26.11.2019 · IWW-Abrufnummer 212425
Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 07.06.2019 – 1 K 1559/17 (KG)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen
Urteil vom 07.06.2019
Az.: 1 K 1559/17 (Kg)
In dem Finanzrechtsstreit
G,
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte/r: H,
gegen
FK,
- Beklagte -
wegen Familienleistungsausgleich (November 2016 bis Februar 2017)
hat der 1. Senat durch den Berichterstatter gemäß § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung ohne mündliche Verhandlung am 7. Juni 2019 für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Klägerin werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit Bescheid vom 30. Juni 2016 (Bl. 78 KG) setzte die FK gegenüber der Klägerin (Kl.) Kindergeld für deren Tochter (A) für den Zeitraum Sept. 2016 bis Febr. 2017 fest. A war ab März 2015 an der Hochschule V (Hochschule) im Masterstudiengang Management eingeschrieben. Nachdem A die letzte Teilprüfung des Masterstudiengangs absolviert hatte, wurde sie zumindest mündlich über das Bestehen der Prüfung unterrichtet (Bl. 20 GA). A holte am 25. Nov. 2016 ihre Zeugnisunterlagen im Prüfungsamt ab (Bl. 33 GA, 37, 123 KG).
Nachdem die Hochschule unter dem 30. März 2017 mitgeteilt hatte, dass A am 6. Okt. 2016 eine mündliche und schriftliche Mitteilung über das Bestehen der Prüfung erhalten habe (Bl. 87 KG), hob die FK mit Bescheid vom 6. April 2017 (Bl. 91 KG) die Kindergeldfestsetzung ab 1. Nov. 2016 auf und forderte das für den Zeitraum Nov. 2016 bis Febr. 2017 gezahlte Kindergeld zurück. Die Kl. legte hiergegen Einspruch ein. Dabei fügte sie eine Erklärung der A bei, nach der diese das Prüfungsergebnis "schriftlich zum ersten Mal am 25.11.2016" mit Abholung ihres Zeugnisses erhalten habe (Bl. 93 KG).
Nachdem die Kl. eine Bescheinigung der Technischen Universität X vorgelegt hatte, der zufolge A im Sommersemester 2017 im Bachelorstudiengang Politikwissenschaft immatrikuliert war, setzte die FK mit Bescheid vom 27. Juli 2017 (Bl. 113 KG) Kindergeld für die Monate April und Mai 2017 fest.
Nach einer Bescheinigung der Hochschule (Bl. 123 KG) hat A am 6. Okt. 2016 ihr Studium erfolgreich abgeschlossen. Sie habe "am 06.10.2016 mündlich von der Prüfungskommission den erfolgreichen Abschluss mitgeteilt bekommen und dieses auch zusätzlich schriftlich auf ihren Antrag auf Exmatrikulation bestätigt bekommen". Den Antrag auf Exmatrikulation habe A im Dezernat Studienangelegenheiten nicht abgegeben. Auf der Rückseite sei zu lesen, dass die Abschlusszeugnisse vier Wochen nach der Verteidigung im Prüfungsamt abgeholt werden können. Der Abschluss/die Abschlussnoten seien am 24. Okt. 2016 schriftlich online gestellt worden. Das von der Hochschule vorgelegte Formblatt "Antrag auf Exmatrikulation" (Bl. 38 GA) enthält die Zeile: "Das Kolloquium hat am ---- erfolgreich stattgefunden. ------ Unterschrift Vors. der Prüfungskommission"
Mit Einspruchsentscheidung vom 2. Okt. 2017 (Bl. 23 GA) setzte die FK - unter Zurückweisung des Einspruchs im Übrigen - Kindergeld für März fest.
Nach einem Schreiben des Prüfungsamts vom 18. Sept. 2018 (Bl. 33 GA) sei A direkt am Okt. 2016 nach dem Kolloquium über den erfolgreichen Abschluss informiert worden und ihr sei der Exmatrikulationsantrag, auf dem dies auch schriftlich bestätigt werde, überreicht worden.
Die Kl. macht geltend, A habe das Gesamtergebnis ihrer Prüfungen erst mit der Aushändigung des Zeugnisses am 25. Nov. 2016 erfahren. Das unterzeichnete Zeugnis habe erst im Nov. 2016 beim Prüfungsamt vorgelegen (Bl. 55 KG). Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 21. Mai 2019 (Bl. 74 GA) macht die Kl. geltend, A sei das Zeugnis am 25. Nov. 2016 im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung übergeben worden.
