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  • 07.03.2013 · IWW-Abrufnummer 130794

    Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 31.01.2013 – C-642/11

    1. Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass

    - die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer von dieser Person unabhängig davon geschuldet wird, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt;

    - allein aus dem Umstand, dass die Steuerverwaltung in einem an den Aussteller dieser Rechnung ergangenen Steuerprüfungsbescheid die von diesem erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, nicht geschlossen werden kann, dass diese Verwaltung anerkannt hat, dass der Rechnung ein tatsächlich bewirkter steuerpflichtiger Umsatz gegenübersteht.

    2. Die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes sind dahin auszulegen, dass sie es nicht verwehren, dass dem Empfänger einer Rechnung mangels Vorliegens eines tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Umsatzes das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, obwohl die vom Aussteller der Rechnung erklärte Mehrwertsteuer in dem an diesen ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde. Wird jedoch in Anbetracht von Steuerhinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten, die dieser Aussteller begangen hat oder die dem Umsatz, auf den das Recht auf Vorsteuerabzug gestützt wird, vorausgegangen sind, davon ausgegangen, dass dieser Umsatz tatsächlich nicht bewirkt wurde, ist anhand objektiver Gesichtspunkte und ohne dass vom Rechnungsempfänger Nachprüfungen verlangt werden, die ihm nicht obliegen, nachzuweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder wissen musste, dass dieser Umsatz in eine Hinterziehung von Mehrwertsteuer einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.


    EuGH
    31.01.2013
    Rs. C-642/11

    In der Rechtssache C-642/11

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Varna (Bulgarien) mit Entscheidung vom 2. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Dezember 2011, in dem Verfahren

    Stroy trans EOOD

    gegen

    Direktor na Direktsia "Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" - Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz (Berichterstatter),

    Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    - des Direktors na Direktsia "Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" - Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite, vertreten durch S. Zlateva als Bevollmächtigte,

    - der bulgarischen Regierung, vertreten durch T. Ivanov und D. Drambozova als Bevollmächtigte,

    - der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und D. Roussanov als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil
    Tenor:

    1. Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass

    - die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer von dieser Person unabhängig davon geschuldet wird, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt;

    - allein aus dem Umstand, dass die Steuerverwaltung in einem an den Aussteller dieser Rechnung ergangenen Steuerprüfungsbescheid die von diesem erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, nicht geschlossen werden kann, dass diese Verwaltung anerkannt hat, dass der Rechnung ein tatsächlich bewirkter steuerpflichtiger Umsatz gegenübersteht.

    2. Die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes sind dahin auszulegen, dass sie es nicht verwehren, dass dem Empfänger einer Rechnung mangels Vorliegens eines tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Umsatzes das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, obwohl die vom Aussteller der Rechnung erklärte Mehrwertsteuer in dem an diesen ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde. Wird jedoch in Anbetracht von Steuerhinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten, die dieser Aussteller begangen hat oder die dem Umsatz, auf den das Recht auf Vorsteuerabzug gestützt wird, vorausgegangen sind, davon ausgegangen, dass dieser Umsatz tatsächlich nicht bewirkt wurde, ist anhand objektiver Gesichtspunkte und ohne dass vom Rechnungsempfänger Nachprüfungen verlangt werden, die ihm nicht obliegen, nachzuweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder wissen musste, dass dieser Umsatz in eine Hinterziehung von Mehrwertsteuer einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
    Entscheidungsgründe
    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).
    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den die Stroy trans EOOD (im Folgenden: Stroy trans) gegen den Direktor na Direktsia "Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" - Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (Direktor der Direktion "Anfechtung und Vollzugsverwaltung" Varna bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen) führt, weil dieser ihr das Recht auf Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt hat, dass die tatsächliche Bewirkung der Eingangsumsätze nicht nachgewiesen worden sei.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht
    3

    Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112 unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt bzw. erbringt.
    4

    Art. 62 dieser Richtlinie lautet:

    "Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt:

    1. als 'Steuertatbestand' der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;

    2. als 'Steueranspruch' der Anspruch auf Zahlung der Steuer, den der Fiskus kraft Gesetzes gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt an geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann."
    5

    Nach Art. 63 dieser Richtlinie treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.
    6

