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  • 23.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130219

    Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 27.04.2012 – 6 W 52/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG Brandenburg, 27.04.2012

    6 W 52/12

    Tenor:

    Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12.7.2011 - 13 O 333/06 - in der Fassung des teilabhelfenden Beschlusses vom 5.3.2012 teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt neu gefasst:

    Auf Grund des Versäumnisurteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 1.2.2007 sind von dem Beklagten an Kosten

    831,70 €

    (i. B.: achthunderteinunddreißig und 70/100 EUR)

    nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 8.12.2009 an den Kläger zu erstatten.

    Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger 2/3, der Beklagte 1/3 zu tragen. Die Gerichtsgebühr des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte allein. Die Gebühr nach Nr. 1812 KV GKG wird auf die Hälfte ermäßigt.
    Gründe

    I. Der klagende Rechtsanwalt verfolgte mit dem vorliegenden Rechtsstreit die Titulierung einer Gebührenforderung gegen den Beklagten, seinen ehemaligen Mandanten. Gegen den Beklagten erging am 7.6.2006 zugunsten des Klägers ein Mahnbescheid, der Vollstreckungsbescheid datiert vom 31.8.2006. Das Landgericht hat den durch den Beklagten selbst eingelegten Einspruch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 1.2.2007 durch zweites Versäumnisurteil verworfen und dem Beklagten die weiteren Kosten des Rechtsstreits auferlegt, da der Beklagte zum Termin zwar erschienen, jedoch nicht anwaltlich vertreten war.

    Am 27.6.2007 wurde dem Gericht mitgeteilt, dass über das Vermögen des Beklagten wegen Zahlungsunfähigkeit bereits am 11.10.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Treuhänder bestellt worden war. Mit Beschluss vom 26.2.2010 wurde dem Beklagten Restschuldbefreiung erteilt.

    Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 12.7.2011 die von dem Beklagten an den Kläger zu erstattende Kosten auf insgesamt 1.277,76 € nebst Zinsen festgesetzt.

    Gegen diesen Beschluss, der ihm am 2.8.2011 zugestellt worden ist, wendet sich der Beklagte mit seiner am 15.8.2011 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er wendet sich gegen die Festsetzung einer 1,2-Terminsgebühr in Höhe von 538,80 € und der Mehrwertsteuer in Höhe von 131,76 €.

    Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 5.3.2012 dem Rechtsbehelf insoweit abgeholfen, als er wegen bestehender Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers den festgesetzten Betrag um die berechnete Mehrwertsteuer in Höhe von 131,77 € herabgesetzt hat. Im Übrigen hat er der sofortigen Beschwerde des Beklagten nicht abgeholfen und sie dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

    II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Wert der Beschwer beträgt für den Beklagten 670,56 € (nach Teilabhilfe noch 538,80 €) und übersteigt damit den Beschwerdewert von 200 €.

    Dass die Einlegung der sofortigen Beschwerde in rechtsmissbräuchlicher und damit in unzulässiger Weise erfolgt wäre, kann nicht festgestellt werden. Selbst wenn die Parteien sich in Vergleichsverhandlungen über die Kostenerstattungsforderung des Kläger befunden haben sollten, führt dies - wenn nicht ausdrücklich ein Rechtsmittelverzicht vereinbart worden ist - nicht zur Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde. Einen Rechtsmittelverzicht hat der Klägervertreter nicht nachgewiesen.

    Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.

    1.) Für die Kostenfestsetzung besteht ein Rechtsschutzbedürfnis.

    a.) Zwar spricht einiges dafür, dass der Kostenerstattungsanspruch des Klägers von der dem Beklagten erteilten Restschuldbefreiung erfasst sein dürfte, § 301 InsO.

    Der Kläger ist hinsichtlich seines Kostenerstattungsanspruchs im vorliegenden Rechtsstreit Insolvenzgläubiger i. S. von § 38 InsO. Dieser Kostenerstattungsanspruch war ein Vermögensanspruch, der bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 11.10.2006 begründet war.

    Der Kostenerstattungsanspruch der im Rechtsstreit obsiegenden Partei entsteht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits mit der Begründung des Prozessrechtsverhältnisses aufschiebend bedingt, auf den jeweiligen Entstehungszeitpunkt der angefallenen Gebühren kommt es nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 17.3.2005, IX ZB 247/03, MDR 2005, 952 m. w. N., zitiert nach Juris). Der Mahnbescheid vom 7.6.2006 ist dem Beklagten am 19.6.2006, der Vollstreckungsbescheid vom 31.8.2006 am 21.9.2006 zugestellt worden. Sein Einspruch ist am 5.10.2006 bei Gericht eingegangen. Rechtshängigkeit tritt im Mahnverfahren spätestens mit Erlass des Vollstreckungsbescheides ein (vgl. dazu Zöller/Vollkommer, ZPO 29. Aufl. 2012, § 700 Rn 1). Das wäre hier deshalb der 31.8.2011. Der Kostenerstattungsanspruch des letztlich siegreichen Klägers entstand deshalb schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

    b.) Dennoch besteht für die Kostenfestsetzung ein Rechtsschutzbedürfnis.

