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  • 07.03.2013 · IWW-Abrufnummer 130795

    Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 31.01.2013 – C-643/11

    1. Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass

    - die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer von dieser Person unabhängig davon geschuldet wird, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt;

    - allein aus dem Umstand, dass die Steuerverwaltung in einem an den Aussteller dieser Rechnung ergangenen Steuerprüfungsbescheid die von diesem erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, nicht geschlossen werden kann, dass diese Verwaltung anerkannt hat, dass der Rechnung ein tatsächlich bewirkter steuerpflichtiger Umsatz gegenübersteht.

    2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass die Art. 167 und 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 sowie die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung es nicht verwehren, dass dem Empfänger einer Rechnung mangels Vorliegens eines tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Umsatzes das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, obwohl die vom Aussteller der Rechnung erklärte Mehrwertsteuer in dem an diesen ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde. Wird jedoch in Anbetracht von Steuerhinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten, die dieser Aussteller begangen hat oder die dem Umsatz, auf den das Recht auf Vorsteuerabzug gestützt wird, vorausgegangen sind, davon ausgegangen, dass dieser Umsatz tatsächlich nicht bewirkt wurde, ist anhand objektiver Gesichtspunkte und ohne dass vom Rechnungsempfänger Nachprüfungen verlangt werden, die ihm nicht obliegen, nachzuweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder wissen musste, dass dieser Umsatz in eine Hinterziehung von Mehrwertsteuer einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.


    EuGH

    31.01.2013

    Rs. C-643/11

    In der Rechtssache C-643/11

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Varna (Bulgarien) mit Entscheidung vom 2. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Dezember 2011, in dem Verfahren

    LVK - 56 EOOD

    gegen

    Direktor na Direktsia "Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" - Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, G. Arestis, J. Malenovský und T. von Danwitz (Berichterstatter),

    Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    - der LVK - 56 EOOD, vertreten durch P. Bakalova, advokat,

    - des Direktor na Direktsia "Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" - Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite, vertreten durch S. Zlateva als Bevollmächtigte,

    - der bulgarischen Regierung, vertreten durch T. Ivanov und D. Drambozova als Bevollmächtigte,

    - der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und D. Roussanov als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil
    Tenor:

    1. Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass

    - die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer von dieser Person unabhängig davon geschuldet wird, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt;

    - allein aus dem Umstand, dass die Steuerverwaltung in einem an den Aussteller dieser Rechnung ergangenen Steuerprüfungsbescheid die von diesem erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, nicht geschlossen werden kann, dass diese Verwaltung anerkannt hat, dass der Rechnung ein tatsächlich bewirkter steuerpflichtiger Umsatz gegenübersteht.

    2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass die Art. 167 und 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 sowie die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung es nicht verwehren, dass dem Empfänger einer Rechnung mangels Vorliegens eines tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Umsatzes das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, obwohl die vom Aussteller der Rechnung erklärte Mehrwertsteuer in dem an diesen ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde. Wird jedoch in Anbetracht von Steuerhinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten, die dieser Aussteller begangen hat oder die dem Umsatz, auf den das Recht auf Vorsteuerabzug gestützt wird, vorausgegangen sind, davon ausgegangen, dass dieser Umsatz tatsächlich nicht bewirkt wurde, ist anhand objektiver Gesichtspunkte und ohne dass vom Rechnungsempfänger Nachprüfungen verlangt werden, die ihm nicht obliegen, nachzuweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder wissen musste, dass dieser Umsatz in eine Hinterziehung von Mehrwertsteuer einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
    Entscheidungsgründe
    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1).
    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den die LVK - 56 EOOD (im Folgenden: LVK) gegen den Direktor na Direktsia "Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" - Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (Direktor der Direktion "Anfechtung und Vollzugsverwaltung" Varna bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen) führt, weil dieser ihr das Recht auf Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt hat, dass die tatsächliche Bewirkung der Eingangsumsätze nicht nachgewiesen worden sei.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht
    3

    Nach dem 39. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/112 "[sollte] [d]er Vorsteuerabzug ... insoweit harmonisiert werden, als er die tatsächliche Höhe der Besteuerung beeinflusst, und die Pro-rata-Sätze des Vorsteuerabzugs sollten in allen Mitgliedstaaten auf gleiche Weise berechnet werden".
    4

    Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c dieser Richtlinie unterliegen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt bzw. erbringt, der Mehrwertsteuer.
    5

    Art. 62 der Richtlinie lautet:

    "Für die Zwecke dieser Richtlinie gilt

    (1) als 'Steuertatbestand' der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;

    (2) als 'Steueranspruch' der Anspruch auf Zahlung der Steuer, den der Fiskus kraft Gesetzes gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt an geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann."
    6

    Nach Art. 63 der Richtlinie 2006/112 treten Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.
    7

