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  • · Fachbeitrag · Haftung

    Haftungsbescheid gegen insolventen Vereinsvorsitzenden

    von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin

    | Ein wirksam bestellter Vereinsvorsitzender darf die Führung der Vereinsgeschäfte nicht aufgrund einer umfassenden Vollmacht einem faktischen Vorsitzenden überlassen. Wer nicht in der Lage ist, sich innerhalb des Vereins durchzusetzen und seiner Rechtsstellung gemäß zu handeln, muss als Vereinsvorsitzender zurücktreten und darf im Rechtsverkehr nicht den Eindruck erwecken, er sorge für die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte. |

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin K, eine Kraftfahrerin, war Erste Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins e.V. Schatzmeister war B, dem K 2002 die uneingeschränkte Vollmacht erteilte, die Geschäfte des Vereins an ihrer Stelle zu führen. Ende August 2008 legte K ihr Amt nieder, der entsprechende Eintrag im Vereinsregister erfolgte im November 2008. Als neuer Erster Vorsitzender wurde B gewählt.

     

    Im September 2008 erkannte das FA dem Verein rückwirkend die Gemeinnützigkeit ab und erließ Bescheide über KSt und USt für die Jahre 2003 bis 2005. Im Februar 2009 wurde dem Verein wegen Unterschreitens der erforderlichen Mitgliederzahl von Amts wegen die Rechtsfähigkeit entzogen (§ 73 BGB).

     

    Im April 2005 war ein Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der K eröffnet worden. K hatte Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) beantragt, die im Juni 2011 erteilt wurde. Das FA nahm K als Vorsitzende für nicht einbringliche Steuerforderungen des Vereins in Haftung.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist teilweise begründet (FG Saarland 7.12.16, 2 K 1072/14, Abruf-Nr. 195713, Revision eingelegt, BFH VII R 2/17). Nach Ansicht des FG ist der Haftungsbescheid dem Grunde nach rechtmäßig, da die Voraussetzungen des § 69 S. 1 AO vorliegen. K hatte als gesetzliche Vertreterin des Vereins ihre aus § 34 Abs. 1 AO folgenden Pflichten grob fahrlässig verletzt. Zu ihren Pflichten habe gehört, fortlaufend zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Befreiung des Vereins insbesondere von der KSt nach den §§ 51 ff. AO vorliegen.

     

    K könne sich auch nicht darauf berufen, dass B von ihr eine Generalvollmacht erhalten hatte und sich als faktischer Vorsitzender gerierte, bis sie ihr Amt als Vorsitzende niederlegte. Dies gelte ungeachtet der erheblichen Zweifel an der zivilrechtlichen Wirksamkeit dieser Vollmacht. Ausgeschlossen sei nämlich der vollständige Entzug der Vertretungsmacht des Vorstands. Eine derartige „Entmachtung“ sei mit der gesetzlichen Stellung als Vertretungsorgan unvereinbar. Hätte K die Vereinsleitung unter Aufgabe ihrer Pflichtenbindung wirksam auf B übertragen wollen, hätte sie konsequenterweise ihr Amt niederlegen müssen.

     

    MERKE | Das FA hat indessen sein durch § 191 Abs. 1 S. 1 AO eingeräumtes Entschließungsermessen nicht fehlerfrei nach Maßgabe des § 5 AO ausgeübt. Nach Ansicht des FG liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor, weil das FA nicht berücksichtigt hat, dass über das Vermögen der K ein Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 ff. InsO) eröffnet worden war und sie sich in der - zum überwiegenden Teil abgelaufenen - Wohlverhaltensphase befand (§ 287 Abs. 2 InsO). Hierauf hatte K im Einspruchsverfahren betreffend den Haftungsbescheid ausdrücklich hingewiesen.

     

    Nach Ansicht des FG erscheint es unverhältnismäßig und damit ermessenswidrig, eine Haftungsschuld in einem Haftungsbescheid festzusetzen, obwohl zu erwarten ist, dass sie in absehbarer Zeit als Naturalobligation nicht mehr durchsetzbar ist.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der finanzielle Zusammenbruch eines Unternehmens führt häufig auch in der persönlichen finanziellen Sphäre des Geschäftsleiters zu ganz erheblichen Risiken, bis hin zur privaten Insolvenz. Der Verteidiger sollte gegebenenfalls schon vor einer möglichen Haftungsinanspruchnahme auf die wirtschaftliche Situation des Betroffenen hinweisen. Es ist jeweils zu prüfen, ob es sich bei der Verbindlichkeit um eine solche im insolvenzrechtlichen Sinne handelt (§ 38 InsO).

     

    Anders sieht es bei einer Steuerhinterziehung aus. Seit dem 1.7.14 sind Steuerschulden aus einer Steuerhinterziehung nicht mehr von einer Restschuldbefreiung im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens umfasst (§ 302 Nr. 1 InsO). Voraussetzung ist allerdings eine rechtskräftige Verurteilung. Dies würde sich dann auch auf den Erlass eines Haftungsbescheids auswirken, und zwar nachteilig für den Betroffenen.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2017 | Seite 215 | ID 44751406

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