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  • 26.11.2013

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 11.06.2013 – 13 K 163/11

    - Zum Begriff der Einkünfte aus KapV gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG.




    - Werden einem Gesellschafter Freianteile an der Gesellschaft gewährt, handelt es sich regelmäßig um einen sonstigen Bezug
    § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG.




    - Diese Grundsätze gelten nicht, wenn die KapG Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht.




    - Die am 17.11.2009 vom indischen Konzern Reliance Industries Ltd. beschlossene Ausgabe von Aktien an ihre Aktionäre führt
    nicht zu Einnahmen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob die unentgeltliche Ausgabe von Aktien durch die Firma Reliance Industries Limited (zukünftig: RI Ltd.) im
    Jahr 2009 zu Einkünften aus Kapitalvermögen geführt hat.



    Die Klägerin hielt in ihrem Depot bei der X-Bank 700 Stück Anteile an der RI Ltd. (WKN 884241). Die Gesellschaft ist Indiens
    größtes privates Unternehmen. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Bereich Petrochemie und Textilien. Das Wirtschaftsjahr
    erstreckt sich vom 1. April bis zum 31. März.



    Die Aktien hatten ausweislich eines Auszugs aus dem Depotbestand vom 23. November 2009 einen Kurswert von 61,60 € pro Stück
    (= 43.120 €). Durch eine Kapitalmaßnahme der RI Ltd. wurde der Kurswert der gehaltenen Anteile halbiert. Ausweislich eines
    Auszugs aus dem Depotbestand vom 25. November 2009 betrug der Kurswert für die 700 Stück nur noch 30,94 € pro Stück (= 21.658
    €). Dafür erhielt die Klägerin unentgeltlich weitere 700 Aktien an der RI Ltd. Die nunmehr vorhandenen 1.400 Stück Aktien
    hatten ausweislich eines Auszugs aus dem Depotbestand vom 21. Dezember 2009 einen Kurswert von 30,15 € pro Stück (= 42.210
    €).



    Die X-Bank war der Auffassung, dass es sich bei den neu erhaltenen Aktien um Bonusaktien handele und bescheinigte aus dem
    Vorgang Kapitalerträge in Höhe von 21.325,15 €. Die Bank behielt 5.331,29 € Kapitalertragsteuer und 293,22 € Solidaritätszuschlag
    ein. Dabei folgte die Bank einer Empfehlung der Firma A, die zu einem Kapitalertragsteuereinbehalt geraten hatte.



    Die Klägerin erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung 2009 Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 29.286 €. Darin waren
    die 21.325 € aus dem eben beschriebenen Vorgang enthalten. Mit Einkommensteuerbescheid 2009 vom 11. Oktober 2010 wurden die
    Einkünfte aus Kapitalvermögen antragsgemäß berücksichtigt.



    Hiergegen legte die Klägerin am 26. Oktober 2010 Einspruch ein. Es handele sich bei der Ausgabe der Freianteile um einen sog.
    Aktiensplit, der steuerlich unbeachtlich sei. Die Einbuchung der weiteren 700 Aktien in das Depot der Klägerin stelle keinen
    steuerpflichtigen Zugang von Bonusaktien sondern eine Umwandlung von Rücklagen der Gesellschaft in Stammkapital dar. Es habe
    keine Vermögensmehrung bei der Klägerin stattgefunden. Der Vorgang hätte als Erhalt von Gratis- oder Berichtigungsaktien im
    Sinne von § 1 KapErhStG behandelt werden müssen. Eine Veränderung des Beteiligungsverhältnisses habe nicht stattgefunden.
    Durch die falsche Übersetzung des von der ausgebenden ausländischen Aktiengesellschaft als „bonus shares” bezeichneten Vorgangs
    habe die X-Bank fälschlicherweise Kapitalertragsteuer einbehalten und eine entsprechende Steuerbescheinigung erstellt.



    Die Klägerin legte einen Auszug aus dem Jahresbericht 2008/2009 der RI Ltd. (Seite 10) vor, in dem ausgeführt wurde, dass
    der Vorstand der RI Ltd. autorisiert werde, einen Betrag bis zu 1669.73.75840 Rs aus den Ausgleichsrücklagen, den Kapitalrücklagen,
    den Gewinnrücklagen oder solchen anderen Konten zu kapitalisieren, die für diese Kapitalmaßnahme geeignet seien und zwar auf
    der Basis des testierten Abschlusses per 31. März 2009. Der erwähnte Betrag werde in das Stammkapital übertragen und diene
    der Anmeldung, Ausgabe und Zuteilung von Stammaktien bis zu 166.97.37.584 Stammaktien über je 10 Rs als voll eingezahlte Gratisaktien.
    Dies erfolge zugunsten der berechtigten Gesellschafter, welche Stammaktien über je 10 Rs halten und im Aktienbuch der Gesellschaft
    namentlich aufgeführt seien, und zwar zu einem vom Vorstand noch festzulegenden Datum (Stichtag). Die Zuteilung erfolge in
    dem Verhältnis, dass jeweils eine neue voll eingezahlte Stammaktie über je 10 Rs auf jeweils eine voll eingezahlte Stammaktie
    über 10 Rs entfalle, die zum Stichtag vorhanden sei. Die auf diese Weise ausgegebenen und zugeteilten neuen Stammaktien seien
    in jeder Hinsicht als eine Erhöhung des nominalen Stammkapitalanteils der Gesellschaft in Bezug auf jeden Aktionär anzusehen.
    Sie seien nicht als Einkommen zu betrachten.



    Außerdem legte die Klägerin ein Schreiben der RI Ltd. an die Luxembourg Stock Exchange vom 20. November 2009 vor, in dem die
    RI Ltd. der Luxembourg Stock Exchange mitteilte, dass in der Hauptversammlung der RI Ltd. am 17. November 2009 ein Beschluss
    über die Auskehrung von Gratisaktien gefasst worden sei. Der Vorstand habe den 27. November 2009 als Stichtag für die Bestimmung
    der Gesellschaftsmitglieder, welche eine voll eingezahlte Gratisaktie für jeweils eine bestehende und voll eingezahlte Aktie
    der Gesellschaft im Nennwert von 10 Rs erhalten würden, festgelegt. Diejenigen Mitglieder, die namentlich in der Gesellschafterliste
    und/oder in der Liste begünstigter Aktienbesitzer gemäß der Aufbewahrungsstelle bei Geschäftsschluss in Indien am Freitag,
    den 27. November 2009 erwähnt seien, seien dazu berechtigt, die vorgenannten Gratisaktien zu erhalten.