    Art. 73 dieser Richtlinie sieht vor, dass "[b]ei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Art. 74 bis 77 fallen, ... die Steuerbemessungsgrundlage alles [umfasst], was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen".
    8

    Art. 167 der Richtlinie lautet: "Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht."
    9

    Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 sieht vor:

    "Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

    a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden ..."
    10

    Art. 178 der genannten Richtlinie bestimmt:

    "Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:

    a) für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe a in Bezug auf die Lieferungen von Gegenständen und [das] Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß den Artikeln 220 bis 236 sowie 238, 239 und 240 ausgestellte Rechnung besitzen;

    ..."
    11

    Nach Art. 179 Abs. 1 dieser Richtlinie "[wird] [d]er Vorsteuerabzug ... vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den Betrag der Mehrwertsteuer absetzt, für die während des gleichen Steuerzeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und gemäß Artikel 178 ausgeübt wird".
    12

    In Titel XI ("Pflichten der Steuerpflichtigen und bestimmter nichtsteuerpflichtiger Personen") Kapitel 1 ("Zahlungspflicht") Abschnitt 1 ("Steuerschuldner gegenüber dem Fiskus") der Richtlinie 2006/112 bestimmt Art. 203:

    "Die Mehrwertsteuer wird von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist."
    13

    Art. 273 in Titel XI Kapitel 7 ("Verschiedenes") dieser Richtlinie lautet:

    "Die Mitgliedstaaten können vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Formalitäten beim Grenzübertritt führen.

    Die Möglichkeit nach Absatz 1 darf nicht dazu genutzt werden, zusätzlich zu den in Kapitel 3 genannten Pflichten weitere Pflichten in Bezug auf die Rechnungsstellung festzulegen."
    14

    Art. 395 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie sieht vor:

    "(1) Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern.

    Die Maßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung dürfen den Gesamtbetrag der von dem Mitgliedstaat auf der Stufe des Endverbrauchs erhobenen Steuer nur in unerheblichem Maße beeinflussen.

    (2) Ein Mitgliedstaat, der die in Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen einführen möchte, sendet der Kommission einen Antrag und übermittelt ihr alle erforderlichen Angaben. Ist die Kommission der Auffassung, dass ihr nicht alle erforderlichen Angaben vorliegen, teilt sie dem betreffenden Mitgliedstaat innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrags mit, welche zusätzlichen Angaben sie benötigt.

    Sobald die Kommission über alle Angaben verfügt, die ihres Erachtens für die Beurteilung des Antrags zweckdienlich sind, unterrichtet sie den antragstellenden Mitgliedstaat hiervon innerhalb eines Monats und übermittelt den Antrag in der Originalsprache an die anderen Mitgliedstaaten.

    (3) Innerhalb von drei Monaten nach der Unterrichtung gemäß Absatz 2 Unterabsatz 2 unterbreitet die Kommission dem Rat einen geeigneten Vorschlag oder legt ihm gegebenenfalls ihre Einwände in einer Mitteilung dar."

    Bulgarisches Recht
    15

    Gemäß Art. 70 Abs. 5 des Zakon za danak varhu dobavenata stoynost (Mehrwertsteuergesetz, DV Nr. 63 vom 4. August 2006) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: ZDDS) "besteht kein Recht auf Vorsteuerabzug, wenn die Mehrwertsteuer zu Unrecht in Rechnung gestellt wurde".
    16

    Nach Art. 71 Nr. 1 ZDDS kann der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit ihm gelieferten Gegenständen oder erbrachten Dienstleistungen das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben, wenn er im Besitz eines Steuerbelegs ist, der den Erfordernissen der Art. 114 und 115 ZDDS entspricht und in dem die Steuer in einer eigenen Zeile ausgewiesen ist.
    17

    Nach Art. 82 Abs. 1 ZDDS "[entsteht d]er Steueranspruch ... gegen eine nach diesem Gesetz registrierte Person, die die steuerpflichtige Lieferung tätigt oder die steuerpflichtige Dienstleistung erbringt".
    18

    Nach Art. 85 ZDDS entsteht der Steueranspruch auch gegen jede Person, die die Mehrwertsteuer in einem Steuerbeleg im Sinne des Art. 112 ZDDS, insbesondere in einer Rechnung, ausweist.
    19

    Art. 113 Abs. 1 und 2 ZDDS bestimmt:

    "(1) Jede steuerpflichtige Person, die Umsätze bewirkt, muss für die von ihr vorgenommene Lieferung eines Gegenstands oder Erbringung einer Dienstleistung und beim Erhalt einer Vorauszahlung eine Rechnung ausstellen, es sei denn, der Umsatz wird durch ein Protokoll nach Art. 117 belegt.