    Nach Art. 167 der Richtlinie 2006/112 "[entsteht d]as Recht auf Vorsteuerabzug ..., wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht".
    7

    Art. 168 Buchst. a dieser Richtlinie bestimmt:

    "Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer folgende Beträge abzuziehen:

    a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden ..."
    8

    In Art. 178 der Richtlinie heißt es:

    "Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:

    a) für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe a in Bezug auf die Lieferungen von Gegenständen oder das Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß den Artikeln 220 bis 236 sowie 238, 239 und 240 ausgestellte Rechnung besitzen;

    ..."
    9

    In Titel XI ("Pflichten der Steuerpflichtigen und bestimmter nichtsteuerpflichtiger Personen") Kapitel 1 ("Zahlungspflicht") Abschnitt 1 ("Steuerschuldner gegenüber dem Fiskus") der Richtlinie 2006/112 bestimmt Art. 203:

    "Die Mehrwertsteuer wird von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist."

    Bulgarisches Recht
    10

    Nach Art. 70 Abs. 5 des Zakon za danak varhu dobavenata stoynost (Mehrwertsteuergesetz, DV Nr. 63 vom 4. August 2006) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: ZDDS) "besteht kein Recht auf Vorsteuerabzug, wenn die Mehrwertsteuer unrechtmäßig in Rechnung gestellt wurde".
    11

    Gemäß Art. 82 Abs. 1 ZDDS "[entsteht d]er Steueranspruch ... gegen eine nach diesem Gesetz registrierte Person, die die steuerpflichtige Lieferung tätigt oder die steuerpflichtige Dienstleistung erbringt ...".
    12

    Nach Art. 85 ZDDS entsteht der Steueranspruch auch gegen jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist.
    13

    Art. 113 Abs. 1 und 2 ZDDS bestimmt:

    "(1) Jede steuerpflichtige Person, die Umsätze bewirkt, muss für die von ihr vorgenommene Lieferung eines Gegenstands oder Erbringung einer Dienstleistung und beim Erhalt einer Vorauszahlung eine Rechnung ausstellen ...

    (2) Die Rechnung ist in mindestens zwei Exemplaren auszustellen, eines für den Lieferer oder Dienstleistenden und eines für den Erwerber oder Empfänger."
    14

    Nach Art. 115 Abs. 1 ZDDS muss der Lieferer oder Dienstleistende im Fall einer Änderung der Steuerbemessungsgrundlage eines Umsatzes und im Fall einer Rückgängigmachung eines Umsatzes, für den eine Rechnung ausgestellt wurde, eine Anzeige zur Rechnung erstellen.
    15

    Art. 116 ZDDS bestimmt:

    "(1) Berichtigungen und Zusätze in Rechnungen und in Anzeigen zu diesen sind nicht zulässig. Unrichtig erstellte oder berichtigte Dokumente sind zu annullieren, und es sind neue Dokumente zu erstellen.

    ...

    (3) Als unrichtig erstellte Dokumente gelten auch ausgestellte Rechnungen und Anzeigen zu diesen, in denen Steuer ausgewiesen wurde, obwohl keine auszuweisen gewesen wäre.

    (4) Wenn unrichtig erstellte oder berichtigte Dokumente in den Büchern des Lieferers bzw. Dienstleistenden oder des Erwerbers bzw. Empfängers wiedergegeben sind, ist über ihre Annullierung zudem für jede der Parteien ein Protokoll zu erstellen, das Folgendes enthält:

    1. den Grund für die Annullierung;

    2. die Nummer und das Datum des Dokuments, das annulliert wird;

    3. die Nummer und das Datum des ausgestellten neuen Dokuments;

    4. die Unterschriften der Personen, die das Protokoll für jede der Parteien erstellt haben.

    ..."

