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  • 01.07.2011 | Vernehmungsterminsgebühr

    Verhandeln bei der Haftbefehlsverkündung

    In den Fällen eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO wird bei dessen Verkündung eine Verhandlung zur Sache i.S. der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG i.d. Regel sehr nahe liegen (LG Berlin 8.11.10, 524 - 58/09, Abruf-Nr. 112139).

     

    Sachverhalt

    Anfang Mai 2010 war Hauptverhandlungstermin anberaumt. Zu dem ist der Angeklagte nicht erschienen. Die Strafkammer erließ, nachdem der Verteidiger erklärte hatte, dass er über Dritte informiert worden sei, dass sich der Angeklagte aus geschäftlichen Gründen in Belgien aufhalten würde, einen Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO. Der Angeklagte wurde bei seiner Einreise Anfang Juli 2010 festgenommen. Bei der Verkündung des Haftbefehls wurde der Angeklagte auch nach den Gründen für sein Fernbleiben gefragt. Diese wurden von ihm erläutert. Der Vorsitzende machte auf Nachfrage des Verteidigers dann deutlich, dass auch in diesem Vorbringen keine ausreichende Entschuldigung zu sehen sei und ein Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls oder Haftverschonung keine Erfolgsaussichten habe. Da bekannt war, dass der Angeklagte psychotisch erkrankt war, wurde auch sein Gesundheitszustand erörtert. Der Verteidiger hat auch Festsetzung der Gebühr Nr. 4102, Nr. 4103 VV RVG beantragt. Das LG hat sie - auf die Erinnerung des Verteidigers gegen die Kostenfestsetzung - festgesetzt.  

     

    Entscheidungsgründe

    Es ist von einem Verhandeln zur Sache i.S. der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG auszugehen. Bei der Verkündung eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO liegt i.d. Regel eine Verhandlung zur Sache sehr nahe. Denn in diesen Fällen muss regelmäßig überprüft werden, ob der Angeklagte der Hauptverhandlung tatsächlich unentschuldigt ferngeblieben ist. Anders als in den Fällen der Haftanordnung nach §§ 112 ff. StPO, in denen sich die Haftgründe in der Regel aus der Aktenlage ergeben, ist dies bei dem Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO nicht der Fall. Hier stellt sich nach Aktenlage die Sache zunächst nur so dar, dass der Angeklagte ohne weitere Erklärung der Hauptverhandlung ferngeblieben ist, sodass sich auf entsprechende Rückfragen neue, ihn entlastende Aspekte ergeben können.  

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung ist zutreffend. Das LG ist zu Recht von einem „Verhandeln“ i.S. der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG ausgegangen. Entscheidend dafür ist, dass mehr geschehen ist als nur die Verkündung des Haftbefehls (vgl. KG RVGreport 09, 227; OLG Hamm AGS 06, 122; wegen weiterer Nachw. s. Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Nr. 4102 VV Rn. 31 ff.). Das war hier aber der Fall.