    (2) Die Rechnung ist in mindestens zwei Exemplaren auszustellen, eines für den Lieferer oder Dienstleistenden und eines für den Erwerber oder Empfänger."
    20

    Nach Art. 115 Abs. 1 ZDDS muss der Lieferer oder Dienstleistende im Fall einer Änderung der Steuerbemessungsgrundlage eines Umsatzes und im Fall der Rückgängigmachung eines Umsatzes, für den eine Rechnung ausgestellt wurde, eine Anzeige zur Rechnung erstellen.
    21

    Art. 116 ZDDS bestimmt:

    "(1) Berichtigungen und Zusätze in Rechnungen und in Anzeigen zu diesen sind nicht zulässig. Unrichtig erstellte oder berichtigte Dokumente sind zu annullieren, und es sind neue Dokumente zu erstellen.

    ...

    (3) Als unrichtig erstellte Dokumente gelten auch ausgestellte Rechnungen und Anzeigen zu diesen, in denen Steuer ausgewiesen wurde, obwohl keine auszuweisen gewesen wäre.

    (4) Wenn unrichtig erstellte oder berichtigte Dokumente in den Büchern des Lieferers bzw. Dienstleistenden oder des Erwerbers bzw. Empfängers wiedergegeben sind, ist über ihre Annullierung zudem für jede der Parteien ein Protokoll zu erstellen, das Folgendes enthält:

    1. den Grund für die Annullierung;

    2. die Nummer und das Datum des Dokuments, das annulliert wird;

    3. die Nummer und das Datum des ausgestellten neuen Dokuments;

    4. die Unterschriften der Personen, die das Protokoll für jede der Parteien erstellt haben.

    ..."

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
    22

    LVK, eine landwirtschaftliche Erzeugerin, machte im September und im Oktober 2007 das Recht auf Vorsteuerabzug in Bezug auf mehrere Rechnungen über Warenlieferungen geltend, die von der REYA - 96 OOD (im Folgenden: REYA) und von der SITI GRUP 76 DZZD (im Folgenden: SITI GRUP) ausgestellt worden waren, die in der Zwischenzeit aus dem Mehrwertsteuerregister gestrichen wurden. Alle diese Rechnungen wurden bar bezahlt und bei LVK verbucht. Es steht auch fest, dass die entsprechenden Lieferungen in den Verkaufsbüchern der Lieferer eingetragen sind.
    23

    Die Steuerverwaltung führte bei den beiden Lieferern Gegenprüfungen durch. Dabei verlangte sie die Vorlage einer Reihe von Dokumenten u. a. zur Herkunft der gelieferten Waren und zur Durchführung der Lieferung. Die Lieferer kamen dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach.
    24

    Auf Aufforderung der Steuerverwaltung, Beweise für die tatsächliche Bewirkung der fraglichen Lieferungen beizubringen, legte LVK Lieferscheine, Gewichtsbescheinigungen und Frachtbriefe vor, die jedoch fehlerhaft waren.
    25

    Die Steuerverwaltung kam zu dem Ergebnis, dass die Durchführung der in Rechnung gestellten Lieferungen nicht nachgewiesen worden sei, so dass die Mehrwertsteuer in den fraglichen Rechnungen zu Unrecht ausgewiesen worden sei. Sie richtete daher am 20. Dezember 2010 an LVK einen Steuerprüfungsbescheid, mit dem ihr das Recht auf Vorsteuerabzug hinsichtlich dieser Rechnungen (im Folgenden: streitiger Steuerprüfungsbescheid) versagt wurde.
    26

    Nachdem der streitige Steuerprüfungsbescheid durch den Direktor na Direktsia "Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto" - Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite mit Bescheid vom 18. Februar 2011 bestätigt worden war, erhob LVK Klage beim Administrativen sad Varna und machte geltend, dass den fraglichen Rechnungen tatsächliche Lieferungen von Gegenständen gegenüberstünden, so dass es keinen Grund gebe, ihr das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen.
    27

    Während des Ausgangsverfahrens wurden zwei Steuerprüfungsbescheide, die an REYA und SITI GRUP gerichtet waren, zu den Akten gereicht. Diese Bescheide wurden vor dem streitigen Steuerprüfungsbescheid erlassen und betreffen den im Ausgangsverfahren streitigen Zeitraum. Aus diesen Bescheiden geht hervor, dass die Steuerverwaltung keine Gründe für eine Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage und der für die Lieferungen von REYA und SITI GRUP in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer festgestellt hatte.
    28

