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  • · Fachbeitrag · Kostenerstattung

    Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten

    von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn

    | Nicht immer mündet die Anwaltstätigkeit in einen Prozess. Während nach einem Gerichtsverfahren die Gebühren gegen den unterlegenen Gegner festgesetzt werden können (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO), fehlt es für die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts an einer solchen prozessualen Erstattungsnorm (die §§ 91 ff. ZPO sind nicht analog anwendbar, BGH NJW 07, 1458). Der folgende Beitrag zeigt, mit welchen materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen diese trotzdem durchgesetzt werden können. |

    1. Anwaltsgebühren als Rechtsverfolgungskosten

    Die Gebühren, die bei der außergerichtlichen Durchsetzung eines Schadenersatzanspruchs des Mandanten entstehen (Tätigkeiten bei der Schadensabwicklung, Besprechungstermine mit dem Gegner zur Verfahrensvermeidung, Ortstermine mit einem Sachverständigen), sind als Rechtsverfolgungskosten nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu ersetzen. Voraussetzung dafür ist

    • das Bestehen eines Schadenersatzanspruchs - z.B. aus Vertrag, unerlaubter Handlung, Verletzung von Neben- und Schutzpflichten, Gefährdungshaftung, sowie

     

    • die Notwendigkeit anwaltlicher Hilfe zu dessen Durchsetzung. Die Beauftragung eines Anwalts ist erforderlich, wenn der Gegner sich dem Grunde oder der Höhe nach weigert, den Schaden zu begleichen. Der Mandant kann diejenigen Aufwendungen verlangen, die er in der konkreten Lage und nach den Umständen des Einzelfalls als wirtschaftlich denkender Mensch für notwendig halten durfte (BGH NJW 06, 1065).

     

    PRAXISHINWEIS | Als Geschäftswert ist nicht der Betrag anzusetzen, den der Geschädigte aus seiner Sicht zugrunde legen durfte, sondern nur der Erledigungswert (BGH zfs 08, 164). Begründet wird dies damit, dass der Anspruchsteller auch in einem Rechtsstreit das volle Kostenrisiko trägt. Einen eventuellen Differenzbetrag muss der Mandant mangels Erstattungspflicht des Gegners gegebenenfalls selber tragen. Unterlässt es der Anwalt, diesen Differenzbetrag vom Mandanten einzufordern, verstößt er gegen § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO.

     

    • Beispiel

    Mandant M beauftragt Anwalt A mit der außergerichtlichen Geltendmachung einer Schadenersatzforderung von 10.000 EUR aus einem Verkehrsunfall. Nach Verhandlungen mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer erhält M den materiellrechtlich berechtigten Betrag von 7.500 EUR ausgezahlt. Er kann vom Versicherer seine Anwaltskosten nur aus einem Streitwert von 7.500 EUR verlangen. Die Differenz zu den Kosten aus dem Streitwert von 10.000 EUR, die er seinem Anwalt schuldet, muss er selbst tragen.

    2. Anwaltsgebühren als Verzugsschaden

    Macht der Anwalt außergerichtlich eine Forderung geltend, mit der der Gegner in Verzug ist, können die Anwaltsgebühren als Verzugsschaden verlangt werden (§ 280 Abs. 2, § 286 BGB). Entscheidend ist, dass die Verzugsvoraussetzungen bereits vor der Einschaltung des Anwalts erfüllt sind. Gebühren für die Abfassung der verzugsbegründenden Erstmahnung sind nicht als Verzugsschaden ersatzfähig, sondern vom Mandanten zu tragen.

     

    PRAXISHINWEIS | Erkennt der Anwalt, dass sich der Gegner noch nicht in Verzug befindet, sollte er dem Mandanten empfehlen, die verzugsbegründende Mahnung selbst zu erklären, bevor er weitere anwaltliche Hilfe in Anspruch nimmt.

    3. Anwaltsgebühren als nutzlose Aufwendungen

    Die Vergütung des Anwalts kann auch unter dem Gesichtspunkt der nutzlosen Aufwendungen erstattungsfähig sein:

     

    • Nimmt ein Mandant bei Vertragsverhandlungen anwaltliche Beratung in Anspruch und bricht der Gegner diese ohne triftigen Grund ab oder scheitert ein Vertragsschluss an sonstigen, vom Gegner verschuldeten Umständen, können die Anwaltsgebühren nach § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB ersatzfähig sein. Die Ersatzpflicht erfasst u.a. nutzlos gewordene Aufwendungen und neu übernommene Verpflichtungen, die der Vorbereitung oder Durchführung des in Aussicht genommenen Vertrags dienen sollten.

