Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 17.07.2015 · IWW-Abrufnummer 144949

    Oberlandesgericht Koblenz: Beschluss vom 19.05.2014 – 13 WF 369/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    In der Familiensache
    ...
    - Antragstellerin -
    Verfahrensbevollmächtigte: ...
    gegen
    ...
    - Antragsgegner -
    Verfahrensbevollmächtigte: ...
    weiter beteiligt:
    Herr Bezirksrevisor bei dem Landgericht Koblenz
    - Erinnerungs- und Beschwerdeführer -
    wegen Beschwerde Verfahrenskostenhilfe
    hat der 13. Zivilsenat - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Peters, den Richter am Oberlandesgericht Haupert und den Richter am Oberlandesgericht Oeley am 19.05.2014
    beschlossen:
    Tenor:

    Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Koblenz gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neuwied vom 10.03.2014 wird dieser aufgehoben.

    Auf die Erinnerung des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Koblenz wird die Kostenfestsetzung des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 09.01.2014 abgeändert und die der beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten der

    Antragstellerin aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten werden auf 963,90 € festgesetzt.
    Gründe

    I.

    Zwischen den beteiligten Eheleuten war vor dem Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz ein Gewaltschutzverfahren anhängig. Dieses wurde im Termin am 10.12.2013 durch gerichtlichen Vergleich zum Abschluss gebracht. Zusätzlich beinhaltet der Vergleich diverse Regelungen zur Vermögensauseinandersetzung. Der Verfahrenswert wurde vom Familiengericht mit 1.500 € für das Verfahren und 14.500 € für den Vergleich festgesetzt.

    Ebenfalls am 10.12.2013 wurde der Antragstellerin mit Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht - Koblenz vom 10.12.2013 "Verfahrenskostenhilfe ... für Verfahren und Vergleich bewilligt." Hierauf hat die der Antragstellerin beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte beantragt, ihr aus der Staatskasse zu erstattende Kosten in Höhe von 1.583,66 € festzusetzen. Darin enthalten waren u.a. eine Differenzverfahrensgebühr und eine Terminsgebühr jeweils aus dem vollen Vergleichswert.

    Die Rechtspflegerin hat die Festsetzung antragsgemäß vorgenommen. Die hiergegen erhobene Erinnerung des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Koblenz hat das Amtsgerichts -Familiengericht - Koblenz mit Beschluss vom 10.03.2014 zurückgewiesen und die gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde nach Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

    Das Familiengericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Antragstellerin auch für den über den Verfahrensantrag hinausgehenden Regelungsgehalt uneingeschränkt Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden sei. Der Beschwerdeführer ist demgegenüber der Ansicht, dass die Beiordnung für den Vergleich außerhalb des Sonderfalls des § 48 Abs. 3 RVG lediglich zur Folge habe, dass dem beigeordneten Rechtsanwalt aus dem Vergleichsmehrwert die Einigungsgebühr zu erstatten sei, nicht aber eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

    Der Einzelrichter des Senats hat die Sache mit Beschluss vom heutigen Tage wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat zur Entscheidung übertragen.

    II.

    Die nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG verfahrensrechtlich nicht zu beanstandende Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG entscheidet der Senat dabei in voller Besetzung.

    Gemäß §§ 45 ff. RVG waren die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten nur auf 963,90 € festzusetzen. Denn die vorliegende Verfahrenskostenhilfebewilligung mit Beschluss vom 10.12.2013 hat nicht zur Folge, dass der der Antragstellerin beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten aus der Staatskasse in Bezug auf den Mehrvergleich auch eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr zu erstatten ist.

    1.

    In welchem Umfang einem beigeordneten Rechtsanwalt bei Abschluss eines Mehrvergleichs eine Vergütung gegen die Staatskasse zusteht, ist umstritten (vgl. den Meinungsstand zusammenfassend OLG Bamberg FamRZ 2011, 1605 und OLG Köln AGS 2013, 350).

    a)

    Ausgangspunkt für die Frage des Umfangs der Kostenerstattung aus der Staatskasse ist die Vorschrift des § 48 Abs. 1 RVG.

    Danach richtet sich der Vergütungsanspruch des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nach dem Beschluss, durch den Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Die Mitwirkung eines Rechtsanwalts an einem Vergleichsabschluss in einem Gerichtstermin löst hinsichtlich des Mehrvergleichs neben der Einigungsgebühr gemäß KV RVG Nr. 3101 und 3104 auch eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr aus. Die Frage nach der Erstattungsfähigkeit - zweifelsfrei angefallener -Gebühren aus der Staatskasse ist daher in erster Linie eine solche nach der Auslegung des Bewilligungsbeschlusses.