    Das vorlegende Gericht führt aus, dass es zu beurteilen habe, ob das Vorliegen des Entstehungstatbestands für die Vorsteuer hinreichend nachgewiesen sei, da die Steuerverwaltung die Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug darauf gestützt habe, dass die Lieferer von LVK die verlangten Dokumente nicht vorgelegt hätten und in den von LVK als Empfängerin der streitigen Lieferungen vorgelegten Dokumenten bestimmte Angaben gefehlt hätten oder fehlerhaft gewesen seien. Für diese Beurteilung möchte das vorlegende Gericht im Hinblick auf das Unionsrecht wissen, welche Bedeutung die gegenüber den Lieferern von LVK erlassenen Steuerprüfungsbescheide haben und ob man daraus schließen kann, dass die Steuerverwaltung anerkannt hat, dass den fraglichen Rechnungen tatsächlich bewirkte steuerpflichtige Umsätze gegenüberstanden.
    29

    Unter diesen Umständen hat der Administrativen sad Varna beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1. Umfasst Art. 203 der Richtlinie 2006/112 alle Fälle von unrichtig in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer, einschließlich der Fälle, in denen eine Rechnung mit darin ausgewiesener Mehrwertsteuer ausgestellt wurde, ohne dass ein Steuertatbestand eingetreten ist? Falls diese Frage bejaht wird: Erfordern die Art. 203 und 273 der Richtlinie 2006/112, dass die Mitgliedstaaten ausdrücklich regeln, dass die Mehrwertsteuer, die in einer Rechnung ausgewiesen wurde, hinsichtlich deren kein Umsatz bewirkt worden ist, geschuldet wird, oder genügt die Umsetzung der allgemeinen Regel der Richtlinie, wonach die Steuer von jedem geschuldet wird, der sie in einer Rechnung ausweist?

    2. Erfordern die Art. 73, 179 und 203 der Richtlinie 2006/112 in Anbetracht des 39. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2006/112 und zur Gewährleistung der Genauigkeit der Vorsteuerabzüge, dass, wenn in einer Rechnung Mehrwertsteuer ausgewiesen wurde, ohne dass ein Steuertatbestand eingetreten ist, die für Einnahmen zuständigen Stellen eine Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage und der in Rechnung gestellten Steuer vornehmen?

    3. Können die Sondermaßnahmen nach Art. 395 der Richtlinie 2006/112 in einer Steuerpraxis wie der des Ausgangsverfahrens bestehen, wonach die für Einnahmen zuständigen Stellen zwecks Kontrolle der Vorsteuerabzüge nur den ausgeübten Vorsteuerabzug überprüfen, während die Steuer auf die bewirkten Umsätze bereits deswegen als unbedingt geschuldet angesehen wird, weil sie in einer Rechnung ausgewiesen wurde? Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird: Ist es nach Art. 203 der Richtlinie 2006/112 zulässig - und wenn ja, in welchen Fällen -, dass für denselben Umsatz Mehrwertsteuer einmal beim Lieferer oder Dienstleistenden erhoben wird, weil er die Steuer in einer Rechnung ausgewiesen hat, und ein zweites Mal beim Erwerber der Lieferung oder Empfänger der Dienstleistung, indem ihm das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird?

    4. Wird durch eine Steuerpraxis wie die des Ausgangsverfahrens - wonach dem Erwerber einer steuerpflichtigen Lieferung oder Empfänger einer steuerpflichtigen Dienstleistung ein Recht auf Vorsteuerabzug wegen "fehlenden Nachweises der Bewirkung des Umsatzes" versagt wird, ohne die bereits getroffenen Feststellungen zu berücksichtigen, dass ein Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistenden entstanden ist und die Steuer von ihm geschuldet wird, wobei bis zum Zeitpunkt der Beurteilung des Entstehens des Vorsteuerabzugsrechts der betreffende Steuerprüfungsbescheid nicht abgeändert wurde bzw. kein Grund auftrat und festgestellt wurde, ihn auf dem vom Staat vorgesehenen Weg abzuändern -, die Nichtkumulierbarkeit der Mehrwertsteuer verletzt, und widerspricht diese Steuerpraxis den Grundsätzen der Rechtssicherheit, der Gleichbehandlung und der steuerlichen Neutralität?

    5. Ist es nach den Art. 167 und 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 zulässig, dass das Recht auf Vorsteuerabzug dem Erwerber einer steuerpflichtigen Lieferung oder Empfänger einer steuerpflichtigen Dienstleistung, der alle Bedingungen des Art. 178 der Richtlinie erfüllt, versagt wird, nachdem mit einem gegenüber dem Lieferer oder Dienstleistenden erlassenen und bestandskräftig gewordenen Steuerprüfungsbescheid keine Berichtigung der für diesen Umsatz in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer wegen "fehlenden Eintretens eines Steuertatbestands" vorgenommen wurde, sondern der Steueranspruch als entstanden anerkannt wurde und bei der Ermittlung des Ergebnisses des betreffenden Steuerzeitraums berücksichtigt wurde? Ist für die Beantwortung dieser Frage der Umstand von Bedeutung, dass der Lieferer oder Dienstleistende im Verlauf der Steuerprüfung keine Buchführungsunterlagen vorgelegt hat und das Ergebnis für diesen Zeitraum lediglich anhand der Angaben in den Mehrwertsteuererklärungen sowie in den Verkaufs- und den Einkaufsbüchern ermittelt wurde?

