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  • 02.11.2010 | Adhäsionsverfahren

    Pflichtverteidigerbestellung reicht nicht aus

    von RA Detlev Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Die Pflichtverteidigerbestellung umfasst nicht die Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren (OLG Hamburg 14.6.10, 3 Ws 73/10, Abruf-Nr. 103474).

     

    Sachverhalt

    In einem Betrugsverfahren waren 214 Adhäsionsanträge beim LG anhängig, davon 211 auf Schadenersatz von 99,90 EUR. Die Pflichtverteidigerin beantragte ausdrücklich auch die Beiordnung nach § 404 Abs. 5 StPO. Der Vorsitzende erklärte, dies sei nicht erforderlich. Nach Auffassung des OLG Hamburg gelte die Pflichtverteidigerbestellung auch für das Adhäsionsverfahren. Die Pflichtverteidigerin beantragte für 211 Adhäsionsanträge nach einem Wert von 99,90 EUR jeweils eine Gebühr von 50 EUR gemäß Nr. 4143 VV RVG, insgesamt 10.550 EUR. Festgesetzt wurde jedoch nur eine Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG nach einem Wert von 21.078,90 EUR (211 x 99,90 EUR) und damit lediglich 586 EUR. Ihre Beschwerde hatte keinen Erfolg.  

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG folgt der Auffassung, dass die Pflichtverteidigerbestellung nicht das Adhäsionsverfahren umfasst. Der Wortlaut des § 405 Abs. 5 StPO ist insofern eindeutig. In S. 1 wird ausdrücklich eine gesonderte Beiordnung gefordert. Soweit die Gegenauffassung meint, diese Einschränkung beziehe sich nur auf Angeschuldigte, bei denen die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigung nicht vorlägen, ergibt sich diese Einschränkung nicht aus dem Gesetz und widerspricht zudem dem Regelungszweck des § 404 Abs. 5 S. 2 StPO, der auch für Angeschuldigte, die bereits einen Verteidiger haben, ausdrücklich eine gesonderte Beiordnung verlangt.  

     

    Praxishinweis

    Folge dieser Rechtsauffassung ist, dass der Pflichtverteidigerin mangels Beiordnung überhaupt kein Gebührenanspruch nach Nr. 4143 VV RVG zusteht. Deshalb hat das OLG die Entscheidung des LG aufgehoben. Ein Verschlechterungsverbot steht nach seiner Auffassung der Aufhebung und der Festsetzung eines geringeren Betrags nicht entgegen. Dazu verweist das OLG auf die h.M. (Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 464b Rn. 8). Der Pflichtverteidiger muss vorsorglich in allen Verfahren, in denen ein Adhäsionsverfahren anhängig gemacht wird, die Beiordnung auch für das Adhäsionsverfahren nach § 404 Abs. 5 StPO beantragen. Das gilt auch, wenn in dem Bezirk, in dem der Rechtsanwalt tätig wird, bislang die Auffassung vertreten worden ist, dass die Pflichtverteidigerbestellung die Beiordnung für das Adhäsionsverfahren automatisch mit umfasst. Denn auf den (Fort)Bestand dieser Rechtsprechung ist - wie die Entscheidung zeigt - kein Verlass. Den 3. Strafsenat hat es nämlich nicht gestört, dass der 2. Strafsenat des OLG Hamburg in 2007 genau anders entschieden hat (StV 07, 293).