    Des Weiteren legte die Klägerin ein Schreiben der RI Ltd. an die Luxembourg Stock Exchange vom 15. März 2010 vor, in der RI
    Ltd. ausführte, dass sie als Reaktion auf eine Reihe von Anfragen durch Investoren zur korrekten und rechtmäßigen Einstufung
    der kürzlich durchgeführten Ausgabe von Gratisaktien klarstelle, dass es sich um eine Anteilsschein- oder Kapitalmaßnahme
    (gelegentlich auch als Aktiensplit bezeichnet) gehandelt habe, bei welcher die neuen Aktien aus der Erhöhung des Grundkapitals
    durch die Umwandlung von Kapitalrücklagen stamme. Die Ausgabe der Gratisaktien habe zur Folge, dass sich die nominale Höhe
    des Grundkapitals der Gesellschaft in Bezug auf jeden Gesellschafter durch die Umwandlung der vorhandenen Kapitalrücklagen
    in statuarisches Kapital erhöhe. Es handele sich weder um eine Maßnahme anstelle einer Dividende noch um irgendeine andere
    Form von Einkommen für die Aktionäre. Die ausgegebenen Gratisaktien dürften nicht mit solchen Gratisaktien verwechselt werden,
    die nicht aus der Umwandlung von Kapitalrücklagen in statuarisches Kapital stammen würden und deshalb zu Einkünften beim Investor
    führen würden.



    Des Weiteren legte die Klägerin einen Auszug aus dem Jahresbericht der RI Ltd. für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 vor (Seite
    16 und 17), in dem ausgeführt wurde, dass die Gesellschaft im November 2009 162.67.93.078 Stammaktien an die berechtigten
    Inhaber von Stammaktien als Gratisaktien durch Kapitalisierung von Rücklagen ausgegeben und zugeteilt habe.



    Schließlich legte die Klägerin Auszüge aus einem Internet-Forum (wallstreet:online: „Reliance Ind. - Steuern auf Aktiensplit”)
    vor, in dem die Teilnehmer von einzelnen Finanzämtern berichteten, die den streitigen Vorgang - nach Rücksprache mit der OFD
    - als nicht steuerpflichtig angesehen hatten.



    Der Beklagte wandte sich ebenfalls an die OFD. Der dort zuständige Bearbeiter telefonierte mit der Firma A. Von dort wurde
    ihm mitgeteilt, dass die RI Ltd. nicht alle Unterlagen vorgelegt habe, die für die Beurteilung erforderlich seien. Da die
    Informationen nicht eindeutig gewesen seien, sei von einer Zuteilung von Bonusaktien ausgegangen worden.



    Die Klägerin führte daraufhin aus, dass in den jeweils über 200 Seiten langen Jahresberichten sämtliche erforderlichen Informationen
    enthalten seien, um die Art der Kapitalerhöhung eigenständig beurteilen zu können. Die Berichte „Annual Report 2008-2009”
    und „Annual Report 2009-2010” könnten zusammen mit dem Stichwort „Reliance Industries” über Google aufgerufen werden. Es werde
    auf Seite 81 Punkt g, 104, 108 und 109 des Annual Reports 2009/2010 verwiesen. Das Finanzamt könne sich nicht ungeprüft auf
    die Wertung der Firma A stützen. Es handele sich um ein privatwirtschaftliches Serviceunternehmen, das den Beklagten nicht
    von seiner Amtsermittlungspflicht befreie. Die A gebe nur eine Empfehlung für die Banken im Hinblick auf den Einbehalt von
    Kapitalertragsteuer ab.



    Mit Einspruchsbescheid vom 8. Juni 2011 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin habe Bonusaktien
    erhalten, die gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (sonstiger Bezug) steuerpflichtig seien. Die Gewährung von Freianteilen sei steuerpflichtig,
    wenn laufender Gewinn oder Gewinnvorträge in Nennkapital umgewandelt werden würden. Der umgewandelte Betrag würde als zunächst
    ausgeschüttet und anschließend wieder eingelegt gelten. Der Gesellschafter habe auf Grund einer verdeckten Gewinnausschüttung
    Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern. Wegen der Wiedereinlage der Anteile würden ihm Anschaffungskosten für den Erwerb
    der neuen Anteile entstehen.



    Anders sei es nur, wenn die Kapitalgesellschaft ihr Nennkapital durch die Umwandlung von Rücklagen erhöhe. Dann sei der Wert
    der neuen Anteile steuerfrei (§ 1 KapErhStG). Die Kapitalerhöhung müsse dann nach den Vorschriften der §§ 57c ff. GmbHG und
    §§ 207 bis 220 AktG durchgeführt werden. Nach § 7 Abs. 1 KapErhStG gelte die Steuerfreiheit auch bei ausländischen Kapitalgesellschaften.
    Zum Wesen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gehöre aber, dass die Erhöhung des Nennkapitals durch die Umwandlung
    von Rücklagen geschehe. Einer steuerbegünstigten Kapitalerhöhung seien deshalb nur Gewinne zugänglich, die durch Verwendungsbeschluss
    der Gewinnausschüttung entzogen und dem Eigenkapital der Gesellschaft zugewiesen worden seien. Es könne sich nur um Beträge
    handeln, die sich in den offenen Rücklagen der Gesellschaft befänden. Werde die Kapitalerhöhung aus dem Gewinnvortragskonto
    finanziert, sei sie nicht begünstigt.