    Hiernach unterliegt es zunächst keinem Zweifel, dass das Gericht berechtigt ist, die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf alle mit dem Vergleichsschluss zusammenhängende Gebühren (also auch die Verfahrens- und die Einigungsgebühr) zu erstrecken und sowohl das Ausgangsgericht als auch das Rechtsmittelgericht im Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 48 Abs. 1 RVG an eine solche umfassende Bewilligung und Beiordnung gebunden sind.

    b)

    Vorliegend beinhaltet der Verfahrenskostenhilfe für den Mehrvergleich bewilligende Beschluss vom 10.12.2013 - wie in der Praxis üblich - weder eine ausdrückliche Erstreckung auf alle insoweit anfallenden Anwaltsgebühren noch eine entsprechende Einschränkung auf die bloße Einigungsgebühr.

    Nach Ansicht des Senats kann aus diesem Umstand nicht (mehr) hergeleitet werden, dass dann regelmäßig eine Auslegung dahingehend nahe liege, dass mit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe alle mit dem Mehrvergleichsabschluss im Zusammenhang stehenden Gebühren von dem Bewilligungsbeschluss umfasst seien (vgl. z.B.: OLG Köln (12. ZivS.) MDR 2012, 1293 und OLG Celle FamRZ 2011, 835; a.A. z.B.: OLG Koblenz (14. ZivS.) FamRZ 2006, 1691 und OLG Köln (25. ZivS.) AGS 2013, 350).

    Ein solcher - wie auch vorliegend - weder präzise gefasster noch näher begründeter Bewilligungsbeschluss ist zum Zwecke der Ermittlung seiner Reichweite vielmehr nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Infolge der Anwaltsbeiordnung darf dabei die Rechtskundigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts nicht unberücksichtigt bleiben.

    Auf die nachträglichen Ausführungen des bewilligenden Gerichts im Kostenfestsetzungsverfahren zum Umfang der Bewilligung kann es hingegen im Zweifel nicht ankommen. Eben so wenig kann hier der seitens der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin angeführte § 48 Abs. 5 RVG herangezogen werden.

    c)

    Danach kann ein Rechtssuchender jedenfalls nach der ausdrücklichen, allerdings auch nur insoweit erfolgten Änderung des § 48 Abs. 3 RVG zum 01.08.2013 außerhalb dessen Anwendungsbereichs nicht mehr davon ausgehen, dass sich die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für einen Mehrvergleich neben der Einigungsgebühr ohne Weiteres auch insoweit auf die Verfahrens- und Terminsgebühr erstreckt.

    aa)

    Dem Gesetzgeber war die hier aufgeworfene Streitfrage bekannt. Dennoch nahm er lediglich in § 48 Abs. 3 RVG eine Klarstellung dahin vor, dass sich die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe in den dort enumerativ aufgeführten Fällen auf alle mit dem Mehrvergleich erforderliche anwaltlichen Tätigkeiten erstreckt (vgl. BT Drs. 17/11471 S. 270). Hierbei handelt es sich ausschließlich um Mehrvergleiche über nicht von Amts wegen einzuleitende Folgesachen bei Anhängigkeit einer Ehesache.

    bb)

    Die vorliegende Fallkonstellation ist grundsätzlich vergleichbar mit einem Vergleichsabschluss im Erörterungstermin des Verfahrens- oder Prozesskostenhilfeverfahrens (vgl. OLG Dresden Beschluss vom 07.02.2014 - 23 WF 1209/13 - [...]). Für diesen hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe lediglich für die Einigungsgebühr, nämlich den unmittelbaren Abschluss des Vergleichs selbst, nicht aber für das ganze Verfahren, also die Verfahrens- oder Terminsgebühr, bewilligt werden kann (BGH FamRZ 2004, 1708). Ausgangspunkt der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist, dass für nicht anhängige Verfahren und daher auch für das reine Verfahrens- oder Prozesskostenhilfeverfahren selbst grundsätzlich Verfahrens- bzw. Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden kann. Genauso kann aber grundsätzlich für im Verfahren nicht anhängige Verfahrensgegenstände Verfahrenskostenhilfe nicht gewährt werden. Dies folgt bereits daraus, dass die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zunächst eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung voraussetzt (§ 114 ZPO). Eine derartige Prüfung ist aber gerade mangels Anhängigkeit der mitverglichenen Regelungsgegenstände nicht möglich. Wie im Verfahrenskostenhilfeverfahren selbst kommt somit auch hier die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf nicht anhängige Gegenstände nur und insoweit in Betracht, als über sie ein Vergleich geschlossen wird (vgl. OLG Dresden aaO.). Andernfalls bestünde auch eine nicht unerhebliche Missbrauchsgefahr zu Lasten der Staatskasse.

    cc)

    Die von der Gegenauffassung vorgetragenen prozessökonomischen Argumente hat der Bundesgerichtshof gesehen und für nicht durchschlagend erachtet (vgl. BGH FamRZ 2004, 1708 und OLG Dresden aaO.). Für den Senat ist entgegen der Gegenansicht (vgl. - ohne nähere Begründung - OLG Koblenz (14. ZivS.) FamRZ 2006, 1691 sowie die weiteren Nachweise in OLG Dresden aaO. Tz. 10) auch nicht ersichtlich, dass die vom Bundesgerichtshof entschiedene Fallkonstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar sei.

    dd)

    Jedenfalls aber seit der Neufassung des § 48 Abs. 3 RVG im Zuge des Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes ist der bisherigen Gegenansicht - u.a. auch OLG Koblenz (14. ZivS.) FamRZ 2006, 1691; im Übrigen vgl. den Meinungsstand zusammenfassend OLG Bamberg FamRZ 2011, 1605 und OLG Köln AGS 2013, 350 - nach Ansicht des Senats die Grundlage entzogen.

    Denn der Gesetzgeber hat damit explizit zum Ausdruck gebracht, in welchen besonderen Fällen er verfahrensökonomische Gründe gegenüber der an sich nach § 114 ZPO erforderlichen Prüfung der Erfolgsaussichten den Vorrang einräumt und damit von einer wesentlichen Voraussetzung für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe dispensiert. Es handelt sich hier um Folgesachen, ohne deren Regelung im Falle eines bestehenden Regelungsbedürfnisses grundsätzlich eine Ehescheidung nicht ausgesprochen werden kann, § 142 Abs. 1 FamFG.

    Vorliegend stand der Verfahrensgegenstand des anhängig gemachten Gewaltschutzverfahrens demgegenüber mit den in dem Vergleich zugleich getroffenen Vereinbarungen zur Vermögensauseinandersetzung in keiner derartigen rechtlichen Abhängigkeit.

    ee)

    Aus der Neufassung des § 48 Abs. 3 RVG kann schließlich nicht geschlossen werden, dass die gleiche Rechtsfolge auch bei der Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe in anderen als Ehesachen gelten soll.

    Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich derartiges nicht. Hätte der Gesetzgeber diese Frage, die bei der Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf einen Mehrvergleich außerhalb von Ehesachen ebenso uneinheitlich von der Rechtsprechung beantwortet worden ist wie im Rahmen von § 48 Abs. 3 RVG a.F. bei Ehesachen, allgemein regeln wollen, hätte es nahe gelegen, dies zu tun. Hiervon hat der Gesetzgeber indes abgesehen. Er hat es vielmehr hinsichtlich aller anderen Gegenstände dabei belassen, dass Verfahrenskostenhilfe im Grundsatz nur für die Geltendmachung oder Abwehr verfahrensgegenständlicher Ansprüche bewilligt werden kann (vgl. OLG Dresden aaO.).

    Dem steht schlussendlich auch nicht die Entscheidung des hiesigen 4. Senats für Familiensachen vom 15.10.2008 (vgl. FamRZ 2009, 143) entgegen. Denn diese betraf ebenfalls die besondere Verfahrenskonstellation von bislang nicht anhängigen Folgesachen im Zuge einer Ehesache.

    2.

    Nach alledem kommt eine Festsetzung der gemäß §§ 45 ff. RVG aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten vorliegend nur wie folgt in Betracht:

    - 1,3 Verfahrensgebühr aus 1.500 €: 149,50 €

    - 1,2 Terminsgebühr aus 1.500 €: 138,00 €

    - 1,0 Einigungsgebühr aus 1.500 € ... 115,00 €

    - 1,5 Einigungsgebühr aus 13.000 € ... 481,50 €

    - höchstens aber 1,5 Einigungsgebühr aus 14.500 € 502,50 €

    - Auslagenpauschale: 20,00 €

    - Umsatzsteuer: 153,90 €

    - insgesamt: 963,90 €

    3.

    Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG nicht veranlasst; die Zulassung der weiteren Beschwerde zum Bundesgerichtshof ist ausweislich §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 RVG nicht möglich.