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  • 25.03.2010

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 19.11.2009 – IV R 89/06


    Gründe

    1

    I.

    Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist Gesamtrechtsnachfolgerin der X GmbH & Co. KG (X KG), die ... herstellte und verarbeitete.

    2

    Die X KG erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 3. April 1987 die Geschäfts- und Kommanditanteile von neun zur Y-Gruppe gehörenden Unternehmen. Hierzu gehörte auch die inzwischen vollbeendete Y GmbH & Co. KG (Y KG).

    3

    Sowohl die X KG als auch die zur Y-Gruppe gehörenden Unternehmen waren bereits vor dem am 3. April 1987 geschlossenen Kaufvertrag Mitglieder der "Arbeitsgemeinschaft A e.V.". Diese Arbeitsgemeinschaft stellte ihren Mitgliedern die Rezepturen und Verfahren zur Herstellung von A-Produkten zur Verfügung. Jedes Mitglied durfte die A-Produkte in einem fest umrissenen Gebiet vertreiben (sog. "Vertriebsrechte").

    4

    Mit weiterem notariell beurkundeten Vertrag vom 10. April 1987 verkaufte die X KG ihre erworbenen Geschäfts- und Kommanditanteile an sämtlichen ehemals zur Y-Gruppe gehörenden Unternehmen an die S KG. Die "Vertriebsrechte" für A-Produkte im Gebiet W, die den Unternehmen der Y-Gruppe zustanden, wurden laut Vertrag nicht mitveräußert.

    5

    Die Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der Y KG ging am 9. Juni 1989 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein.

    6

    Am 6. März 1991 ist bei der Y KG eine Außenprüfung u.a. für das Jahr 1987 begonnen worden.

    7

    Im Anschluss an diese Prüfung vertrat das FA die Auffassung, der Gewinn der X KG aus der Veräußerung der Anteile an der Y KG sei kein Veräußerungsgewinn nach § 16 des in dem Streitzeitraum (4. bis 10. April 1987) geltenden Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern laufender Gewinn, weil die "Vertriebsrechte" für das Gebiet W als wesentliche Betriebsgrundlage nicht mitveräußert worden seien.

    8

    Die X KG hatte während der Betriebsprüfung bei der Y KG beantragt, Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht und in den einheitlichen und gesonderten Feststellungen, die nur die X KG beträfen, nur ihr alleine mitzuteilen.

    9

    Das FA stellte daraufhin mit Bescheid vom 6. Januar 1995 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der Y KG für 1987 (im Folgenden: Feststellungsbescheid I) einen laufenden Gewinn der X KG fest. Als Erläuterung wurde auf den Betriebsprüfungsbericht für die Y KG verwiesen; dieser Bericht lag dem Bescheid nicht bei. Der Bescheid enthielt außerdem als Anlage eine Stellungnahme des für die Betriebsprüfung zuständigen FA. Der festgestellte Betrag umfasst allein den Gewinn, der durch die Veräußerung der Anteile an der Y KG entstanden ist. Der Bescheid enthält keine Angaben zu anderen Feststellungsbeteiligten oder die ausdrückliche Einschränkung des Feststellungszeitraumes innerhalb des Jahres 1987.

    10

    Hiergegen legte die X KG Einspruch ein, der erfolglos blieb. In der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 1999 im anschließenden Klageverfahren (11 K 4291/95 F) wies das Finanzgericht (FG) darauf hin, dass Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides bestünden, und regte dessen Aufhebung an. Das FA sagte dies zu. Die Beteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

    11

    Das FA hob den Feststellungsbescheid I mit Bescheid vom 26. Oktober 1999 auf. Als Tag der Aufgabe zur Post ist in den Akten des FA der 26. Oktober 1999 vermerkt. Der Aufhebungsbescheid ist der Bevollmächtigten der X KG am 28. Oktober 1999 zugegangen.