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
    16

    Stroy trans war nach dem ZDDS registriert, und ihre Haupttätigkeit bestand in der Güterbeförderung im Straßenverkehr sowie in der Erbringung mechanisierter Dienstleistungen mittels spezieller Ausrüstungen. Im Jahr 2009 zog diese Gesellschaft die Vorsteuer in Bezug auf mehrere Rechnungen über die Lieferung von Dieselkraftstoff ab, die von der Hadzhi 98 EOOD und der Dieseltrans-73 EOOD (im Folgenden: Dieseltrans-73) ausgestellt worden waren.
    17

    Die Steuerverwaltung führte bei diesen beiden Gesellschaften sowie bei deren Vorlieferern Prüfungen durch. Bei diesen Prüfungen wurde ein Teil der angeforderten Dokumente vorgelegt.
    18

    Aufgrund dieser Prüfungen gelangte die Steuerverwaltung zu der Auffassung, dass anhand der vorgelegten Unterlagen der Weg des Kraftstoffs nicht verfolgt werden könne und dass hinsichtlich der fraglichen Rechnungen keine tatsächlichen Lieferungen vorlägen, so dass die für das Entstehen des Rechts auf Vorsteuerabzug erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Steuerverwaltung richtete daher an Stroy trans einen Steuerprüfungsbescheid, mit dem ihr das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer in Höhe von insgesamt 42 759,22 BGN versagt und Verzugszinsen auferlegt wurden (im Folgenden: streitiger Steuerprüfungsbescheid).
    19

    Nachdem der streitige Steuerprüfungsbescheid durch den Direktor na Direktsia "Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" - Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite mit Bescheid vom 28. Februar 2011 bestätigt worden war, erhob Stroy trans Klage beim Administrativen sad Varna und machte geltend, dass den fraglichen Rechnungen tatsächliche Lieferungen von Gegenständen gegenüberstünden, so dass es keinen Grund gebe, ihr das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen.
    20

    Im Verlauf des Ausgangsverfahrens wurden die Schlussfolgerungen eines eingeholten Buchführungsgutachtens zugelassen, wonach laut den Buchführungsdaten von Dieseltrans-73 zum Zeitpunkt jedes Verkaufs die verkauften Kraftstoffmengen vorhanden gewesen seien.
    21

    Außerdem legte Stroy trans einen Steuerprüfungsbericht über ihren Lieferer Dieseltrans-73 und einen gegenüber diesem ergangenen Steuerprüfungsbescheid vor, die vor dem streitigen Steuerprüfungsbescheid ergangen waren. Nach den vorgelegten Dokumenten war Dieseltrans-73 das Recht auf Vorsteuerabzug für ihren Bezug von Kraftstoff versagt worden, teilweise mit der Begründung, dass die jeweiligen Verkäufer keine Beweise vorgelegt hätten, was zu dem Schluss führe, dass keine Lieferungen an Dieseltrans-73 erfolgt seien, und teilweise mit der Begründung, dass die Originalrechnungen zu den Käufen nicht vorgelegt worden seien. Hinsichtlich der von Dieseltrans-73 erklärten Mehrwertsteuer wurde dagegen vermerkt: "Im Rahmen der Steuerprüfung wurden keine Gründe für eine Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage für die bewirkten Lieferungen und der ausgewiesenen Mehrwertsteuer festgestellt."
    22

    Stroy trans ist der Ansicht, dass die Bewirkung der zur Begründung ihres Rechts auf Vorsteuerabzug angeführten Lieferungen durch den Steuerprüfungsbescheid an ihren Lieferer Dieseltrans-73 bewiesen werde, da die Steuerverwaltung in diesem Bescheid die von diesem Lieferer erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt habe.
    23

    Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist die Rechtsprechung des Varhoven administrativen sad (Oberster Verwaltungsgerichtshof) zu der Frage, ob die tatsächliche Bewirkung einer Lieferung durch einen an den Lieferer des Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, ergangenen Steuerprüfungsbescheid bewiesen wird, widersprüchlich. Ein Teil der Kammern des Verwaltungsgerichtshofs ist der Ansicht, dass ein solcher Bescheid lediglich einen Nachweis neben anderen darstelle und für sich allein nicht das Vorliegen einer tatsächlichen Lieferung von Gegenständen beweisen könne. Nach Ansicht anderer Kammern bedeutet die Tatsache, dass ein solcher Bescheid keine Berichtigung der vom Lieferer berechneten Mehrwertsteuer enthalte, dass die Steuerbehörden selbst ein offizielles Dokument ausgestellt hätten, mit dem bescheinigt werde, dass der Umsatz tatsächlich bewirkt und die hierauf entfallende Mehrwertsteuer richtig berechnet worden sei.
    24

