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  • · Fachbeitrag · Strafprozessrecht

    Regelmäßig muss eine Verständigung auch die Bewährungsauflage umfassen

    von Rechtsassessor Dr. Matthias H. Gehm, Limburgerhof und Speyer

    Es gehört zu den Grundsätzen des rechtstaatlichen bzw. fairen Verfahrens,­ dass das Gericht, wenn es im Zuge einer Verständigung nach § 257c StPO die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung zusagt, auch in den die Verständigung vorbereitenden Rechtsgespräch auf eine gegebenenfalls anzuordnende Bewährungsauflage hinweist. Der Angeklagte darf mithin von einer Bewährungsauflage nicht überrascht werden (OLG Saarbrücken 2.10.13, 1 Ws 106/13, Abruf-Nr. 133832).

     

    Sachverhalt

    Der Angeklagte war wegen Unterschlagung in 26 Fällen vom AG Saarbrücken zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Anschluss an das Urteil und Rechtsmittelverzicht von Angeklagten und StA verkündete das AG einen Bewährungs­beschluss, wonach der Angeklagte 500 EUR an einen gemeinnützigen Verein zu entrichten habe. Gegen den Bewährungsbeschluss nach § 268a Abs. 1 StPO i.V. mit § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB wendete sich der Angeklagte mit der Beschwerde gemäß § 305a Abs. 1 StPO, § 306 Abs. 1 StPO. Dem Urteil war eine Verständigung nach § 257c StPO voraus­gegangen. Das ­Gericht hatte in dem vorbereitenden Rechtsgespräch lediglich zugesagt, dass im Fall einer geständigen Einlassung, welche sodann durch den Angeklagten ­erfolgte, eine Freiheitsstrafe zwischen 6 und 9 Monaten verhängt werde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werde. Die Bewährungsauflage wurde demgegenüber zu keinem Zeitpunkt angesprochen, die StA hatte sogar in ­ihrem Schlussantrag ausdrücklich beantragt, dass keine Bewährungs­auflage verfügt werden ­solle. Die Bewährungsauflage wurde daher vom OLG auf­gehoben.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG sieht die Beschwerde als zulässig an. Die Art und Weise des Zustande­kommens der Auflage verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG bzw. den Grundsatz eines fairen Verfahrens nach § 6 Abs. 1 S. 1 ­EMRK. Denn das AG hätte bereits in dem die Verständigung ­vorbereitenden Rechtsgespräch auf eine Bewährungsauflage hinweisen müssen und nicht den Angeklagten hiermit überrumpeln dürfen. Dass der Rechtmittelverzicht als solches gemäß § 302 Abs. 1 S. 2 StPO nach erfolgter Verständigung unzulässig war, war demgegenüber für das OLG nicht das entscheidende Moment. Vielmehr stellte das OLG darauf ab, dass die Auflage nach § 56b Abs. 1 S. 1 StGB „der Genugtuung für das begangene Unrecht dient“ und mithin Teil der Sanktion ist, auf die sich die Verständigung demzufolge erstrecken muss. ­Damit wird auch die Bewährungsauflage von der Belehrungspflicht des § 257c Abs. 5 StPO umfasst, der das Gericht bei Abweichen von dem Verständigungsinhalt unterliegt. Unerheblich ist, ob ein verteidigter Angeklagter mit einer Bewährungsauflage rechnen muss (kritisch Leipold/Beukelmann, NJW-­Spezial 13, 698).

     

    Praxishinweis

    Das OLG geht im Einklang mit dem BVerfG (19.3.13, 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11, NJW 13, 1058, Rn. 99, 125) davon aus, dass das Gericht verpflichtet ist, den Angeklagten in vollem Umfang auf die Tragweite seiner Mitwirkung hinzuweisen. Dies gebietet das rechtsstaatliche Prinzip der Selbstbelastungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit Art. 20 Abs. 3 GG (Gehm, StBW 13, 332). Davon ist auch die Möglichkeit von ­Bewährungsauflagen umfasst. Im Unterschied zu der Fallkonstellation, die das OLG München im Beschluss vom 17.5.13 (2 Ws 1149, 1150/12, PStR 13, 325) zur Annahme einer Nichtigkeit der Verurteilung veranlasste, sah sich das OLG Saarbrücken bei diesem Verfahrensfehler nur zur ersatzlosen Aufhebung des Bewährungs­beschlusses veranlasst.

     

    Der vorliegende Fall mag vom zeitlichen Ablauf her besonders eklatant sein, da das AG einen - überdies unzulässigen - Rechtmittelverzicht abwartete und sodann erst den nicht abgesprochenen Bewährungsbeschluss verkündete. Indes stellt das OLG hierauf nicht ab. Insofern wird man jenseits solcher Extrem­fälle generell davon auszugehen haben, dass sich Verständigungs­gespräche auf die Bewährungsauflagen mit zu beziehen haben. Aus der Sicht der Verteidigung ist es hingegen angezeigt, die Bewährungsauflage nicht ­vorher zu problematisieren, denn das ersatzlose Kassieren der gesamten ­Bewährungsauflage im Zuge einer Beschwerde wird ja den Interessen des Angeklagten gerecht. Mithin sollte nach dem Prinzip „dulde und lege ­Beschwerde ein“ verfahren werden. Demgegenüber kann die StA darauf hinwirken, dass die Bewährungsauflage rechtzeitig zur Sprache kommt. In Steuer­strafverfahren kann die BuStra im Rahmen der ihr durch § 407 Abs. 1 AO gegebenen strafprozessualen Möglichkeiten hierauf hinarbeiten.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 6 | ID 42415472

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