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  • 22.09.2011 · IWW-Abrufnummer 113674

    Finanzgericht München: Urteil vom 28.07.2011 – 14 K 3772/08

    1. Wer als Fahrer den Organisator eines Zigerattenschmuggels zur Übergabe der Zigaretten und des Geldes bringt, leistet Beihilfe zur Steuerhinterziehung, die durch unzulässiges Verbringen der Zigaretten nach Deutschland begangen worden ist. Dabei reicht aus, dass er den Eintritt des Erfolgs der Haupttat (Steuerhinterziehung) billigend in Kauf genommen hat, ohne von den Zigarettentransporten und den dadurch hinterzogenen Steuern genaue Kenntnis gehabt zu haben.


    2. Das FG kann sich die Feststellungen eines rechtskräftigen Strafbefehls zu Eigen machen.


    3. Die Inanspruchnahme des Beteiligten im Fall vorsätzlicher Steuerstraftaten durch Haftungsbescheid muss nicht besonders begründet werden.


    IM NAMEN DES VOLKES
    URTEIL
    In der Streitsache
    hat der 14. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht …, des Richters am Finanzgericht … und der Richterin am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … und … ohne mündliche Verhandlung am 28. Juli 2011
    für Recht erkannt:
    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
    Gründe
    I.
    Streitig ist, ob der Beklagte (das Hauptzollamt) den Kläger zu Recht als Haftenden für Tabaksteuer in Anspruch genommen hat.
    Das Hauptzollamt nahm den Kläger mit zwei Haftungsbescheiden vom 8. Mai 2008 gem. § 71 Abgabenordnung (AO) als Gesamtschuldner für insgesamt … EUR Tabaksteuer in Anspruch, weil er sich in zwei Fällen der Beihilfe zur Hinterziehung von Tabaksteuer schuldig gemacht habe, indem er die anderweitig verfolgten T und G bei dem Verbringen von unversteuerten Zigaretten in das deutsche Steuergebiet unterstützt habe. Der Kläger wurde deswegen durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts X vom 13. März 2008 wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen verurteilt.
    Die gegen die Haftungsbescheide vom 8. Mai 2008 eingelegten Einsprüche wies das Hauptzollamt jeweils mit Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 2008 als unbegründet zurück. Mit seiner hiergegen erhobenen Klage bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass er nur einen völlig untergeordneten Tatbeitrag geleistet habe. So habe er T lediglich in zwei Fällen aus Gefälligkeit zur Geldübergabe nach L gefahren, ohne von den Zigarettentransporten und den dadurch hinterzogenen Steuern Kenntnis gehabt zu haben. Er habe weder Einfluss auf die Verfahrensweise mit den Zigaretten gehabt noch sei er an einem Erlös aus der Vermarktung dieser Zigaretten beteiligt worden. Für die beiden Fahrten nach L habe er jeweils nur 300,– EUR erhalten.
    Das Hauptzollamt könne sich nicht auf den Strafbefehl berufen, da sich aus diesem nicht ergebe, dass er einen Vorsatz zur Beihilfe an der Steuerhinterziehung gehabt habe. Der Strafbefehl sei nur hinsichtlich der Rechtsfolgen akzeptiert worden.
    Seine Inanspruchnahme sei jedenfalls ermessensfehlerhaft, weil sein geringer Tatbeitrag und wirtschaftlicher Nutzen hierbei nicht berücksichtigt worden sei. Auch das Auswahlermessen sei nicht rechtmäßig ausgeübt worden, da nicht zunächst die eigentlichen Täter und Verantwortlichen in Anspruch genommen worden seien. Schließlich sei seine Inanspruchnahme auch im besonderen Maße unbillig und unverhältnismäßig.
    Der Kläger beantragt, die beiden Haftungsbescheide vom 8. Mai 2008 und die Einspruchsentscheidungen vom 27. Oktober 2008 aufzuheben.
    Das Hauptzollamt beantragt, die Klage abzuweisen
    und nimmt im Wesentlichen auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidungen Bezug. Darüber hinaus bringt es vor, dass der Kläger entgegen seinem Vortrag laut den Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts X Kenntnis von den Zigarettentransporten gehabt habe. Dem Kläger sei bewusst gewesen, dass er einer Organisationsstruktur dabei helfe, unversteuerte Zigaretten in Deutschland Gewinn bringend abzusetzen.