    Das vorlegende Gericht führt aus, dass es Art. 85 ZDDS, der Art. 203 der Richtlinie 2006/112 umsetze, dahin auslege, dass er einen Sonderfall des Entstehens des Steueranspruchs in Bezug auf die in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer vorsehe, unabhängig davon, ob die Rechnung und die Ausweisung der Mehrwertsteuer mit oder ohne Grund erfolgt seien. Ferner ist es der Auffassung, dass, da die nationalen Bestimmungen vorsähen, dass Berichtigungen und Annullierungen von Rechnungen von deren Aussteller vorzunehmen seien, die in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer aus eigenem Grund geschuldet sei und die prüfende Stelle nicht berechtigt sei, sie zu berichtigen.
    25

    Unter diesen Umständen hat der Administrativen sad Varna beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1. Ist Art. 203 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen, dass die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer unabhängig davon geschuldet wird, ob die Gründe für diesen Ausweis vorliegen (Fehlen einer Lieferung bzw. Dienstleistung oder einer Zahlung), sowie dahin, dass die Stellen, die die Anwendung des ZDDS überprüfen, angesichts nationaler Bestimmungen, wonach eine Rechnung nur von ihrem Aussteller berichtigt werden kann, nicht befugt sind, Berichtigungen der von der Person ausgewiesenen Mehrwertsteuer vorzunehmen?

    2. Werden die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes durch eine Praxis der Verwaltung und der Gerichte verletzt, wonach der einen Partei (dem in der Rechnung genannten Erwerber oder Empfänger) mit einem Steuerprüfungsbescheid ein Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, während bei der anderen Partei (dem Aussteller der Rechnung) - wieder mit einem Steuerprüfungsbescheid - keine Berichtigung der ausgewiesenen Mehrwertsteuer vorgenommen wird, und zwar in folgenden Fällen:

    - der Aussteller der Rechnung hat im Rahmen der bei ihm durchgeführten Steuerprüfung keine Dokumente vorgelegt;

    - der Aussteller der Rechnung hat im Steuerprüfungsverfahren Dokumente vorgelegt, jedoch haben seine Lieferer keine Beweise vorgelegt oder anhand der vorgelegten Beweise lässt sich nicht feststellen, dass tatsächlich Gegenstände geliefert oder Dienstleistungen erbracht wurden;

    - im Steuerprüfungsverfahren des Ausstellers der Rechnungen wurden die fraglichen Lieferungen in der Kette nicht überprüft?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage
    26

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 203 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer von dieser Person unabhängig davon geschuldet wird, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt, und ob allein aus dem Umstand, dass die Steuerverwaltung in einem an den Aussteller dieser Rechnung ergangenen Steuerprüfungsbescheid die von diesem erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, geschlossen werden kann, dass diese Verwaltung anerkannt hat, dass der Rechnung ein tatsächlich bewirkter steuerpflichtiger Umsatz gegenübersteht.
    27

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Frage zwar auf das Bestehen einer Steuerschuld des Ausstellers einer Rechnung gegenüber der Steuerverwaltung bezieht, jedoch im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Steuerverwaltung und dem Empfänger der streitigen Rechnungen gestellt wird. Dieser Rechtsstreit betrifft das Recht des Rechnungsempfängers, die in den vorgelegten Rechnungen ausgewiesene Mehrwertsteuer abzuziehen, das ihm mit der Begründung versagt wird, dass diesen Rechnungen keine tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Lieferungen gegenüberstünden, was der Steuerpflichtige bestreitet.
    28

    Im Rahmen dieses Rechtsstreits, an dem der Aussteller der streitigen Rechnungen nicht beteiligt ist, erlangen dessen Pflichten gegenüber der Steuerverwaltung nur indirekt insoweit Bedeutung, als ein an ihn ergangener Steuerprüfungsbescheid als Beweis für die tatsächliche Bewirkung der steuerpflichtigen Umsätze vorgelegt wurde.
    29