    Der Erwerber der Anteile sei hinsichtlich der Voraussetzungen der Steuerfreiheit nachweispflichtig (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KapErhStG).
    Diesen Nachweis habe die Klägerin nicht erbracht. Den Unterlagen sei nicht zu entnehmen, ob die Erhöhung des Nennkapitals
    aus einem (durch Gewinnverteilungsbeschluss aufgefüllten) Rücklagenkonto oder aus einem Gewinnvortragskonto resultiere. Die
    Firma A habe die Aktien als Bonusaktien eingestuft.



    Mit am 20. Juni 2011 eingegangener Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.



    § 1 KapErhStG sehe die Steuerfreiheit für neue Anteilsrechte vor, wenn das Nennkapital der Gesellschaft durch Umwandlung von
    Rücklagen in Nennkapital erhöht werde. Das gleiche gelte beim Erwerb von Anteilsrechten an einer ausländischen Gesellschaft,
    wenn diese mit einer Aktiengesellschaft oder GmbH vergleichbar sei (§ 7 KapErhStG). Es müssten also folgende Voraussetzungen
    erfüllt sein:



    1. Vergleichbarkeit der ausländischen Gesellschaft mit einer deutschen Kapitalgesellschaft.



    2. Die Kapitalmaßnahme entspreche gesellschaftsrechtlich einer deutschen Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach §§
    207 bis 220 AktG, d.h.:



    a) Beschluss der Hauptversammlung,



    b) Erhöhung des Grundkapitals durch Umwandlung von Kapital- und Gewinnrücklagen,



    c) Ausweis der Kapital- und Gewinnrücklagen in der letzten Bilanz vor dem Beschluss,



    d) Zugrundelegung einer geprüften Vorjahresbilanz,



    e) Anmeldung und Eintragung des Beschlusses im Handelsregister,



    f) nur die bisherigen Aktionäre seien aus der Kapitalerhöhung im bisherigen Verhältnis berechtigt.



    3. Wirtschaftliche Identität der Anteile.



    Durch die Ausgabe von Gratisaktien ändere sich das Beteiligungsverhältnis der Aktionäre nicht. Der Unternehmenswert bleibe
    gleich, da lediglich eine Umbuchung von Kapital- und/oder Gewinnrücklagen in das Grundkapital erfolge. Die Kapitalerhöhung
    führe zu einer Abspaltung der in den Altaktien verkörperten Substanz und dementsprechend auch zu einer Abspaltung eines Teils
    der ursprünglichen Anschaffungskosten.



    Aus der Entwicklung des Grundkapitals der RI Ltd., die sich aus dem Jahresbericht 2009/ 2010 ergebe, könne entnommen werden,
    dass eine Kapitalerhöhung stattgefunden habe:



       2008/2009 2009/2010 Differenz
    Seite 104 + 108 Share Capital in 1.000 Rs  1.573,53  3.270,37 1.696,84
    Seite 108 Anzahl der shares je 10 Rs 157.37.98.233 327.03.74.360 169.65.76.127
    Dass die Umgliederung nur aus den Rücklagen in das Grundkapital erfolgt sei, ergebe sich ebenfalls aus dem Jahresbericht (Seite
    109 Annual Report 2009/2010):



    Capital Redemption Reserves 887,94
    Securities Premium Account 738,85
    Summe 1,626,79
    Der Begriff „Capital Redemption Reserves” bedeute eine Rücklage für eigene Anteile. Diese Kapitalrücklage sei zu bilden, wenn
    Anteile aus zurückbehaltenen Gewinnen und nicht durch eine Erhöhung des Grundkapitals gebildet werden würden. Die Kapitalrücklage
    werde gebildet, indem ein Transfer vom Gewinn- und Verlustkonto auf ein Konto für die Rücklage für eigene Anteile vorgenommen
    werde. Die auf diesem Konto eingestellten Beträge könnten nicht in Form von Dividenden an die Aktieninhaber ausgeschüttet
    werden. Sie könnten aber zur Ausgabe von Gratisaktien auf das Stammkapital herangezogen werden. Sinn und Zweck einer solchen
    Kapitalrücklage sei es, sicherzustellen, dass das Unternehmenskapital nicht durch die Rücknahme eigener Aktien verwässert
    werde.



    Zu dem Begriff „Securities Premium Account” führte die Klägerin aus, dass es sich um das auch in Deutschland übliche Kapitalrücklagenkonto
    handele, dass bei Über-Pari-Emissionen den Agiobetrag aus den neuen Aktien erfasse. Die Klägerin verwies auf Art. 78 des Indian
    Companies Act. Dort wird in Absatz 1 ausgeführt, dass für den Fall, dass ein Unternehmen Aktien mit Aufgeld (Agio) gegen Bareinlagen
    oder in sonstiger Weise ausgibt, ein dem Gesamtbetrag der Agio dieser Aktien entsprechender Betrag auf das „Securities Premium
    Account” transferiert werden muss. Nach Art. 78 Abs. 2 des Indian Companies Act kann das „Securities Premium Account” zur
    Einzahlung von zur Ausgabe genehmigter, aber noch nicht emittierter Aktien des Unternehmens an die Unternehmensmitglieder
    in Form von voll eingezahlten Gratisaktien eingesetzt werden.



    Nach Auffassung der Klägerin sind beide Rücklagenpositionen unschädliche Rücklagen im steuerlichen Sinne. Sie würden aus Rücklagen
    des Vorjahres stammen. Auf Seite 16/17 des Jahresberichts 2009/2010 sei die Umgliederung aus den Rücklagen der Sache und der
    Höhe nach durch die Aussage bestätigt worden, dass die Gesellschaft 162.67.93.078 Aktien zu je 10 Rs an die im November 2009
    berechtigten Aktionäre als Gratisaktien aus den Rücklagen ausgegeben und zugeteilt habe.



    Damit habe die Klägerin nachgewiesen, dass die Erhöhung des Grundkapitals allein aus den beiden Rücklagenpositionen und nicht
    aus dem Ergebnis komme. In die Kapitalerhöhung seien nur die bisherigen Aktionäre anteilsgemäß einbezogen worden. Das Beteiligungsverhältnis
    sei unverändert geblieben. Zuzahlungen seien nicht geleistet worden.



