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  • 08.04.2005 · IWW-Abrufnummer 051002

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 14.05.2002 – IV 296/99

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    FINANZGERICHT HAMBURG

    Aktz: IV 296/99

    Entschdatum: 14.05.2002

    Dokumententyp: Urteil - Einzelrichter

    Rechtskraft: Nzb, Az: VII B 200/02

    Tatbestand:

    Die Beteiligten streiten um die Entstehung einer Eingangsabgabenschuld.

    Mit zwischenzeitlich rechtkräftigem Urteil vom 07.10.1998 verurteilte das Amtsgericht A den Kläger wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei (Heft 1 Bl. 97ff). Nach den Urteilsfeststellungen hat der Kläger in der Zeit von Juni 1996 bis Januar 1997 an die Mitangeklagten S mindestens 2.708 Stangen (nach der anschließenden Einzelaufzählung der weiterveräußerten Stangen insgesamt 3.120) und an den Mitangeklagten D mindestens 670 Stangen unverzollte und unversteuerte Zigaretten verkauft.

    Mit Steuerbescheid vom 22.07.1997 (Heft 1 Bl. 82) nahm der Beklagte den Kläger als Erwerber oder Besitzer vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachter Zigaretten gem. Art. 202 Zollkodex für eine Abgabenschuld (Tabaksteuer, Zoll, Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von insgesamt 1.030.040,21 DM für eine Menge von 3.251.350 Zigaretten in Anspruch. Hiergegen hat der Kläger am 30.07.1997 Einspruch eingelegt. Mit am 29.07.1999 abgesandter Einspruchsentscheidung vom 28.07.1999 setzte der Beklagte die geschuldeten Einfuhrabgaben auf insgesamt 240.592,78 DM herab. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Amtsgerichts A legte der Beklagte nunmehr eine Zigarettenmenge von 759.550 Stück zugrunde (zur Berechnung im Einzelnen s. Schreiben des Beklagten vom 25.02.1999 Heft 2 Bl. 6). Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

    Mit am 17.11.1999 beim Beklagten eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten Klage erhoben.

    Der Kläger trägt vor:
    Die Klagfrist sei notiert worden. Sowohl bei Eingang der Einspruchsentscheidung als auch zur Zeit des Fristablaufs sei der sachbearbeitende Rechtsanwalt B urlaubsabwesend gewesen. Dies sei den Mitarbeiterinnen des Büros auch rechtzeitig bekannt gegeben worden. Der Rechtsanwalt B innerhalb der Sozietät vertretende Rechtsanwalt Steger habe bei Eingang der Einspruchsentscheidung verfügt, die Akte dem Sachbearbeiter vorzulegen. Bei Ablauf der Frist sei versäumt worden, die Akte dem Vertreter Rechtsanwalt C vorzulegen. Der Kläger bezieht sich hierfür auf eine vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Büromitarbeiterin D vom 15.11.1999. Das Versäumnis habe der Rechtsanwalt erst am 03.11.1999 bemerkt, als er die Akte aus anderem Anlass in die Hand bekommen habe. Dies werde anwaltlich versichert.

    Die Bescheide seien rechtswidrig. Der Kläger sei an der illegalen Einfuhr der Zigaretten nicht beteiligt gewesen. Beweis: beizuziehende Strafakte. Der Kläger habe im Strafverfahren lediglich eingeräumt, dem behinderten Mittäter nur gelegentlich aus Fürsorge die Tasche getragen zu haben. Über deren Inhalt sei er im Übrigen nicht informiert gewesen sei. Der Kläger habe dieses Zugeständnis im Strafverfahren nur gemacht und das Urteil des Amtsgerichts A nur akzeptiert, weil es ihm schon damals gesundheitlich sehr schlecht gegangen sei. Beweis: beizuziehende Strafakte. Er sei damals sehr krank gewesen (Kreislaufprobleme, mehrere Stents) und habe anschließend eine Kur antreten müssen. Beweis: Auskunft und Attest der Klinik und der behandelnden Ärzte. Für den Gesundheitszustand des Klägers bezieht sich dieser zudem auf diverse in der mündlichen Verhandlung eingereichte Krankenunterlagen. Eine weitergehende Beteiligung am Schmuggel der seinerzeit Mitangeklagten E und F habe es nicht gegeben. Beweis: Zeugnis E und F. Hierfür spreche auch, dass im Spind des Klägers keine Zigaretten gefunden worden seien, sondern nur in der Wohnung wenige der rauchenden Ehefrau gehörende Zigaretten und im Übrigen große Mengen bei den Mitangeklagten vorgefunden worden seien. Beweis: Zeugnis der Ehefrau des Klägers, Zeugnis der Ermittlungsbeamten N.N.. Schließlich sei es angesichts der erheblichen Zahl der in dem Urteil des Amtsgerichts A genannten Zigaretten technisch nicht möglich, dass diese unauffällig in Taschen ins Werk hätten transportiert werden können.

