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  • · Fachbeitrag · Strafprozessrecht

    Unzulässige Verständigung zwischen Angeklagtem und Gericht

    von Rechtsassessor Dr. Matthias H. Gehm, Limburgerhof und Speyer

    Es ist nicht zulässig, dass das Gericht und der Angeklagte unter Ausschluss der Staatsanwaltschaft sich auf ein Strafmaß verständigen (OLG München 9.1.14, 4 StRR 261/13, Abruf-Nr. 141139).

     

    Sachverhalt

    Der Angeklagte war wegen Betrugs in erster Instanz verurteilt. Einem Vorschlag der Verteidigung zum Strafmaß in der zweiten Instanz stimmte die StA nicht zu. Daraufhin kam die Verteidigung mit dem Gericht überein, dass bei einer geständigen Einlassung eine Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt würde. Das Urteil wie das Verhandlungsprotokoll (§ 273 Abs. 1a S. 3 StPO) enthielten den Hinweis, dass keine Verständigung nach § 257c StPO statt gefunden habe. Die StA ging in Revision - mit Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG München geht davon aus, dass auch in zweiter Instanz nach § 332 StPO eine Verständigung möglich ist. Für diese gilt aber wie in der ersten Instanz, dass alle Verfahrensbeteiligten ihr Einverständnis hierzu erklären (§ 257c Abs. 1 S. 1 StPO). Eine einseitige Verpflichtungserklärung des Strafgerichts gegenüber dem Angeklagten ist nicht zulässig. Sie entfaltet keine Bindungswirkung. Dies gilt auch, wenn das Gericht das Geständnis entsprechend § 257c Abs. 1 S. 2 StPO, § 244 Abs. 2 StPO geprüft hat. Insofern beruht das Urteil regelmäßig auf einem Gesetzesverstoß, was einem absoluten Revisionsgrund gemäß § 338 StPO gleichkommt. Nur ausnahmsweise, wenn feststeht, dass auch ohne die Zusage des Gerichts das Geständnis abgegeben wurde, kann das Beruhen verneint werden.

     

    Der Dokumentationsverpflichtung bei einer Verständigung kommt zentrale Bedeutung zu, insofern muss auch im Hauptverhandlungsprotokoll festgehalten sein, welche wesentlichen tatsächlichen oder rechtlichen Umstände für die Verständigungslösung über die Höhe der Strafe und deren Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung streiten. Das Hauptverhandlungsprotokoll war auch insoweit fehlerhaft, als die informelle Absprache nicht enthalten war.

     

    Praxishinweis

    Das OLG München greift die Entscheidung des BVerfG vom 19.3.13 (2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11, NJW 13, 1058) auf, wonach die Praxis der Strafgerichte und StA in Sachen Verständigung oftmals am Gesetz vorbei geht. Insofern wurde eine Art Vollzugsdefizit vom BVerfG festgestellt (Hofmann, NJW 14, 442). Dieser Umstand nimmt den Gesetzgeber aber auch die zur Überprüfung solcher Verständigungen berufenen Gerichte in die Pflicht.

     

    Die vorliegende Entscheidung unterstreicht, dass außerhalb der Regelungen der StPO zu Verständigungen kein Weg mehr offen ist, in der Hauptverhandlung eine Übereinkunft zum Strafmaß zu erreichen (Leipold/Beukelmann, NJW-Spezial 14, 89). Offen ist, inwiefern die Bußgeld- und Strafsachenstelle in solche Absprachen zwingend einzubeziehen ist. Eine unzulässige informelle Absprache liegt auch vor, wenn Verteidigung und StA in Gegenwart des Gerichts ihre Anträge zum Strafmaß abstimmen und nach Einräumung des Tatvorwurfs durch den Angeklagten das Gericht im Wesentlichen den Anträgen der StA und der Verteidigung folgt, ohne den Sachverhalt näher aufzuklären (BGH 24.9.13, 2 StR 267/13, NStZ 14, 113 = NJW 14, 872 mit Anmerkung Norouzi).

     

    Bei Fällen der vorliegenden Art ergibt sich für den Angeklagten das Problem, dass aufgrund der Revision der StA das milde Urteil für ihn gegenstandslos ist, aber sein Geständnis im Raum steht. Zwar wurden hier die Feststellungen nach § 353 Abs. 2 StPO aufgehoben, inwiefern das Gericht bei neuerlicher Verhandlung sich vom früheren Geständnis nicht beeinflussen lässt, ist fraglich. Darüber hinaus ist offen, ob entsprechend § 257c Abs. 4 S. 3 StPO bzw. dem Prinzip des fairen Verfahrens generell ein Verwertungsverbot besteht, wenn das auf einer Verständigung beruhende Urteil aufgehoben bzw. angefochten wird. Insofern ist anzuraten, ein Strafverfahren ohne Hauptverhandlung im Zuge von Absprachen zu Ende zu bringen, also im Wege des Strafbefehlsverfahrens oder der Einstellung nach § 153a StPO (Gehm, StBW 13, 332).

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 115 | ID 42608630

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