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  • · Fachbeitrag · SchwarzArbG

    Nemo-tenetur: Schweigen ohne Begründung soll sanktioniert werden!

    von RA Sascha Lübbersmann, FA StrR, RAe Ammermann Knoche Boesing, Münster

    Die Ausübung des Schweigerechtes wegen der Gefahr einer Selbstbelastung erfordert die ausdrückliche Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht des § 5 Abs. 1 S. 3 SchwArbG, andernfalls liegt eine ordnungswidrige Verletzung der Mitwirkungspflicht vor (OLG Bamberg 15.1.13, 2 Ss OWi 897/12, Abruf-Nr. 131867).

     

    Sachverhalt

    Die Betroffene wurde anlässlich einer Überprüfung durch das HZA im Eingangsbereich des „Club M“ beim Bedienen der Kasse und bei der Ausgabe von Stempeln angetroffen. Auf die an ihn als grundsätzlich mitwirkungspflichtigen Dritten i.S. des § 5 Abs. 1 S. 1 SchwarzArbG gerichteten Fragen nach einem Beschäftigungsverhältnis und der Form seiner Beschäftigung hin, erklärte er - nach Angabe seiner Personalien - weiter nichts sagen zu wollen und schwieg. Über sein Schweigerecht bei drohender Selbstbelastung nach § 5 Abs. 1 S. 3 SchwarzArbG wurde er zuvor nicht belehrt. Der daraufhin vom HZA erlassene Bußgeldbescheid über 500 EUR wegen ordnungswidriger Verletzung der Mitwirkungspflicht (§ 8 Abs. 2 Nr. 3a SchwarzArbG) wurde vom AG aufgehoben, weil dieses eine Selbstbelastung nicht auszuschließen vermochte und deshalb eine Mitwirkungspflicht im Hinblick auf § 5 Abs. 1 S. 3 SchwarzArbG verneinte. Der Betroffene bezog nämlich möglicherweise Sozialleistungen und hätte sich deshalb durch die Offenbarung eines Beschäftigungsverhältnisses selbst einer Straftat oder OWi bezichtigen müssen. Die Rechtsbeschwerde der StA hiergegen hatte vor dem OLG Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG Bamberg hob den Freispruch auf, ohne die erstinstanzlich angenommene Gefahr der Selbstbelastung im Falle erfolgter Mitwirkung in Zweifel zu ziehen. Es betonte aber, dass sich der Auskunftspflichtige ausdrücklich auf sein Verweigerungsrecht nach § 5 Abs. 1 S. 3 SchwarzArbG berufen müsse, ansonsten sei er seiner Auskunftspflicht nicht enthoben. Die bloße Nichtbeantwortung von Fragen genüge hierfür nicht. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Betroffene zuvor nicht über sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 5 Abs. 1 S. 3 SchwarzArbG belehrt worden sei, denn das Gesetz sehe eine Belehrungspflicht - anders als in § 55 Abs. 2 StPO - nicht vor.

     

    Praxishinweis

    Die voranstehende Entscheidung verdeutlicht einmal mehr, welche Schwierigkeiten aus dem Aufeinanderprallen von gesetzlichen Auskunfts- bzw. Mitwirkungspflichten mit dem Fundamentalrecht des Verpflichteten, sich selbst nicht belasten zu müssen, resultieren. Ob nun zur Wahrung des verfassungs- und konventionsrechtlich zu gewährleistenden „Nemo-tenetur-Prinzips“ (auch Art. 14 Abs. 3g IPBPR) die Mitwirkungspflicht suspendiert, sanktionslos gestellt oder aber beibehalten und dafür die verpflichtenden Angaben mit einem Beweisverwertungs- bzw. -verwendungsverbot zu belegen sind, ist die Entscheidung des jeweiligen Konfliktzusammenhangs und auch nicht durchgängig gesetzlich normiert (nur die § 55 Abs. 1 StPO, § 393 Abs. 1 S. 2 und 3, Abs. 2 AO, § 97 Abs. 1 S. 3 InsO). Für den Bereich der bußgeldbewährten Mitwirkungspflicht im SchwarzArbG hat sich der Gesetzgeber für die Suspendierung der Mitwirkungspflicht im Konfliktfall - und damit gegen ein Beweisverwertungsverbot unter Beibehaltung der Erklärungspflicht - entschieden (§ 5 Abs. 1 S. 3 SchwarzArbG). Gleichwohl besteht hier keine gesetzliche Belehrungspflicht, mittels derer der Betroffene über die verfassungsrechtlichen Grenzen der Mitwirkungspflicht in Kenntnis zu setzen wäre (vergleiche demgegenüber § 55 Abs. 2 StPO, § 393 Abs. 1 S. 4 AO).