    12

    Am 27. Oktober 1999 erließ das FA einen auf § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) gestützten weiteren Feststellungsbescheid über die Einkünfte der Y KG für den Zeitraum vom 4. April 1987 bis 10. April 1987 (Feststellungsbescheid II). In diesem Bescheid stellte das FA wiederum einen laufenden Veräußerungsgewinn fest und erläuterte, vom Grundsatz der einheitlichen Feststellung aller im Wirtschaftsjahr erzielten Einkünfte sei wegen des Steuergeheimnisses abgewichen worden. Als Feststellungsbeteiligte bezeichnete das FA die X KG und die Komplementärin der Y KG. Das FG konnte --auch durch eine Beweisaufnahme-- nicht aufklären, ob der Feststellungsbescheid II bis zum 28. Oktober 1999 den Bereich des FA verlassen hat. Der Bescheid ist der Bevollmächtigten der X KG am 1. November 1999 zugegangen.

    13

    Die X KG legte Einspruch ein.

    14

    Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA am 21. Dezember 1999 erneut einen auf § 174 Abs. 4 AO gestützten, geänderten Feststellungsbescheid (Feststellungsbescheid III), der lediglich die Firmenbezeichnung der X KG richtig stellte.

    15

    Der Einspruch blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2002 führte das FA aus, entgegen der Auffassung der X KG seien der Feststellungsbescheid II und der Feststellungsbescheid III nicht nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen. Ferner wies das FA auf § 181 Abs. 5 AO hin.

    16

    Die Klage hatte Erfolg. Zur Begründung seines in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 121 veröffentlichten Urteils hat das FG ausgeführt, der Feststellungsbescheid II und der Feststellungsbescheid III seien nach Ablauf der Frist für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der Y KG ergangen. Die Bescheide könnten nicht auf § 181 Abs. 5 AO gestützt werden, weil auch die Frist für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte der X KG bereits abgelaufen gewesen sei.

    17

    Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

    18

    Das FA beantragt,

    das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    19

    Die Klägerin beantragt,

    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

    20

    II.

    Die Revision des FA ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Daher ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (vgl. § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

    21

    Entgegen der Auffassung des FG sind der Feststellungsbescheid II und der Feststellungsbescheid III innerhalb der Feststellungsfrist für die Einkünfte der Y KG ergangen. Auf § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kommt es nicht an. Der Senat kann indessen nicht entscheiden, ob die Veräußerung der Anteile an der Y KG durch die X KG unter § 16 EStG fällt. Das FG wird hierfür weitere Feststellungen zu treffen haben.

    22

    1.

    Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Frist ist gemäß § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist der Steuerbescheid den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat. Für die gesonderte Feststellung gelten die Vorschriften über die Verjährung sinngemäß (§ 181 Abs. 1 AO).

    23

    a)

    Die Frist für die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften der Y KG begann nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres, in dem die Feststellungserklärung abgegeben wurde. Das war nach den Feststellungen des FG im Jahr 1989 der Fall. Die Frist betrug vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) und wäre daher regulär mit Ablauf des Jahres 1993 verstrichen.

    24

    b)

    Allerdings war im Streitfall der Ablauf der Frist zunächst nach § 171 Abs. 4 AO gehemmt.

    25

    aa)

    Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, u.a. nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO). Die Festsetzungsfrist endet spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind; eine Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt (§ 171 Abs. 4 Satz 3 AO).

    26

    bb)

    Im Streitfall ist am 6. März 1991 mit der Betriebsprüfung begonnen worden. Der Ablauf der Frist war daher nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt.

    27

    cc)

    Als --aufgrund der Außenprüfung-- der Feststellungsbescheid I vom 6. Januar 1995 erlassen wurde, dauerte diese Ablaufhemmung noch an; die Frist des § 171 Abs. 4 Satz 3 1. Halbsatz AO war noch nicht abgelaufen.

    28

    c)

    Durch die Anfechtung des Feststellungsbescheides I vom 6. Januar 1995 war der Ablauf der Feststellungsfrist (auch) nach § 171 Abs. 3 AO in seiner ursprünglichen Fassung (a.F.) gehemmt.

    29

    aa)

    Da es vorliegend um den Zeitraum vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I 1999, 2601) am 29. Dezember 1999 geht, ist § 171 Abs. 3 AO a.F. anzuwenden (Art. 97 § 10 Abs. 9 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung).

    30

    bb)

    Wird ein vor Ablauf der Festsetzungsfrist erlassener Steuerbescheid angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über die Anfechtung unanfechtbar entschieden worden ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 FGO ist über die Anfechtung erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein aufgrund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist (vgl. § 171 Abs. 3 AO a.F.).

    31

    cc)

    Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3 AO a.F. tritt nicht ein, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nichtig war (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Oktober 1989 X R 31/86, BFHE 158, 491, unter II.3.b der Gründe; vom 27. Februar 1997 IV R 38/96, BFH/NV 1997, 388, unter 2.a der Gründe).

    32

    dd)

    Vorliegend war der Feststellungsbescheid I --entgegen der Auffassung der Klägerin-- nicht nichtig. Ein Bescheid ist nichtig, soweit er an einem besonders schweren Mangel leidet (§ 125 Abs. 1 AO).

    33

    (1)

    Dies ist u.a. der Fall, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht so bestimmt ist (vgl. § 119 Abs. 1 AO), dass ihm --nicht einmal durch Auslegung-- hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird. Sein Regelungsinhalt muss klar erkennbar sein. Der Regelungsinhalt eines Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften richtet sich nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Das Feststellungsfinanzamt hat Feststellungen über alle Umstände zu treffen, die die Besteuerung der gemeinschaftlichen Einkünfte beeinflussen und nach Sinn und Zweck des Gewinnfeststellungsverfahrens vorab mit Bindungswirkung für die Veranlagung der Beteiligten festgestellt werden sollen. Dazu gehört auch die Verteilung der Einkünfte (BFH-Urteil vom 8. Februar 2007 IV R 65/01, BFHE 216, 412, BStBl II 2009, 699, unter II.1.a der Gründe, m.w.N.). Ferner ist der Zeitraum der Einkünfteerzielung anzugeben (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 180 AO Rz 55).

    34

    Ob ein Verwaltungsakt mehrdeutig ist, ist aus der Sicht eines Außenstehenden zu beurteilen. Trifft dies zu, ist zunächst zu versuchen, ihn durch Auslegung klarzustellen. Dabei kommt es --anders als bei der Frage der Mehrdeutigkeit-- nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen musste; entscheidend ist vielmehr, wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteil in BFHE 216, 412, BStBl II 2009, 699, unter II.1.a der Gründe, m.w.N.).

    35

    Vorliegend ist zwar mehrdeutig, welchen Zeitraum der Feststellungsbescheid I erfasst. Denn einerseits ist er ohne Einschränkung "für 1987" ergangen, andererseits sind aber nicht alle in diesem Jahr Beteiligten in dem Bescheid genannt.

    36

    Allerdings hat das FG den Feststellungsbescheid in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahin gehend ausgelegt, dass durch den Verweis auf den Betriebsprüfungsbericht der Feststellungsbescheid I nur die Veräußerung der Anteile an der Y KG durch die X KG erfassen sollte. Dies hatte im Übrigen die X KG selbst beantragt.

    37

    Darüber hinaus ist der Inhaltsadressat bestimmt; denn der Bescheid richtet sich ausschließlich an die X KG. Demnach ist auch die Verteilung des Gewinnes eindeutig; er wurde --auch ohne ausdrückliche Gewinnverteilung-- ausschließlich auf die X KG als einzigen Inhaltsadressaten verteilt.

    38

    (2)

    Nicht zur Nichtigkeit des Feststellungsbescheides I führt, dass er nur an die X KG gerichtet ist und nicht auch die Komplementärin der Y KG als Inhaltsadressaten aufführt. Denn ein Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von ertragsteuerrechtlichen Besteuerungsgrundlagen ist nicht deswegen nichtig, weil er nicht alle Beteiligten enthält (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1996 IV R 50/95, BFH/NV 1997, 331, unter 3. a.E. der Gründe, mit zahlreichen Nachweisen).

    39

    d)

    Der Ablauf der Feststellungsfrist war bis zum Ablauf des 29. Oktober 1999 gehemmt.

    40

    aa)

    Die durch die Anfechtung des Feststellungsbescheides I ausgelöste Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO a.F. endete mit der Unanfechtbarkeit dieses Bescheides. Gleiches gilt, sofern nicht § 171 Abs. 4 Satz 3 1. Halbsatz AO greift, für die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO.

