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  • 30.11.2010 | Bußgeldverfahren

    Abrechnung nach dem Geldsanktionsgesetz

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Am 28.10.10 ist das „Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates vom 24.2.05 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen“ (Europäisches Geldsanktionsgesetz; BGBl I, S. 1406) in Kraft getreten. Dieses enthält in den §§ 86 ff. des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) neue Vorschriften für die erleichterte Vollstreckung von Geldsanktionen aus EU-Mitgliedstaaten. Der folgende Beitrag stellt die gebührenrechtlichen Neuerungen vor.  

     

    Checkliste 1: Allgemeine Fragen

    Frage  

    Antwort  

    Wo finde ich die für die Abrechnung der Tätigkeiten nach dem GeldsanktionsG maßgeblichen Gebührenvorschriften?  

    Die Abrechnung ist in Teil 6 VV RVG - Sonstige Verfahren - geregelt.  

    Wie ist die Abrechnung gestaltet?  

    Der Abschnitt 1 des Teil 6 VV RVG ist jetzt in zwei Unterabschnitte geregelt worden, die das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren betreffen. In Abschnitt 1 ist zusätzlich zu den Gebühren für gerichtliche Verfahren nach dem IRG und dem Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof, die früher in den Nrn. 6100 und 6101 VV RVG a.F. geregelt waren, nun in der Nr. 6100 VV RVG n.F. eine Gebühr für die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vor der Bewilligungsbehörde nach Teil 9, Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des IRG -„Geldsanktionen“ aufgenommen worden.  

    Hätte man die Tätigkeiten gegenüber der Verwaltungsbehörde nicht auch über Teil 2 VV RVG abrechnen können?  

    Nein. Nach Vorbem. 2 Abs. 3 VV RVG gelten die Vorschriften des Teils 2 VV RVG nicht (auch) für Tätigkeiten, die in Teil 6 VV RVG geregelt sind.  

    Wer kann nach den neuen Vorschriften abrechnen?  

    Es gelten die allgemeinen Regeln aus Vorbem. 6.1 VV RVG. Die Neuregelung betrifft also den Wahlverfahrensbevollmächtigten. Praxishinweis: Ist dem Betroffenen über § 87e IRG i.V. mit § 53 IRG ein Beistand beigeordnet worden, rechnet auch dieser seine gesetzlichen Gebühren nach Teil 6 Unterabschnitt 1 VV RVG ab.  

    Welchen Verfahrensteil regelt Unterabschnitt 1?  

    Unterabschnitt 1 gilt nach der (neuen) Vorbem. 6.1.1. VV RVG für die Tätigkeit gegenüber der Bewilligungsbehörde (Bundesamt für Justiz) in Verfahren betreffend ausländische Geldsanktionen. Er betrifft also das Verwaltungsverfahren.  

    Welche Gebühren sind in Unterabschnitt 1 im Einzelnen enthalten?  

    Unterabschnitt 1 enthält nur die (neue) Verfahrensgebühr Nr. 6100 VV RVG.  

    Gibt es auch eine Terminsgebühr?  

    Nein. Eine Terminsgebühr erhält der Rechtsanwalt nicht: Vernehmungen des Betroffenen im Verwaltungsverfahren vor der Bewilligungsbehörde sind also über die Verfahrensgebühr (vgl. Checkliste 2) abzurechnen.  

    Welchen Verfahrensteil regelt Unterabschnitt 2?  

    Unterabschnitt 2 regelt das gerichtliche Verfahren sowohl beim AG als auch beim OLG.  

    In welchem Verhältnis stehen die gerichtlichen Verfahren zueinander?  

    Es gilt § 15 Abs. 2 S. 2 RVG, die Gebühren können also in jedem Rechtszug gesondert anfallen. Praxishinweis: Vertritt der Rechts- anwalt den Betroffenen sowohl beim AG als auch beim OLG entsteht jeweils eine Verfahrensgebühr (Nr. 6101 VV RVG).  

    Gehört der Einspruch (§ 87f Abs. 4 IRG) noch zum Verfahren vor der Verwaltungsbehörde oder leitet er schon das gerichtliche Verfahren ein?  

    Nein, das gerichtliche Verfahren beginnt erst nach Einspruchseinlegung mit dem Eingang der Akten beim AG. Das entspricht der Regelung in Vorbem. 5.1.2 Abs. 1 VV RVG, auf die wegen der Ähnlichkeit der Verfahrensstruk-turen zurückgegriffen werden kann.  

    Welche Gebühren sind in Unterabschnitt 2 im Einzelnen enthalten?  

    Unterabschnitt 2 enthält eine Verfahrensgebühr (Nr. 6101 VV RVG) und eine Terminsgebühr (Nr. 6102 VV RVG).  

    Entsteht außerdem eine Grundgebühr?  

    Nein. Eine Grundgebühr entsteht für den im Bereich des Teil 6 Abschnitt 1 VV RVG tätigen Rechtsanwalt nicht. Dies ist nicht vorgesehen (vgl. dazu Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 6100 VV Rn. 15 und Burhoff StRR 10, 143 m.w.N.).  

    Entsteht ggf. eine Befriedungsgebühr?  

    Nein. In Teil 6 VV RVG ist eine Befriedungsgebühr entsprechend den Nrn. 4141, 5115 VV RVG nicht vorgesehen.  

    Entsteht ggf. eine Einziehungsgebühr Nr. 4142 VV RVG?  