    Auch im Kostenfestsetzungsverfahren muss das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers gegeben sein. So hat der Bundesgerichtshof eine Kostenfestsetzung dann für mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig gehalten, wenn der unterlegene Insolvenzverwalter während des laufenden Verfahrens die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat und der im Kostenfestsetzungsbeschluss bezifferte Kostenerstattungsanspruch als Altmasseverbindlichkeit wegen des Vollstreckungsverbots des § 210 InsO nicht mehr vollstreckbar ist. Forderungen im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO können nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit nicht mehr mit der Leistungsklage verfolgt werden. Das gilt auch für das Kostenfestsetzungsverfahren. Für den Altmassegläubiger besteht daher kein Rechtsschutzinteresse, in Form eines Kostenfestsetzungsbeschlusses einen Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) zu erlangen, den er von Gesetzes wegen nicht durchsetzen kann (BGH, Beschluss vom 17.3.2005, IX ZB 247/03, MDR 2005, 952, zitiert nach Juris).

    Die Rechtslage im Falle erteilter Restschuldbefreiung ist damit jedoch nicht vergleichbar. Denn der Beschluss über die Restschuldbefreiung führt nicht dazu, dass die Vollstreckbarkeit von Titeln unmittelbar beseitigt wird. Er ist keine Entscheidung, die gemäß § 775 ZPO zur Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung führt. Vielmehr bedarf es für die Beseitigung der Vollstreckbarkeit von Titeln im Falle der Restschuldbefreiung einer gerichtlichen Feststellung. Der Streit der Parteien, ob die Wirkungen der Restschuldbefreiung eingetreten sind und dadurch die Zwangsvollstreckung unzulässig geworden ist oder nicht, ist nicht vom Gerichtsvollzieher oder dem Vollstreckungsgericht zu entscheiden. Zuständig ist vielmehr das Prozessgericht, das für die Entscheidung über die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO berufen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25.9.2008, IX ZB 205/06, NJW 2008, 3640, zitiert nach Juris). Eine Entscheidung hierüber bereits im Kostenfestsetzungsverfahren, für das der Rechtspfleger zuständig ist, scheidet deshalb aus.

    2.) Grundsätzlich ist deshalb zugunsten des Klägers eine Terminsgebühr festzusetzen.

    Zwar hätte das aufgrund des Termins zur mündlichen Verhandlung am 1.2.2007 verkündete zweite Versäumnisurteil gegen den Beklagten wegen des über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahrens nicht mehr ergehen dürfen, weil der Rechtsstreit gemäß § 240 ZPO unterbrochen war. Da das zweite Versäumnisurteil jedoch nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar war und nicht angefochten worden ist, kann es Grundlage für eine Kostenfestsetzung gegen den Beklagten sein. Der Einwand des Beklagten, der Kläger habe vorsätzlich einen Titel erwirkt, von dem er gewusst habe, dass er nicht mehr habe ergehen dürfen, ist ein materiellrechtlicher Einwand, der im Kostenfestsetzungsverfahren genauso wenig geprüft werden kann wie die Frage, ob der Kostenerstattungsanspruch der Restschuldbefreiung unterliegt oder nicht.

    3.) Allerdings hat der Rechtspfleger zu Unrecht eine 1,2-Terminsgebühr festgesetzt. Nach Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid und der daraufhin durchgeführten mündlichen Verhandlung am 1.2.2007, in der der Beklagte nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war, ist nur eine 0,5-Terminsgebühr festsetzbar (so auch Senat, Beschluss vom 4.3.2009, 6 W 192/08, JurBüro 2010, 243, m. w. N., zitiert nach Juris).

    a.) Nach der Vorbemerkung 3 III zum VV RVG entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin. Grundsätzlich entsteht dabei eine 1,2-Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG. Jedoch entsteht nach Nr. 3105 VV RVG eine ermäßigte 0,5-Terminsgebühr, wenn der Rechtsanwalt nur einen Termin wahrnimmt, in dem eine Partei nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist und lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil oder zur Prozess- oder Sachleitung gestellt wird. Ein solcher Fall liegt hier vor. Es hat nur ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, in dem der Beklagte nicht ordnungsgemäß vertreten war. Der Klägervertreter hat nur einen Antrag auf Versäumnisurteil gestellt.

    Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass der Bundesgerichtshof entschieden hat, dass im Fall des Erlasses eines zweiten Versäumnisurteils nach einem ersten Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 1 und 3 ZPO die 1,2-Terminsgebühr der Nr. 3104 VV RVG entstanden ist (BGH, Beschluss vom 7.6.2006, VIII ZB 108/05, AGS 2006, 366; BGH, Beschluss vom 18.7.2006, XI ZB 41/04, AGS 2006, 487; BGH, Beschluss, vom 26.9.2006, XI ZB 19/06, RVGreport 2007, 31; jeweils zitiert nach Juris). Ausschlaggebend für diese Entscheidungen des BGH war der Umstand, dass in dem Fall eines zweiten Versäumnisurteils, das nach einem ersten Versäumnisurteil ergeht, nicht "nur ein" Termin i. S. von Nr. 3105 VV RVG stattgefunden hat, sondern zwei. Der BGH hat dabei keinen Unterschied zwischen einem ersten Versäumnisurteil gemäß § 331 Abs. 1 und 3 ZPO gemacht, weil nach der amtlichen Anmerkung I Nr. 2 die Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG auch dann entsteht, wenn ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ergeht.

    Diese Rechtsprechung kann jedoch nicht auf den Fall übertragen werden, in dem nach einem Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid im Termin zur mündlichen Verhandlung ein zweites Versäumnisurteil ergeht. Zwar ordnet § 700 Abs. 1 ZPO an, dass ein Vollstreckungsbescheid einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleichsteht. Dies gilt jedoch nicht im Hinblick auf die anwaltlichen Gebühren des Klägers bzw. Antragstellers. Denn bei Erlass eines Vollstreckungsbescheides entsteht anders als bei einem ersten Versäumnisurteil keine Terminsgebühr entsprechend der amtlichen Anmerkung I Nr. 2 zu Nr. 3105 VV RVG, die Terminsgebühr entsteht vielmehr erstmals im Einspruchstermin, in dem der Antragsgegner nicht erscheint bzw. nicht ordnungsgemäß vertreten ist (im Ergebnis ebenso OLG Köln, Beschluss vom 21.2.2007, 17 W 26/07 AGS 2007, 296, zitiert nach Juris; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 700 Rn 18).

    b.) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.11.2006 in dem Verfahren II ZB 9/06.

    Danach entsteht die Terminsgebühr auch dann, wenn der Gegner die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nimmt. Dass der Beklagte sich gegenüber dem Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung am 1.2.2007 entsprechend geäußert hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr hat ausweislich des Protokolls der Klägervertreter ausschließlich beantragt, ein zweites Versäumnisurteil gegen den anwaltlich nicht vertretenen Beklagten zu erlassen.

    Eine Terminsgebühr wäre auch nicht etwa deshalb festsetzbar, wenn der Beklagte - wie der Klägervertreter vorträgt - ihn am 12.8.2011 gegen 7.45 Uhr in seiner Kanzlei zum Zwecke des Abschlusses einer Ratenzahlungsvereinbarung angerufen hätte. Das zweite Versäumnisurteil vom 1.2.2007 und die darin enthaltene Kostengrundentscheidung kann nur zur Festsetzung von solchen Kosten führen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und bis zum Urteilserlass entstanden waren. Ein Telefonat, das über vier Jahre nach Abschluss des Rechtsstreits geführt worden ist, kann schon rein zeitlich nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen sein.

    4.) Die Kostenfestsetzung hatte deshalb wie folgt zu erfolgen:

    1,2-Verfahrensgebühr


    134,70 €

    0,5-Terminsgebühr


    224,50 €

    Auslagenpauschale


    20,00 €

    verauslagte Gerichtskosten


    452,50 €

    Summe


    831,70 €

    III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die gerichtliche Gebühr nach Nr. 1812 KV GKG trägt der Beklagte allein, weil sie allein durch sein teilweise erfolgloses Rechtsmittel ausgelöst worden ist.

    Eine Wertfestsetzung für die Kosten gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ist nicht erforderlich. Der Kostenwert ist nur dann festzusetzen, wenn sich die Gerichtsgebühren nach dem Streitwert berechnen, vgl. § 63 Abs. 1 GKG. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist dies nicht der Fall. Es wird eine Festgebühr erhoben, wenn die Beschwerde erfolglos bleibt, Nr. 1812 KV GKG, anderenfalls entstehen keine Gerichtsgebühren.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

    RechtsgebietRVGVorschriftenNr. 3104 VV RVG