    41

    bb)

    Mit der Aufhebung des Bescheides wird dieser unanfechtbar i.S. des § 171 Abs. 3 AO a.F. Eine Verlängerung der Ablaufhemmung bis zum Erlass eines neuen Bescheides tritt nach § 171 Abs. 3 Satz 3 AO a.F. jedoch nur dann ein, wenn eine gerichtliche Kassation des Erstbescheides erfolgt ist. Wird der Bescheid hingegen --wie im Streitfall-- durch die Verwaltung aufgehoben, entfällt unmittelbar mit der Aufhebung die Ablaufhemmung (BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004 VII R 77/03, BFHE 207, 504, BStBl II 2005, 122, unter II.2. der Gründe, zu § 171 Abs. 3a AO). Die Aufhebung führt auch zur Unanfechtbarkeit gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO (BFH-Urteil vom 6. Mai 1994 VI R 47/93, BFHE 174, 363, BStBl II 1994, 715, unter 2.b der Gründe).

    42

    cc)

    Der Feststellungsbescheid I ist mit Bescheid vom 26. Oktober 1999 aufgehoben worden. Der Aufhebungsbescheid ist mit seiner Bekanntgabe wirksam geworden (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO).

    43

    (1)

    Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, gilt am dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). Fällt der Ablauf dieser Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 108 Abs. 3 AO; BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 IX R 68/98, BFHE 203, 26, BStBl II 2003, 898). Die Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt auch dann --zu Gunsten und zu Ungunsten des Adressaten--, wenn der Verwaltungsakt nachweislich früher zugegangen ist (BFH-Urteile vom 13. Dezember 2000 X R 96/98, BFHE 193, 512, BStBl II 2001, 274; vom 26. Februar 2002 X R 44/00, BFH/NV 2002, 1409, unter II.2.a a.A. der Gründe).

    44

    (2)

    Der Aufhebungsbescheid ist nach dem Aktenvermerk des FA am 26. Oktober 1999 zur Post gegeben worden; der Senat unterstellt zu Gunsten der Klägerin diesen frühesten Zeitpunkt. Demnach gilt der Aufhebungsbescheid nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als mit Ablauf des 29. Oktober 1999, einem Freitag, als bekanntgegeben (vgl. § 108 Abs. 1 AO i.V.m. § 188 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Auf den tatsächlichen Zugang bereits am 28. Oktober 1999 kommt es nicht an.

    45

    e)

    Der Feststellungsbescheid II hat den Machtbereich des FA spätestens am 29. Oktober 1999 fristwahrend verlassen.

    46

    Das FG hat ermittelt, dass sich nicht feststellen lasse, ob der Feststellungsbescheid II bereits am 28. Oktober 1999 den Bereich des FA verlassen habe.

    47

    Andererseits steht fest, dass der Feststellungsbescheid II der Bevollmächtigten der X KG am 1. November 1999, einem Montag, zugegangen ist. Der Bescheid muss vor diesem Zeitpunkt den Machtbereich des FA verlassen haben. Am Wochenende fand jedoch im Jahr 1999 bei den Finanzämtern kein Dienstbetrieb statt. Daher ist davon auszugehen, dass der Feststellungsbescheid II spätestens am Freitag, dem 29. Oktober 1999, den Machtbereich des FA verlassen hat. Anhaltspunkte für außergewöhnliche Umstände, die ausnahmsweise eine andere Annahme rechtfertigen könnten, haben sich aus der Beweisaufnahme des FG über die Zustellung des Feststellungsbescheides II nicht ergeben.

    48

    2.

    Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war daher aufzuheben.

    49

    3.

    Der Senat kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Veräußerung der Anteile an der Y KG durch die X KG die Voraussetzungen des § 16 EStG erfüllt. Die Feststellungen des FG reichen hierfür nicht aus. Daher war die Sache an das FG zurückzuverweisen.

    50

    a)

    § 16 EStG setzt voraus, dass alle stillen Reserven der wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18. Oktober 1999 GrS 2/98, BFHE 189, 465, BStBl II 2000, 123, unter C.V.1.c der Gründe).

