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  • 04.04.2025 · IWW-Abrufnummer 247458

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 04.02.2025 – 3 Ws 409/24

    Die Entscheidung über die Einziehung nach Abtrennung (§ 423 StPO) ist auch bei Überschreitung der in § 423 Abs. 2 StPO genannten Frist von sechs Monaten nicht aufzuheben.


    OLG Frankfurt 3. Strafsenat, Beschluss vom 04.02.2025, Az. 3 Ws 409/24

    Tenor

    Die sofortige Beschwerde des Verurteilten A gegen den Beschluss der 9. Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Darmstadt vom 18. Juli 2024 wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

    Gründe
    I.

    Mit Urteil vom 12.12.2017 verurteilte die 9. Große Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Darmstadt den Beschwerdeführer wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 10 Fällen und zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 11 Fällen sowie wegen weiterer Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in jeweils 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

    Mit urteilsbegleitendem Beschluss trennte die Strafkammer die Entscheidung über die Einziehung nach den §§ 73 bis 73 c StGB gemäß § 422 Satz 1 StPO ab.

    Auf die Revision des Mitangeklagten B hob der Bundesgerichtshof das Urteil vom 12.12.2017 mit den Feststellungen - gemäß § 357 StPO im Wege der Revisionserstreckung auch in Bezug auf den Beschwerdeführer - auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Darmstadt zurück.

     Aufgrund der neuen Hauptverhandlung verurteilte die 18. Große Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Darmstadt den Beschwerdeführer am 23.08.2019 wegen Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 11 Fällen sowie wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in jeweils 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Eine Einziehungsentscheidung ist in dem Urteil - im Hinblick auf die Abtrennung mit Beschluss vom 12.12.2017 - nicht getroffen worden. Dieses enthält lediglich die Feststellungen, dass die Angeklagten einen geringen Anteil der auf den Geschäftskonten der - als vermeintliche Subunternehmer der C GmbH eingesetzten Servicefirmen - D und E GmbH - eingehenden Gelder, etwa 10 % bis 20 %, behielten, zum einen um daraus die anfallenden Kosten für die Servicefirmen zu begleichen, zum anderen als "eigenen Lohn" zum privaten Verbrauch.

    Das Urteil ist gegen den Beschwerdeführer seit dem 23.08.2019, gegen den Mitangeklagten B seit dem 02.04.2020 rechtskräftig.

    Mit dem angegriffenen Beschluss vom 18.07.2024 ordnete die Strafkammer die Einziehung des Wertes von Taterträgen bei dem Beschwerdeführer in Höhe von 104.014,76 Euro an.

    Gegen den am 19.07.2024 zugestellten Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit der sofortigen Beschwerde vom 22.07.2024, eingegangen bei dem Landgericht Darmstadt am 23.07.2024. In der Beschwerdebegründung wendet der Beschwerdeführer ein, dass die Entscheidung über die Einziehung wegen Ablaufs der 6-Monatsfrist gemäß § 423 Abs. 2 StPO verfristet sei, im Übrigen bestreite er, einen Betrag von 104.014,76 Euro erlangt zu haben. Auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 12.09.2024 wiederholte der Beschwerdeführer sein Vorbringen.

    II.

    Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 423 Abs. 3 Satz 2, 306, 311 Abs. 1, Abs. 2 StPO statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

    Wie auch die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 12.09.2024 zutreffend ausgeführt hat, ist die Einziehungsentscheidung des Landgerichts Darmstadt nicht zu beanstanden.

    Insbesondere ist die Entscheidung nicht wegen "Fristablaufs" aufzuheben. Zwar sieht § 423 Abs. 2 StPO vor, dass die Entscheidung über die Einziehung in den Fällen der vorherigen Abtrennung gemäß § 422 StPO spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in der Hauptsache getroffen werden soll. Dabei ist mit Blick auf § 357 StPO die Rechtskraft gegenüber allen tatbeteiligten Angeklagten entscheidend (KK-StPO/Schmidt/Scheuß, 9. Aufl. 2023, StPO § 423 Rn. 4). Die danach maßgebliche Rechtskraft gegenüber dem Mitangeklagten ist am 02.04.2020 eingetreten. Die Frist des § 423 Abs. 2 StPO ist damit deutlich überschritten. Dies führt jedoch nicht zur Aufhebung der Entscheidung. Denn der Gesetzgeber hat in § 423 Abs. 2 StPO gerade keine Ausschlussfrist statuiert. Dies belegt der Wortlaut der Norm ("soll"). Dies belegen auch der Zweck der Vorschrift und die Gesetzesbegründung. Mit einer Ausschlussfrist würde sich der Gesetzgeber der Möglichkeit der Vermögensabschöpfung und -gewinnung allein aufgrund von Unzulänglichkeiten des justiziellen Apparats begeben (BeckOK StPO/Temming, 53. Edition 2025, § 423 Rn. 4). Dies ist jedoch ersichtlich nicht Zweck der Vorschrift. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9525 S. 88) schreibt der Gesetzgeber dem Gericht zwar einen zügigen Verfahrensbeginn vor, damit die Entscheidung innerhalb der Regelfrist getroffen werden kann, hat aber - trotz des Bewusstseins, dass offensichtlich eine spätere Nichtentscheidung des Tatgerichtes denkbar ist - eine verbindliche Regelung gerade nicht getroffen und auch keine Zwangsmittel der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Gericht zur Durchsetzung der Frist vorgesehen (vgl. Retemeyer in Gercke/​Temming/​Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage 2023, § 423 StPO, Rn. 4).

