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  • 25.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121251

    Amtsgericht Essen: Beschluss vom 21.11.2011 – 50 Ls-6 Js 778/09-119/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Amtsgericht Essen
    50 Ls-6 Js 778/09-119/11

    Tenor:
    In der Strafsache

    gegen

    wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Essen vom 24.6.2011, in Form der teilweisen Abhilfe durch Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 18.10.2011 auf die sofortige Beschwerde der Verteidigerin abgeändert.

    Die der Rechtsanwältin N zu erstattenden Gebühren und Auslagen werden festgesetzt auf 900,35 €.

    G r ü n d e :

    I.

    Mit Antrag vom 15.6.2011 hat die Beschwerdeführerin, die Rechtsanwältin N in dieser Sache beantragt, Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 900,35 € erstattet zu bekommen. Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.6.2011 wurden Gebühren und Auslagen in Höhe von 817,53 € festgesetzt. Nicht anerkannt wurden Fotokopierkosten in Höhe von 57,60 € sowie die Gebühr VV4112 RVG.

    Die Beschwerdeführerin legte hiergegen form- und fristgerecht Erinnerung mit Schreiben vom 5.7.2011 ein. Mit Beschluss vom 18.10.2011 half das Amtsgericht Essen der Erinnerung teilweise ab. Insoweit wurde die Gebühr VV 4112 RVG anerkannt. Die Erstattung der Fotokopierkosten wurde weiterhin verwehrt.

    II.

    Gemäß § 56 Abs. 1 RVG hatte das Amtsgericht über die Erinnerung zu entscheiden.

    Die Erinnerung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.

    Die Erinnerung ist auch begründet. Die Verteidigerin kann nach Nr. 7000 1.a VV RVG eine Dokumentenpauschale für Ablichtungen wie beantragt für 634 Seiten in Höhe von 756,60 € verlangen. Der Abzug von 57,60 € im angegriffenen Beschluss ist unberechtigt.

    Nach Nr. 7000 1.a VV RVG ist die Pauschale für Ablichtungen aus Gerichtsakten zu gewähren, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Vielfach wird die Auffassung vertreten, der Rechtsanwalt müsse vor der Ablichtung ihm zur Einsicht überlassener Akten hinsichtlich jeder einzelnen Seite prüfen, ob die Ablichtung erforderlich sei oder nicht. Im Einzelnen hat sich hierzu eine umfangreiche Rechtsdogmatik entwickelt. So seien Ablichtungen der behörden- und gerichtsinternen Verfügungen, der eigenen Schriftsätze, der bereits übersandten Entscheidungen, der Aktendeckel usw. nicht zu erstatten. Im Einzelnen ist vieles streitig (mit weiteren Nachweisen: Landgericht Essen, Beschluss vom 9.6.2011 - 56 Qs 28/11).

    Das Gericht schließt sich der im zuletzt genannten Beschluss des Landgerichts Essen vertretenen Rechtsauffassung an. Zu Gunsten einer einfachen und ressourcenschonenden Rechtsanwendung ist auf kleinteilige Differenzierungen nach verschiedenen Aktenbestandteilen zu verzichten. Denn jeder Aktenbestand hat einen Informationswert und sei es nur, dass sich das betreffende Schriftstück bei den Akten befindet. Welche Bedeutung ein Aktenbestand für die sachgemäße Bearbeitung der Rechtssache tatsächlich hat, erweist sich jedoch regelmäßig erst im Nachhinein. Schon um Haftungsrisiken zu vermeiden, wird der Verteidiger ex-ante einen weiten Maßstab anlegen müssen. Daher begegnet es mit Blick auf die Erstattung von Auslagen grundsätzlich keine Bedenken, wenn ein Verteidiger die Akten einer Kanzleikraft übergibt und vollständig (einschließlich Beiakten, der Aktendeckel und lose einliegender Blätter) ablichten lässt, wie es in der Regel auch allein praktikabel sein dürfte. Eine Ausnahme mag etwa dann gelten, wenn in größeren Verfahren eine Vielzahl von Beiakten übersandt wird. Hier erscheint es zumutbar, dass der Verteidiger vor dem Kopieren jeweils die Verfahrensrelevanz einzelner Aktenbände prüft. Für eine solche Sichtweise spricht auch der dem RVG innewohne Grundsatz der Effizienz. Der Gesetzeber hat für Nr. 7000 VV RVG eine pauschale und damit vereinfachte Berechnung der Höhe der Ablichtungskosten als sinnvoll erachtet, indem er einen Festbetrag je Ablichtung bestimmt hat. Dieser Grundsatz der Effizienz ist auch bei der Auslegung des Auslagentatbestands zu berücksichtigen. Das kleinteilige nachträgliche Prüfen von Ablichtungen im Kostenfestsetzungsverfahren verbraucht letztlich mehr staatliche Ressourcen als eine großzügige Erstattungspraxis dieser fast immer untergeordneten Auslagenposition.

    Legt man diese Maßstäbe an, begegnen die von der Verteidigerin angefertigten Ablichtungen kostenrechtlich keine Bedenken.

    Essen, 21.11.2011

    RechtsgebietRVGVorschriftenNr. 7000 VV RVG