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  • · Fachbeitrag · Auslagen

    Der Terminsvertreter ist tot, es lebe der Terminsvertreter

    von RA Norbert Schneider, Neunkirchen

    | In zwei Rechtsbeschwerdeverfahren hat der BGH entschieden, dass es sich bei den Kosten eines im Namen des Anwalts beauftragten Terminsvertreters nicht um Auslagen i. S. d. RVG handele. Folglich könnten diese Kosten nicht gegenüber dem Mandanten abgerechnet werden und auch eine Erstattung dieser Kosten käme nicht in Betracht (BGH RVG prof. 23, 128 ; 22.5.23, VIa ZB 22/22, Abruf-Nr. 236371 ). |

    1. Hintergrund

    Die beiden BGH-Entscheidungen waren insoweit überraschend, als die ganz überwiegende Instanzenrechtsprechung bisher die Kosten des in eigenem Namen beauftragten Terminsvertreters als Auslagen angesehen und für erstattungsfähig gehalten hat. Auch im Rahmen der PKH war es seit nahezu 30 Jahren anerkannt, dass die Kosten eines vom beigeordneten auswärtigen Anwalt beauftragten Terminsvertreters in dem Umfang erstattungsfähig sind, in dem die Landeskasse ansonsten Reisekosten an den beigeordneten Anwalt hätte zahlen müssen (OLG Schleswig JurBüro 85, 247). Der BGH hat Letzteres mit der lapidaren Bemerkung abgetan, dass in der PKH die Rechtslage anders sei. Dies ist allerdings nicht nachvollziehbar. Denn der Begriff der Auslage ist generell im RVG geregelt. Er gilt für den Wahlanwalt ebenso wie für den beigeordneten Anwalt. Es gibt keine relativen Auslagen. Eine Auslage ist nicht davon abhängig, ob PKH bewilligt worden ist oder nicht.

     

    In Anbetracht der beiden aktuellen BGH-Entscheidungen ist davon auszugehen, dass die Instanzenrechtsprechung sich jetzt danach richten wird. Die Gerichte werden also die Kosten eines Terminsvertreters, den der Anwalt in eigenem Namen beauftragt, nicht mehr als erstattungsfähig ansehen. Indes ist dies kein Grund zur Besorgnis. Die Anwälte müssen hierauf lediglich jetzt anders reagieren.

    2. Ausgangssituation

    Zum Verständnis wird zunächst noch einmal die Ausgangssituation anhand des folgenden Beispiels dargestellt:

     

    • Beispiel: Hauptbevollmächtigter beauftragt den Terminsvertreter

    Anwalt A und Mandant M haben ihren Sitz in Berlin. Es kommt zu einem Rechtsstreit vor dem LG Frankfurt am Main. Der Streitwert beträgt 10.000 EUR. Der Berliner Anwalt beauftragt in Abstimmung mit M einen Terminsvertreter T in Frankfurt und handelt mit diesem ein Honorar für die Terminsvertretung i. H. v. 300 EUR (netto) aus.

    Der Hauptbevollmächtigte A zahlt an T den folgenden Betrag:

    Pauschalhonorar

    300,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    57,00 EUR

    357,00 EUR

     

    Anschließend rechnet A mit M wie folgt ab:

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR)

    798,20 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR)

    736,80 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Auslagen Terminsvertreter

    300,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    352,45 EUR

    2.207,45 EUR

     

    Dem Hauptbevollmächtigten A verbleiben also 1.850,45 EUR.

     
    • Abwandlung 1: Mandant beauftragt den Terminsvertreter

    Wäre der Terminsvertreter T im Auftrag des Mandanten M beauftragt worden, wäre zusätzlich eine 0,65-Gebühr zzgl. Postentgeltpauschale angefallen:

    1. Hauptbevollmächtigter A

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR)

    798,20 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    155,46 EUR

    973,66 EUR

     

    2. Terminsvertreter T

    0,65-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3100 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR)

    399,10 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR)

    736,80 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    219,62 EUR

    1.375,52 EUR

    Summe 1. + 2.

     

    2.349,19 EUR

     
    • Abwandlung 2: Es wird kein Terminsvertreter beauftragt

    Wäre der Anwalt A selbst nach Frankfurt gereist, hätte er ‒ An- und Rückreise an demselben Tag unterstellt ‒ wie folgt abgerechnet:

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR)

    798,20 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR)

    736,80 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    Reisekosten, B‒F und zurück (2 x 554 km x 0,42 EUR/km)

    465,36 EUR

    Abwesenheitspauschale, Nr. 7005 Nr. 3 VV RVG

    80,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    399,07 EUR

    2.499,43 EUR

     

     

    Ergebnis: Die Beauftragung des Terminsvertreters im Namen des Anwalts ist also für alle die günstigste Variante:

     

    • Der Mandant muss weniger zahlen.
    • Der Gegner muss weniger erstatten.
    • Die Landeskasse muss im Fall einer Beiordnung eine geringere Vergütung zahlen.
    • Der Rechtsschutzversicherer, der Reisekosten bzw. Mehrkosten eines Terminsvertreters bis zur Höhe einer 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3400 VV RVG zuzüglich Auslagen (netto 634 EUR) übernehmen muss, steht ebenfalls günstiger.

     

    MERKE | Abgesehen davon wird die Umwelt geschont. Es ist nachhaltiger, in Frankfurt für 300 EUR einen Terminsvertreter zu beauftragen, als 1.108 km mit dem Auto zurückzulegen.

     

    Beachten Sie | Der BGH will jedoch von alledem nichts wissen und hält dieses günstigere Vorgehen für unzulässig und nicht erstattungsfähig. Erstattungsfähig sind nach seiner Auffassung allerdings die teuren Varianten der Reise des Prozessbevollmächtigten bzw. der Einschaltung eines Terminsvertreters im Namen der Partei. Daran wird sich der Anwalt zukünftig halten müssen. So bleibt ihm die Möglichkeit, selbst zum Termin zu fahren und neben den vollen Gebühren die höheren Reisekosten abzurechnen und bei Obsiegen erstattet zu verlangen.

    3. Vergütungsvereinbarung treffen

    Andererseits bedeutet die Einschaltung eines Terminsvertreters im Namen des Mandanten nicht, dass der Anwalt jetzt zwingend weniger erhält. Dabei ist zunächst einmal zu berücksichtigen, dass die Verteilungsmasse bei Einschaltung eines Terminsvertreters im Auftrag des Mandanten ‒ hier mit 2.349,19 EUR ‒ höher ist als bei Beauftragung des Teminsvertreters durch den Anwalt im eigenen Namen ‒ die hier nur 2.207,45 EUR verursachen würde. Um das gewünschte Ergebnis zu erreichen, muss also nur die Verteilungsquote geändert werden.

     

    a) Aufteilung nach Quoten

    In der Praxis ist bislang eine hälftige Teilung der Gebühren zwischen Haupt- und Unterbevollmächtigtem üblich. Das ist aber nicht zwingend. § 49b Abs. 1 BRAO schreibt keine hälftige Teilung vor. Auch andere Verteilungsmaßstäbe sind zulässig.

     

    Beachten Sie | Erforderlich ist lediglich, dass die Verteilung in einem angemessenen Verhältnis zu der Verantwortlichkeit sowie dem Haftungsrisiko der beteiligten Rechtsanwälte und den sonstigen Umständen wie Aufwand und Schwierigkeit steht. Insoweit dürfte unstreitig sein, dass den Hauptbevollmächtigten der Großteil der Arbeit, der Verantwortung und der Haftung trifft. Er muss die Besprechungen mit dem Mandanten führen, die Schriftsätze entwerfen, die Erwiderung der Gegenseite und Verfügungen des Gerichts zur Kenntnis nehmen. Er bestimmt die Taktik des Prozesses. Ggf. muss er auch Gutachten auswerten etc. Dem Terminsvertreter obliegt es häufig nur, den Termin wahrzunehmen und die Anträge zu stellen. Von daher ist m. E. nichts dagegen einzuwenden eine Quotierung von 80 Prozent zugunsten des Hauptbevollmächtigten und 20 Prozent zugunsten des Terminsvertreters vorzunehmen. Abgesehen davon ist fraglich, wer diese Quote überprüfen will.

     

    • Gebührenteilung 80 : 20

    Hauptbevollmächtigter A und Terminsvertreter T haben sich darauf geeinigt, die Gebühren zu 80 Prozent zugunsten des A und 20 Prozent zugunsten des T aufzuteilen. Das heißt für die Gesamtvergütung i. H. v. 2.349,19 EUR:

    Hauptbevollmächtigter A 80 Prozent aus 2.349,19 EUR

    1.879,35 EUR

    Terminsvertreter T 20 Prozent aus 2.349,19 EUR

    469,84 EUR

     

    Beide Anwälte erhalten danach letztlich sogar mehr als bei der bisherigen Variante der Beauftragung des Terminsvertreters im eigenen Namen.

     

    b) Andere Aufteilung

    Eine Aufteilung muss nicht zwingend nach Quoten vorgenommen werden. So wäre m. E. auch zulässig, dass der Terminsvertreter 0,65 der Gebühren zzgl. Postpauschale und Umsatzsteuer erhält und der Hauptbevollmächtigte die restliche Vergütung. Dies würde in etwa auf das Gleiche hinauslaufen.

     

    • Der eine bekommt die einen, der andere die anderen Gebühren

    1. Hauptbevollmächtigter A

    1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR)

    798,20 EUR

    1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000,00 EUR)

    736,80 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    295,45 EUR

    1.850,45 EUR

    2. Terminsvertreter T

    0,65-Verfahrensgebühr, Nrn. 3401, 3100 VV (Wert: 10.000,00 EUR)

    399,10 EUR

    Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 EUR

    19 Prozent USt., Nr. 7008 VV RVG

    79,63 EUR

    498,73 EUR

     

    FAZIT | Die Beauftragung eines Terminsvertreters im Namen des Anwalts kommt nach den beiden Entscheidungen des BGH nicht mehr in Betracht. Jedenfalls können die Kosten des Terminsvertreters nicht als gesetzliche Auslagen abgerechnet werden. Insoweit bleibt allenfalls die Möglichkeit einer Vergütungsvereinbarung. Eine Erstattung dieser Kosten scheidet jedoch auch dann aus. Der Anwalt muss daher entweder selbst zum Termin fahren oder einen Terminsvertreter im Namen des Mandanten beauftragen und dann sehen, dass er nicht eine hälftige Teilung der Gebühren vereinbart, sondern eine abweichende Quote, die ihm einen seiner Arbeit und Verantwortung entsprechenden Anteil gewährleistet.

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2023 | Seite 159 | ID 49639667