    Die Firma A habe den Ausdruck „bonus shares” offenbar mit Bonusaktie übersetzt. Dies sei unzutreffend. Es handele sich um
    Gratisaktien. Die Rechtsauffassung der A sei auch nicht maßgeblich. Es sei gar nicht bekannt, welche Unterlagen der A zur
    Verfügung gestanden hätten. Schließlich würde die A ihre Einstufung bei Zweifelsfragen „in dubio pro fisco” vornehmen. Die
    Klägerin reichte insoweit ein Schreiben der A an die Y-Bank ein, in dem die Firma ausführte, dass sie in Anbetracht der Tatsache,
    dass die Banken für den Kapitalertragsteuereinbehalt haften würden, ihre Empfehlung in Zweifelsfragen an dem Grundsatz „in
    dubio pro fisco” ausrichte.



    Nach § 8 Abs. 1 EStG setze eine Ertragsversteuerung einen Zufluss von Geld oder einen geldwerten Vorteil voraus. Zwischen
    den ursprünglichen 700 Stück Anteilen zum Wert von je 60,94 € und den späteren 1.400 Stück Anteilen zum Wert von 30,46 € würde
    wirtschaftliche Identität bestehen. Die abgeleiteten 700 neuen Aktien habe die Klägerin nur deshalb „gratis” erhalten, weil
    sich die 700 Alt-Aktien vorher im Wert halbiert hätten.



    Die Altaktien seien bereits vor dem 31. Dezember 2007 angeschafft worden. Die Anschaffung der neuen abgespaltenen Aktien würde
    auf den Anschaffungszeitpunkt der Altaktien zurückwirken. Deshalb komme auch eine - ansonsten denkbare - Spekulationsversteuerung
    nicht in Betracht.



    Am 1. Februar 2013 erging ein - wegen eines anderen Punktes geänderter - Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr.



    Die Klägerin beantragt sinngemäß,



    unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 2011 und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2009 vom 1.
    Februar 2013 die zugeteilten 700 „neuen Anteilsrechte” - Auslandsaktien der indischen Reliance Industries Ltd. - als steuerfreie
    Gratisaktien im Sinne des § 7 KapErhStG in Verbindung mit §§ 207 bis 220 AktG zu behandeln.



    Der Beklagte beantragt,



    die Klage abzuweisen.



    Der Beklagte verweist auf die Einspruchsentscheidung.



    Beide Beteiligte haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.



    Gründe

    Die Klage ist begründet.



    I. Der Beklagte durfte den Wert der erhaltenen jungen Aktien in Höhe von 21.325,15 € nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
    erfassen.



    1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen unter anderem Gewinnanteile (Dividenden)
    und sonstige Bezüge aus Aktien und Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Zu den sonstigen Bezügen werden alle
    Zuwendungen in Geld oder Geldeswert (§ 8 Abs. 1 EStG) gerechnet, die dem Gesellschafter außerhalb einer ordentlichen Gewinnausschüttung
    zufließen. Unerheblich ist, ob die Bezüge zu Lasten des Gewinns oder zu Lasten der Vermögenssubstanz der Gesellschaft geleistet
    werden und in welcher Form die Vorteilszuwendung ausgestaltet ist (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2004 VIII R 70/02, BStBl
    II 2005, 468; BFH-Urteil vom 20. Oktober 2010 I R 117/08, BFH/NV 2011, 669). Ebenso ist es für die Besteuerung unerheblich,
    ob es sich bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine in- oder eine ausländische Kapitalgesellschaft handelt (BFH-Urteil
    vom 20. August 2008 I R 34/08, BStBl II 2009, 263; BFH-Urteil vom 20. Oktober 2010 I R 117/08, BFH/NV 2011, 669). Auch wenn
    § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG nur sonstige Bezüge aus „Aktien” und aus „Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung”
    erwähnt, fallen hierunter nicht nur Zuwendungen von Gesellschaften, die nach deutschem Recht errichtet wurden. Vielmehr werden
    von der Vorschrift auch ausländische Rechtsgebilde erfasst, die ihrer inneren Struktur nach einer nach deutschem Recht errichteten
    Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Wesentlichen entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember
    1992 I R 32/92, BStBl II 1993, 399; BFH-Urteil vom 14. März 2007 XI R 15/05, BStBl II 2007, 924; BFH-Urteil vom 20. Oktober
    2010 I R 117/08, BFH/NV 2011, 669).



    2. Werden dem Gesellschafter Freianteile an der Gesellschaft gewährt, so handelt es sich hierbei regelmäßig um einen sonstigen
    Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG (BFH-Urteil vom 7. Dezember 2004 VIII R 70/02, BStBl II 2005, 468; BFH-Urteil
    vom 14. Februar 2006 VIII R 49/03, BStBl II 2006, 520; vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Oktober 2010 I R 117/08, BFH/NV 2011,
    669). Diese Rechtsfolge wurde in der früheren Rechtsprechung mit der Rechtsfigur der „Doppelmaßnahme” begründet. Danach schüttet
    die Gesellschaft durch die Gewährung von Freianteilen die erwirtschafteten Gewinne zunächst verdeckt an die Gesellschafter
    aus, die diese dann im Wege der Kapitalerhöhung wieder in die Gesellschaft einlegen (BFH-Urteil vom 17. September 1957 I 165/54
    S, BStBl III 1957, 401; BFH-Urteil vom 5. April 1978 I R 164/75, BStBl II 1978, 414; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts
    vom 29. April 1975 VI Kö 70/67, EFG 1975, 444; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 30. Januar 1992 XI 320/90,
    EFG 1992, 747; vgl. auch die Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 9. November 2007, S 1979-2 St32/St33, ESt-Kartei
    Bayern § 20, EStG Karte 8.5; Blümich/Broer, EStG - KStG - GewStG - Ertragsteuerliche Nebengesetze, § 1 KapErhStG Rz. 1 und
    19a; § 7 KapErhStG Rz. 26). Nach der neueren Rechtsprechung wird maßgeblich auf das Veranlassungsprinzip abgestellt. Danach
    ist entscheidend, ob die Vorteilszuwendung bei wertender Beurteilung aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses erfolgt. Ist
    das auslösende Moment in der Gesellschafterstellung zu sehen, wird die Gewährung der Bonusanteile der Erwerbssphäre zugeordnet.
    Bonusaktien sind danach nicht als bloßer Naturalrabatt auf die ursprünglichen Anschaffungskosten anzusehen, sondern werden
    als Ertrag aus der gehaltenen Einkunftsquelle behandelt (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2004 VIII R 70/02, BStBl II 2005,
    468: Bonusaktien der Deutschen Telekom als Einnahmen aus Kapitalvermögen).