    In Bezug auf die Vorgängerbestimmung von Art. 203 der Richtlinie 2006/112, d. h. Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 (ABl. L 376, S. 1) geänderten Fassung, hat der Gerichtshof entschieden, dass nach dieser Bestimmung jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument ausweist, diese Steuer schuldet. Insbesondere schuldet sie die in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer unabhängig davon, ob sie aufgrund eines mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes verpflichtet ist, diese zu entrichten (vgl. Urteil vom 18. Juni 2009, Stadeco, C-566/07, Slg. 2009, I-5295, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
    30

    Nach Art. 167 in Verbindung mit Art. 63 der Richtlinie 2006/112 knüpft das Recht auf Abzug der in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer zwar generell an die tatsächliche Bewirkung eines steuerpflichtigen Umsatzes an (vgl. Urteil vom 26. Mai 2005, António Jorge, C-536/03, Slg. 2005, I-4463, Randnrn. 24 und 25), und die Ausübung dieses Rechts erstreckt sich nicht auf die Mehrwertsteuer, die nach Art. 203 dieser Richtlinie ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist (vgl. u. a. Urteile vom 13. Dezember 1989, Genius, C-342/87, Slg. 1989, 4227, Randnrn. 13 und 19, und vom 15. März 2007, Reemtsma Cigarettenfabriken, C-35/05, Slg. 2007, I-2425, Randnr. 23).
    31

    Allerdings ist die Gefährdung des Steueraufkommens grundsätzlich nicht vollständig beseitigt, solange der Empfänger einer Rechnung, in der die Mehrwertsteuer zu Unrecht ausgewiesen ist, diese noch dazu nutzen kann, das Abzugsrecht nach Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Stadeco, Randnr. 29).
    32

    Daher soll mit der in Art. 203 dieser Richtlinie vorgesehenen Pflicht der Gefährdung des Steueraufkommens entgegengewirkt werden, die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug nach den Art. 167 ff. der Richtlinie ergeben kann (vgl. Urteil Stadeco, Randnr. 28).
    33

    Angesichts dieser Zielsetzung wird diese Pflicht durch die von den Mitgliedstaaten in ihren innerstaatlichen Rechtsordnungen vorzusehende Möglichkeit begrenzt, jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu berichtigen, wenn der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben nachweist oder wenn er die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Genius, Randnr. 18, vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel, C-454/98, Slg. 2000, I-6973, Randnrn. 56 bis 61 und 63, und vom 6. November 2003, Karageorgou u. a., C-78/02 bis C-80/02, Slg. 2003, I-13295, Randnr. 50).
    34

    Unter Berücksichtigung zum einen dieser Möglichkeit einer Berichtigung und zum anderen der Gefahr, dass die Rechnung, in der zu Unrecht Mehrwertsteuer ausgewiesen wird, für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug genutzt werden kann, kann die in Art. 203 der Richtlinie 2006/112 vorgesehene Pflicht nicht so verstanden werden, dass sie der geschuldeten Zahlung Sanktionscharakter verleiht.
    35

    Aus dem Vorstehenden ergibt sich überdies, dass, soweit der Aussteller einer Rechnung nicht einen der in Randnr. 33 des vorliegenden Urteils angeführten Fälle geltend macht, in denen die Berichtigung von zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer zulässig ist, die Steuerverwaltung im Rahmen einer Steuerprüfung bei diesem Aussteller nicht verpflichtet ist, zu prüfen, ob der in Rechnung gestellten und erklärten Mehrwertsteuer tatsächlich steuerpflichtige Umsätze gegenüberstehen, die von ihm bewirkt wurden.
    36

    Besteht aber keine derartige Prüfungspflicht, kann allein daraus, dass die Steuerverwaltung die vom Rechnungsaussteller erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, nicht geschlossen werden, dass die Steuerverwaltung anerkannt hat, dass den ausgestellten Rechnungen tatsächlich bewirkte steuerpflichtige Umsätze gegenüberstanden.
    37

    Das Unionsrecht schließt es jedoch nicht aus, dass die zuständige Verwaltung prüft, ob von einem Steuerpflichtigen in Rechnung gestellte Umsätze vorliegen, und dass sie die Steuerschuld, die sich aus den vom Steuerpflichtigen abgegebenen Erklärungen ergibt, gegebenenfalls berichtigt. Das Ergebnis einer solchen Prüfung stellt - ebenso wie die Erklärung und die Abführung von in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer durch den Aussteller der Rechnung - einen Gesichtspunkt dar, den das nationale Gericht bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen hat, ob in einem konkreten Fall ein steuerpflichtiger Umsatz vorliegt, der dem Rechnungsempfänger das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnet.
    38

