 12 U 48/16 -, IBRRS 2019, 2041).

    Ob das wirtschaftliche Interesse des Streithelfers dem der Hauptpartei gleichkommt oder ob es geringer oder gar höher ist, betrifft demgegenüber - ebenso wie etwaige Rückgriffsansprüche zwischen der unterstützten Hauptpartei und dem Streithelfer - allein das Innenverhältnis zwischen diesen; sie sind für den Rechtsstreit weder relevant noch in diesem aufzuklären (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30.10.1959 - V ZR 204/57 -, BGHZ 31, 144, 147; Beschluss vom 12.01.2016 - X ZR 109/12 -, NJW-RR 2016, 831, 832). Während des Prozesses ist der Streithelfer, jedenfalls wenn er keinen eingeschränkten Antrag stellt, am Prozess nämlich in dem gleichen Umfang beteiligt wie die Partei, der er beigetreten ist (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.02.2015 - VI-W (Kart) 1/15 -, NJOZ 2015, 1963, 1964). Seine Angriffs- und Verteidigungsmittel betreffen den Erfolg dieser Partei und zwar in voller Höhe des von ihr oder gegen sie geltend gemachten Klageanspruchs (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12.01.2016 - X ZR 109/12 -, NJW-RR 2016, 831, 832). Während des Prozesses und im Verhältnis zur Gegenpartei steht der Streithelfer nicht anders da als die Hauptpartei, und sein prozessuales Verhalten bezieht sich auf denselben Streitgegenstand wie dasjenige der Parteien selbst (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30.10.1959 - V ZR 204/57 -, BGHZ 31, 144, 147; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.02.2015 - VI-W (Kart) 1/15 -, NJOZ 2015, 1963, 1964). Hiermit korrespondiert das Recht des Streithelfers, selbst ein Rechtsmittel einzulegen, wobei sich die erforderliche Beschwer (gerade) nicht nach dem eigenen, womöglich geringeren, wirtschaftlichen Interesse des Streithelfers, sondern allein nach der von der Hauptpartei erlittenen Beschwer richtet. Des Weiteren bezieht sich auch der Auftrag des Prozessbevollmächtigten des Streithelfers jedenfalls bei einem nicht beschränkten Streitbeitritt auf denselben Gegenstand wie derjenige des Prozessbevollmächtigten der Hauptpartei, insoweit ist derselbe Streitstoff mit demselben Ziel zu bearbeiten. Zudem würde ein Abstellen auf die wirtschaftlichen Belange des Streithelfers, die hinter seinem Beitritt stehen, erhebliche Unsicherheiten in das Wertfestsetzungsverfahren hineintragen und das Gericht hätte, was nicht sachgerecht erscheint, zur Ermittlung des Interesses des Streithelfers für die Streitwertfestsetzung Rechtsbeziehungen zu untersuchen, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits sind (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30.10.1959 - V ZR 204/57 -, BGHZ 31, 144, 147; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.02.2015 - VI-W (Kart) 1/15 -, NJOZ 2015, 1963, 1964).

    Die genannten Gründe sprechen dafür, den Gegenstandswert des Streitbeitritts nicht nur dann an dem Streitwert der Hauptsache auszurichten, wenn der Streithelfer im Prozess die gleichen Anträge wie die von ihm unterstützte Partei stellt. Nach den vorstehenden Ausführungen ist vielmehr die gleiche Beurteilung zumindest auch dann geboten, wenn der Streithelfer keine Anträge gestellt und seinen Beitritt nicht beschränkt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.02.2015 - VI-W (Kart) 1/15 -, NJOZ 2015, 1963, 1964). Für den Wert der Hauptsache ist es nämlich ohne Bedeutung, ob der Streithelfer selbst Anträge gestellt hat, weshalb auch der Wert seiner Beteiligung nicht vom Stellen eines solchen Antrags abhängt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12.01.2016 - X ZR 109/12 -, NJW-RR 2016, 831, 832).

    Nach diesen Maßstäben kommt eine Festsetzung eines vom Streitwert der Hauptsache von € 22.965.815,60 abweichenden Wertes im Streitfall nicht in Betracht.

    Die Streithelferin ist dem Rechtsstreit im ersten Rechtszug mit Anwaltsschriftsatz vom 1. September 2017 (Bl. 586b d. A.) auf Seiten der Beklagten beigetreten. Einen Antrag hat die Streithelferin im ersten Rechtszug nicht gestellt. Eine wie auch immer geartete Beschränkung ihrer Streithilfe zugunsten der Beklagten ist nicht erkennbar.

    Auch der Einwand des Klägers, das Landgericht sei für die Festsetzung des Gegenstandswertes gar nicht zuständig gewesen, geht fehl (s. Bl. 1436 d. A.). Der Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG ist nämlich bei dem Gericht der Instanz, für die die Vergütung berechnet werden soll, zu stellen. Dies ist hier in Bezug auf die erste Instanz das Landgericht.

    Soweit das Landgericht im Tenor der angegriffenen Entscheidung von der Streithelferin (Einzahl) gesprochen hat, ist dies inhaltlich wie sprachlich richtig, da im ersten Rechtszug dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten lediglich die aus dem Rubrum ersichtliche Streithelferin (X Rechtsanwälte) beigetreten war, so dass die Verwendung des Singulars zutreffend ist.

    2. Die Anschlussbeschwerde der Streithelferin der Beklagten ist zulässig (a), hat aber in der Sache keinen Erfolg (b).

    a. Das RVG enthält keine besonderen Regelungen für die Anschlussbeschwerde. Es gilt deshalb die allgemeine Regelung im § 567 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO).

    b. Auch zur Entscheidung über die Anschlussbeschwerde der Streithelferin ist der erkennende Einzelrichter berufen (§ 33 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 8 Satz 1 RVG).

    Soweit das Landgericht mit seinem Nichtabhilfebeschluss vom 12. August 2019 u. a. die Anschlussbeschwerde der Streithelferin „zurückgewiesen“ hatte, ist dies dahin auszulegen, dass das Landgericht auch insoweit eine Nichtabhilfeentscheidung getroffen hat.

    b. In der Sache hat die Anschlussbeschwerde der Streithelferin der Beklagten keinen Erfolg. Auch insoweit gilt, dass der Streitwert einer durchgeführten Nebenintervention dem Streitwert der Hauptsache selbst entspricht. Es gibt daher keinen Grund, den Streitwert einer durchgeführten Nebenintervention oberhalb des Streitwerts der Hauptsache festzusetzen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30.10.1959 - V ZR 204/57 -, BGHZ 31, 144, 148; Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 3, Rdnr. 108).

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Das Beschwerdeverfahren ist - im Gegensatz zum Antragsverfahren nach § 33 Abs. 1 RVG - nicht gebührenfrei. § 33 Abs. 9 RVG stellt nämlich nur den Antrag von Gerichtsgebühren frei. Für das Beschwerdeverfahren hingegen entsteht eine Gebühr gem. KV 1812, wenn eine Beschwerde verworfen oder - wie hier - zurückgewiesen wird (vgl. etwa Kroiß, in: Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl. 2018, § 33, Rdnr. 32; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 23. Aufl. 2017, § 33, Rdnr. 12; Sommerfeldt, in: v. Seltmann (Hrsg.), BeckOK RVG, 44. Edition, Stand: 01.06.2019, § 33, Rdnr. 26).

    Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).

    RechtsgebietZivilprozessrechtVorschriften§ 33 RVG; § 567 Abs. 3 ZPO