    3. Diese Grundsätze gelten allerdings nicht, wenn die Kapitalgesellschaft ihr Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht.
    In diesem Fall gehört der Wert der neuen Anteile nach § 1 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals
    aus Gesellschaftsmitteln (- KapErhStG -) nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG. Der Grund für diese Ausnahme
    besteht darin, dass der Anteilseigner bei dieser Art der Kapitalerhöhung durch die neuen Anteilsrechte nichts erhält, was
    er nicht schon früher besessen hat (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1976 I R 56/74, BStBl II 1977, 177; BFH-Urteil vom 14. Februar
    2006 VIII R 49/03, BStBl II 2006, 520). Die Grundlage einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist ein bloßer Umbuchungsvorgang.
    Es ändert sich nicht die Höhe, sondern nur die Zusammensetzung des Eigenkapitals. Offene Rücklagen werden in Nennkapital umgewandelt,
    so dass die bisherigen Anteilseigner zusätzlich zu ihren alten Aktien neue Aktien erhalten (BFH-Urteil vom 25. Februar 2009
    IX R 26/08, BStBl II 2009, 658; Blümich/Broer, EStG - KStG - GewStG - Ertragsteuerliche Nebengesetze, § 1 KapErhStG, Rz. 15).
    Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist daher ein Vorgang, der sich innerhalb der Vermögenssphäre der Gesellschaft
    und ihrer Gesellschafter abspielt und die Ertragssphäre der Gesellschafter nicht berührt (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1976
    I R 56/74, BStBl II 1977, 177 mit Nachweisen aus den Gesetzesmaterialien; BFH-Urteil vom 14. Februar 2006 VIII R 49/03, BStBl
    II 2006, 520).



    4. Nach § 7 Abs. 1 KapErhStG ist § 1 KapErhStG auch auf den Wert neuer Anteilsrechte an ausländischen Gesellschaften anzuwenden,
    wenn die ausländische Gesellschaft einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder einer Gesellschaft
    mit begrenzter Haftung vergleichbar ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KapErhStG), die neuen Anteilsrechte auf Maßnahmen beruhen,
    die einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach den Vorschriften der §§ 207 bis 220 AktG bzw. nach dem - inzwischen
    außer Kraft getretenen - Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln (-KapErhG-, jetzt: §§ 57c ff. GmbHG) entsprechen
    7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapErhStG) und die neuen Anteilsrechte wirtschaftlich den Anteilsrechten entsprechen, die nach den
    in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapErhStG bezeichneten Vorschriften ausgegeben werden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KapErhStG). Dabei
    hat der Erwerber der Anteilsrechte nachzuweisen, dass die Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KapErhStG erfüllt
    sind (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KapErhStG).



    5. Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin hinreichend nachgewiesen, dass die Voraussetzungen der §§ 1, 7 Abs. 1 KapErhStG
    erfüllt sind.



    a) Die RI Ltd. hat die Rechtsform einer indischen „public limited company”. Diese Rechtsform entspricht weitgehend einer deutschen
    Aktiengesellschaft (Strauß/Mohan in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, DBA Indien, Anhang Rz. 18). Deshalb fällt der erforderliche
    Rechtstypenvergleich positiv aus. Die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KapErhStG ist erfüllt.



    b) Die Klägerin hat zudem Anteile erhalten, die aus Maßnahmen stammen, die einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln
    nach den Vorschriften der §§ 207 bis 220 AktG entsprechen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapErhStG).



    aa) Grundvoraussetzung für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist der Beschluss der Hauptversammlung (§ 207 Abs.
    1 AktG, vgl. auch § 57c Abs. 2 GmbHG). Ein solcher Beschluss ist ausweislich der vorgelegten Unterlagen am 17. November 2009
    auf der 35. Hauptversammlung der RI Ltd. getroffen worden. Der Senat hat keinen Anlass, an der Mitteilung der RI Ltd. gegenüber
    der Luxembourg Stock Exchange zu zweifeln.



    bb) Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Erhöhung des Grundkapitals durch die Umwandlung von Kapital- oder Gewinnrücklagen
    erfolgt ist (§ 208 Abs. 1 AktG, vgl. auch § 57d Abs. 1 GmbHG).



    aaa) Eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln setzt zunächst voraus, dass der Gesellschaft keine neuen Mittel zugeführt
    werden. Es dürfen also keine Einzahlungsverpflichtungen der Aktionäre begründet werden (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 2006
    VIII R 49/03, BStBl II 2006, 520; Blümich/Broer, EStG - KStG - GewStG - Ertragsteuerliche Nebengesetze, § 7 KapErhStG, Rz.
    14). Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass für die Klägerin und die anderen Aktionäre durch die Kapitalmaßnahme keine
    Einzahlungsverpflichtungen entstanden sind.



    bbb) Nach der Rechtsprechung führt die Umwandlung von laufendem Gewinn oder des Gewinnvortrags in Nennkapital nicht zur Steuerfreiheit
    im Sinne des § 1 KapErhStG. Dies gilt gleichermaßen für Kapitalerhöhungen ausländischer Gesellschaften, weil die Steuerfreiheit
    gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 KapErhStG nicht weiter reicht, als die Steuerfreistellung nach § 1 KapErhStG (BFH-Urteil vom 5. April
    1978 I R 164/75, BStBl II 1978, 414; vgl. auch BFH-Urteil vom 14. Februar 2006 VIII R 49/03, BStBl II 2006, 520: § 7 KapErhStG
    verneint, wenn die Freianteile eine Bardividende ersetzen; Urteil des FG Hamburg vom 16. Mai 1972 I 96/70, EFG 1972, 429;
    Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 30. Januar 1992 XI 320/90, EFG 1992, 747; Verfügung des Bayerischen Landesamts
    für Steuern vom 9. November 2007, S 1979-2 St32/St33, ESt-Kartei Bayern § 20, EStG Karte 8.5; anderer Ansicht für ausländische
    Kapitalgesellschaften: Blümich/Broer, EStG - KStG - GewStG - Ertragsteuerliche Nebengesetze, § 7 KapErhStG Rz. 15).



