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  • 30.11.2010 | Kopierkosten

    Kopierumfang im Auslieferungsverfahren

    Im Auslieferungsverfahren wird es i.d. Regel für den Beistand des Verfolgten erforderlich sein, die gesamten Verfahrensakten zu kopieren (OLG Nürnberg 29.6.10, 1 Ws 324/10, Abruf-Nr. 103871).

     

    Sachverhalt

    Der Rechtsanwalt war im Auslieferungsverfahren Beistand des Verfolgten. Die Rechtspflegerin am OLG hat seine Auslagen nur zum Teil anerkannt, weil die übrigen Kopien Schriftstücke in den Akten beträfen, die entweder doppelt - teilweise auch dreifach - enthalten seien, Schriftsätze des Antragstellers selbst seien oder auch ihm gerichtlich bereits mitgeteilte Aktenteile beträfen und somit nicht abgelichtet werden müssten. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel des Rechtsanwalts hatte Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe/Praxishinweis

    Grundsätzlich ist es nicht geboten, ganze Akten abzulichten, vor allem nicht doppelt enthaltene Schriftstücke, eigene Schriftsätze oder Schriftstücke, die dem Rechtsanwalt mitgeteilt oder zugestellt wurden. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht schematisch anwendbar. Es muss vielmehr im Einzelfall überprüft werden, ob die Ablichtung auch solcher Teile notwendig ist und ob eine Prüfung der einzelnen Seiten auf Ablichtungsbedürftigkeit zumutbar ist. Das trifft für das Auslieferungsverfahren zu. Es weist gegenüber anderen Verfahren Besonderheiten auf, die eine vollständige Ablichtung rechtfertigen. Bestimmte Unterlagen, wie das Auslieferungsersuchen des fremden Staates mit den notwendig beizufügenden Dokumenten sind doppelt oder auch mehrfach vorhanden, da sie häufig zunächst nur in Kopie vorgelegt werden, um einen vorläufigen Auslieferungshaftbefehl zu erwirken. Erst später werden sie im Original zur Erwirkung weiterer Anordnungen des Gerichts vorgelegt. Auch den Ersuchen der Generalstaatsanwaltschaft an den Ermittlungsrichter zur Anhörung werden sie beigefügt. Da im Auslieferungsverfahren überwiegend sehr kurze Fristen gelten, ist es für den Rechtsanwalt zur Fristüberwachung notwendig, festzustellen, wann welche Unterlagen bei welcher Stelle im Original oder nur in Kopie vorlagen. Das ist sinnvoller Weise durch die chronologisch geordnete und vollständige Akte zu ermitteln. Bereits deswegen ist es nicht möglich, bestimmte Dokumente beim zweiten Mal nicht mehr abzulichten. Diese weiteren hier wichtigen Informationen gingen verloren.  

    Das OLG hat darauf hingewiesen, dass bei ausreichend langer Akteneinsicht eine komplette Durchsicht der Akten auf Ablichtungsbedürftigkeit einer jeden Seite zumutbar wäre. Das hat es dann aber für das Auslieferungsverfahren wegen der dort herrschenden Eilbedürftigkeit und der regelmäßig dem Rechtsanwalt nur sehr knapp bewilligten Einsichtszeit verneint.  

    Weiterführender Hinweis

    • Zur „kurzfristigen Akteneinsicht“ s. auch AG Solingen 20.2.08, 21 Ds-60 Js 5824/06 und wohl auch OLG Köln RVG prof. 10, 42, Abruf-Nr. 100491).