    Nein. Auch eine solche Gebühr ist in Teil 6 Abschnitt 1 VV RVG nicht enthalten.  

    Können Pauschgebühren beantragt werden?  

    Ja. Die §§ 42, 51 RVG gelten auch in den Verfahren nach Teil 6 Abschnitt 1. Es kommen die allgemeinen Regeln zur Pauschgebühr zur Anwendung.  

    Wie rechnet der Rechtsanwalt ab, der nur mit einer sog. Einzeltätigkeit beauftragt ist?  

    Nach h.M. nach Teil 6 Abschnitt 1 VV RVG auch, wenn der Rechtsanwalt nur mit einer einzelnen Tätigkeit beauftragt ist (Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 6 VV Rn. 7; a.A. AnwKomm-RVG/
    N.Schneider, 5. Aufl., VV 6100-6101 Rn. 12, der auf Einzeltätigkeiten die Nr. 6404 VV RVG anwendet).  

    Fallen Postentgeltpauschalen an?  

    Ja. Es gilt die Nr. 7002 VV RVG mit Anmerkungen. Da es sich bei dem Verfahren gegenüber der Bewilligungsbehörde und den gerichtlichen Verfahren beim AG bzw. beim OLG jeweils um unterschiedliche Angelegenheiten handelt, entsteht die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG jeweils gesondert.  

     

     

     

    Checkliste 2: Die Verfahrensgebühren Nr. 6100 und 6101 VV RVG

    Frage  

    Antwort  

    Welche Tätigkeiten werden durch die beiden Verfahrensgebühren abgegolten?  

    Es gilt die Legaldefinition in Vorbem. 6 Abs. 2 VV RVG. Der Rechtsanwalt erhält die Verfahrensgebühr also für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (zum Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr allgemein Burhoff/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 VV Rn. 31 ff.).  

    Wann entsteht die Verfahrensgebühr?  

    Entsprechend den allgemeinen Regeln entsteht die Verfahrensgebühr mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts, die er für den Mandanten erbringt.  

    Welche Tätigkeiten werden im Einzelnen durch die Verfahrensgebühren erfasst?  

    Die Verfahrensgebühren erfassen sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts aus dem jeweiligen Verfahrensabschnitt. Das können sein Akteneinsicht, Informationsaufnahme, Erstellung/Fertigung von Schriftsätzen, Prüfung des ausländischen Rechts/Verfahrens, Wiedereinsetzungsanträge im Fall der Fristversäumung, Teilnahme an Terminen, soweit diese nicht durch die Terminsgebühr 6102 VV RVG abgegolten wird.  

     

    Auch Tätigkeiten in der sog. Vollstreckungsphase (§ 87n IRG), wie z.B. Rechtsmittel gegen die Art und Weise der Vollstreckung, werden erfasst.  

    In welcher Art und Weise entstehen für den Wahlverfahrensbevollmächtigten die Gebühren?  

    Der Wahlverfahrensbevollmächtigte erhält Betragsrahmengebühren. Im Verfahren vor der Bewilligungsbehörde (Nr. 6100 VV RVG) ist ein Betragsrahmen von 40 EUR bis 290 EUR vorgesehen, im gerichtlichen Verfahren (Nr. 6101 VV RVG) einer von 80 EUR bis 580 EUR.  

    Wie werden die Verfahrensgebühren be-messen?  

    Für die Bemessung gelten die allgemeinen Regeln des § 14 RVG.  

    Sind für die Gebühren Stufen wie in Teil 5 OWiG vorgesehen?  

    Nein. Das hat zur Folge, dass die Höhe der ausländischen Geldstrafe oder Geldbuße Auswirkungen auf die Höhe der anwaltlichen Vergütung hat. Zu berücksichtigen ist auch, ob es sich um eine Geldstrafe oder eine Geldbuße handelt, die vollstreckt werden soll.  

    Ist die Verfahrensgebühr Nr. 6102 VV RVG abhängig von der Ordnung des Gerichts (AG oder OLG)?  

    Nein. Die Verfahrensgebühr Nr. 6102 VV RVG gilt sowohl für das gerichtliche Verfahren beim AG als auch für das beim OLG. Die Ordnung des Gerichts kann gegebenenfalls über die Frage der Schwierigkeit der Sache auf die Höhe der Verfahrensgebühr Einfluss haben.  

    Welche Kriterien sind von besonderer Bedeutung?  

    Von Belang sind vor allem der (zeitliche) Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und deren Schwierigkeit. Dabei wird z.B. die Frage eine Rolle spielen, ob die zu vollstreckende ausländische Entscheidung gegebenenfalls auf der sog. Halterhaftung, die im Ausland teilweise gilt, beruht (vgl. dazu § 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG).  

    Welche Gebühren erhält der beigeordnete Beistand?  

    Für den beigeordneten Beistand sind Festbetragsgebühren vorgesehen. Er erhält als Verfahrensgebühr Nr. 6100 VV RVG eine Festgebühr von 132 EUR und als Verfahrensgebühr Nr. 6101 VV RVG eine Festgebühr von 264 EUR.  

    Entstehen die Gebühren mit Zuschlag, wenn sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet?  

    Nein. Eine Regelung wie in Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG ist in Teil 6 nicht vorgesehen. Ist der Mandant inhaftiert, muss der dadurch entstehende Mehraufwand beim Wahlverfahrensbevollmächtigten allgemein über § 14 RVG bei der Bemessung der Betragsrahmengebühr berücksichtigt werden.