    Demnach ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 203 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass

    - die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer von dieser Person unabhängig davon geschuldet wird, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt;

    - allein aus dem Umstand, dass die Steuerverwaltung in einem an den Aussteller dieser Rechnung ergangenen Steuerprüfungsbescheid die von diesem erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, nicht geschlossen werden kann, dass diese Verwaltung anerkannt hat, dass der Rechnung ein tatsächlich bewirkter steuerpflichtiger Umsatz gegenübersteht.

    Zur zweiten Frage
    39

    Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes dahin auszulegen sind, dass sie es verwehren, dass dem Empfänger einer Rechnung das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, obwohl die vom Aussteller der Rechnung erklärte Mehrwertsteuer in dem an diesen ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde.
    40

    Es wird somit die Frage aufgeworfen, ob das Unionsrecht es verlangt, dass die Frage, ob die Lieferung eines Gegenstands oder eine Dienstleistung tatsächlich erfolgt ist, beim Aussteller der Rechnung und beim Rechnungsempfänger gleich beurteilt wird.
    41

    Hinsichtlich der bei Nichtvorliegen eines steuerpflichtigen Umsatzes zu Unrecht in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer ergibt sich aus der Richtlinie 2006/112, dass die beiden beteiligten Wirtschaftsteilnehmer - wie aus den Randnrn. 29 bis 33 des vorliegenden Urteils ersichtlich ist - nicht notwendigerweise gleichbehandelt werden, wenn der Rechnungsaussteller die Rechnung nicht berichtigt hat.
    42

    Zum einen schuldet nämlich der Aussteller einer Rechnung die darin ausgewiesene Mehrwertsteuer gemäß Art. 203 der Richtlinie 2006/112 auch, wenn kein steuerpflichtiger Umsatz vorliegt. Zum anderen ist die Ausübung des Rechts des Rechnungsempfängers auf Vorsteuerabzug nach Art. 63 in Verbindung mit Art. 167 dieser Richtlinie auf die Steuern beschränkt, die auf einen mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz entfallen.
    43

    In einer solchen Situation wird der Grundsatz der steuerlichen Neutralität durch die von den Mitgliedstaaten vorzusehende und in Randnr. 33 des vorliegenden Urteils erwähnte Möglichkeit gewahrt, jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu berichtigen, wenn der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben nachweist oder wenn er die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat.
    44

    Daraus folgt, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität es nicht verwehrt, dass dem Rechnungsempfänger der Vorsteuerabzug deshalb versagt wird, weil kein steuerpflichtiger Umsatz vorliegt, obwohl die vom Rechnungsaussteller erklärte Mehrwertsteuer in dem an ihn ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde.
    45

    Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, hat im Ausgangsverfahren die Steuerverwaltung insbesondere aus der Tatsache, dass der Lieferer oder dessen Lieferer nicht alle bei einer Steuerprüfung verlangten Dokumente vorgelegt hatten, den Schluss gezogen, es liege keine steuerpflichtige Lieferung vor. Da diese Schlussfolgerung von der Klägerin bestritten wird, ist es Sache des nationalen Gerichts, sie gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts durch eine umfassende Beurteilung aller Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände der Ausgangsrechtssache zu überprüfen (vgl. entsprechend Urteile vom 6. September 2012, Mecsek-Gabona, C-273/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 53, und vom 6. Dezember 2012, Bonik, C-285/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32).
    46

    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass zwar die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der Richtlinie 2006/112 anerkannt und gefördert wird, und eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf die Bestimmungen des Unionsrechts nicht gestattet ist (vgl. u. a. Urteile vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Randnrn. 68 und 71, vom 21. Juni 2012, Mahagében und Dávid, C-80/11 und C-142/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 41, und Bonik, Randnrn. 35 und 36).
    47

    Daher haben die nationalen Behörden und Gerichte das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling, C-439/04 und C-440/04, Slg. 2006, I-6161, Randnr. 55, Mahagében und Dávid, Randnr. 42, und Bonik, Randnr. 37).
    48