    ccc) Dem Beklagten ist auch zuzugeben, dass die Klägerin nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KapErhStG nachzuweisen hat, dass die Umwandlung
    aus den Kapital- oder Gewinnrücklagen erfolgt ist. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse ist der Senat allerdings davon überzeugt,
    dass die Umwandlung aus den Kapital- oder Gewinnrücklagen der RI Ltd. erfolgt ist.



    aaaa) Schon die Ankündigung der geplanten Kapitalmaßnahme in dem Jahresbericht 2008/2009 der RI Ltd. spricht für eine Kapitalerhöhung
    aus Gesellschaftsmitteln. Die Kapitalisierung sollte aus den Ausgleichsrücklagen, den Kapitalrücklagen, den Gewinnrücklagen
    oder aus anderen Konten erfolgen, die für die geplante Kapitalmaßnahme geeignet waren. Der Betrag sollte in das Stammkapital
    übertragen werden und zur Ausgabe von maximal 166.97.37.584 Stück Stammaktien über je 10 Rs als Gratisaktien führen. Von einer
    Umwandlung des laufenden oder vorgetragenen Gewinns ist in diesem Zusammenhang nicht die Rede. Das die Gesellschaft keine
    Gewinnausschüttung an ihre Aktionäre sondern eine bloße Umgliederung des Eigenkapitals beabsichtigte, zeigt auch die Formulierung,
    dass die neuen Stammaktien als eine Erhöhung des nominalen Stammkapitalanteils der Gesellschaft in Bezug auf jeden Aktionär
    und nicht als Einkommen anzusehen seien. Eine solche Formulierung hätte die RI Ltd. nicht wählen dürfen, wenn sie laufenden
    Gewinn oder Gewinnvortrag in Nennkapital hätte umwandeln wollen.



    bbbb) Dieser Charakter der Kapitalmaßnahme wurde von der RI Ltd. in dem Schreiben vom 15. März 2010 an die Luxembourg Stock
    Exchange noch einmal genauer erläutert. Dort wird eindeutig ausgeführt, dass die neuen Aktien aus der Erhöhung des Grundkapitals
    durch die Umwandlung von Kapitalrücklagen entstanden seien. Unmissverständlich wird ausgeführt, dass es sich bei der Kapitalmaßnahmen
    weder um eine Maßnahme anstelle einer Dividende noch um irgendeine andere Form von Einkommen für die Aktionäre handele. Es
    wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die hier vorliegenden Gratisaktien aus der Umwandlung von Kapitalrücklagen in Nennkapital
    nicht mit anderen Gratisaktien verwechselt werden dürften, die zu Einkünften bei den Aktionären führen. Diese Angaben sind
    eindeutig. Die RI Ltd. hat bestätigt, dass es sich bei der umstrittenen Kapitalmaßnahme um eine Kapitalerhöhung aus Kapitalrücklagen
    gehandelt hat. Es sind keine Anhaltspunkte vorhanden, dass die Aussagen der RI Ltd. unzutreffend sind.



    cccc) In dem Jahresbericht 2009/2010 führte die RI Ltd. auf Seite 16 und 17 aus, dass die Gesellschaft im November 2009 Gratisaktien
    durch die Kapitalisierung von Rücklagen ausgegeben habe. Auch diese Aussage ist eindeutig. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür,
    dass für die Kapitalerhöhung laufender Gewinn oder ein Gewinnvortragskonto verwandt worden ist. Für den Senat ist nicht ersichtlich,
    welche zusätzlichen Nachweise noch erforderlich sein sollten, um den Charakter der Kapitalerhöhung zu belegen. Der Beklagte
    hat nicht dargelegt, aus welchen Gründen er den Angaben der RI Ltd. kein Glauben schenkt. Angesichts der vorgelegten aussagekräftigen
    Unterlagen reicht es nicht aus, lediglich zu behaupten, dass der Klägerin der Nachweis nicht gelungen sei, dass die Erhöhung
    des Nennkapitals aus einem Rücklagenkonto und nicht aus einem Gewinnvortragskonto resultiere. Der Beklagte hätte Beweisanzeichen
    aufzeigen müssen, dass die Angaben der RI Ltd. nicht zutreffend sind.



    dddd) Insbesondere reicht der bloße Verweis auf die Empfehlung der Firma A nicht aus. Der Beklagte hat nicht dargelegt, auf
    welcher Tatsachengrundlage die Firma A ihre Empfehlung ausgesprochen hat. Es ist auch nicht klar, ob die Firma A in Kenntnis
    der hier vorliegenden Informationen immer noch davon ausgehen würde, dass kapitalertragsteuerpflichtige Bonusaktien vorliegen.
    Eine inhaltliche Argumentation für diese Einschätzung hat die Firma nicht geliefert. Sie hat lediglich angegeben, dass die
    vorhandenen Informationen unzureichend gewesen seien und dass sie sich angesichts der Haftung der Banken für den Kapitalertragsteuereinbehalt
    an die Leitlinie „in dubio pro fisco” halte. Das reicht nicht aus, um die Aussagen der RI Ltd. in den vorgelegten Unterlagen
    zu widerlegen.



    eeee) Im Übrigen ist in die Würdigung mit einzubeziehen, dass sich der Wert der ursprünglichen Anteile der Klägerin an der
    RI Ltd. (700 Stück) durch die Kapitalmaßnahme halbiert hat und durch die Gewährung der neuen Anteile (weitere 700 Stück) lediglich
    die ursprünglichen Wertverhältnisse wiederhergestellt worden sind. Daran wird ersichtlich, dass es sich - wie in dem Schreiben
    der RI Ltd. vom 15. März 2010 dargelegt - um einen sog. Aktiensplit gehandelt hat, der sich ausschließlich auf der Vermögensebene
    abspielte. Die Wertverhältnisse in dem Depot der Klägerin vor und nach der Kapitalerhöhung zeigen deutlich, dass der Klägerin
    bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nichts zugeflossen ist, was sie nicht schon vorher hatte. Vor diesem Hintergrund ist
    es bereits nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen zweifelhaft, ob der Zugang der neuen Aktien als Einnahme im Sinne
    von § 8 Abs. 1 EStG behandelt werden kann, weil er in einem untrennbaren Zusammenhang mit der gegenläufigen Entwertung der
    alten Aktien steht. Vor allem aber wird im Streitfall genau der Lebenssachverhalt verwirklicht, den der Gesetzgeber im Sinn
    hatte, als er die Vorschrift des § 1 KapErhStG geschaffen hat. Die Erwägungen des Gesetzgebers beruhten gerade auf dem Umstand,
    dass dem Anteilseigner bei einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wirtschaftlich betrachtet nichts zufließt, sondern
    nur der bislang in den ursprünglichen Aktien verkörperte Wert auf eine größere Anzahl von Aktien verteilt wird (vgl. BFH-Urteil
    vom 20. Oktober 1976 I R 56/74, BStBl II 1977, 177; zur Substanzabspaltung von den Altanteilen auch noch BFH-Urteil vom 21.
    Januar 1999 IV R 27/97, BStBl II 1999, 638 (allerdings zu einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen); BFH-Urteil vom 19. Dezember
    2000 IX R 100/97, BStBl II 2001, 345; BFH-Urteil vom 7. Dezember 2004 VIII R 70/02, BStBl II 2005, 468 Tz. 25 bei juris; BFH-Urteil
    vom 25. Februar 2009 IX R 26/08, BStBl II 2009, 658).



    ffff) Die Klägerin hat anhand der Zahlen aus dem Jahresbericht 2009/2010 dargelegt, dass die Kapitalerhöhung tatsächlich aus
    der Umwandlung von Kapitalrücklagen herrührt. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass ein Teil der Kapitalerhöhung (887,94
    Rs in crore) aus der „Capital Redemption Reserve” und der Rest (738,85 Rs in crore) aus dem „Securities Premium Account” stammt.
    Dies ergibt sich aus der Unterlage „Reserves and Surplus”, die von der Klägerin eingereicht worden ist. Dass es sich bei diesen
    Beträgen um die gesamte hier streitige Kapitalerhöhung handelt, wird aus dem von der Klägerin vorgelegten Auszug aus dem Jahresbericht
    2009/2010 (Seite 16 und 17) deutlich, in dem ausgeführt wird, dass 162.67.93.078 Stammaktien ausgegeben worden sind. Dies
    entspricht genau der Summe der beiden Teilbeträge (887,94 + 738,85 = 1626,79).



    gggg) Die beiden Konten, aus denen die Kapitalerhöhung finanziert worden ist, stellen beide Kapitalrücklagen dar. Die „Capital
    Redemption Reserve” ist eine Rücklage, die im Zusammenhang mit der Einziehung oder dem Kauf eigener Anteile zu bilden ist.
    Die Rücklage darf nicht zur Ausschüttung von Dividenden genutzt werden. Es handelt sich damit gerade nicht um ein Gewinnvortragskonto.
    Das „Securities Premium Account” ist ein Kapitalrücklagenkonto, das bei Über-Pari Emissionen den Agiobetrag aus den neuen
    Aktien erfasst. Auch insoweit liegt demnach kein Gewinnvortragskonto vor.



    hhhh) Nach Auffassung des Senats hat die Klägerin mit der Vorlage dieser Unterlagen ihre Nachweispflicht erfüllt. Es gibt
    zwar Verwaltungsanweisungen, die die Vorlage des Beschlusses über die Kapitalerhöhung, des Beschlusses über die letzte vorangegangene
    Gewinnverwendung, der letzten Bilanz vor der Kapitalerhöhung, der ersten Bilanz nach der Kapitalerhöhung, einen Nachweis über
    die Eintragung in das Handelsregister (wenn in dem ausländischen Staat ein entsprechendes Register geführt wird) und die Übersetzung
    aller Dokumente in die deutsche Sprache fordern (z.B. Verfügung der Oberfinanzdirektion Hannover vom 3. Juni 1991, Einkommensteuer-Kartei
    Niedersachsen, § 1 KapErhStG Nr. 1; vgl. auch Blümich/Broer, EStG - KStG - GewStG - Ertragsteuerliche Nebengesetze, § 7 KapErhStG
    Rz. 12). Nach diesen Verfügungen soll aber immer im Einzelfall entschieden werden, ob tatsächlich alle aufgeführten Unterlagen
    erforderlich sind, um die Voraussetzungen des § 7 KapErhStG zu prüfen. Im vorliegenden Fall reichen die von der Klägerin eingereichten
    Unterlagen aus, um zur Überzeugung des Senats nachzuweisen, dass es sich bei der Kapitalerhöhung um eine solche aus Kapitalrücklagen
    gehandelt hat (vgl. zur richterlichen Überzeugungsbildung, ob die Kapitalerhöhung aus der Umwandlung einer Kapitalrücklage
    in Nennkapital stammt, auch das Urteil des FG Düsseldorf vom 21. Juni 2000 16 K 101/89 E, juris).



    cc) Weitere Voraussetzung für eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln entsprechend den Vorschriften der §§ 207 bis 220
    AktG ist, dass die Kapitalrücklage oder Gewinnrücklage, die in das Grundkapital umgewandelt werden soll, in der letzten Jahresbilanz
    ausgewiesen worden ist (§ 208 Abs. 1 Satz 1 AktG, vgl. auch § 57d Abs. 1 GmbHG). Im vorliegenden Fall ist dies ausweislich
    der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen geschehen. Die Unterlage „Reserves and Surplus” war nach den Ausführungen in dem
    Jahresbericht 2009/2010 Bestandteil der Bilanz der RI Ltd. In dieser Unterlage sind die Kapitalrücklagen „Capital Redemption
    Reserve” und „Securities Premium Account” nicht nur für den Abschlusstag 31. März 2010 sondern auch für den vorherigen Abschlusstag
    31. März 2009 ausgewiesen.