    Wegen des Sachverhalts im Einzelnen und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Hauptzollamts und die von den Beteiligten im Verfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
    Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO).
    II.
    Die Klage ist unbegründet.
    Das Hauptzollamt hat den Kläger zu Recht gemäß § 191 Abs. 1 i.V.m. § 71 AO für hinterzogene Tabaksteuer in Anspruch genommen.
    1. Gemäß § 71 AO haftet für verkürzte Steuern, wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da sich der Kläger der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO strafbar gemacht hat.
    a) Hinsichtlich der streitgegenständlichen Zigaretten ist die deutsche Tabaksteuer nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO hinterzogen worden, indem die Zigaretten ohne Steueranmeldung bzw. ohne Verwendung von Steuerzeichen von Tschechien nach Deutschland verbracht worden sind. Dadurch sind die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen, pflichtwidrig keine Steuerzeichen verwendet und Steuern verkürzt worden. Die deutsche Tabaksteuerschuld ist nach § 19 Satz 1 Tabaksteuergesetz in der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung (TabStG) entstanden, weil die Zigaretten unzulässigerweise entgegen § 12 Abs. 1 TabStG – ohne Verwendung von Steuerzeichen – aus dem freien Verkehr Tschechiens zu gewerblichen Zwecken in das deutsche Steuergebiet verbracht worden sind (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – VII B 14/96 vom 9. Juli 1996, BFH/NV 96, 934 und vom 6. September 2004 VII B 62/04, juris).
    b) Der Kläger hat an der Steuerhinterziehung teilgenommen, indem er hierzu Beihilfe geleistet hat.
    Der Kläger wurde durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts X vom 13. März 2008 wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen verurteilt, weil er die anderweitig verfolgte T bei der Organisation der streitgegenständlichen Zigarettenlieferungen unterstützt hat.
    Das Gericht macht sich diese Feststellungen und rechtliche Beurteilung des Strafgerichts zu Eigen, weil es aufgrund der Feststellungen des Hauptzollamts überzeugt ist, dass diese zutreffend sind. Dies gilt insbesondere für das Vorliegen des subjektiven Tatbestands der Beihilfe durch den Kläger an einer Steuerhinterziehung. Selbst wenn der Kläger, wie im Strafbefehl ausgeführt, seine Fahrdienste nur aus reiner Gefälligkeit erbracht hat, so hatte er, wie sich aus seinen eigenen Einlassungen ergibt, Kenntnis davon, dass die durchgeführten Fahrten der Geldübergabe für Zigarettengeschäfte dienten (vgl. Klagebegründung vom 1. Dezember 2008, S. 3 oben). Des Weiteren ergibt sich aus den Feststellungen des Hauptzollamts (vgl. z.B. Vermerk des Zollfahndungsamts vom 4.12.2007 und Protokoll über das abgehörte Telefongespräch vom 24.07.2007 – TÜ7), dass der Kläger Kenntnis von den Umständen im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Zigarettenlieferungen hatte. Hierfür spricht auch, dass er 300,– EUR pro Fahrt bekommen hat.
    Im Übrigen besteht zur Übernahme der Feststellungen des Strafgerichts insbesondere auch deswegen Anlass, weil die strafgerichtliche Entscheidung bereits rechtskräftig geworden ist (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03 BFHE 204, 380, ZfZ 2004, 162, sowie BFH-Beschlüsse vom 14. November 2003 VIII B 70/02, BFH/NV 2004, 513 und vom 2. Juli 2008 VII B 242/07, juris). Dabei steht ein in Rechtskraft erwachsener Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich, wenn – wie vorliegend – die Beteiligten gegen die strafgerichtlichen Feststellungen keine substantiierten Einwendungen vorgetragen haben (BFH-Beschluss vom 1. Februar 2001 VII B 234/00, BFH/NV 2001, 931).
