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  • 07.11.2019 · IWW-Abrufnummer 212121

    Landgericht Bielefeld: Beschluss vom 01.10.2019 – 10 Qs 276/19

    Dieses Quellenmaterial (z. B. Original-Urteil) wurde bereits bei dem Gericht bzw. der Behörde angefordert, es liegt uns aber noch nicht vor.

    Bitte versuchen Sie es in wenigen Tagen erneut.


    Landgericht Bielefeld


    Beschluss

    Tenor:

    Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass auf den Kostenfestsetzungsantrag vom 28.05.2019 ein Betrag in Höhe von lediglich 92,82 EUR gegen die Stadtkasse festgesetzt wird.

    Das weitergehende Rechtsmittel wird als unbegründet verworfen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens – einschließlich der notwendigen Auslagen des Beschwerdegegners – trägt die Beschwerdeführerin zu 1/6. Im Übrigen fallen sie dem Beschwerdegegner zur Last.

    1

    Gründe:

    2

    Der Bürgermeister der Hansestadt I. wendet sich gegen die Kostenfestsetzung durch Beschluss des Amtsgerichts Herford vom 17.08.2019.

    3

    I.

    4

    Dem Rechtsmittel liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

    5

    1.

    6

    Nach Feststellung des Verkehrsüberwachungsdienstes der Hansestadt I. kam es am 29.01.2019 zu einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der C. Straße in I. durch ein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen xxx. Zum Zwecke der Fahrzeugführerermittlung schrieb der Beschwerdeführer die eingetragene Halterin, die T.GmbH, an und bat um Mitteilung der Personalien der verantwortlichen Person. Geschäftsführer der vorgenannten Gesellschaft ist der Betroffene, der Beschwerdegegner in diesem Verfahren ist.

    7

    Da das Anschreiben wie auch diesbezügliche Erinnerungen unbeantwortet blieben, wurde der Betroffene mit Schreiben vom 21.03.2019 als Zeuge vorgeladen. Hierauf meldete sich am 27.03.2019 Rechtsanwalt L. aus der Kanzlei I. für die T.GmbH. Er teilte mit, dass das in Rede stehende Fahrzeug auch den Organen der vorgenannten Gesellschaft zur Nutzung überlassen sei, sodass diese als mögliche Betroffene in Betracht kämen. Insofern mache seine Mandantschaft vorerst von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Der Betroffene werde auf anwaltliches Anraten der Vorladung keine Folge leisten. Weiter benannte er drei Personen, darunter auch den Betroffenen, die als Fahrer in Betracht kämen.

    8

    In der Folge setzte der Beschwerdeführer mit Bescheid vom 04.04.2019 ein Ordnungsgeld i. H. v. 100,00 EUR gegen den Betroffenen fest, mit der Begründung, dass dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt zum Vorladungstermin nicht erschienen sei. Hierauf meldete sich erneut die Kanzlei I., zeigte die Vertretung des Betroffenen an und beantragte gegen den Ordnungsgeldbeschluss die gerichtliche Entscheidung.

    9

    Mit Beschluss des Amtsgerichts Herford vom 11.04.2019 wurde der Ordnungsgeldbescheid aufgehoben. Weiter wurde ausgesprochen, dass die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen die Staatskasse, nach Berichtigungsbeschlusses vom 21.06.2019, die Stadtkasse zu tragen habe.

    10

    Auf Grundlage dieses Beschlusses beantragte Herr Rechtsanwalt L. die Kostenfestsetzung in Höhe eines Betrages von insgesamt 547,40 EUR unter Ansatz der nachstehenden Positionen:

    11

    Nr. 5100 VV RVG Grundgebühr in Bußgeldsachen                                           100,00 EUR

    12

    Nr. 5103 VV RVG Verfahrensgebühr (Verwaltungsverfahren)              160,00 EUR

    13

    Nr. 5109 VV RVG Verfahrensgebühr (gerichtliches Verfahren)              160,00 EUR

    14

    Nr. 7002 VV RVG Post- und Telekommunikationspauschale               20,00 EUR

    15

    Nr. 7002 VV RVG Post- und Telekommunikationspauschale               20,00 EUR

    16
                                                                                                                                             ---------------
    17

    460,00 EUR

    18

    zzgl. Umsatzsteuer =                                                                                                  547,40 EUR

    19

    Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Herford vom 18.07.2019 ist dem Kostenfestsetzungsantrag auf Grundlage der Beschlüsse des Amtsgerichts Herford vom 11.04.2019 und 21.06.2019 in vollem Umfang entsprochen worden.

    20

    Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 08.08.2019 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen des Ordnungsgeldverfahrens um eine vom Bußgeldverfahren losgelöste Angelegenheit handele, die lediglich als Einzeltätigkeit nach Nr. 5200 VV RVG abgerechnet werden könne. Selbst wenn man davon ausginge, dass eine vollwertige Vertretung im Bußgeldverfahren vorliege, sei jedenfalls durch die Verfahrensgebühr für das Verwaltungsverfahren nach Nr. 5103 VV RVG auch die Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 62 OWiG abgegolten. Insofern könnten zusätzlich weder die Gebühr nach Nr. 5109 VV RVG noch ein zweites Mal die Post- und Telekommunikationspauschale abgerechnet werden.

    21

    Der Betroffene ist dagegen sinngemäß der Auffassung, dass nicht lediglich eine Einzeltätigkeit im Hinblick auf das verhängte Ordnungsgeld vorliege, sondern auch eine Vertretung des Zeugen im Bußgeldverfahren erfolgt sei. Weiter sei durch die Beantragung der gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG zusätzlich die gerichtliche Verfahrensgebühr angefallen.

    22

    Das Amtsgericht Herford hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 08.08.2019 nicht abgeholfen.

    23

    II.

    24

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache weit überwiegend Erfolg.

    25

    1.

    26

    Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde folgt aus den §§ 46 Abs. 1 OWiG, §§ 464b, 304 ff., 311 StPO, §§ 103, 104 Abs. 1, 3 S. 1 ZPO. Sie ist insbesondere auch fristgerecht eingelegt worden.

    27

    2.

    28

    Auf Grundlage des Beschlusses des Amtsgerichts Herford vom 11.04.2019 können lediglich notwendige Auslagen i. H. v. 92,82 EUR festgesetzt werden.

    29

    a) Insofern ist zunächst klarzustellen, dass sich die Kostengrundentscheidung aus dem Beschluss des Amtsgerichts vom 11.04.2019 lediglich auf das Ordnungsgeldverfahren bezieht, das sich vorliegend als eigenständige Angelegenheit aus dem Bußgeldverfahren entwickelt hat. Er bildet dagegen keine Grundlage für die Festsetzung notwendiger Auslagen, die durch die Vertretung im Bußgeldverfahren entstanden sind. Hinsichtlich dieser Kosten ist bisher keine Kostengrundentscheidung ergangen.

    30

    Insofern ist es also in Bezug auf die hier festzusetzenden Kosten unerheblich, ob der Betroffene im Bußgeldverfahren als Zeuge von einem Rechtsanwalt der Kanzlei I. umfassend vertreten worden sein sollte. Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, wieso die Kosten für die Tätigkeit als Beistand eines Zeugen im Bußgeldverfahren überhaupt der Staatskasse bzw. Stadtkasse zur Last fallen sollten.

    31

    Weiter ergibt sich aus dem Schreiben der Kanzlei vom 27.03.2019 gerade die Vertretung der T.GmbH und nicht des Betroffenen im Bußgeldverfahren. Für diesen ist eine Meldung erstmalig als Reaktion auf den Ordnungsgeldbeschluss, d.h. im Ordnungsgeldverfahren, mit Schreiben vom 08.04.2019 erfolgt.

    32

    b) Danach können vorliegend als notwendige Auslagen nur die Gebühren geltend gemacht werden, die für die anwaltliche Tätigkeit im Ordnungsgeldverfahren abgerechnet werden können. Diese beschränkte sich vorliegend auf die Beantragung der gerichtlichen Entscheidung gegen den streitgegenständlichen Ordnungsgeldbescheid gemäß § 62 OWiG.

    33

    Sowohl bei der Einreichung eines Antrages auf gerichtliche Entscheidung als auch bei einzelnen Beistandsleistungen für einen Zeugen handelt es sich um Einzeltätigkeiten im Sinne von Nr. 5200 VV RVG (Burhoff in: RVG Straf-und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Nr. 5200 VV Rn. 12 ff.). Zwar ist die Frage, ob eine Einzeltätigkeiten oder eine umfassende Vertretung vorliegt, danach zu beantworten, welcher konkrete Auftrag dem Rechtsanwalt erteilt wurde. Allerdings ist vorliegend im Hinblick auf das Ordnungsgeldverfahren eine weitergehende Beauftragung nicht ersichtlich und auch nicht ohne weiteres denkbar. Abgesehen davon ist aber im VV RVG auch kein entsprechender Gebührentatbestand für eine unterstellte „Vollvertretung im Ordnungsgeldverfahren“ vorgesehen.

    34

    Insofern verbleibt es dabei, dass die Beantragung einer gerichtlichen Entscheidung gegen den Ordnungsgeldbescheid als Einzeltätigkeit abzurechnen ist.

    35

    c) Da vorliegend keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine abweichende Bemessung der Rahmengebühr angebracht wäre, ist bei der Ermittlung der konkreten Gebührenhöhe für die Einzeltätigkeiten nach § 14 Abs. 1 RVG i. V. m. Nr. 5200 VV RVG die Mittelgebühr anzusetzen.

    36

    Eine Grundgebühr für das Bußgeldverfahren nach Nr. 5100 VV RVG entsteht für den mit einer Einzeltätigkeit in einer Bußgeldsache beauftragten Rechtsanwalt nicht (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG-Kommentar, 24. Aufl. 2019, Nr. 5200 VV RVG Rn. 10). Allerdings kann eine Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG beansprucht werden (Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG-Kommentar, 24. Aufl. 2019, Nr. 5200 VV RVG Rn. 13).

    37

    Danach sind die folgenden Auslagen festzusetzen:

    38

    Nr. 5200 VV RVG Verfahrensgebühr für Einzeltätigkeit                             65,00 EUR

    39

    Nr. 7002 VV RVG Post- und Telekommunikationspauschale               13,00 EUR

    40

    ---------------

    41

    78,00 EUR

    42

    zzgl. Umsatzsteuer =                                                                                                  92,82 EUR

    43

    3.

    44

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 4 StPO i. V. m. § 46 OWiG. Die Quotelung entspricht der Billigkeit.

    RechtsgebietBußgeldverfahrenVorschriftenNr. 5200 VV RVG