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  • · Fachbeitrag · Reisekosten

    Obere Gerichte klären Begriff der Geschäftsreise

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Eine Geschäftsreise i. S. d. Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG liegt vor, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet (BVerwG 27.3.23, 3 KSt 1/2, Abruf-Nr.  237332 ). Bezüglich der Reisekostenerstattung gelten nach der Rechtsprechung der oberen Gerichte die folgenden aktuellen Grundsätze. |

    1. Wenn Filialen zur Kanzlei gehören

    Der Kanzleibegriff bezieht sich nicht nur auf den Hauptstandort, sondern schließt auch Filialen bzw. Betriebsstätten an anderen (Stand-)Orten mit ein (BVerwG RVG prof. 18, 25). Die Folgen sind:

     

    a) Kanzleipflicht im Kammerbezirk

    Ein Rechtsanwalt ist im Zuständigkeitsbereich der Rechtsanwaltskammer, deren Mitglied er ist, dazu verpflichtet, eine Kanzlei im Kammerbezirk zu etablieren und zu unterhalten (§ 27 Abs. 1 BRAO). In diesem Kontext kann eine zusätzliche Niederlassung ebenfalls als eigenständige Kanzlei angesehen werden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist jedoch, dass ein in dieser Niederlassung tätiger Rechtsanwalt Mitglied der örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer für diese Niederlassung ist.

     

    Errichtet ein Anwalt eine Zweigstelle, muss er dies der Rechtsanwaltskammer unverzüglich anzeigen. Die Errichtung oder Aufgabe einer weiteren Kanzlei oder einer Zweigstelle im Bezirk einer anderen Rechtsanwaltskammer ist auch dieser Rechtsanwaltskammer anzuzeigen (§ 27 Abs. 2 BRAO).

     

    b) Reisekostenerstattung

    Bestehen wegen einer Zweigstelle quasi mehrere Geschäftssitze, liegt keine Geschäftsreise vor, wenn das Reiseziel des Anwalts am Ort des Hauptsitzes bzw. am Ort der Zweigstelle liegt, also nicht an einem dritten Ort.

     

    • Beispiel 1

    Mandant M beauftragt für ein erstinstanzliches Verfahren vor dem SG Köln Rechtsanwalt R. Dieser unterhält Kanzleiräume in Koblenz und eine Zweigstelle in Köln. Zum Termin zur mündlichen Verhandlung nach Köln reist R aus Koblenz an. Hierfür möchte er Reisekosten abrechnen.

     

    Lösung

    R kann für die Fahrt von Koblenz nach Köln keine Reisekosten abrechnen, da das Reiseziel am Ort der Zweigstelle in Köln liegt.

     

    PRAXISTIPP | Mit dem BVerwG-Beschluss soll also eine Geschäftsreise nicht mehr unabhängig vom Ort der Kanzlei vorliegen, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich der Wohnsitz des Rechtsanwalts befindet (so bisher: OLG Düsseldorf RVG prof. 12, 164). Doch dies ist nicht schlüssig. Denn hat der Anwalt seine Kanzlei außerhalb des Gerichtsorts, wohnt aber am Gerichtsort, wird darauf abgestellt, von wo aus der Rechtsanwalt zum Gerichtstermin anreist (vgl. N. Schneider, RVG prof. 21, 153). Das bedeutet:

     

    • Reist der Anwalt direkt vom Wohnort zum Gerichtstermin, liegt keine Geschäftsreise nach § 7 Abs. 2 VV RVG vor, da der Wohnsitz im Gerichtsort liegt. Er kann keine Reisekosten abrechnen. Eine Kostenerstattung scheidet aus.

     

    • Reist der Anwalt vom Kanzleiort zum Gerichtstermin, entstehen Reisekosten ‒ es liegt eine Geschäftsreise i. S. d. Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG vor. Es bleibt dem am Gerichtsort wohnenden Anwalt unbenommen, vor einem Gerichtstermin in seine auswärtige Kanzlei zu fahren, wenn er der Auffassung ist, dass er die Zeit vor dem Termin dort noch nutzbringend verwenden kann (OLG Düsseldorf, a. a. O). Die Erstattung richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen.
     

    2. Wenn verschiedene, selbstständige Kanzleien bestehen

    Bei einer überörtlichen Sozietät (BGH RVG prof. 08, 165) oder einer überörtlichen Partnerschaftsgesellschaft (BVerwG RVG prof. 18, 25) werden mehrere Kanzleien unterhalten. Diese Kanzleien sind keine Zweigstellen, sondern eigenständige Büros mit postulationsfähigen Anwälten, die diesen Büros zugeordnet sind. Hier entstehen Reisekosten, wenn ein Anwalt einer der verbundenen Kanzleien beauftragt wird und am Ort einer anderen Kanzlei einen für ihn auswärtigen Gerichtstermin wahrnimmt.

     

    • Beispiel 2

    Mandant M beauftragt für ein erstinstanzliches Verfahren vor dem SG Köln Rechtsanwalt R. Dieser unterhält eine überörtliche Sozietät mit Standort in Koblenz und in Köln. Zum Termin zur mündlichen Verhandlung nach Köln reist R aus Koblenz an. Hierfür möchte er Reisekosten abrechnen.

     

    Lösung

    R kann für die Fahrt von Koblenz nach Köln Reisekosten abrechnen, obwohl ein Standort der Kanzlei auch am Gerichtsort in Köln ist.

     

    Beachten Sie | Für den Fall einer überörtlichen Anwaltssozietät gilt: Eine auswärtige Partei muss ihre Terminsvertretung nicht zur Kostenersparnis einem am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Anwalt überlassen. Denn dem persönlichen Kontakt und dem Vertrauensverhältnis zwischen der Partei und dem konkret ausgewählten ortsnahen Rechtsanwalt muss regelmäßig Rechnung getragen werden (BGH, a. a. O.). Dies gilt ebenso, wenn der betreffende Anwalt einer überörtlich tätigen Partnerschaftsgesellschaft angehört, insbesondere wenn hier kein Anwalt tätig ist, der über Erfahrungen in dem betreffenden Rechtsgebiet verfügt.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: Ausgabe 10 / 2023 | Seite 179 | ID 49687143