     

    • Bei einer Vertragsanfechtung umfasst der Schadenersatzanspruch nach § 122 Abs. 1 BGB die aufgewandten Kosten. War also ein Anwalt an der Ausarbeitung bzw. der Verhandlung des Vertrags beteiligt und hat er dafür eine Vergütung in Rechnung gestellt, können diese vom Anfechtenden ersetzt verlangt werden, wenn sie darauf beruhen, dass der Vertragspartner auf die Wirksamkeit der (später angefochtenen) Erklärung vertraut hat.

     

    • Scheitert ein vom vollmachtslosen Vertreter geschlossener Vertrag an der verweigerten Genehmigung des Vertretenen, kann der Vertragspartner nach § 179 Abs. 1 BGB zwar nicht die eigentlichen Vertragskosten geltend machen, da diese auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung angefallen wären. Wohl aber kann er die Anwaltskosten für die vergebliche Inanspruchnahme des Vertretenen ersetzt verlangen.

    4. Abwehr einer unberechtigten Inanspruchnahme

    Wendet sich der Mandant mit anwaltlicher Hilfe gegen eine unberechtigte Inanspruchnahme des Gegners, bestehen folgende Anspruchsgrundlagen:

     

    • Besteht zwischen Mandant und Gegner ein - gesetzliches oder vertragliches - Schuldverhältnis, kann sich eine Erstattungsfähigkeit der Anwaltsgebühren für außergerichtliche Tätigkeiten aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Da im Rahmen eines Schuldverhältnisses beide Parteien gehalten sind, den Rechtsgütern des Gegners keinen Schaden zuzufügen, löst die unberechtigte Geltendmachung einer Forderung einen Schadenersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB aus, so bei Zurückweisung
      • unberechtigter Kündigungen des Vermieters (BGH NJW 05, 2395),
      • unberechtigten Räumungsverlangens (BGH NJW 02, 730),
      • unberechtigten Mängelbeseitigungsverlangens (BGH NJW 08, 1147) und
      • unberechtigten Mieterhöhungsverlangens.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei einem Schadenersatzanspruch ist auch das Verschulden des Gegners zu prüfen. Fahrlässig handelt dieser nicht schon, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache unberechtigt ist. Es reicht aus, wenn er prüft, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache aus dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen ist, der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist (Plausibilitätskontrolle, BGH NJW 09, 1262; NJW 08, 1147).

    • Bei einem Wettbewerbsverstoß sind die Anwaltsgebühren für eine - berechtigte - Abmahnung des Gegners nach den Grundsätzen der GoA (§ 683 BGB) von diesem zu erstatten. Hier ist die kurze Verjährungsfrist der Erstattungsansprüche von sechs Monaten zu beachten (§ 21 Abs. 1 UWG), die nach h.M. auch für den Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten gilt.

     

    • Besteht zwischen den Parteien kein Schuldverhältnis und liegen auch die Voraussetzungen einer GoA nicht vor, sind die Anwaltsgebühren für die Abwehr einer unberechtigten Forderung nur in den engen Grenzen der Deliktshaftung nach § 823 Abs. 2, § 826 BGB bei Verletzung eines Schutzgesetzes bzw. einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung ersatzfähig. Vorstellbar ist eine solche Haftung, wenn der Gegner die geltend gemachte Forderung gegen den Mandanten schlicht erfindet, um diesen zu schädigen.

     

    • Andere Anspruchsgrundlagen bestehen nicht. Denn der Vermögensschaden des Mandanten in Form der Anwaltsgebühren fällt nicht unter § 823 Abs. 1 BGB. Auch eine Haftung aus § 241 Abs. 2, § 280 BGB scheidet aus. Allein durch die Geltendmachung eines Anspruchs, der tatsächlich nicht besteht oder jedenfalls nicht weiter verfolgt wird, entsteht keine Sonderverbindung zwischen den Parteien. Dies würde ansonsten zu einem generellen Kostenerstattungsanspruch gegen denjenigen führen, der sich unberechtigt eines Rechts berühmt. Einen solchen Anspruch kennt die deutsche Rechtsordnung jedoch nicht. Mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu werden, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, soweit nicht die Voraussetzungen einer speziellen Haftungsnorm vorliegen (BGH NJW 07, 1458).

     

    PRAXISHINWEIS | Besteht nach materiellem Recht kein Kostenerstattungsanspruch gegen den Gegner, muss der eigene Mandant für die Anwaltsgebühren einstehen. In solchen Fällen sollte geprüft werden, ob der Mandant, gegen den eine (unberechtigte) Forderung geltend gemacht wird, nicht seinerseits negative Feststellungsklage erhebt. Dann muss der Gegner das Bestehen des behaupteten Anspruchs beweisen. Gelingt ihm dies nicht, steht dem Mandant ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch nach §§ 91 ff. ZPO zu.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 45 | ID 37891460