Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 15.12.2015 · IWW-Abrufnummer 146026

    Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 21.09.2015 – 13 UF 156/14

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Brandenburg

    Beschl. v. 21.09.2015

    Az.: 13 UF 156/14

    Tenor:

    I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am 8. Juli 2014 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Senftenberg, Az.: 32 F 180/13, wird zurückgewiesen.

    Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

    Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.406,80 € festgesetzt.

    II. Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
    Gründe

    I.

    Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin geschieden und den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit nicht durchgeführt. Der Antragsteller wendet sich mit der Beschwerde gegen die Entscheidung hinsichtlich des Versorgungsausgleichs.

    Der Antragsteller und die Antragsgegnerin waren seit dem 6. Februar 1999 miteinander verheiratet. Sie leben nach Angaben der Antragsgegnerin seit Februar 2007 beziehungsweise nach Angaben des Antragstellers seit Juli 2008 voneinander getrennt. Aus der Ehe sind die gemeinsamen Kinder F..., geboren am ... Juni 1999, und A..., geboren am .... Oktober 2000, hervorgegangen. Die beiden minderjährigen Kinder leben im Haushalt der Antragsgegnerin.

    Die Antragsgegnerin ist Verwaltungsangestellte bei der Agentur für Arbeit .... Der Antragsteller war in der Zeit von 1997 bis 2008 Finanzberater beim Finanzamt ....

    Während der Ehezeit vom 1. Februar 1999 bis 31. Mai 2013 hat der Antragsteller ausweislich der Auskunft der K... vom 16. Januar 2014 Anwartschaften mit folgenden Ausgleichswerten erworben:

    0,0624 Entgeltpunkte und

    5,1310 Entgeltpunkte (Ost)

    Die Antragsgegnerin hat Anwartschaften mit folgenden Ausgleichswerten erworben:

    - bei der Deutschen Rentenversicherung ... (Auskunft vom 10. Oktober 2013):

    11,9304 Entgeltpunkte (Ost)

    - bei der V.... (Auskunft vom 11. November 2013):

    77,30 Versorgungspunkte

    - bei der ... Lebensversicherungs-AG (Auskunft vom 11. September 2013):

    Ausgleichswert: 4.709,72 €, Bezugsgröße Kapital.

    Am 3. Juli 2008 wurde der Antragsteller wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung von rund 1,5 Millionen € im Rahmen seiner Tätigkeit beim Finanzamt ... zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Er trat die Strafe am 7. Juli 2008 an und ist nach dreieinhalb Jahren entlassen worden.

    Weiter verlor der Antragsteller aufgrund der Straftat seinen Beamtenstatus und sämtliche Pensionsansprüche als Beamter wurden ihm aberkannt.

    Ein auch gegen die Antragsgegnerin wegen des Verdachts einer Beteiligung an den vorgenannten Straftaten des Antragstellers eröffnetes Strafverfahren wurde eingestellt.

    Das Finanzamt ... verlangte mit Bescheid vom 1. September 2008 (Bl. 39 d.GA) von der Antragsgegnerin den veruntreuten Betrag von 1.510.826,12 € zurück, da der Großteil der Gelder auf das gemeinsame Girokonto der Antragsgegnerin und des Antragstellers gegangen sei. Aufgrund dieses Bescheids pfändet das Finanzamt ... vom Einkommen der Antragsgegnerin monatlich einen Betrag von 195,26 € (Bl. 38 d.GA). Nachdem die Antragstellerin erfolglos Einspruch gegen den Bescheid eingelegt und anschließend geklagt hatte, ist sie mit Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (Bl. 41 ff. d.GA) zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.375.313,44 € verpflichtet worden, da aufgrund der fingierten Festsetzungsbescheide des Antragstellers die Zahlungen auf das gemeinsame Konto der Antragsgegnerin und des Antragstellers überwiesen worden seien und die Antragsgegnerin damit auch Leistungsempfängerin im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO sei.