    Die Einlassung des Klägers, dass er nur einen völlig untergeordneten Tatbeitrag geleistet habe, kann ihn nicht entlasten, denn indem er unstreitig als Fahrer einer der Organisatoren (T) tätig gewesen ist, hat er einen wesentlichen Beitrag zur Ausführung der Taten geleistet und deren Ausführung in der beabsichtigten Art und Weise (Übergabe der Zigaretten gegen Geld in Leipzig) ermöglicht. Seine Unterstützungshandlungen (Fahrdienste) mussten nicht ursächlich (conditio sine qua non) für den Erfolg der Haupttat sein; es reicht aus, dass sie die Steuerhinterziehung hinsichtlich der Zigaretten gefördert haben. Die Hilfeleistung muss nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden, es genügt schon die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung (vgl. z.B. BGH-Urteil vom 18. Juni 2003, 5 StR 489/02, NJW 2003, 2996).
    Ebenso wenig musste der Kläger als Gehilfe die Einzelheiten der jeweiligen Zigarettenlieferungen kennen. Es reicht aus, dass er den Eintritt des Erfolgs der Haupttat (Steuerhinterziehung) billigend in Kauf genommen hat, ohne von den Zigarettentransporten und den dadurch hinterzogenen Steuern genaue Kenntnis gehabt zu haben (vgl. Tröndle/Fischer, StGB-Kommentar, Rz. 2c zu § 27).
    2. Die Inanspruchnahme des Klägers ist nicht ermessenswidrig.
    Der Kläger ist gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 AO als Haftender gesamtschuldnerisch neben den anderen Tatbeteiligten zur Erfüllung der streitgegenständlichen Tabaksteuerschuld verpflichtet. Das Hauptzollamt hatte deshalb gem. § 191 Abs. 1 AO nach seinem Ermessen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der wirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Tatbestandsverwirklichung darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der Haftende neben den Steuerschuldnern auf Zahlung der Steuer in Anspruch genommen werden soll. Diese Ermessensentscheidung kann nach § 102 FGO nur daraufhin überprüft werden, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
    Für die Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid und die dabei zu treffende behördliche Ermessensentscheidung ist vom BFH entschieden (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, ZfZ 2004, 162), dass im Fall vorsätzlicher Steuerstraftaten diese Ermessensentscheidung in der Weise vorgeprägt ist, dass es einer besonderen Begründung der Ermessensbetätigung nicht bedarf. Hat jemand wie vorliegend als Teilnehmer eine vorsätzliche Steuerstraftat begangen, so ist es im Regelfall billig und gerecht, wenn ihn die Finanzbehörde für den Steuerschaden in Anspruch nimmt. Sie würde vielmehr ermessensfehlerhaft handeln, wenn sie den Betreffenden von der Inanspruchnahme freistellte. Für den Fall einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat bedarf es, so der BFH im genannten Urteil vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, keiner besonderen Begründung des Auswahlermessens. Bei mehreren Abgabenschuldnern ist das Auswahlermessen des HZA in der Weise vorgeprägt, dass die Abgaben gegen den Steuerstraftäter festzusetzen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Januar 2005 VII B 261/04, BFH/NV 2005, 936).
    Da der Kläger durch rechtskräftigen Strafbefehl wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwei Fällen verurteilt worden ist und er den Feststellungen in diesem Strafbefehl auch nicht substantiiert entgegengetreten ist, genügte im Streitfall deshalb unter Bezugnahme auf die Verurteilung des Klägers der Hinweis im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung, es seien auch die anderen Tatbeteiligten für den Gesamtbetrag der streitgegenständlichen Tabaksteuer als Gesamtschuldner in Anspruch genommen worden. Eine Differenzierung nach der Rolle der jeweiligen Beteiligten im Tatgeschehen und dem aus der Tat gezogenen Nutzen ist bei Steuerhinterziehern regelmäßig nicht geboten (vgl. BFH-Beschluss vom 4. März 2005 VII B 154/04, BFH/NV 2005, 1240).
    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenAO § 44, AO § 71, AO § 191 Abs. 1, AO § 370 Abs. 1, FGO § 102

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