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  • · Fachbeitrag · Steuerhinterziehung

    Widerruf einer Heilpraktikererlaubnis

    von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin

    | Die Zuverlässigkeit eines Heilpraktikers fehlt, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dieser werde in Zukunft die Vorschriften und Pflichten nicht beachten, die sein Beruf mit sich bringt, und sich dadurch Gefahren für die Allgemeinheit oder die von ihm behandelten Patienten ergeben. Dies hat das VG Würzburg aktuell entschieden. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger (K) betreibt eine Praxis für Naturheilkunde. Mit rechtskräftigem Urteil wurde er wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten, zur Bewährung ausgesetzt, sowie einer Geldstrafe verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass K seit Mitte der 2000er-Jahre Scheinrechnungen für nicht erbrachte Beihilfeleistungen ausgestellt und die dafür erbrachten Krankenversicherungs- und Beihilfeleistungen mit seinen Patienten geteilt hatte. Der Gesamtbetrag der zu Unrecht erlangten Leistungen, für die noch keine Verjährung eingetreten war, belief sich auf etwas über 114.000 EUR. Daneben führte K seit mindestens 2003 Behandlungen durch, ohne dafür Rechnungen auszustellen. Die auf diese Weise erzielten Bareinnahmen gab K gegenüber dem FA nicht an. Der Schaden betreffend Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag beläuft sich auf knapp 70.000 EUR. Daraufhin wurde 2019 die Heilpraktikererlaubnis widerrufen.

     

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet (VG Würzburg 26.6.20, W 10 K 19.839, Abruf-Nr. 218184). Der Widerruf der Heilpraktikererlaubnis beruht auf § 7 Abs. 1 S. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (HeilprG) vom 18.2.39 (HeilprGDV). Gem. § 7 Abs. 1 S. 1 HeilprGDV ist die Erlaubnis durch die höhere Verwaltungsbehörde zurückzunehmen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die eine Versagung der Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 HeilprGDV rechtfertigen würden.

     

    MERKE | Unter der „Rücknahme“ i. S. d. § 2 Abs. 1 HeilprGDV ist der Widerruf eines (im Erteilungszeitpunkt rechtmäßigen) Verwaltungsakts i. S. d. Art. 49 BayVwVfG zu verstehen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Maßgeblicher Zeitpunkt, die Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Berufserlaubnis zu beurteilen, ist wegen des der Entscheidung innewohnenden prognostischen Elements die letzte Behördenentscheidung. Der Abschluss des Widerrufsverfahrens bewirkt eine Zäsur, durch die eine Berücksichtigung danach eintretender Umstände einem späteren Verwaltungsverfahren auf Wiedererteilung der Berufserlaubnis zugewiesen wird. Dieser Zeitpunkt ist auch für die gerichtliche Entscheidung maßgeblich (BVerwG 26.9.02, 3 C 37.01).

     

    Hier ist zu beachten, dass die sich aus dem Strafurteil ergebenden Vorwürfe des Abrechnungsbetrugs zulasten privater Krankenversicherungen und Beihilfestellen sowie der Steuerhinterziehung Verstöße gegen Berufspflichten eines Heilpraktikers darstellen bzw. damit in engem Zusammenhang stehen.

     

    MERKE | Einem heilberuflich Tätigen kommt im Rahmen der kaum zu kontrollierenden Abrechnungen mit den Krankenversicherungsträgern bzw. Beihilfestellen eine besondere Verantwortung für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens sowie ‒ soweit die Beihilfestellen geschädigt werden ‒ auch für den staatlichen Haushalt und damit mittelbar für die haushaltsgerechte, insbesondere rechtmäßige Verwendung von Steuermitteln und öffentlichen Finanzmitteln aus anderen Quellen zu (ständige Rechtsprechung, z. B. BVerwG 16.9.97, 3 C 12.95, NJW 98, 2756). Ebenso wie die gesetzlichen Krankenkassen dürfen und müssen auch private Krankenversicherungen sowie Beihilfestellen auf ordnungsgemäße Abrechnungen eines Heilpraktikers vertrauen.

     

    Vorliegend sind nach Ansicht des VG allein die strafrechtlich abgeurteilten Betrugs- und Steuerhinterziehungshandlungen nach Art, Schwere und Zahl hinreichend, um die Besorgnis zu begründen, dass K auch künftig Abrechnungsbetrug gegenüber Versicherungen oder Beihilfestellen begehen und seinen steuerlichen Pflichten nicht mit der gebotenen Sorgfalt, Gewissenhaftigkeit und Rechtstreue nachkommen wird. Bei den abgeurteilten Taten des Abrechnungsbetrugs, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckten, habe K einen größeren Personenkreis in Straftaten verwickelt und ein erhebliches Maß an krimineller Energie gezeigt. Insoweit könne es K nicht entlasten, dass er zur Verwirklichung der Betrugsstraftaten der Mitwirkung der Patienten bedurfte, welche die Rechnungen bei den Kostenträgern zur Erstattung einreichten.

     

    Ganz im Gegenteil: Der Umstand, dass K bereit war, andere Personen für die Begehung von Straftaten einzuspannen, und dabei nicht davor zurückschreckte, ggf. auch diese Personen strafrechtlichen Vorwürfen auszusetzen, spreche für einen erheblichen charakterlichen Mangel, der die Prognose künftiger Verstöße gegen Berufspflichten stützt.

     

    An dieser Betrachtung vermag auch die Strafaussetzung zur Bewährung nichts zu ändern, da ihr ein anderer Maßstab zugrunde liegt. Bei § 56 StGB geht es u. a. um die Gefahr der Wiederholung gleichartiger bzw. der künftigen Begehung andersartiger Straftaten. Dem gegenüber geht es bei der vorliegend maßgeblichen Prognose nach § 7 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 1f) HeilprGDV um die Abwehr von Gefahren durch künftige, auch anders gelagerte Verstöße gegen Berufspflichten für die dadurch geschützten Rechtsgüter. Die Prognose dient damit einem gefahrenabwehrrechtlichen und keinem spezialpräventiven Ansatz i. S. d. Strafrechts.

     

    MERKE |

    Ein freiberuflich Tätiger hat die berufliche Pflicht, seine steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten ordnungsgemäß zu erfüllen (BayVGH 19.7.13, 21 ZB 12.2581, PStR 13, 246).

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2021 | Seite 12 | ID 46892375

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