    Auch inhaltlich ist die Entscheidung über die Einziehung gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c S. 1 StGB nicht zu beanstanden.

    Die Strafkammer hat nach Art. 316h EGStGB zutreffend die Vorschriften der §§ 73 Abs. 1, 73c, 73d Abs. 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 (BGBl. I S. 872) angewendet, weil sie erst nach dessen Inkrafttreten am 01.07.2017 über die Abschöpfung der Taterträge befunden hat und in dem Verfahren zuvor keine andere Entscheidung zum früheren Verfall oder Wertersatzverfall ergangen war (vgl. BGH, Beschluss vom 22.03.2018 - 3 StR 42/18 -, juris).

    Bei der Bestimmung des Erlangten gemäß §§ 73 Abs.1, 73 c Satz 1 StGB hat die Strafkammer zu Recht die gemäß § 423 Abs. 1 Satz 2 StPO bindenden Feststellungen aus dem Urteil vom 23.08.2019 zu Grunde gelegt. Danach nahm der Beschwerdeführer Abhebungen von den Konten der D GmbH und der E GmbH vor und überbrachte das Geld dem Mitangeklagten, der damit Schwarzlöhne bezahlte. In den Feststellungen ist weiter ausgeführt, dass die Angeklagten etwa 10 % bis 20 % der auf den Geschäftskonten der D GmbH und der E GmbH eingegangenen Gelder für sich behielten, zum einen, um daraus die anfallenden Kosten der beiden Servicefirmen zu begleichen, zum anderen als "eigenen Lohn" zum privaten Verbrauch.

    Zur Bestimmung des Umfangs und des Wertes des Erlangten hat die Strafkammer - mangels weitergehender Möglichkeiten zur sicheren Feststellung - zutreffend eine Schätzung gemäß § 73d Abs. 2 StGB vorgenommen und sich dabei den (bindenden) Feststellungen aus dem Urteil sowie den Erkenntnissen aus den zur Vorbereitung der Einziehungsentscheidung beauftragten Nachermittlungen bedient, die eine hinreichend sichere Schätzgrundlage bieten. Die vorgenommene Schätzung der Kammer ist gemessen an den Anforderungen des § 73d StGB sachgerecht und nachvollziehbar. Ausgangspunkt sind danach die Beträge, die die C GmbH im Tatzeitraum als "Fremdleistungen" verbucht und an die beiden Servicefirmen D und E GmbH, für die der Beschwerdeführer als Geschäftsführer eingesetzt war, geleistet hat. Bezogen auf die für den Beschwerdeführer relevanten Tatzeiträume von Januar bis Dezember 2013 und von Februar 2014 bis November 2015 hat die Kammer zutreffend einen Betrag in Höhe von 4.160.590,50 Euro angenommen, der bei den Servicefirmen verbucht wurde. Dieser Betrag ergibt sich nachvollziehbar aus dem im Zuge der Nachermittlungen erstellten Vermerk des ZOAR F vom 25.03.2024. Dort sind die für die Servicefirmen verbuchten Beträge gemäß der Buchhaltung der C GmbH monatlich aufgelistet, woraus sich der hier maßgebliche oben genannte Betrag ergibt. Davon ausgehend ist die Strafkammer zu Gunsten des Beschwerdeführers von einer Entnahme von 10 % ausgegangen, mithin von 416.059,05 Euro, und weiter zu seinen Gunsten von einer hälftigen Verwendung zur Deckung der Kosten der Servicefirmen. Von dem verbleibenden Betrag in Höhe von 208.029,52 Euro hat die Kammer wiederum die Hälfte dem Beschwerdeführer als das Erlangte zugerechnet (ausgehend von der im Urteil niedergelegten Einlassung, dass die Angeklagten die "Provisionen" geteilt haben), sodass ein Tatertrag von 104.014,76 Euro verbleibt, hinsichtlich dessen die Wertersatzeinziehung anzuordnen war.

    Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerdebegründung insoweit lediglich pauschal bestritten, einen Gesamtbetrag von 104.014,76 Euro erlangt zu haben

    Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 StPO.

    Vorschriften§ 423 StPO, § 73 StGB, § 73c StGB, § 73d StGB