    6. Je nach Beantwortung der vorstehenden Fragen: Sind die Art. 167 und 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen, dass die Neutralität der Mehrwertsteuer es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens erfordert, dass der Steuerpflichtige die für die Umsätze in Rechnung gestellte Steuer abziehen kann?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten und zur zweiten Frage
    30

    Mit der ersten und der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 203 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer von dieser Person unabhängig davon geschuldet wird, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt, und ob allein aus dem Umstand, dass die Steuerverwaltung in einem an den Aussteller dieser Rechnung ergangenen Steuerprüfungsbescheid die von diesem erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, geschlossen werden kann, dass diese Verwaltung anerkannt hat, dass der Rechnung ein tatsächlich bewirkter steuerpflichtiger Umsatz gegenübersteht.
    31

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Fragen zwar auf das Bestehen einer Steuerschuld des Ausstellers einer Rechnung gegenüber der Steuerverwaltung beziehen, jedoch im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Steuerverwaltung und dem Empfänger der streitigen Rechnungen gestellt werden. Dieser Rechtsstreit betrifft das Recht des Rechnungsempfängers, die in den vorgelegten Rechnungen ausgewiesene Mehrwertsteuer abzuziehen, das ihm mit der Begründung versagt wird, dass diesen Rechnungen keine tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Lieferungen gegenüberstünden, was der Steuerpflichtige bestreitet.
    32

    Im Rahmen dieses Rechtsstreits, an dem der Aussteller der streitigen Rechnung nicht beteiligt ist, erlangen dessen Pflichten gegenüber der Steuerverwaltung nur indirekt insoweit Bedeutung, als ein an ihn ergangener Steuerprüfungsbescheid als Beweis für die tatsächliche Bewirkung der steuerpflichtigen Umsätze vorgelegt wurde.
    33

    In Bezug auf die Vorgängerbestimmung von Art. 203 der Richtlinie 2006/112, d. h. Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 (ABl. L 376, S. 1) geänderten Fassung hat der Gerichtshof entschieden, dass nach dieser Bestimmung jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument ausweist, diese Steuer schuldet. Insbesondere schuldet sie die in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer unabhängig davon, ob sie aufgrund eines mehrwertsteuerpflichtigen Umsatzes verpflichtet ist, diese zu entrichten (vgl. Urteil vom 18. Juni 2009, Stadeco, C-566/07, Slg. 2009, I-5295, Randnr. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
    34

    Nach Art. 167 in Verbindung mit Art. 63 der Richtlinie 2006/112 knüpft das Recht auf Abzug der in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer zwar generell an die tatsächliche Bewirkung eines steuerpflichtigen Umsatzes an (vgl. Urteil vom 26. Mai 2005, António Jorge, C-536/03, Slg. 2005, I-4463, Randnrn. 24 und 25), und die Ausübung dieses Rechts erstreckt sich nicht auf die Mehrwertsteuer, die nach Art. 203 dieser Richtlinie ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist (vgl. u. a. Urteile vom 13. Dezember 1989, Genius, C-342/87, Slg. 1989, 4227, Randnrn. 13 und 19, sowie vom 15. März 2007, Reemtsma Cigarettenfabriken, C-35/05, Slg. 2007, I-2425, Randnr. 23).
    35

    Allerdings ist die Gefährdung des Steueraufkommens grundsätzlich nicht vollständig beseitigt, solange der Empfänger einer Rechnung, in der die Mehrwertsteuer zu Unrecht ausgewiesen ist, diese noch dazu nutzen kann, das Abzugsrecht nach Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Stadeco, Randnr. 29).
    36

    Daher soll mit der in Art. 203 dieser Richtlinie vorgesehenen Pflicht der Gefährdung des Steueraufkommens entgegengewirkt werden, die sich aus dem Recht auf Vorsteuerabzug nach den Art. 167 ff. der Richtlinie ergeben kann (vgl. Urteil Stadeco, Randnr. 28).
    37

    Angesichts dieser Zielsetzung wird diese Pflicht durch die von den Mitgliedstaaten in ihren innerstaatlichen Rechtsordnungen vorzusehende Möglichkeit begrenzt, jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu berichtigen, wenn der Aussteller der Rechnung seinen guten Glauben nachweist oder die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile Genius, Randnr. 18, vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel, C-454/98, Slg. 2000, I-6973, Randnrn. 56 bis 61 und 63, sowie vom 6. November 2003, Karageorgou u. a., C-78/02 bis C-80/02, Slg. 2003, I-13295, Randnr. 50).
    38