Mit Schriftsatz vom 10. Okt. 2018 (Bl. 42 GA) teilte die Kl. mit, dass die letzte Prüfungsleistung, das Kolloquium, am 28. Sept. 2016 stattgefunden habe, wie sie aus einer Email des Prüfers Prof. Z erfahren habe (s. auch die Bestätigung der Großmutter der A zum Prüfungstermin, Bl. 45 GA). Der A sei am 28. Sept. 2016 kein Exmatrikulationsantrag ausgehändigt worden.
Der Prüfer Prof. Z teilt in seiner Email (Bl. 44 GA) dazu mit, dass das Kolloquium zum vorgesehenen Termin auch dann durchgeführt werde, wenn zu diesem Zeitpunkt die "formalen Unterlagen" nicht vollständig vorlägen; die "Formalia" würden dann später eingetragen. Das Kolloquium sei die letzte Prüfungsleistung, die direkt im Anschluss benotet werde. Nach dem Kolloquium seien dem Kandidaten alle Noten bekannt. Die Dokumente seien "wohl" am 13. Okt. zum Prüfungsausschuss der Fakultät und dann zum Prüfungsamt gegangen, das die Zeugnisse ausstelle und unterschreiben lasse.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 6. April 2017 und die Einspruchsentscheidung vom 2. Okt. 2017 insoweit aufzuheben, als der Zeitraum November bis Februar 2017 betroffen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist unbegründet. Die Kl. hat für den Streitzeitraum (Nov. 2016 bis Febr. 2017) keinen Anspruch auf Kindergeld.
Gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG wird ein Kind berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird (a) oder sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt (b).
A befand sich im Streitzeitraum (Nov. 2016 bis Febr. 2017) in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten (Masterstudiengang Management und Bachelorstudiengang Politikwissenschaft). Die Übergangszeit dauerte länger als vier Monate, da A den Masterstudiengang Management vor Nov. 2016 beendet hat.
Die Berufsausbildung endet u.a., wenn ein Kind sein Berufsziel erreicht hat und sich keiner Ausbildungsmaßnahme mehr unterzieht (Loschelder in Schmidt, EStG, 38. Aufl., § 32 Rz. 33; Selder in Blümich, § 32 EStG Rz. 44). Ein Universitätsstudium ist regelmäßig erst in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem eine nach dem einschlägigen Prüfungsrecht zur Feststellung des Studienerfolges vorgesehene Prüfungsentscheidung ergangen ist (BFH-Urteil vom 24. Mai 2000 - VI R 143/99, BFHE 191, 557, BStBl II 2000, 473 Rz. 10; FG Mecklenburg-Vorpommern, Gerichtsbescheid vom 18. Okt. 2018 - 3 K 65/17, juris Rz. 20; Sächsisches FG, Urteil vom 17. Juni 2015 - 4 K 357/11 (Kg), juris Rz. 9; Niedersächsisches FG, Urteil vom 27. Juni 2001 - 9 K 685/97 KI, juris Rz. 13). Schließt die Berufsausbildung mit einer Prüfung ab, so ist das Berufsziel erst mit dem Bestehen der Prüfung, spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erreicht (BFH-Beschluss vom 26. April 2011 - III B 191/10, BFH/NV 2011, 1139 Rz. 7; BFH-Urteil vom 14. Sept. 2017 - III R 19/16, BFHE 259, 443, BStBl II 2018, 131 Rz. 10). Ein Universitätsstudium endet daher regelmäßig mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses (BFH in BFH/NV 2011, 1139 Rz. 7; FG Düsseldorf, Urteil vom 28. Mai 2018 - 7 K 123/18 Kg, juris Rz. 12; FG Mecklenburg-Vorpommern, Gerichtsbescheid vom 18. Okt. 2018 - 3 K 65/17, juris Rz. 20: "spätestens"). Die Ausdehnung der Prüfungszeit auf die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses rechtfertigt sich dadurch, dass der Eintritt in einen der akademischen Ausbildung entsprechenden Beruf im Regelfall erst dann möglich ist, wenn die zur Feststellung des Studienerfolges vorgesehene Prüfungsentscheidung vorliegt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 27. Juni 2001 - 9 K 685/97 KI, juris Rz. 13; BFH in BStBl II 2000, 443 [BFH 24.02.2000 - III R 104/96] Rz. 10).
