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  • 24.04.2013 · IWW-Abrufnummer 131329

    Landgericht Traunstein: Beschluss vom 20.09.2012 – 1 Ks 201 Js. 3874/11

    Für den Anfall und die Anerkennung der Terminsgebühr gem. Nr. 4102, 4103 VV RVG kommt es maßgeblich darauf an, ob in dem Termin, an welchem der Verteidiger teilgenommen hat, "verhandelt" worden ist. Dies ist dann nicht der Fall sein, wenn lediglich eine Aushändigung und Bekanntgabe, also die Verkündung eines schon bestehenden Haftbefehls gemäß § 114 a StPO stattfindet.


    LG Traunstein

    20.09.2012

    1 Ks 201 Js. 3874/11

    In dem Strafverfahren gegen pp
    Verteidiger:
    Rechtsanwalt Dürr, Peter, An der Bürgermühle 4, 83022 Rosenheim
    wegen Mordes
    erlässt das Landgericht Traunstein -1. Strafkammer- durch die unterzeichnenden Richter am 20.09.2012 folgenden
    Beschluss
    Tenor:

    Auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers, Rechtsanwalt Peter Dürr, vom 18.07.2012 wird der Festsetzungsbeschluss des Landgerichts Traunstein, Aktenzeichen 1 Ks 201 Js 387411, vorn 11.07.2012 teilweise aufgehoben insoweit, als dort die Terminsgebühr gemäß Nummern 4102, 4103 W-RVG in Höhe von 137,— Euro netto + 19 % Mehrwertsteuer als unberechtigt aus dem Kostenerstattungsantrag vorn 03.07.2012 gestrichen und nicht zugebilligt worden war. Die Ge- bühr nebst MwSt wird zuerkannt.
    Gründe

    Mit Antrag vom 03.07.2012 machte der Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt Dürr, Gebühren und Aus- lagen In Höhe von insgesamt 3.200,45 Euro (brutto) geltend, unter anderen einen Betrag von 137,— Euro (netto) + 19 /43 Mehrwertsteuer als Ternninsgebühr für die Teilnahme an richterlicher Vernehmung (vom 13.02,2011) eines Beschuldigten, der sich nicht auf freiem Fuß befand.

    Ferner wurden für die Hauptverhandlungstermine vom 08.1 16., und 18. August 2011 jeweils Terminzusatzgebühren (Nr. 4116 VV-RVG) geltend gemacht, die bei der Überprüfung durch den Kostenbeamten als unberechtigt gestrichen wurden.

    Im Festsetzungsbeschluss vom 11.07.2012 wurde daher eine Summe von 2.639,96 Euro (brutto) als aus der Staatskasse zu erstattender Betrag zugunsten des Pflichtverteidigers Peter Dürr festgesetzt.

    Dieser Beschluss wurde dem Verteidiger am 17.07.2012 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

    Mit Schriftsatz vom 18.07.2012, per Fax übermittelt am 18.07.2012 an das Landgericht Traunstein und dort am selben Tage eingegangen, regte der Verteidiger gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.07.2012 sofortige Beschwerde ein insoweit, "als die beantragte Terminsgebühr im Ermittlungsverfahren nicht festgesetzt wurde."

    Gegenstand des Rechtsmittels ist daher nur die Nichtanerkennung der Terminsgebühr (Nr. 4102, 4103 VV-RVG) für den 13.02.2011.

    Nicht angegriffen wurde die Streichung der Terminzusatzgebühren für die oben genannten Hauptverhandlungstermine.

    B.

    1.

    Die als Erinnerung zu behandelnde "sofortige Beschwerde" des Verteidigers vom 18.07.2012 ist statthaft und zulässig.

    Der Rechtspfleger hat den Vorgang dem Bezirksrevisor zugeleitet, der am 25.07.2012 Stellung nahm und beantragte, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen. Am 30.07.2012 wurde diese Stellungnahme dem Verteidiger bekanntgegeben. Das Rechtsmittel blieb aufrechterhalten.

    Mit Beschluss vom 03.09.2012 hat der zuständige Rechtspfleger entschieden, der Erinnerung vom 18.07.2012 gegen den Festsetzungsbeschluss vom 11.07.2012 nicht abzuhelfen und die Sache zur Entscheidung an die 1. Strafkammer des Landgerichts Traunstein gemäß § 11 RpflG vorzulegen.

    2.

    Die Erinnerung des Verteidigers vom 18.07.2012 erscheint begründet. Daher war insoweit der an-gegriffene Festsetzungsbeschluss vom 11.07.2012 aufzuheben und dem Verteidiger der geltend gemachte Betrag in Höhe von 137,-- Euro zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer zuzuerkennen.

    Für den Anfall und die Anerkennung der Terminsgebühr gemäß Nr. 4102, 4103 VV-RVG kommt es maßgeblich darauf an, ob in dem Termin, an welchem der Verteidiger teilgenommen hat, "verhandelt" worden ist. Dies soll nach überwiegender Auffassung dann nicht der Fall sein, wenn lediglich eine Aushändigung und Bekanntgabe, also die Verkündung eines schon bestehenden Haftbefehls gemäß § 114 a StPO stattfindet. Finden aber darüber hinaus Erörterungen, Antragsstellung und andere verfahrensrechtliche Maßnahmen statt, die zum Erlass eines Haftbefehls führen oder zu einer Entscheidung über die Aufrechterhaltung oder Außervollzugsetzung eines Haftbefehls, dann ist dies als "verhandeln' außerhalb der Hauptverhandlung anzusehen, für welches eine Terminsgebühr für die Teilnahme des Verteidigers anfällt gemäß Nr. 4102, 4103 VV-RVG (Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage (2012), Seite 1933, Randnummer 15 zu VV 4102, 4103; Gerold/Schmidt, RVG, 20. Auflage (2012), Seite 1428, Randnummer 12/13 zu VV 4102, 4103; LG Bielefeld, StV 2006, 198; ähnlich noch KG, Beschluss vom 23.06.2006, 4 Ws 62106; anders dann OLG Hamm, Besohl. vom 27.11.2006, 2(s)Sbd.IX-117106; KG, Beschluss v. 31.10.2008, (1) 2 StE 6/07-6 ; dementspr. auch LG Traunstein, Beschluss vom 28.01.2010, 1 KLs 220 Js 9148/09, Beschluss vom 14.07.2010, KLs 410 Js 30377/09 jug., Beschluss vom 05.10.2011, 6 KLs 400 Js 5697/11, Beschluss vom 09.12.2011, 6 KLs 150 Js 5811/11).

    Diese Voraussetzungen für den Anfall der Terminsgebühr sind hier erfüllt: Der Beschuldigte wurde nach dem Tötungsdelikt vom 12.02.2011 noch am selben Tag gegen 17.00 Uhr vorläufig fest-genommen und am Folgetag, 13.02.2011, der Ermittlungsrichterin bei dem Amtsgericht Rosenhelm vorgeführt. Dort machte der Beschuldigte Angaben zu seiner Person. Nach Belehrung über den Tatvorwurf, die In Frage kommenden Strafvorschriften, den Haftbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft und sein Recht, dass es ihm freistehe, sich zu den Beschuldigungen zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit Beweiserhebungen zu beantragen, erklärte der Verteidiger, Rechtsanwalt Dürr, für den Beschuldigten, dass dieser derzeit keine weiteren Angaben (zur Sache) machen werde.

    Der persönlich anwesende sachbearbeitende Staatsanwalt stellte daraufhin nochmals Antrag auf Erlass eines Haftbefehls wegen Mordes.

    Die Richterin erließ, nach kurzer Unterbrechung, den Haftbefehl vom 13.02.2011, Aktenzeichen Gs 281/11. Dieser Haftbefehl wurde nebst Rechtsmittelbelehrung abschriftlich dem Beschuldigten und dem Verteidiger ausgehändigt. Der Beschuldigte wurde nochmals über seine Rechtsbehelfe belehrt. Er machte hierzu keine weiteren Angaben.

    Allerdings erklärte der Betroffene, er möchte Rechtsanwalt Peter Dürr, Rosenheim als Pflichtverteidiger beigeordnet bekommen.

    Daraufhin erließ das Amtsgericht Rosenheim, Ermittlungsrichterin, Beschluss im selben Termin vom 13.02.2011, wonach Rechtsanwalt Peter Dürr dem Beschuldigten als Pflichtverteidiger bei-geordnet wird gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO. Abschließend erklärte der Beschuldigte, dass er nicht verlange, das Konsulat seines Heimatlandes zu benachrichtigen, und dass er nicht einverstanden sei, dass der seiner Verhaftung zugrunde liegende Sachverhalt dorthin mitgeteilt werde.

    Insgesamt dauerte der Termin vor der Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Rosenheim 35 Minuten. Schon aufgrund des dargestellten Ablaufs und der Dauer dieses Termins steht für die Strafkammer hier außer Frage, dass ein 'Verhandeln" stattfand, das Grundlage für den Erlass des Haftbefehls und für den Beschluss über die Pflichtverteidigerbestellung war. Es fand nicht nur die bloße Aushändigung oder Bekanntgabe eines schon bestehenden Haftbefehls gemäß § 114 a StPO statt, sondern eine Verhandlung mit Anhörung und Antragstellung, deren Ergebnis der Erlass des Haftbefehls (ohne Außervollzugsetzung), also eine Entscheidung über Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft war. Ein stärker belastendes und bindendes Ergebnis dieser "Verhandlung" vor der Ermittlungsrichterin ist kaum denkbar.

    Der Beschuldigte hatte nach Eröffnung des Tatvorwurfs und nach Belehrung über seine Verfahrensrechte über seinen Verteidiger nicht bloß geschwiegen, sondern die ausdrückliche Erklärung abgegeben, dass er derzeit keine weiteren Angaben mache; damit hat er von einer ihm zuvor eröffneten Möglichkeit, nämlich inhaltlich sich nicht zur Sache zu äußern, Gebrauch gemacht; prozessual hat er sich aber insoweit geäußert,

    Würde an diese dem Beschuldigten frei zur Auswahl stehende Wahlmöglichkeit nachträglich im Wege des Kostenrechts die Folge geknüpft, dass der Verteidiger für die Teilnahme an dem Termin keine Gebühr erhielte, so würde über den Umweg des Kostenrechts Druck auf den Beschuldigten ausgeübt und er in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt, weil ihm wegen der kostenrechtlich nachteiligen Folgen für seinen Verteidiger es zweckmäßiger erscheinen könnte und müsste, sich Inhaltlich zur Sache zu äußern, damit sein Verteidiger keinen Gebührennachteil erleidet Dies würde aber im Widerspruch zu der dem Beschuldigten vorher eröffneten Wahlfreiheit stehen, sich inhaltlich zur Sache zu äußern oder nicht, und dieses Verfahrensgrundrecht ("nemo tenetur se ipsum accusare") aushöhlen.

    C.

    Eine Kostenentscheidung war noch nicht veranlasst, da es sich nur um eine Zwischenentscheidung im noch laufenden Strafverfahren handelt.

    RechtsgebieteRVG, StPOVorschriftenNr. 4102 VV RVG Nr. 4103 VV RVG § 114a StPO