    Unter Berücksichtigung zum einen dieser Möglichkeit einer Berichtigung und zum anderen der Gefahr, dass die Rechnung, in der zu Unrecht Mehrwertsteuer ausgewiesen wird, für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug genutzt wird, kann die in Art. 203 der Richtlinie 2006/112 vorgesehene Pflicht nicht so verstanden werden, dass sie der geschuldeten Zahlung Sanktionscharakter verleiht.
    39

    Aus dem Vorstehenden ergibt sich überdies, dass, soweit der Aussteller einer Rechnung nicht einen der in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils angeführten Fälle geltend macht, in denen die Berichtigung von zu Unrecht in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer zulässig ist, die Steuerverwaltung im Rahmen einer Steuerprüfung bei diesem Aussteller nicht verpflichtet ist, zu prüfen, ob der in Rechnung gestellten und erklärten Mehrwertsteuer tatsächlich steuerpflichtige Umsätze gegenüberstehen, die von ihm bewirkt wurden.
    40

    Besteht aber keine derartige Prüfungspflicht, kann allein daraus, dass die Steuerverwaltung die vom Rechnungsaussteller erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, nicht geschlossen werden, dass die Steuerverwaltung anerkannt hat, dass den ausgestellten Rechnungen tatsächlich bewirkte steuerpflichtige Umsätze gegenüberstanden.
    41

    Das Unionsrecht schließt es jedoch nicht aus, dass die zuständige Verwaltung prüft, ob von einem Steuerpflichtigen in Rechnung gestellte Umsätze vorliegen, und dass sie die Steuerschuld, die sich aus den vom Steuerpflichtigen abgegebenen Erklärungen ergibt, gegebenenfalls berichtigt. Das Ergebnis einer solchen Prüfung stellt - ebenso wie die Erklärung und die Abführung von in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer durch den Aussteller der Rechnung - einen Gesichtspunkt dar, den das nationale Gericht bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen hat, ob in einem konkreten Fall ein steuerpflichtiger Umsatz vorliegt, der dem Rechnungsempfänger das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnet.
    42

    Nach alledem ist auf die erste und die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 203 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass

    - die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer von dieser Person unabhängig davon geschuldet wird, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt;

    - allein aus dem Umstand, dass die Steuerverwaltung in einem an den Aussteller dieser Rechnung ergangenen Steuerprüfungsbescheid die von diesem erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, nicht geschlossen werden kann, dass diese Verwaltung anerkannt hat, dass der Rechnung ein tatsächlich bewirkter steuerpflichtiger Umsatz gegenübersteht.

    Zum ersten Teil der dritten Frage
    43

    In Anbetracht der Antwort auf die erste und die zweite Frage ist der erste Teil der dritten Frage nicht zu beantworten.

    Zum zweiten Teil der dritten Frage und zu den Fragen 4 bis 6
    44

    Mit dem zweiten Teil der dritten Frage und den Fragen 4 bis 6 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass die Art. 167 und 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 sowie die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung es verwehren, dass dem Empfänger einer Rechnung das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, obwohl die vom Aussteller der Rechnung erklärte Mehrwertsteuer in dem an diesen ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde.
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    Es wird somit die Frage aufgeworfen, ob das Unionsrecht es verlangt, dass die Frage, ob die Lieferung eines Gegenstands oder eine Dienstleistung tatsächlich erfolgt ist, beim Aussteller der Rechnung und beim Rechnungsempfänger gleich beurteilt wird.
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    Hinsichtlich der bei Nichtvorliegen eines steuerpflichtigen Umsatzes zu Unrecht in Rechnung gestellten Mehrwertsteuer ergibt sich aus der Richtlinie 2006/112, dass die beiden beteiligten Wirtschaftsteilnehmer - wie aus den Randnrn. 33 bis 37 des vorliegenden Urteils ersichtlich ist - nicht notwendigerweise gleichbehandelt werden, wenn der Rechnungsaussteller die Rechnung nicht berichtigt hat.
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    Zum einen schuldet nämlich der Aussteller einer Rechnung die darin ausgewiesene Mehrwertsteuer gemäß Art. 203 der Richtlinie 2006/112 auch, wenn kein steuerpflichtiger Umsatz vorliegt. Zum anderen ist die Ausübung des Rechts des Rechnungsempfängers auf Vorsteuerabzug nach Art. 63 in Verbindung mit Art. 167 dieser Richtlinie auf die Steuern beschränkt, die auf einen mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz entfallen.
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    In einer solchen Situation wird der Grundsatz der steuerlichen Neutralität durch die von den Mitgliedstaaten vorzusehende und in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils erwähnte Möglichkeit gewahrt, jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu berichtigen, wenn der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben nachweist oder wenn er die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat.
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    Im Hinblick auf die in der Vorlageentscheidung aufgeworfenen Fragen ist klarzustellen, dass die Steuerbehörden den Rückgriff auf diese Möglichkeit nicht dadurch ausschließen dürfen, dass sie ihre Kontrollen systematisch so organisieren, dass zunächst ein Steuerprüfungsbescheid an den Aussteller einer Rechnung ergeht und dieser Bescheid gegebenenfalls sogar bestandskräftig wird, bevor der Empfänger der Rechnung kontrolliert wird. Ebenso wenig darf diese Möglichkeit bereits deshalb ausgeschlossen sein, weil der Aussteller der Rechnung zum Zeitpunkt der Berichtigung nicht mehr als Mehrwertsteuerpflichtiger registriert ist.
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    Folglich verwehren die Art. 167 und 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 sowie der Grundsatz der steuerlichen Neutralität es nicht, dass dem Rechnungsempfänger der Vorsteuerabzug deshalb versagt wird, weil kein steuerpflichtiger Umsatz vorliegt, obwohl die vom Rechnungsaussteller erklärte Mehrwertsteuer in dem an ihn ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde.
    51