    Der Kläger beantragt,
    ihm wegen Versäumung der Klagfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und
    den Steuerbescheid vom 22.07.1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.07.1999 aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte trägt vor:
    Die Klage sei wegen Versäumung der Klagfrist unzulässig, Wiedereinsetzung nicht zu gewähren. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass seine Prozessbevollmächtigten eine Ausgangskontrolle dergestalt führten, dass die Erledigung der Fristen bis zur Absendung des entsprechenden Schriftsatzes überwacht werde.
    Zudem sei die Klage auch unbegründet. Dies ergebe eine Würdigung der Ermittlungsergebnisse und der Ausführungen des Urteils des Amtsgerichts A. Der Kläger habe nach den Ermittlungen in jedem Fall unverzollte und unversteuerte Zigaretten in seiner Wohnung aufbewahrt. Mit dem Steuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung werde lediglich die steuerliche Konsequenz aus dem Strafurteil gezogen.

    Dem Senat haben Band 1 und 2 der Sachakten des Beklagten vorgelegen.
    Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14.05.2002 wird Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe:

    I.
    1. Die Klage ist wegen Versäumung der Klagfrist unzulässig.

    Die Klagfrist beträgt gem. § 47 Abs. 1 FGO einen Monat seit Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. Angesichts der Postaufgabe der Einspruchsentscheidung am 29.07.1999 galt der Bescheid gem. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am 01.08.1999 als bekannt gegeben, so dass die Monatsfrist für die Klagerhebung am 01.09.1999 abgelaufen war.

    Dem Kläger konnte keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

    Gem. § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden daran gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Gem. § 56 Abs. 2 FGO ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und sind die Tatsachen zur Begründung des Antrages bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

    Die Zulässigkeitsvoraussetzungen gem. § 56 Abs. 2 FGO sind erfüllt. Insbesondere ist die Zwei-Wochenfrist, gerechnet seit der Kenntnis des Klägervertreters von der Versäumung der Klagfrist am 03.09.1999, gem. §§ 47 Abs. 2, 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 187 BGB mit dem Eingang der Klage bei dem Beklagten eingehalten. Für den Zeitpunkt der Kenntnis von der Fristversäumung sieht das Gericht die anwaltliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers als ausreichend an.

    Indes ist der Wiedereinsetzungsantrag nicht begründet.
    Selbst auf der Grundlage des Vortrags des Klägers ist nicht der Schluss gerechtfertigt, dass die Fristversäumnis unverschuldet war. Der Prozessbevollmächtigte (Rechtsanwalt, Steuerberater) eines Steuerpflichtigen ist verpflichtet, ein Fristenkontrollbuch (Fristenkalender oder vergleichbare Einrichtung) zu führen, mit dem die Erledigung fristwahrender Schriftsätze bis zu ihrer Absendung überwacht werden kann (BFH-Urteil vom 10. März 2000 VII R 2/00 BFH/NV 2000, 1117). Zur Organisationspflicht gehört es, eine Ausgangskontrolle zu schaffen, die ausreichende Gewähr dafür bietet, dass fristwahrende Schriftsätze nicht über den Fristablauf hinaus im Büro liegen bleiben. Die Erledigung des Schriftsatzes muss daher bis zu seiner Absendung überwacht werden. Daraus ergibt sich, dass Schriftsätze nicht nur rechtzeitig gefertigt und abgesandt werden müssen, sondern die Absendung auch in einem besonderen Vorgang kontrolliert werden muss. Die Kontrolle muss durch jemand erfolgen, der den gesamten Vorgang überwacht, z.B. durch denjenigen, der den Fristenkalender führt oder zumindest durch denjenigen, der den Vorgang zuletzt bearbeitet hat oder an der Bearbeitung beteiligt war (BFH a.a.O.).
    Dass in dem Büro des Prozessbevollmächtigte des Klägers eine solche Ausgangskontrolle eingerichtet ist, ist dem Vortrag des Klägerin ebenso wenig wie der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung zu entnehmen. Die darin wiedergegebenen Anweisungen und Kontrollen beziehen sich allein auf die Wiedervorlage der zu bearbeitenden Fristsachen, nicht aber auf die Absendung des fristgebundenen Schriftsatzes.

    2. Darüber hinaus wäre die Klage auch unbegründet.

    Der Kläger ist rechtskräftig wegen Steuerhehlerei verurteilt worden. Damit hat das Strafgericht inzident auch den für die Zollschuld gem. Art. 202 Abs. 3 3. Anstrich der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex) relevanten Besitz an den Zigaretten bzw. deren Erwerb und die Kenntnis der vorangegangenen Eingangsabgabenhinterziehung, mithin des vorschriftswidrigen Verbringens der Ware, bejaht. Das Finanzgericht hält die auf der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung beruhenden Feststellungen des Strafgerichts für zutreffend und macht sich diese Feststellungen zu eigen. Zwar ist das Finanzgericht an die Feststellungen des Strafgerichts nicht gebunden. Es ist jedoch nicht gehindert, sich diese Feststellungen zu eigen zu machen, wenn nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung diese Feststellungen zutreffend sind. Zur Übernahme strafgerichtlicher Feststellungen ist in besonderem Maße dann Anlass, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn substantiierte Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafurteil nicht erhoben und entsprechende Beweisanträge nicht gestellt wurden (BFH-Urteil vom 12.01.1988 VII R 74/84, NV 1988, 692).

    Der Vortrag des Klägers im finanzgerichtlichen Verfahren enthält keine in dem vorerwähnten Sinne erheblichen Einwendungen gegen die strafgerichtlichen Feststellungen. Zum einen weicht das jetzige Vorbringen des Klägers von der in dem Urteil des Amtsgerichts wiedergegebenen seinerzeitigen Einlassung ab. Hiernach wollte der Kläger Beihilfe dadurch geleistet haben, dass er im Interesse eines passenderen Kundenangebots geholfen habe, Zigarettenstangen zwischen F und E auszutauschen. Eine Erklärung zu der nunmehr abweichenden Darstellung findet sich in dem Vortrag des Klägers nicht. Zudem beruhen die Feststellungen des Strafgerichts ausweislich der Urteilsgründe auf den Kläger belastenden Aussagen der seinerzeit Mitangeklagten E und F. Eine Vernehmung dieser Personen als Zeugen verspräche nur dann Erfolg, wenn mit einer Änderung deren strafgerichtlicher Aussagen zu rechnen wäre. Angesichts dessen hätte es zur Substantiierung des Bestreitens des Klägers einer Erklärung dafür bedurft, warum er erwarte, dass diese von ihren früheren Aussagen abweichen würden (BFH-Urteil vom 21.06.1988 VII R 135/85, BStBl II 1988, 841). Die Darlegungen zu dem seinerzeit schlechten Gesundheitszustand des Klägers mögen dessen Verhalten im Prozess bzw. die fehlende Einlegung eines Rechtsmittels erklären; sie stellen indes keine hinreichende, den tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils widersprechende Einwendung dar. Die von dem Kläger angeführten technischen Probleme überzeugen schon deshalb nicht, weil die Zigaretten nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht notwendigerweise ausschließlich auf das Werksgelände verbracht worden sein müssen.

    II.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.

    Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 115 Abs.2 FGO.

    RechtsgebietFGOVorschriften§ 47 Abs. 1 FGO, § 56 Abs. 1 FGO, § 76 FGO, § 81 FGO

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