    Gleichwohl ist es nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung mit der Vorsteuerabzugsregelung der Richtlinie 2006/112 nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausging oder nachfolgte, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung dieses Rechts mit einer Sanktion zu belegen (vgl. u. a. Urteile vom 12. Januar 2006, Optigen u. a., C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Slg. 2006, I-483, Randnrn. 52 und 55, Kittel und Recolta Recycling, Randnrn. 45, 46 und 60, Mahagében und Dávid, Randnr. 47, und Bonik, Randnr. 41).
    49

    Außerdem hat der Gerichtshof in den Randnrn. 61 bis 65 des Urteils Mahagében und Dávid entschieden, dass die Steuerverwaltung von dem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, nicht generell verlangen kann, zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, Steuerpflichtiger ist, über die fraglichen Gegenstände verfügte und sie liefern konnte und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und der Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass bei den Wirtschaftsteilnehmern einer vorgelagerten Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten oder Steuerhinterziehung vorliegen, oder entsprechende Unterlagen vorzulegen.
    50

    Folglich muss ein nationales Gericht, das zu entscheiden hat, ob es in einem bestimmten Fall an einem steuerpflichtigen Umsatz fehlt, und vor dem sich die Steuerverwaltung insbesondere auf vom Rechnungsaussteller oder einem seiner Lieferer begangene Unregelmäßigkeiten - wie Lücken in der Buchführung - beruft, dafür Sorge tragen, dass die Beweiswürdigung nicht dazu führt, dass die in Randnr. 48 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung ihren Sinn verliert und der Empfänger der Rechnung mittelbar zu Nachprüfungen bei seinem Vertragspartner verpflichtet wird, die ihm grundsätzlich nicht obliegen.
    51

    Folgt in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug aus einer Anwendung der Richtlinie 2006/112, die den sich aus den Randnrn. 47 bis 50 des vorliegenden Urteils ergebenden Erfordernissen Rechnung trägt, besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes dieser Versagung entgegenstünden.
    52

    Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes dahin auszulegen sind, dass sie es nicht verwehren, dass dem Empfänger einer Rechnung mangels Vorliegens eines tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Umsatzes das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, obwohl die vom Aussteller der Rechnung erklärte Mehrwertsteuer in dem an diesen ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde. Wird jedoch in Anbetracht von Steuerhinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten, die dieser Aussteller begangen hat oder die dem Umsatz, auf den das Recht auf Vorsteuerabzug gestützt wird, vorausgegangen sind, davon ausgegangen, dass dieser Umsatz tatsächlich nicht bewirkt wurde, ist anhand objektiver Gesichtspunkte und ohne dass vom Rechnungsempfänger Nachprüfungen verlangt werden, die ihm nicht obliegen, nachzuweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder wissen musste, dass dieser Umsatz in eine Hinterziehung von Mehrwertsteuer einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

    Kosten
    53

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

    1. Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass

    - die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer von dieser Person unabhängig davon geschuldet wird, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt;

    - allein aus dem Umstand, dass die Steuerverwaltung in einem an den Aussteller dieser Rechnung ergangenen Steuerprüfungsbescheid die von diesem erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, nicht geschlossen werden kann, dass diese Verwaltung anerkannt hat, dass der Rechnung ein tatsächlich bewirkter steuerpflichtiger Umsatz gegenübersteht.

    2. Die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes sind dahin auszulegen, dass sie es nicht verwehren, dass dem Empfänger einer Rechnung mangels Vorliegens eines tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Umsatzes das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, obwohl die vom Aussteller der Rechnung erklärte Mehrwertsteuer in dem an diesen ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde. Wird jedoch in Anbetracht von Steuerhinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten, die dieser Aussteller begangen hat oder die dem Umsatz, auf den das Recht auf Vorsteuerabzug gestützt wird, vorausgegangen sind, davon ausgegangen, dass dieser Umsatz tatsächlich nicht bewirkt wurde, ist anhand objektiver Gesichtspunkte und ohne dass vom Rechnungsempfänger Nachprüfungen verlangt werden, die ihm nicht obliegen, nachzuweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder wissen musste, dass dieser Umsatz in eine Hinterziehung von Me

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