    Was den Grundsatz der Rechtssicherheit angeht, ist darauf hinzuweisen, dass nach diesem Grundsatz, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, die Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren können (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C-81/10 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 100 und die dort angeführte Rechtsprechung).
    52

    Hinsichtlich der unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens geltenden Steuervorschriften gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Betroffene in Bezug auf die Anwendung dieser Vorschriften nicht angemessen orientieren konnte.
    53

    Demnach steht auch der Grundsatz der Rechtssicherheit der streitigen Versagung des Vorsteuerabzugs unter Umständen wie den in Randnr. 50 des vorliegenden Urteils angeführten nicht entgegen.
    54

    Dasselbe gilt für den Gleichbehandlungsgrundsatz.
    55

    Der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung, der im Mehrwertsteuerbereich durch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck gebracht wird (vgl. Urteile vom 10. April 2008, Marks & Spencer, C-309/06, Slg. 2008, I-2283, Randnr. 49, vom 29. Oktober 2009, NCC Construction Danmark, C-174/08, Slg. 2009, I-10567, Randnrn. 41 und 44, sowie vom 10. November 2011, The Rank Group, C-259/10 und C-260/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 61), verlangt, dass vergleichbare Situationen nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, dass eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre (vgl. Urteile Marks & Spencer, Randnr. 51, NCC Construction Danmark, Randnr. 44, sowie vom 9. Juni 2011, Campsa Estaciones de Servicio, C-285/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 29).
    56

    Wie aber in den Randnrn. 33 bis 37 sowie 46 und 47 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, ergibt sich aus den Bestimmungen der Richtlinie 2006/112, dass sich der Aussteller und der Empfänger einer Rechnung über eine Lieferung, die in Wirklichkeit nicht getätigt wurde, nicht in vergleichbaren Situationen befinden.
    57

    Was das Ausgangsverfahren betrifft, geht allerdings aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Steuerverwaltung insbesondere deshalb auf das Fehlen einer steuerpflichtigen Lieferung geschlossen hat, weil der Lieferer bei einer Steuerprüfung die verlangten Dokumente nicht vorgelegt hat. Da diese Schlussfolgerung von der Klägerin bestritten wird, ist es Sache des nationalen Gerichts, sie gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts durch eine umfassende Beurteilung aller Gesichtspunkte und tatsächlichen Umstände des Ausgangsverfahrens zu überprüfen (vgl. entsprechend Urteile vom 6. September 2012, Mecsek-Gabona, C-273/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 53, und vom 6. Dezember 2012, Bonik, C-285/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32).
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    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass zwar die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen ein Ziel ist, das von der Richtlinie 2006/112 anerkannt und gefördert wird, und eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf die Bestimmungen des Unionsrechts nicht gestattet ist (vgl. u. a. Urteile vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Randnrn. 68 und 71, vom 21. Juni 2012, Mahagében und Dávid, C-80/11 und C-142/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 41, sowie Bonik, Randnrn. 35 und 36).
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    Daher haben die nationalen Behörden und Gerichte das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund der objektiven Sachlage feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling, C-439/04 und C-440/04, Slg. 2006, I-6161, Randnr. 55, Mahagében und Dávid, Randnr. 42, sowie Bonik, Randnr. 37).
    60

    Gleichwohl ist es nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung mit der Vorsteuerabzugsregelung der Richtlinie 2006/112 nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausging oder nachfolgte, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung dieses Rechts mit einer Sanktion zu belegen (vgl. u. a. Urteile vom 12. Januar 2006, Optigen u. a., C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Slg. 2006, I-483, Randnrn. 52 und 55, Kittel und Recolta Recycling, Randnrn. 45, 46 und 60, Mahagében und Dávid, Randnr. 47, sowie Bonik, Randnr. 41).
    61

    Außerdem hat der Gerichtshof in den Randnrn. 61 bis 65 des Urteils Mahagében und Dávid entschieden, dass die Steuerverwaltung von dem Steuerpflichtigen, der sein Recht auf Vorsteuerabzug ausüben möchte, nicht generell verlangen kann, zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung über die Gegenstände und Dienstleistungen, für die dieses Recht geltend gemacht wird, Steuerpflichtiger ist, über die fraglichen Gegenstände verfügte und sie liefern konnte und seinen Verpflichtungen hinsichtlich der Erklärung und der Abführung der Mehrwertsteuer nachgekommen ist, um sich zu vergewissern, dass auf der Ebene der Wirtschaftsteilnehmer einer vorgelagerten Umsatzstufe keine Unregelmäßigkeiten und Steuerhinterziehung vorliegen, oder entsprechende Unterlagen vorzulegen.
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    Folglich muss ein nationales Gericht, das zu entscheiden hat, ob es in einem bestimmten Fall an einem steuerpflichtigen Umsatz fehlt, und vor dem sich die Steuerverwaltung insbesondere auf vom Rechnungsaussteller oder einem seiner Lieferer begangene Unregelmäßigkeiten - wie Lücken in der Buchführung - beruft, dafür Sorge tragen, dass die Beweiswürdigung nicht dazu führt, dass die in Randnr. 60 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung ihren Sinn verliert und der Empfänger der Rechnung mittelbar zu Nachprüfungen bei seinem Vertragspartner verpflichtet wird, die ihm grundsätzlich nicht obliegen.
    63

    Was das Ausgangsverfahren betrifft, ist jedoch zu beachten, dass die vom Empfänger der streitigen Rechnungen vorgelegten Dokumente nach den Angaben der Vorlageentscheidung ebenfalls Unregelmäßigkeiten aufwiesen, was bei der vom nationalen Gericht vorzunehmenden Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen ist.
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    Nach alledem ist auf den zweiten Teil der dritten Frage und auf die Fragen 4 bis 6 zu antworten, dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass die Art. 167 und 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 sowie die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung es nicht verwehren, dass dem Empfänger einer Rechnung mangels Vorliegens eines tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Umsatzes das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, obwohl die vom Aussteller der Rechnung erklärte Mehrwertsteuer in dem an diesen ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde. Wird jedoch in Anbetracht von Steuerhinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten, die dieser Aussteller begangen hat oder die dem Umsatz, auf den das Recht auf Vorsteuerabzug gestützt wird, vorausgegangen sind, davon ausgegangen, dass dieser Umsatz tatsächlich nicht bewirkt wurde, ist anhand objektiver Gesichtspunkte und ohne dass vom Rechnungsempfänger Nachprüfungen verlangt werden, die ihm nicht obliegen, nachzuweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder wissen musste, dass dieser Umsatz in eine Hinterziehung von Mehrwertsteuer einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

    Kosten
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    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

    1. Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass

    - die von einer Person in einer Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer von dieser Person unabhängig davon geschuldet wird, ob ein steuerpflichtiger Umsatz tatsächlich vorliegt;

    - allein aus dem Umstand, dass die Steuerverwaltung in einem an den Aussteller dieser Rechnung ergangenen Steuerprüfungsbescheid die von diesem erklärte Mehrwertsteuer nicht berichtigt hat, nicht geschlossen werden kann, dass diese Verwaltung anerkannt hat, dass der Rechnung ein tatsächlich bewirkter steuerpflichtiger Umsatz gegenübersteht.

    2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass die Art. 167 und 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 sowie die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung es nicht verwehren, dass dem Empfänger einer Rechnung mangels Vorliegens eines tatsächlich bewirkten steuerpflichtigen Umsatzes das Recht auf Vorsteuerabzug versagt wird, obwohl die vom Aussteller der Rechnung erklärte Mehrwertsteuer in dem an diesen ergangenen Steuerprüfungsbescheid nicht berichtigt wurde. Wird jedoch in Anbetracht von Steuerhinterziehungen oder Unregelmäßigkeiten, die dieser Aussteller begangen hat oder die dem Umsatz, auf den das Recht auf Vorsteuerabzug gestützt wird, vorausgegangen sind, davon ausgegangen, dass dieser Umsatz tatsächlich nicht bewirkt wurde, ist anhand objektiver Gesichtspunkte und ohne dass vom Rechnungsempfänger Nachprüfungen verlangt werden, die ihm nicht obliegen, nachzuweisen, dass der Rechnungsempfänger wusste oder wissen musste, dass dieser Umsatz in eine Hinterziehung von Mehrwertsteuer einbezogen war, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

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