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  • · Fachbeitrag · Haftung

    Faktische Geschäftsführung bzw. Organstellung bei abhängigen Unternehmen

    von OStA Raimund Weyand, St. Ingbert

    Eine faktische Geschäftsführung ist nicht ohne Weiteres schon deswegen anzunehmen, weil ein übermächtiger Vertragspartner die Geschäftstätigkeit des abhängigen Beteiligten bestimmen kann (BGH 13.12.12, 5 StR 40/12, Abruf-Nr. 130493).

     

    Sachverhalt

    Der Angeklagte war Geschäftsführer der X- GmbH, die als Komplementärin für mehrere projektbezogen gegründete „Bauherrn-KGs“ auftrat. Diese KGs vergaben Bauaufträge ausschließlich an die Y-GmbH, die ihrerseits erst als Generalunternehmerin in Kontakt mit verschiedenen Baufirmen und Handwerkern trat; Gesellschafterin der Y-GmbH war wiederum die Z-GmbH, an der unterschiedliche natürliche Personen Gesellschaftsanteile hielten. Der Angeklagte veranlasste die Geschäftsführerin der Y-GmbH, grundlos aus Bankdarlehen herrührende Geldbeträge an die KGs zu überweisen, ohne dass Aussichten auf anderweitigen Ausgleich oder Rückzahlungen bestanden hätten. Die Y-GmbH konnte wegen dieser Zahlungen ihre Verpflichtungen gegenüber den Handwerkern nicht mehr erfüllen und geriet in Insolvenz. Das LG hatte den Angeklagten als faktischen Geschäftsführer der Y-GmbH angesehen und ihn angesichts der Zahlungen wegen Untreue (§ 266 StGB) zu deren Nachteil verurteilt. Der BGH hob das Urteil auf.

     

    Entscheidung

    Grundlage einer von § 266 StGB erfassten Vermögensbetreuungspflicht kann ein tatsächliches Treueverhältnis sein, das durch Übernahme und Ausführung der organschaftlichen Aufgaben eines Geschäftsführers begründet wird. Gleichermaßen entsteht eine solche Vermögensbetreuungspflicht auch dann, wenn der Betreffende einen „nicht ganz unbedeutenden“ Pflichtenkreis tatsächlich übernimmt und der Vermögensinhaber auf die pflichtgemäße Wahrnehmung vertrauen darf. Beide Alternativen sah der Senat als nicht hinreichend nachgewiesen an.

     

    Als Geschäftsführer ist nach ständiger Rechtsprechung auch derjenige anzuerkennen, der die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen hat, tatsächlich ausübt und gegenüber dem formellen Organ eine überragende Stellung einnimmt, wobei ein deutliches Übergewicht der Kompetenzen genügt. Eine derartige Machtposition muss aber auch extern dokumentiert werden. Indiziell für eine faktische Organstellung ist etwa die Bankvollmacht für das Geschäftskonto. Auch lässt ein Auftreten nach außen, wie beispielsweise bei Verhandlungen mit Banken, Sozialversicherungsträgern oder der Finanzbehörde, einen solchen Schluss zu. Entsprechende Feststellungen hatte das LG jedoch nicht getroffen.

     

    Im Einzelfall hat die Rechtsprechung eine faktische Organstellung auch angenommen, wenn der Betreffende den förmlich bestellten Geschäftsführer anweisen kann und er durch ihn die Geschäftspolitik des Unternehmens tatsächlich bestimmt. Hierzu sind aber weitere vertiefende Betrachtungen anzustellen: Im Streitfall sah sich die Y-GmbH nur einem einzigen Vertragspartner gegenüber. Ihre alleinigen Auftraggeber waren die vom Angeklagten dominierten KGs, die deswegen erheblichen wirtschaftlichen Einfluss auf die Y-GmbH hatten. Diese Gesellschaften verfolgten vorwiegend eigene geschäftliche Zwecke. Derjenige, der allein eigene Interessen im Wirtschaftsleben durchsetzt, kann nicht gleichzeitig die Vermögensinteressen der anderen Partei wahrnehmen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob der Betreffende über ein solches Machtpotenzial verfügt, das ihn in die Lage versetzt, die unternehmerischen Entscheidungen der Y-GmbH zu determinieren. Nur dann könne man den Angeklagten als faktisches Organ mit entsprechenden Vermögensbetreuungspflichten ansehen.

     

    Hierzu sind im weiteren Verfahren zusätzliche Feststellungen zu treffen. Es genügt jedenfalls nicht, wenn der Angeklagte in einer Vielzahl von Einzelentscheidungen nur seine wirtschaftliche Machtstellung als praktisch einziger Geschäftspartner der Y-GmbH ausübt. Vielmehr ist nachzuweisen, dass er die Betriebsführung weitgehend selbst übernommen hat.

     

    Praxishinweis

    Der BGH bestätigt erneut, dass auch faktische Organe Normadressaten im Strafrecht sind (grundlegend bereits BGH 22.9.92, 3 StR 287/82, wistra 83, 31). Auf kritische Stimmen (etwa Joerden, wistra 90, 1) geht das Gericht nicht ein. Entscheidend ist nach seiner Rechtsprechung, wer im Einzelfall „der Boss“ ist: Die festgestellten Gesamtumstände müssen das Bild von Aktivitäten eines alle wichtigen Entscheidungen treffenden Geschäftsführers ergeben. Indizien hierfür können die schon erwähnten Umstände sein, also Bankvollmachten und/oder das verantwortliche Auftreten nach außen bei Verhandlungen mit Kreditgebern, Geschäftspartnern und öffentlichen Stellen. Auch die Möglichkeit, Mitarbeiter alleinverantwortlich einzustellen oder zu entlassen, bzw. ihren Arbeitseinsatz verantwortlich zu regeln, kann im Einzelfall zur Annahme einer faktischen Organstellung führen.

     

    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 199 | ID 37869430

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