     

    Wenn vor diesem normativen Hintergrund nun das OLG Bamberg die bußgeldbedrohte Mitwirkungspflichtverletzung im Ergebnis damit begründet, dass der - auskunftsverweigerungsberechtigte - Betroffene sich nicht ausdrücklich auf das Auskunftsverweigerungsrecht des § 5 Abs. 1 S. 3 SchwarzArbG für sein Schweigen berufen hat, so lässt diese Wertung nicht nur das „Nemo-tenetur-Prinzip“ leerlaufen, sondern erscheint zudem lebensfremd.

     

    Der Betroffene hatte hier faktisch von seinem verbürgten Mitwirkungsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, um sich durch die Beantwortung der Fragen nicht selbst zu belasten. Dass er insoweit sein Schweigen nicht ausdrücklich mit dem in § 5 Abs. 1 S. 3 SchwarzArbG normierten Verweigerungsrecht gegenüber den Prüfern des HZA begründet hat, ist schon deshalb nicht vorwerfbar, weil er als juristischer Laie im Zweifel keinerlei Kenntnis von Bezeichnung und gesetzlicher Ausgestaltung dieses Rechts gehabt hatte. Zudem hat er nicht einfach belastende Tatsachen verschwiegen, sondern ausdrücklich erklärt, nichts zur Sache sagen zu wollen. Dies konnte keine Zweifel darüber aufkommen lassen, dass er - ohne dies subjektiv näher präzisieren zu können - gewillt war, von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Mehr kann von einer nicht belehrten Auskunftsperson schwerlich verlangt werden. Zudem dürften hier weitergehende Angaben über die Gründe einer möglichen Selbstbelastung nicht verlangt werden, denn diese wären ohne die - ja gerade zu vermeidende - Selbstbelastung des Zeugen schwerlich möglich (BGH 7.5.87, I BGs 286/87, StV 87, 328).

     

    Es kommt hinzu, dass der vom OLG als einschlägig erachtete Ordnungswidrigkeitentatbestand nach § 8 Abs. 2 Nr. 3a SchwarzArbG das angenommene Fehlverhalten überhaupt nicht erfasst. Denn diese Verweisnorm erfordert schon ihrem Wortlaut nach eine Mitwirkungspflichtverletzung bei Prüfungen nach § 2 Abs. 1 SchwarzArbG. Durch § 5 Abs. 1 S. 3 SchwarzArbG wird aber bereits der Umfang der bußgeldbedrohten Auskunftspflicht nach § 5 Abs. 1 S. 1 SchwarzArbG beschränkt, ohne dass das Gesetz hierfür als konstitutive Voraussetzung den ausdrücklichen Hinweis auf dieses Auskunftsverweigerungsrecht verlangt. Insofern bestand schon materiellrechtlich keine Auskunftspflicht, deren Verletzung sanktionierbar gewesen wäre. Das Unterlassen des konkreten Hinweises auf das einschlägige Auskunftsverweigerungsrecht für die Nichtmitwirkung des Betroffenen verletzt die Bezugsnorm nach § 5 Abs. 1 S. 1 SchwarzArbG gerade nicht und für den postulierten Formalverstoß in Ausübung der Rechte aus § 5 Abs. 1 S. 3 SchwarzArbG existiert kein eigenständiger Bußgeldtatbestand.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 178 | ID 39557460