    dd) Des Weiteren muss dem Kapitalerhöhungsbeschluss eine Bilanz zugrunde liegen, die geprüft und mit einem uneingeschränkten
    Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers versehen ist und deren Stichtag höchstens acht Monate vor der Anmeldung des Beschlusses
    zur Eintragung im Handelsregister liegt (§ 209 Abs. 1 AktG; vgl. auch § 57e GmbHG). Nach den Ausführungen in dem Jahresbericht
    2008/2009 der RI Ltd. erfolgte die Kapitalerhöhung und Ausgabe der Gratisaktien auf der Grundlage des testierten Abschlusses
    der RI Ltd. zum 31. März 2009. Dem Kapitalerhöhungsbeschluss vom 17. November 2009 lag daher eine geprüfte Bilanz zugrunde.
    Zwischen dem Stichtag, auf den die Bilanz erstellt worden ist und dem Kapitalerhöhungsbeschluss lagen auch keine acht Monate.




    ee) Allerdings gibt es keine Angaben darüber, ob und wann der Kapitalerhöhungsbeschluss in Indien in einem Register angemeldet
    worden ist. Dies kann aber auch dahinstehen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapErhStG müssen die neuen Anteile nur auf Maßnahmen
    beruhen, die einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nach den deutschen Vorschriften „entsprechen”. Dies bedeutet nicht,
    dass sämtliche Voraussetzungen der deutschen Regelungen in allen Einzelheiten erfüllt sein müssen. Es reicht aus, dass der
    materielle Wesensgehalt der Vorschriften erfüllt worden ist (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1976 I R 56/74, BStBl II 1977, 177;
    BFH-Urteil vom 5. April 1978 I R 164/75, BStBl II 1978, 414; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 30. Januar 1992
    XI 320/90, EFG 1992, 747; BFH-Urteil vom 14. Februar 2006 VIII R 49/03, BStBl II 2006, 520, Tz. 10 bei juris; Blümich/Broer,
    EStG - KStG - GewStG - Ertragsteuerliche Nebengesetze, § 7 KapErhStG Rz. 13). Die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses
    in einem ausländischen Register gehört nicht mehr zu den Wesenselementen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln; zumal
    viele ausländische Staaten ein solches Register überhaupt nicht führen. Deshalb kommt es trotz der in Deutschland erforderlichen
    Anmeldung und Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses zum Handelsregister (§ 210 Abs. 1 AktG, vgl. auch § 57i GmbHG) auch
    nicht darauf an, ob dies mit dem Kapitalerhöhungsbeschluss für die RI Ltd. ebenso geschehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar
    2006 VIII R 49/03, BStBl II 2006, 520: nur indizielle Wirkung; ebenso: Blümich/Broer, EStG - KStG - GewStG - Ertragsteuerliche
    Nebengesetze, § 7 KapErhStG Rz. 17). Unzweifelhaft ist die Kapitalerhöhung tatsächlich durchgeführt worden. Dies zeigt sich
    schon an den Depotauszügen der Klägerin. Deshalb ist der fehlende Nachweis der formalen Voraussetzung der Anmeldung und Eintragung
    des Kapitalerhöhungsbeschlusses in einem Register für die Bejahung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapErhStG nicht ausschlaggebend.



    ff) Von größerer Bedeutung für das Wesen der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln ist das Erfordernis, dass die neuen
    Aktien den Aktionären im Verhältnis ihrer Anteile am bisherigen Grundkapital zustehen (§ 212 AktG; vgl. auch § 57j GmbHG;
    vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 2006 VIII R 49/03, BStBl II 2006, 520: beteiligungsproportional; Blümich/Broer, EStG - KStG
    - GewStG - Ertragsteuerliche Nebengesetze, § 7 KapErhStG Rz. 18). Dieses ist im vorliegenden Fall eingehalten worden, weil
    jedem Aktieninhaber pro Aktie eine neue Aktie zustand.



    gg) Dementsprechend ist auch die weitere Voraussetzung eingehalten worden, dass das Verhältnis der mit den Aktien verbundenen
    Rechte zueinander durch die Kapitalerhöhung nicht berührt worden ist (§ 216 Abs. 1 AktG, vgl. auch 57m Abs. 1 GmbHG).



    c) Schließlich ist auch die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KapErhStG erfüllt, dass die neuen Anteilsrechte wirtschaftlich
    den Anteilsrechten entsprechen, die nach den in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapErhStG bezeichneten Vorschriften ausgegeben worden
    sind. Die jungen Aktien, die die Klägerin erhalten hat, entstammen der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vom 17. November
    2009.



    II. Es kommt auch keine Erfassung gemäß § 22 Nr. 2 EStG in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG in Betracht. Die Substanzabspaltung
    von den Altanteilen stellt weder einen Erwerb noch eine Veräußerung im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG dar. Der Gesellschafter
    hat die später erhaltenen Freianteile bereits mit dem Kauf der Altanteile angeschafft. Deshalb ist die ursprüngliche Anschaffung
    auch für die Jahresfrist des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG maßgeblich (BFH-Urteil vom 25. Februar 2009 IX R 26/08, BStBl II 2009,
    658).



    III. Der Senat gibt dem Beklagten auf, unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen die Einkommensteuer 2009 neu zu ermitteln
    100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
    beruht auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    VorschriftenAktG § 207, AktG § 208, AktG § 209, AktG § 210, AktG § 212, AktG § 216, EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, EStG § 22 Nr. 2, EStG § 23 Abs. 1 Nr. 2, GmbHG § 57c Abs. 2, GmbHG § 57d Abs. 1, GmbHG § 57i, GmbHG § 57j, GmbHG § 57m, KapErhStG § 1, KapErhStG § 7 Abs. 1