    Auf Betreiben des Finanzamts ... wurde am 18. November 2008 zugunsten des Landes Brandenburg im Grundbuch zu Lasten des Einfamilienhauses der Antragsgegnerin, das in ihrem alleinigen Eigentum steht und das sie mit den beiden Kindern und ihren Eltern bewohnt, eine Zwangssicherungshypothek in Höhe von 1.478.745,09 € eingetragen (Bl. 70 d.GA).

    Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich ausgeschlossen, da eine grobe Unbilligkeit vorliege. Die Verurteilung des Antragstellers an sich stelle keinen Härtefall dar. Jedoch habe er während der Zeit seiner Inhaftierung seine Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seinen beiden minderjährigen Kindern verletzt. Darüber hinaus seien ihm durch die strafrechtliche Verurteilung sämtliche Pensionsansprüche als Beamter rückwirkend aberkannt worden und er habe durch die strafbaren Handlungen die gesamte Existenz der Familie aufs Spiel gesetzt.

    Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde wendet der Antragsteller ein, dass er sich während seiner Inhaftierung bemüht habe, für die beiden Kinder, soweit es ihm möglich war, Unterhalt zu zahlen. Im Übrigen seien die veruntreuten Gelder zum Großteil für den Ausbau des Einfamilienhauses, das im Alleineigentum der Antragsgegnerin stehe, und für gemeinsame luxuriöse Reisen ausgegeben worden. Daher seien die Eheleute beide zu Recht zur Rückzahlung der veruntreuten Gelder verpflichtet worden. Seine Pensionsansprüche habe er nicht verloren, diese seien vielmehr in die Deutsche Rentenversicherung K... eingezahlt worden, wonach der Antragsgegnerin auch ein Ausgleichsanspruch gegen ihn zustehe.

    Der Antragsteller beantragt,

    den Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 8. Juli 2014 in Ziffer II aufzuheben und den Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Vorschriften durchzuführen.

    Die Antragsgegnerin beantragt,

    die Beschwerde zurückzuweisen.

    Die Antragsgegnerin wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Nur ein geringer Teil der veruntreuten Gelder sei für den Ausbau ihres Hauses ausgegeben worden. Gemeinsame luxuriöse Reisen habe es nicht gegeben. Den Großteil der Gelder habe der Antragsteller mit seinem Lebensgefährten, mit dem er seit Februar 2007 zusammenlebe, verbraucht, insbesondere auch für den Kauf zweier Wohnungen in B.... Da der Antragsgegner seit dem 1. Juli 2014 Sozialleistungen nach dem SGB II erhalte, sei sie im August 2014 (Bl. 217 d.GA) durch das Jobcenter ... wegen eines Anspruchs des Antragstellers gegen sie auf Unterhalt angeschrieben worden.

    Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme. Es ist nicht ersichtlich, zu welchem Erkenntnisfortschritt eine mündliche Verhandlung führen könnte.

    II.

    Die nach §§ 58, 59, 63, 64, 228 FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht ist zu Recht von dem Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 27 VersAusglG ausgegangen und hat den Versorgungsausgleich nicht durchgeführt.

    Die Voraussetzungen für eine Beschränkung oder einen Wegfall des Versorgungsausgleichs liegen vor, § 27 VersAusglG. Nach dieser Vorschrift findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalles es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Bei der Auslegung des § 27 VersAusglG ist der Ausnahmecharakter der Vorschrift zu beachten. Die Herabsetzung oder ein Ausschluss kommen daher nur in seltenen Fallgestaltungen in Betracht und setzen voraus, dass das Ergebnis der allgemeinen Regeln letztlich grob unbillig ist (vgl. Götsche in Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 2. Aufl., § 27 VersAusglG Rn. 18). Die Durchführung des Versorgungsausgleiches muss sich für die Anwendung des § 27 VersAusglG als sinnwidrig darstellen. Eine grobe Unbilligkeit liegt nur vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde (vgl. OLG Brandenburg NJW 2011, 539). Die durchzuführende Gesamtabwägung aller wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Eheleute (vgl. BGH FamRZ 2009, 303) führt vorliegend zu einem in diesem Sinne unbilligen Ergebnis. Die darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin (vgl. Götsche, aaO., § 27 VersAusglG Rdnr 84; vor §§ 217 ff. FamFG Rn. 15) hat ausreichend Umstände vorgetragen, die die Durchführung des Versorgungsausgleiches als grob unbillig erscheinen lassen.

