Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Angelegenheit

    Auch bei zeitlich versetzter Beauftragung kann ein und dieselbe Angelegenheit vorliegen

    von Dipl. Rechtspflegerin (FH) Karin Scheungrab, Leipzig/München

    Dieselbe Angelegenheit i.S. des § 15 Abs. 2 S. 1 RVG kann auch vorliegen, wenn mehrere Auftraggeber einen Rechtsanwalt an unterschiedlichen Tagen beauftragen (BGH 21.6.11, VI ZR 73/10, Abruf-Nr. 112442).

    Sachverhalt

    In der Zeitung der Beklagten wurde wahrheitswidrig behauptet, der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 seien „zusammen“. Der Rechtsanwalt der Kläger forderte die Beklagte mit zwei getrennten Schreiben gleichen Datums auf, strafbewehrte Unterlassungserklärungen abzugeben, was sie auch tat. Mit wiederum getrennten Schreiben vom gleichen Tage nahm er für die Kläger die Unterlassungserklärungen an. Sodann forderte er die Beklagte zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten nach einem Streitwert von jeweils 20.000 EUR (insgesamt 2.046,32 EUR brutto) auf. Die Beklagte zahlte nach einem einheitlichen Streitwert von 40.000 EUR nur 1.419,19 EUR. Das AG hat der Klage über den Differenzbetrag stattgegeben. Die Berufung der Beklagten war erfolgreich. Die hiergegen eingelegte Revision der Kläger war erfolglos.

     

    Entscheidungsgründe

    Ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten. Dabei ist insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend (BGH 27.7.10, VI ZR 261/09, Abruf-Nr. 102876). Den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist zu entnehmen, dass zwischen den für den Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang besteht. Sie stimmen sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend überein, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Beide Abmahnschreiben wurden unter demselben Datum vom selben Rechtsanwalt gefertigt. Sie betrafen dieselbe Veröffentlichung und stimmten in ihrer Zielrichtung - Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung - überein. Demgemäß hatten sie einen weitgehend identischen Inhalt. In das Abmahnschreiben der Klägerin zu 2 wurde im Vergleich zum Abmahnschreiben des Klägers zu 1 nur zusätzlich eine Abmahnung hinsichtlich der in dem Bericht behaupteten weiteren Affäre der Klägerin zu 2 aufgenommen. Dies steht der Annahme derselben Angelegenheit nicht entgegen, zumal nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden kann, dass insoweit eine eigenständige zusätzliche Prüfung stattgefunden hat oder hätte stattfinden müssen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass den Klägern jeweils eigene höchstpersönliche Unterlassungsansprüche zustehen. Nach der Rechtsprechung kann eine Angelegenheit mehrere Gegenstände umfassen. Demgemäß können auch mehrere Aufträge verschiedener Auftraggeber dieselbe Angelegenheit betreffen, obwohl sie verschiedene Gegenstände zum Inhalt haben (BVerfG NJW-RR 01, 139).

     

    Der Umstand, dass die Kläger zwei verschiedene Prozessaufträge an unterschiedlichen Tagen erteilt haben, ändert an der Beurteilung nichts. Beide Aufträge sind auf ein Tätigwerden der Kanzlei ihrer Prozessbevollmächtigten zurückzuführen. Der Kläger zu 1 hatte einem Rechtsanwalt der Kanzlei den Auftrag erteilt, gegen eine vergleichbare Berichterstattung vorzugehen. Er hatte darauf hingewiesen, dass er die Klägerin zu 2 kaum kenne. Der Rechtsanwalt befragte die Klägerin zu 2 telefonisch zum Sachverhalt. Diese bestätigte die Angaben des Klägers zu 1, und mandatierte die Kanzlei im Rahmen des Telefonats, gegen die Berichterstattung vorzugehen. In einem zeitlich versetzten weiteren Telefonat des Rechtsanwalts mit dem Kläger zu 1 beauftragte dieser dann die Kanzlei, auch gegen die hier streitgegenständliche Berichterstattung vorzugehen, die ihm aufgrund eines Hinweises des Rechtsanwalts bekannt geworden war. Auch wenn formal zwei Aufträge vorliegen, handelt es sich gebührenrechtlich um ein gemeinsames Vorgehen der Kläger. Der Umstand, dass sich diese vor der Berichterstattung nicht gekannt haben, ist ohne Bedeutung. Auch dass die Bevollmächtigungen nacheinander erfolgten, steht der Annahme derselben Angelegenheit nicht entgegen. Eine Angelegenheit kann auch vorliegen, wenn ein dem Rechtsanwalt zunächst erteilter Auftrag vor dessen Beendigung später ergänzt wird (BGH 27.7.10, Abruf-Nr. 102876).

     

    Rechtsprechungsübersicht / Aktuelle Urteile zur Angelegenheit im Presserecht

    • Die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen den Autor einerseits und den Verlag andererseits betrifft dieselbe Angelegenheit i.S. des § 15 Abs. 2 S. 1 RVG (BGH 5.10.10, VI ZR 152/09, Abruf-Nr. 103747).
    • Die außergerichtliche Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen den für die Verbreitung durch ein Druckerzeugnis verantwortlichen Verlag und gegen die Verantwortlichen für die Verbreitung durch eine Online-Berichterstattung stellt dieselbe Angelegenheit dar (BGH 19.10.10, VI ZR 237/09, Abruf-Nr. 103876).
    • Zur Frage, ob die außergerichtliche Geltendmachung von Unterlassungs-, Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüchen dieselbe Angelegenheit betrifft (BGH 3.8.10, VI ZR 113/09, Abruf-Nr. 102875).
    • Eine Tätigkeit in derselben Angelegenheit kann auch vorliegen, wenn der Rechtsanwalt von mehreren Personen beauftragt wird, gegen eine unzulässige Presseberichterstattung vorzugehen, die sämtliche Auftraggeber in gleicher Weise betrifft (hier: Berichterstattung über ein Strafverfahren wegen Subventionsbetrugs gegen drei Angeklagte, BGH 11.1.11, VI ZR 64/10, 110514).
    • Zur Ersatzfähigkeit von Anwaltskosten bei getrennter Abmahnung wegen Wortberichterstattung und Bildberichterstattung (BGH 12.7.11, VI ZR 214/10, Abruf-Nr. 112655).
      • Wird ein Rechtsanwalt beauftragt, gegen eine unrichtige Presseberichterstattung vorzugehen, so kann eine Tätigkeit in derselben Angelegenheit auch vorliegen, wenn durch die unrichtigen Äußerungen sowohl eine GmbH als auch deren Geschäftsführer betroffen sind und sich die für die Betroffenen ausgesprochenen Abmahnungen sowohl gegen den für das Printprodukt verantwortlichen Verlag als auch gegen die für die Verbreitung der Berichterstattung im Internet Verantwortlichen richten.
      • Sind durch eine falsche Berichterstattung eine GmbH und ihre Geschäftsführer in gleicher Weise betroffen und sollen sich die Abmahnungen wegen der wortgleichen Berichterstattung an den Verlag der Printaus-gabe, an die Domaininhaberin sowie an die Betreiberin des Online-Angebots richten, wird die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer getrennten Beauftragung derselben Anwaltssozietät und einer getrennten anwaltlichen Bearbeitung in der Regel jedenfalls dann zu verneinen sein, wenn die Abmahnungen ohne weiteren Aufwand zu Unterlassungserklärungen der für die Berichterstattung Verantwortlichen führen und die Sache bis dahin ohne weiteres als eine Angelegenheit bearbeitet werden kann.
    Quelle: Ausgabe 09 / 2011 | Seite 149 | ID 28565900