    51

    Der BFH hat im Hinblick auf diesen Zweck der §§ 16, 34 EStG die Tarifvergünstigung in solchen Fällen nicht gewährt, in denen im Rahmen des Veräußerungs- oder Aufgabevorgangs nicht alle stillen Reserven in dem veräußerten Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil aufgedeckt worden sind. Danach liegt weder eine begünstigte Betriebsveräußerung noch eine begünstigte Betriebsaufgabe vor, wenn der Unternehmer wesentliche Betriebsgrundlagen bei einer Veräußerung seines übrigen Betriebs oder Teilbetriebs zurückbehält und für eine andere betriebliche Tätigkeit nutzt. Ebenfalls hat der BFH die Begünstigung versagt, wenn ein Mitunternehmer seinen Gesellschaftsanteil veräußert, zu seinem Sonderbetriebsvermögen gehörende wesentliche Betriebsgrundlagen aber in zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang damit ohne Aufdeckung der stillen Reserven in ein anderes Betriebsvermögen überführt. Das Gleiche gilt, wenn aufgrund einheitlicher Planung und in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils wesentliche Betriebsgrundlagen der Personengesellschaft ohne Aufdeckung sämtlicher stillen Reserven aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausgeschieden sind (BFH-Urteil vom 6. September 2000 IV R 18/99, BFHE 193, 116, BStBl II 2001, 229, unter 2. und 3. der Gründe).

    52

    b)

    Die X KG hat im Streitfall die "Vertriebsrechte" nicht mitveräußert. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich allerdings nicht, ob die "Vertriebsrechte" überhaupt ein Wirtschaftsgut waren.

    53

    Denn nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12. März 1991 KVR 1/90 (BGHZ 114, 40) ist die Gebietsschutzvereinbarung der Arbeitgemeinschaft A e.V. nach § 1 des Gesetzes über Wettbewerbsbeschränkungen in seiner damaligen Fassung nichtig und das ab dem 1. Januar 1990 geltende Verbot des Bundeskartellamtes vom 5. September 1988, die Gebietsschutzvereinbarung durchzuführen, rechtmäßig.

    54

    Allerdings ist der Begriff des Wirtschaftsguts weit gespannt. Nach der Rechtsprechung gehören dazu auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind, in der Regel einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können (BFH-Urteil vom 20. März 2003 IV R 27/01, BFHE 202, 256, BStBl II 2003, 878, unter 2.a der Gründe, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile vom 5. August 1970 I R 180/66, BFHE 100, 89, BStBl II 1970, 804; vom 28. Mai 1998 IV R 48/97, BFHE 186, 268, BStBl II 1998, 775, zu einem faktisch garantierten Vertriebsrecht).

    55

    Das FG hat keine Feststellungen getroffen, ob die "Vertriebsrechte" demnach ein Wirtschaftsgut waren.

    56

    c)

    Ferner dürfen die "Vertriebsrechte" für eine Veräußerung nach § 16 EStG keine wesentliche Betriebsgrundlage der Y KG gewesen sein. Ob ein Wirtschaftsgut als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen ist, richtet sich bei § 16 EStG nach der sog. funktional-quantitativen Betrachtungsweise. Unter Zugrundelegung der quantitativen Betrachtung zählt ein Wirtschaftsgut zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen, wenn in ihm erhebliche stille Reserven ruhen. Unabhängig vom Vorhandensein stiller Reserven zählen zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebs aber auch diejenigen Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzen (BFH-Urteile vom 16. Dezember 2004 IV R 3/03, BFH/NV 2005, 879, unter 2. der Gründe, m.w.N.; vom 10. Juni 2008 VIII R 79/05, BFHE 222, 320, BStBl II 2008, 863, unter II.2. der Gründe, mit zahlreichen Nachweisen).

    57

    Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung hierüber ermöglichen.

    58

    d)

    Sollten die "Vertriebsrechte" als Wirtschaftsgut für den Betrieb der Y KG wesentlich gewesen sein, wird das FG zu prüfen und festzustellen haben, ob darin enthaltene stille Reserven realisiert worden sind. Dabei wird es auf die Einzelheiten der Übernahme der Vertriebsrechte am 2./3. April 1987 ankommen (vgl. hierzu auch die nicht unterzeichnete Vereinbarung vom 2. April 1987, Bl. 97 der FG-Akte im Verfahren 11 K 4291/95 F).

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