    Das Amtsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass allein die Verurteilung wegen einer Straftat an sich keinen Härtefall darstellt. Allerdings hat die von dem Antragsteller begangene Straftat dazu geführt, dass er seinen beamtenrechtlichen Status und damit auch rückwirkend seine Pensionsansprüche als Beamter verloren hat. Die Anwartschaften aus der Nachversicherung gleichen die verlorenen Anwartschaften aus der Beamtenversorgung bei weitem nicht aus. Der Antragsteller musste sich beim Begehen der schweren, gegen seine Beamtenpflichten gerichteten Straftaten darüber bewusst sein, dass er im Falle der Entdeckung aus dem Dienst entfernt und seine Versorgungsansprüche verlieren werde. Er hat damit Straftaten begangen, die sich gegen die gemeinsamen Versorgungsinteressen der Eheleute richteten. Darin unterscheidet sich die schwere Straftat eines Beamten von gleichgewichtigen Straftaten anderer Täter, die nur die Aussicht auf den Erwerb weiterer Anwartschaften gefährden, nicht aber den Bestand schon erworbener Anwartschaften. Eine Teilhabe an den Versorgungsanrechten der Antragsgegnerin würde daher dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen.

    Die Annahme der Voraussetzungen für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist auch unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass die Antragsgegnerin die von dem Antragsteller verursachten Schulden im Wesentlichen allein zu tilgen hat. Denn ein Härtefall kann auch darin zu sehen sein, dass die ausgleichspflichtige Person für hohe Verbindlichkeiten des anderen Ehegatten aufzukommen hat (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 2015, 932 ff, Rdnr. 50; Götsche, aaO., § 27 VersAusglG Rdnr 44). Hiervon ist vorliegend auszugehen. Die Straftat des Antragstellers, die er als Einzeltäter ohne Beteiligung der Antragsgegnerin begangen hat, hat dazu geführt, dass die Antragsgegnerin im Wesentlichen allein für die Rückzahlung der von dem Antragsteller veruntreuten Gelder einzustehen hat. Bei dem Betrag von rund 1,5 Millionen € handelt es sich um eine Schuldenlast, die weit über die üblicherweise in einer Ehe anfallenden Belastungen hinausgeht. Dass er sich an der Tilgung der durch seine Straftat entstandenen Schulden beteiligt, behauptet auch der Antragsteller nicht. Neben der Pfändung des Einkommens der Antragsgegnerin, ist auch das in ihrem Alleineigentum stehende Einfamilienhaus, das sie mit den gemeinsamen Kindern und ihren eigenen Eltern bewohnt, mit einer Zwangssicherungshypothek in Höhe von 1.478.745,09 € belastet worden. Einen angemessenen Ausgleich für ihren Schuldendienst hat die Antragsgegnerin nicht erhalten. Auch wenn zum Teil mit den vom Antragsteller veruntreuten Geldern das Einfamilienhaus der Antragsgegnerin instandgesetzt worden sein mag, räumt der Antragsteller doch jedenfalls selbst ein, dass nur ein relativ geringer Teil in das Haus investiert worden sei.

    Bereits unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen liegen die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG vor, so dass es auf die Frage, ob durch die nicht vollständige Zahlung von Kindesunterhalt während der Zeit des Gefängnisaufenthalts vom Vorliegen einer unbilligen Härte gemäß § 27 VersAusglG auszugehen ist, dahingestellt bleiben kann. Zumindest dürfte fraglich sein, ob er in diesem Zeitraum überhaupt leistungsfähig war.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO.

    Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 55 Abs. 2, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG.

    Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.

    IV.

    Die Verfahrenskostenhilfe ist wegen fehlender Erfolgsaussichten zurückzuweisen, § 114 ZPO.

    RechtsgebietVersAusglGVorschriften§ 27 VersAusglG

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents