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  • 21.05.2015 · IWW-Abrufnummer 144535

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Beschluss vom 28.01.2013 – 15 WF 363/12

    Wird ein Ehescheidungsverfahren von beiden Beteiligten nicht betrieben und hat der beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte eine Vergütung erhalten, erhält er dieselbe Vergütung nicht noch einmal, wenn das Verfahren mehrere Jahre später fortgeführt wird; die Ausnahmeregelung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG findet keine Anwendung.


    Oberlandesgericht Schleswig

    Beschl. v. 28.01.2013

    Az.: 15 WF 363/12

    Tenor:

    Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 19.09.2012 wird zurückgewiesen.

    Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

    Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
    Gründe
    1

    Der Beschwerdeführer ist dem Antragsteller durch Beschluss vom 19.06.2006 für das im Mai 2006 eingeleitete Scheidungsverfahren im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe beigeordnet worden, und zwar für die Ehescheidung und den Versorgungsausgleich. Der zuständige Familienrichter teilte den Beteiligten am 27.03.2007 mit, dass die Sache "auf lange Frist gelegt" werde, weil im Versorgungsausgleichsverfahren keine der Parteien an der Klärung ihres Versicherungskontos mitwirke und unter diesen Umständen das Gericht keine Veranlassung zur Einwirkung auf sie sehe. Die Akte wurde sodann mit Verfügung vom 12.10.2007 ausgetragen und weggelegt, weil auch bis dahin keine weitere Reaktion der Parteien erfolgt war. Zuvor wurde am 17.08.2007 auf entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers hin dessen Vergütung aus der Landeskasse (1,3 Verfahrensgebühr, Pauschale und Abzug einer halben Geschäftsgebühr Beratungshilfe) auf 274,53 € festgesetzt und ausgezahlt worden.
    2

    Mit Schriftsatz vom 05.04.2011 hat der Beschwerdeführer für den Antragsteller beantragt, "das Verfahren fortzusetzen" und für den Antragsteller die Fragebögen zum Versorgungsausgleich überreicht. Zwischenzeitlich ist die Ehe der Beteiligten durch Beschluss vom 22.08.2012 geschieden und die Folgesache Versorgungsausgleich abgetrennt worden.
    3

    Mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag vom 15.06.2012 hat der Beschwerdeführer die Festsetzung von insgesamt 586,08 € beantragt; er macht - erneut - eine 1,3 Verfahrensgebühr sowie eine 1,2 Terminsgebühr und die Pauschale geltend. Er hat die Auffassung vertreten, dass bisher erfolgte Zahlungen seitens der Landeskasse wegen Zeitablaufs nicht mehr zu berücksichtigen seien. Der frühere Auftrag des Antragstellers sei seit mehr als zwei Jahren erledigt gewesen, so dass die anwaltliche Tätigkeit seit 2011 gemäß § 15 Abs. 5 S. 2 RVG als neue Angelegenheit mit der Folge gelte, dass Anrechnungen von Gebühren entfielen.
    4

    Das Amtsgericht - Familiengericht - hat unter Anrechnung der seinerzeit festgesetzten und ausgezahlten Vergütung und unter Abzug von 41,65 € für erhaltene Beratungshilfe durch Beschluss vom 20.06.2012, berichtigt durch Beschluss vom 28.06.2012, eine Vergütung von noch 269,90 € festgesetzt. Die dagegen eingelegte "sofortige Beschwerde" hat die Richterin nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors durch Beschluss vom 19.09.2012 als Erinnerung zurückgewiesen. Der Beschwerdeführer hat dagegen rechtzeitig "sofortige" Beschwerde eingelegt.
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    Die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 bis 8 RVG zulässig, aber unbegründet.
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    Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG nicht vor.
    7

    Der BGH hat in einem Beschluss vom 30.03.2006 (NJW 2006, 1525 [BGH 30.03.2006 - VII ZB 69/05]) zum damals geltenden entsprechenden § 13 Abs. 5 S. 2 BRAGO ausgeführt, dass
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    die Vorschrift bei einer Verfahrensunterbrechung nur anwendbar sei, wenn einem Rechtsanwalt nach Erledigung eines früheren Auftrags ein weiterer Auftrag erteilt worden sei. Nach dem Ende der Aussetzung des Verfahrens sei ein solcher Auftrag aber zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig. Der BGH hat ferner entschieden, dass die Vorschrift nicht an die Fälligkeit der Vergütung des Rechtsanwalts für den bisherigen Auftrag anknüpfe und damit nicht den Fall regele, dass weder ein neuer Auftrag erteilt noch ein früherer Auftrag erledigt, aber die Angelegenheit mehr als zwei Kalenderjahre von dem Rechtsanwalt nicht bearbeitet worden sei.
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    An dieser rechtlichen Würdigung hat sich durch die weitgehend unveränderte Nachfolgeregelgung des § 15 RVG nichts geändert. Demnach kann auch bei einem bloßen Nichtbetreiben des Verfahrens nach Ablauf von zwei Kalenderjahren allein eine weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht schon zu einer neuen Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG führen. Die mangelnde Mitwirkung beider Eheleute im Versorgungsausgleichsverfahren, das Weglegen der Akten wegen Nichtbetreibens des Verfahrens und der Antrag des Beschwerdeführers vom 05.04.2011, das Verfahren fortzusetzen, machen die Sache nicht zu einer neuen Angelegenheit. Das Weglegen der Akten beruht auf entsprechenden Vorschriften in der Aktenordnung und hat ausschließlich gerichtsinterne Bedeutung. Der Rechtsanwalt bleibt in Fällen des Ruhens, der Aussetzung oder der Unterbrechung des Verfahrens beauftragt, die Angelegenheit ist nicht erledigt. Denn er muss regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen der Unterbrechung, der Aussetzung und des Ruhens noch gegeben sind (AnwK-RVG/Schneider, 6. Auflage 2012, Rn. 287 f.). Das gilt auch für den Fall des Nichtbetreibens des Verfahrens, dessen Gründe dem Gericht verborgen bleiben. Es ist zudem nicht vorgetragen und nicht ersichtlich, dass der Antragsteller seinerzeit das Mandat mit dem Beschwerdeführer formal beendet und ihm 2011 einen neuen Auftrag erteilt hat.
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    Mit dieser Rechtsauffassung folgt das Beschwerdegericht der im Anschluss an die o.a. Entscheidung des BGH veröffentlichten Auffassung anderer Oberlandesgerichte in Fällen des Ruhens und der Aussetzung des Verfahrens (OLG Köln, AGS 2011, 321; KG FamRZ 2011, 667; OLG Oldenburg FamRZ 2011, 665; a.A. OLG Brandenburg, AGS 2009, 432, allerdings ohne Auseinandersetzung mit der Entscheidung des BGH; ferner Gerold/Schmidt/Mayer, 20. Auflage, Rn. 153 zu § 15 RVG) und der Entscheidung des FG Baden-Württemberg vom 23.08.2010 zu dem Fall des Nichtbetreibens eines gerichtlichen Verfahrens (AGS 2010, 606).
    11

    Dieses Ergebnis ist für den Beschwerdeführer im konkreten Fall auch nicht unbillig. Wenn man berücksichtigt, dass die Vorschrift den für eine völlige Neueinarbeitung erforderlichen Aufwand des Rechtsanwalts vergüten soll, war eine solche hier nicht erforderlich. Denn die konkreten Scheidungsvoraussetzungen bedurften keiner Einarbeitung, und 2007 lagen Auskünfte im Versorgungsausgleich nicht vor, so dass die entsprechende Arbeit erst mit der Fortsetzung des Verfahrens begann.
    12

    Der Ausspruch zu den Gebühren und Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG, die Unanfechtbarkeit folgt aus § 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 4 S. 3 RVG.

    RechtsgebietRVGVorschriften§ 15 Abs. 5 S. 2 RVG