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  • · Fachbeitrag · Haftung

    Nicht rechtzeitig bearbeitete Selbstanzeige löst zivilrechtliche Steuerberaterhaftung aus

    von RD David Roth, LL.M. oec., Staatliches Rechnungsprüfungsamt Köln

    | Versäumt es der Steuerberater ‒ bzw. sein Personal ‒, rechtzeitig eine Selbstanzeige zu stellen, haftet er seinem Mandanten gegenüber für später im Steuerstrafverfahren verhängte Geldstrafen einschließlich Verfahrenskosten. |

     

    Sachverhalt

    Nachdem die Steuerpflichtigen von ihrer Bank über den Ankauf einer einschlägigen Steuerdaten-CD durch den deutschen Fiskus informiert worden waren, beauftragten sie die Steuerberaterkanzlei in einer Besprechung mit einem Steuerfachangestellten am 12.6.12, Selbstanzeige zu erstatten.

     

    Der Kanzleimitarbeiter forderte erst rund einen Monat später Unterlagen bei der Bank an. Vor Eingang der Dokumente leitete die Steuerfahndung aufgrund der Daten-CD am 26.7.12 ein Steuerstrafverfahren gegen die Steuerpflichtigen ein. Eine Selbstanzeige war bis dato nicht erstellt worden. Nach ihrer Verurteilung strengten die Mandanten gegen den Steuerberater einen zivilrechtlichen Haftungsprozess an und forderten Schadenersatz.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG Nürnberg (24.2.17, 5 U 1687/26, Abruf-Nr. 193236) hat eine schuldhafte Pflichtverletzung des Steuerberatervertrags bejaht und den Mandanten Schadenersatz von 16.000 EUR zugesprochen. Dem Steuerberater sei die Pflichtwidrigkeit des Steuerfachangestellten zuzurechnen.

     

    Den Schadenersatz auslösenden Umstand erblickte das Gericht darin, dass nicht sofort ‒ das heißt noch am Tag des ersten Mandantengesprächs ‒ eine Stufenselbstanzeige, also eine Selbstanzeige mittels Schätzwerten und spätere Konkretisierung, formuliert und am folgenden Tag beim FA eingereicht worden ist. Zudem seien die Bankunterlagen verspätet angefordert worden.

     

    MERKE | Das OLG konstituiert für Steuerdaten-CD-Fälle damit extrem kurze Bearbeitungspflichten für Berater. Wenn der Erwerb einer einschlägigen Steuerdaten-CD bekannt ist, sind Selbstanzeigen danach als Sofortsachen zu behandeln und unmittelbar, das heißt noch am selben Tag, zu bearbeiten sowie am nächsten Tag beim FA einzureichen. Soweit konkretisierende Unterlagen fehlen, ist zumindest eine Stufenselbstanzeige zu erstatten und parallel die Anforderung der fehlenden Dokumente zu betreiben.

     

    Hinsichtlich etwaiger Sperrgründe bemerkt das OLG, dass eine Stufenselbstanzeige noch möglich gewesen sei, da der Sperrgrund der Tatentdeckung gemäß § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO nicht vorlag. Zwar sei eine Tatentdeckung nach der Rechtsprechung des BGH auch vor dem Abgleich der entdeckten Steuerquelle mit den Steuererklärungen möglich, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben des Steuerpflichtigen darstelle. Der Ankauf des die Steuerdaten enthaltenden Datenträgers genüge für den Eintritt der Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO jedoch noch nicht. Wann eine selbstanzeigenschädliche Auswertung der Steuerdaten-CD erfolgt war, ließ sich nicht feststellen, sodass zugunsten der Mandanten noch von einer Selbstanzeigemöglichkeit auszugehen war.

     

    MERKE | Der Zivilsenat setzt sich hier von den Strafgerichten ab, die bei Steuerdaten-CD-Fällen eine frühzeitige Tatentdeckung bejaht haben (BGH 20.5.10, 1 StR 577/09, PStR 11, 244; OLG Schleswig 30.10.15, 2 Ss 63, 15, juris).

     

    Hinsichtlich der Schadenshöhe konnte dem Schadenersatzanspruch der Mandanten kein Mitverschulden der Steuerpflichtigen entgegengehalten werden. Dass diese keine Bankunterlagen vorlegen konnten bzw. vermutlich entsprechende Dokumente sogar vernichtet hatten, sei der Mandatserteilung zeitlich vorgelagert und damit Grundlage für die vom Steuerberater übernommene Beratungsverpflichtung. Der Rechtsrat sei gerade in Kenntnis der Steuervergehen und der fehlenden Unterlagen zu erteilen gewesen. Des Weiteren habe keine Pflicht der Mandanten bestanden, sich kurzfristig nach dem Sachstand der Bearbeitung zu erkundigen. Der Mandant könne sich grundsätzlich darauf verlassen, dass der steuerliche Berater in geeigneter Weise tätig werde. Ob ein Mitverschulden darin zu sehen ist, dass sich die Steuerpflichtigen nicht selbst an ihre Bank zwecks Anforderung der Bankunterlagen gewandt haben, hat das OLG nicht ausdrücklich erörtert.

     

    Zur Schadenshöhe weist der Zivilsenat weiter darauf hin, dass der Schadenersatzanspruch alle Kosten der Strafverteidigung im Steuerstrafverfahren ‒ mithin etwaige Geldstrafen, Verfahrens- und Verteidigerkosten ‒ umfasst. Ohne fehlerhafte Beratung wären die Mandanten mittels Selbstanzeige straffrei geblieben. Die Abwälzung der kostenrechtlichen Folgen des Strafverfahrens ‒ wie auch der Geldstrafe selbst ‒ seien nicht ausgeschlossen.

     

    MERKE | Dass neben den Strafverfahrenskosten auch die verhängten Geldstrafen vom Schadenersatzanspruch erfasst werden, ist für Selbstanzeige-Haftungsfälle bereits entschieden worden (LG Saarbrücken 23.1.12, 9 O 251/10, PStR 12, 84; abweichend LG Aurich 15.6.07, 3 O 1312/06, juris, für Geldauflagen nach § 153a StPO). Neben den Kosten des wegen fehlerhafter Beratung erfolgten Steuerstrafverfahrens sind auch die Verfahrens- und Anwaltskosten aus dem anschließenden zivilrechtlichen Schadenersatzprozesses vom unterlegenen Steuerberater bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu zahlen. Mit entsprechenden Zinsen ergeben sich häufig hohe Zahlungsverpflichtungen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der Fall zeigt einmal mehr, dass die Selbstanzeige-Beratung in qualifizierte Hände gehört. Keinesfalls sollten entsprechende Mandate nur von Steuerfachangestellten allein betreut werden. Eine enge Begleitung und sofortige Bearbeitung entsprechender steuerstrafrechtlicher Fallkonstellationen durch versierte Berufsträger reduziert zivilrechtliche Haftungsgefahren.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2017 | Seite 213 | ID 44801636

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