Die letzte Prüfungsleistung der A, das Kolloquium, fand am 28. Sept. 2016 statt, wie der Prüfer Prof. Z mitgeteilt hat (Bl. 44 GA). Dass das Kolloquium die letzte Prüfungsleistung war, entspricht § 13 Abs. 7 S. 2 der Prüfungsordnung für den Masterstudiengang Management an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Hochschule V vom 22. Juli 2016 (Prüfungsordnung), wonach das Kolloquium erst stattfinden darf, wenn nachweislich alle Modulprüfungen abgeschlossen sind. Nach § 9 Abs. 5 S. 3 der Prüfungsordnung wird das Ergebnis dem Prüfling im Anschluss an die mündliche Prüfungsleistung bekannt gegeben.
Entgegen der Bescheinigung der Hochschule (Bl. 123 KG) und dem Schreiben des Prüfungsamts vom 18. Sept. 2018 (Bl. 33 GA) ist nicht davon auszugehen, dass der A am 6. Okt. 2016 der erfolgreiche Abschluss des Studiums schriftlich auf ihrem Antrag auf Exmatrikulation (s. das Formblatt, Bl. 38 GA) bestätigt wurde. Da nach der Auskunft des Prüfers das Kolloquium am 28. Sept. 2016 stattfand und später die "Formalia" nachgetragen wurden, ist auszuschließen, dass A am 28. Sept. 2016 ein Formblatt mit dem Datum des 6. Okt. 2016 erhalten hat. Nach § 26 Abs. 3 S. 1 der Prüfungsordnung tragen die Zeugnisse das Datum des Tages, an dem die letzte Prüfungsleistung erbracht worden ist. Aus der mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vorgelegten Fotokopie des Zeugnisses ist ein Datum jedoch nicht zu ersehen.
Das FG München (Urteil vom 7. Juli 1999 - 1 K 3178/97, juris Rz. 16) und das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 17. Sept. 1997 - 7 K 137/96, EFG 1998, 102) lassen für den Abschluss des Studiums die mündliche oder schriftliche Mitteilung der Prüfungsergebnisse ausreichen. Das Sächsische FG hat im Urteil vom 17. Juni 2015 (4 K 357/11 (Kg), juris Rz. 10) offen gelassen, ob eine Bekanntgabe bereits durch eine Email einer Universitätsmitarbeiterin erfolgt, aus der sich die Bewertung der Diplom-Arbeit ergibt, oder erst mit Übergabe der unterschriebenen Diplomurkunde. Auch das Niedersächsische FG hat im Urteil vom 27. Juni 2001 (9 K 685/97 KI, juris Rz. 15) dahingestellt sein lassen, ob die mündliche Mitteilung das Prüfungsergebnisses ausreichend ist.
Nach Ansicht des Gerichts beendet bereits die mündliche Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses das Hochschulstudium, da das Kind sich ab diesem Zeitpunkt um die Aufnahme eines seiner akademischen Ausbildung entsprechenden Berufs bemühen kann (ebenso Urteil des Niedersächsischen FG vom 27. Juni 2001 - 9 K 685/97 KI, juris Rz. 14), auch wenn es seine Prüfungsleistung schriftlich noch nicht nachweisen kann.
Zwar stellen die Verwaltungsanweisungen für das Ende einer Hochschulausbildung auf die offizielle schriftliche Mitteilung des Prüfungsergebnisses ab. Nach A 15.10 Abs. 9 S. 2 DA-KG 2017 endet die Hochschulausbildung regelmäßig mit Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses. Nach Abs. 3 S. 3, auf den A 15 Abs. 9 S. 2 DA-KG 2017 verweist, gilt eine Abschlussprüfung als in dem Zeitpunkt bestanden, in dem das festgestellte Gesamtergebnis dem Prüfling offiziell schriftlich mitgeteilt wird. Diese Bestimmung dient der gleichmäßigen Auslegung und Anwendung des Gesetzes durch die Familienkassen und bindet als norminterpretierende Verwaltungsanordnung die Gerichte nicht (vgl. Gersch in Klein, AO, 14. Aufl., § 4 Rz. 10; Urteil des Niedersächsischen FG vom 27. Juni 2001 - 9 K 685/97 KI, juris Rz. 16).
Auch wenn man die schriftliche Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses verlangen würde, wäre diesem Erfordernis am 24. Okt. 2016 genügt gewesen, da der Abschluss/die Abschlussnoten - unstreitig - an diesem Tag schriftlich online gestellt wurden (Bl. 123 KG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
RechtsgebietEStGVorschriften§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG